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tiée£ Bedi«g«nge»t i Awei Dollar» per Jahr, in VorauSbchaWW. Zchrgang 41: 9 *_ Roma» von Detlev v. Geyer». A (Fortsetzung.) Der Major von Brandt hatte, allen RaMherren der Stadt, so auch 'dem alten Löding einen feierlichen und ceremoniellen Besuch gemacht, der alte Herr hatte ihn vornehm, kühl und zurück haltend empfangen, der Major aber sprach ihm sein Bedauern aus, daß er, im Dienste des Fürstbischofs stehend, bei der Spannung, welche zwischen der zierung und der Bürgerschaft sich mehr zu entwickeln scheine, so im Stande sei, gesellige Bezie svngen anzuknüpfen, welche er doch 4 einer Stellung nach in den vornehm em Kreisen der Bürgerschaft suchen m&ffc unter denen ja Herr Löding und .der Bürgermeister den ersten Rang ein nähmen. Lisbeth zu entführen, so ist nöthig, die Alten so sorglos als möglich zu machen. 4 „Mag doch die Welt denken, daß Sie sich Ihre Liebe als eine Jugendthorheit ^aus dem Sinn geschlagen hätten —eis beth weiß ja, woran sie ist." „Ach, mein verehrter Freund," sagte ^Johannes, „Sie mögen Recht haben, «aber wie könnte ich lachen, scherzen und ^Thorheiten treiben mit. so viel Kummer Herzen!" „Wer dem Schicksal trotzen will," sagte Herr von Brandt, „muß vor Allem die /-Kunst der Verstellung lernen, denn mit Mst sind mehr Siege über die widrigen .Hügungen des Lebens errungen, als mit Wewalt. 4 „Die List war die wirksame Waffe der •^großen politischen Verschwörer,Brutus und ^FieSko erreichten ihr Ziel durch die Maske, ^welche alle Welt täuschte, und selbst Cä \far verbarg das Streben seines Ehrgeizes Runter den Thorheiten des lustigen Lebe .nannes. „Folgen Sie mir, lassen Sie uns hin ausgehen unter die Menschen, zeigen Sie Kaller Welt Ihr altes, übermüthiges, ^'fröhliches Gesicht, bald werden Sie auf !hören, ein Gegenstand der Aufmerksam keit zu fein, und wenn es dann Noth I thut, so werden Sie unbemerkt und ohne -â Schwierigkeit mit Ihrer Lisbeth davon i gehen und längst in Sicherheit sein, ehe man Ihre Flucht bemerkt." „Sie mögen Recht haben," sagte der junge Mann seufzend „es ist der erste Kampf, den ich mit dem Leben zu beste hen habe," fügte er dann mit trotziger ^Entschlossenheit, den Kopf emporwerfend -hinzu, „und ich will beweisen, daß ich zum -Kampf für meine Liebe gerüstet bin, eben so in List wie in Kühnheit." Er legte einen seiner reichsten und ko •fettesten Anzüge an und ging mit dem Major hinaus nach dem vor der Stadt gelegenen Moritzberge, einer lieblichen, gehölzumkränzten Anlage, welche von her Bürgerschaft häufig zum Ziele ihrer Ausflüge an den schönen Frühlingstagen gewählt wurde. Es lag hier in einem für die damalige Zeit hübsch und geschmackvoll angelegten Garten ein Wirthshaus, in welchem den Spaziergängern Milch und Backwerk, Braunschweiger und Hildesheimer Bier und auch leichte Rhein- und Moselweine verabreicht wurden zahlreiche von Lin lidenSäumen beschattete und von wildem .* Wein umrankte Lauben boten in dem Garten den Familien oder einzelnen be freundeten Gruppen abgeschlossene Ruhe 'I platze, und in den schönen Tagen des er .i wachenden Sommers waren dieselben fast an jedem Nachmittage von fröhlichen Be suchern angefüllt. Konrad Günther, der Wirth der Schenke auf dem Moritzberge, war ein alter, geschmeidiger und listig blickender Mann, welcher seine Gäste mit unermüd lichem Eifer bediente, alle Verhältnisse der Stadt auf das Genaueste kannte, mit Jedem nach dessen Sinne zu sprechen wußte und jeden Tag so geschickt seinen Eigenthümlichkeiten Rechnung tragend und in seiner Eitelkeit schmeichelnder Weise Recht zu geben verstand, daß Nie mand Etwas dagegen einzuwenden hatte, wenn er für seine stets guten und schmack haften Speisen und seine stets reinen und unverfälschten Getränke sich die möglich höchsten Preise zahlen ließ. Meister Günther hatte zwei schöne schlanke Töchter, welche ihn bei der Be s dienung seiner Gäste unterstützten—Beide waren eifrig, gewandt und geschickt, wie ihr Vater, aber freilich standen sie in dem Rufe, leichter Liebeständelei zugäng licher zu sein, als es sich für ehrsame Bür gerstöchter schickte, sie machten sich, wenn der Garten gefüllt war, auch hauptsäch tich an den Tischen zu schaffen, an wel chen die jungen, lebenslustigen Söhne der Bürgerschaft Platz genommen hatten, und erwiderten die kecken Scherzworte, welche die jungen Leute an sie richteten, mit keineswegs abweisendem Lächeln und mit halb verschämten, halb herausfor fremden Blicken, so daß das Gesicht man é» ibtsatWR Hausstätt sich in .,. I wie Der uttte Herr war, durch diese Wen dung geschmeichelt, viel freundlicher ge WSrdM imb hatte es nicht zurückgehe WG'M^WMajor auch auf die bedauer lichen Vorgänge am Abend seines ersten Gesuchs in der Domschenke das Gespräch lame und sich erbot, seinen Einfluß als erfahrener Weltmann auf den Sohn des Machèherrn geltend zu machen, um den selben von einer Verbindung, die so weit Anter seinen Stand hinabführe, zurüchu Bringen. Der alte Löding hatte dies Anerbieten «ifrig und dankbar angenommen, denn |eit er selbst in der Bewerbung um die .Tochter an die Stelle seines Sohnes ge treten war, hatte er um so mehr den Wuusch, die Familienangelegnheiten freundlich und ohne unliebsame Zer würfnisse zu erledigen, und so sah er es Henn ohne alle» Mißtrauen an, daß der Major mit seinem Sohne freundlich ver .kehrte, sich demselben auf den» Spazier gängen anschloß und ihn häufig in seiner Wohnung aufsuchte. Herr von Brandt war auf diese Weise .'der Tenraute aller Hauptbetheiligten an dem die ganze Stadt beschäftigenden Damiliendrama geworden, mid Jeder erhoffte von ihm die günstige Lösung der so verhängnißvoll verwickelten Ver Hältniffe. „S e muffen keine so trübselige Miene .zeigen, mein junger Freund," sagte der Major eines Tages, als er in Johannes Äöding's Zimmer trat und den jungen Mann, den Kopf auf die Hände gestützt, in düsterem Brüten* vorfand, „nur ein fröhlicher Geist überwindet die Schwie rigkeiten und dann glauben Sie mir, die ganze Bürgerschaft beobachtet Sie und Ihr Vater/Meister Löding, am Meisten gehen Sie mit einem solchen finsteren Ge umher, so werden die Alten mißtrau jijch, sie fürchten, daß Sie einen Anschlag Hegen sie im Schilde führen, und das ver doppelt ihre Wachsamkeit und macht auch ihren Eigensinn immer zäher, zeigen Sie jgine heitere, sorglose Miene, setzen Sie das lustige Leben fort, das Sie früher führten, so wird man glauben, daß Sie in jugendlichem Leichtsinn die Sache ver gesien haben. „Es ist das in der That eine ganz nothwendige Kriegslist, denn wenn es nicht gelingen sollte, den alten Lorenz --wenigstens mit Ihrer Liebe auszusöhnen, wenn wir gezwungen wären, die schöne strenge s i. Falten legte, wenn die braune Cordula oder die blühende Therese an den Tisch der Familien herantrat und ein dem Knabenalter entwachsener Sohn des Hauses vor den hellen Angen der schmuk ten Mädchen schüchtern und erröthend die Blicke zu Bod?n senkte. Johannes Löding war in der Zeit, als er von Helmstedt zurückgekehrt war, hier ein häusiger Gast gewesen. Der schöne, reiche und die Goldstücke seines Vaters mit vollen Händen aus streuende junge Mann hatte schnell die besondere Gunst der Töchter des Meister Günther errungen und flüsternd hatte man sich in der Stadt mit bedenklichem Kopfschütteln erzählt, daß er häufig bis spät in die Nacht hinein mit jungen Freunden, denen er ein Vorbild kavalier mäßiger Sitte war, auf dem Hofe desseU ben lustige Zechgelage gehalten, bei de nen die beiden Mädchen den übermüthi gen jungen Leuten fröhliche Gesellschaft geleistet hatten. Hierher lenkte Herr von Brandt seine Schritte und Johannes Löding gab sich alle Mühe, auf dem Wege, aus dem sie vielen Bekannten begegneten, eine sorg los heitere Miene festzuhalten, was ihm um so leichter wurde, da der Major nicht ermüdete, ihm fortwährend von der liebevollen Treue zu sprechen, die seine sbeth ihm bewahre, und ihm zu gleich darzulegen, wie leicht sich, wenn er nur erst die ängstliche Beobachtung von sich abgelenkt haben werde, eine Flucht mit seiner Geliebten bewerkstel ligen ließe, worauf dann der alte Lorenz wenigstens, der sein einziges Kind wie seinen Augapfel liebe, schnell zu besänfti gen und mit der vollendeten und unab änderlichcn Thatsache zu versöhnen sein würde. Der Garten dss Meister Günther auf dem Moritzberge war an dem schönen Frühlingsnachmittage dicht gefüllt von zahlreichem Besuch, auch viele der le benslustigen Freunde des jungen Löding waren dort versammelt, von denen er sich in der letzten Zeit scheu zurückgehal ten hatte. Sie eilten ihm, als er an der Seite des Majors den Garten betrat, ganz freudig über sein Wiedererscheinen, ent gegen, um ihn an .ihren Tisch zu füh-' ren, und die schöne Cordula flüsterte ihm mit verschämten Blicken lèise Vor würfe zu, daß er sich so lange nicht habe sehen lassen, während ihre Schwester Therese schnell davon eilte, um den von dem Major bestellten Rheinwein der be sten Marke aus dem Keller ihres Vaters herbeizuholen. Das Erscheinen des jungen Mannes, welcher seil mehreren Tagen das Stadt gespräch bildete, erregte unter allen im Garten versammelten Gruppen die leb hetfteste Aufmerksamkeit, noch mehr aber erstaunte man, als man sah, daß er, den man in Schmerz und Zerknirschung ver sanken glaubte, fröhlich mit seinen Freunden anstieß und im kecken Ueber miith die Hände der schönen Cordula ergriff, um sie zu sich heranzuziehen und ihre Wangen zu streicheln, was sie nur zögernd, und trotz ihres leichten Schmollens freundlich lächelnd ab wehrte. Mancher schüttelte den Kopf über den Leichtsinn der Jugend, manche Matrone und manches junge Mädchen seufzte bei dem Gedanken an die arme Lisbeth Jan sen, welche so leicht und schnell verges sen sei. Die Unterhaltung an dem Tisch der jungen Leute wurde immer lebhafter und fröhlicher, der Major von Brandt war unerschöpflich in Scherzen und lu stigen Erzählungen, er ließ die schnell geleerten Flaschen ohne weitere Fragen und Bemerkungen immer rotedea durch neue ersetzen. Die Wangen und Augen begannen zu glühen und immer freiere Witzworte flogen über den Tisch herüber und hin über. Die Sonne sank herab, die ehrsamen Bürger kehrten nach der Stadt zurück an dem Tisch der jungen Leute aber wur den die Unterhaltungen immer lauter und lustiger. Als alle Gäste verschwunden waren, setzten sich die beiden Mädchen zu den jungen Leuten der Major romltc Cor dula au Johannes Seite, dem er einen Becher nach dem andern vollschenkte, während unter allgemeinem Jubel im mer neue Trinlsprüche ausbrachen. Das üppige Mädchen lehnte sich an die Schulter des jungen Mannes und nippte vertraulich aus seinem Glase. Johannes, der zuerst dem Rath seines weltkundigen Freundes folgend sich zu künstlicher Heiterkeit gezwungen hatte, fühlte endlich im Kreise der fröhlichen Genossen und angeregt von dem Geiste des Weins die fröhliche Jugendlust in sich wieder erwachen, er vergaß seine Sorge, freudige Hoffnung schwellte sein Herz. Bald war er der Tollste und Ausge lassenste in dem lärmenden Kreise, und als man endlich spät am Abend unter lautem Lachen und Jubeln nach der Stadt zurückkehrte, da war Jedermann über zeugt, daß der junge Löding allen Liebes rummer überwunden habe, denn er war lustig, witzig und übermüthig gewesen wie sonst, und Alle hatten es gesehen, daß beim Abschied die schöne Cordula einen inbrünstigen Kuß auf seine Lippen ge druckt hatte. „So war es recht, mein junger Freund," sagte der Major von Brandt, „Ich bin mit Ihnen zufrieden fah ren Sie fort gehen Sie jeden Tag hinauf nach dem Moritzberge, trinken Sie von dem Wein des Meister Günther und küssen Sie seine schönen Töchter, dann wird man nach acht Tagen nicht mehr von Ihrer Liebesgeschichte spre chen und Sie können, wenn es nöthig ist, am hellen Mittag mit Ihrer Lisbeth aus den Thoren von Hildesheim hinaus gehen." „Und doch," sagte Johannes seufzend, „fühle ich es fast wie ein Unrecht, selbst dieser Schein der Fröhlichkeit erscheint mir wie ein Verrath an dem theuren Mädchen, das weinend und sorgend mei ner gedenkt." „Sie weint nicht und sorgt nicht," sagte der Major lachend, indem er Jo hannes zum Abschied die Hand drückte „sie weiß ja, daß Sie ihr treu sind und daß bald die Stunde schlagen wird, in der sie dem Schicksal zum Trotz in Ihrem Arm ruhen soll dafür bin tch da, ver lassen Sie sich auf mich." „Wie soll ich ^Jhnen jemals für Ihre Freundschaft danken, Herr Major!" sagte Johannes. Herr von Brandt aber drängte ihn in die Thür seines Hauses und sagte: „Warten Sie mit Ihrem Dank, bis Alles vorbei ist—was thue ich denn Gro ßes es macht mir Freude, die alten Starrköpfe zu überlisten träumen Sie von Ihrer Lisbeth morgen werde ich Ihnen ihre Botschaft bringen." Laut hallenden Schrittes eilte er schnell über das Straßenpflvster dahin, die Dunkelheit der Nacht umhüllte se.in Ge sieht, aber er mußte zufrieden mit seinem Werke sein, denn mehrmals rieb er sich auf dem Wege nach seiner Wohnung ganz fröhlich die Hände, wie ein Mann, der mit festem Siegesbewußtsein die Er reichung eines lockenden Zieles nahe vor sich sieht. Siebentes Kapitel. *. I«- V^""1' *-f* -»-Vs' -y ', V' sr'~r „V ,*v ~X *i*~ w. t,v Mei»hartz««h Kiese», Herausgebert^^â- -'r-^ r*^ .- '$r V ^'7. .--- -. 7 "X y v *.j.=K»,^".-y, .js^y M» ^-, V 1 ».-/ alter, lustiger und übermüthiger Weise sich auf dem Moritzberge mit seinen Ge noffen vergnügt habe, war am anderen Morgen in der ganten Stadt verbrei tet. Auch der alte Löding erfuhr da von, und obwohl er sonst es nicht an ernsten Mahnungen an seinen Sohn hatte fehlen lassen, daß derselbe die leich ten Sitten seines StuBententebens auf zugeben habe, so war er doch dießmal nicht unzufrieden über die wiedererwachte lebenslustige Heiterkeit des jungen Man nes. Er zürnte demselben kaum noch über seine Weigerung, der Tochter des Bür germeisters die Hand zu reichen, da er ja dadurch selbst die reizende Braut erlangt hatte, welche immer mehr seine Sinne ge fangen nahm und ihn mit kaum noch ge ahntem Liebesglück berauschte. Wohl aber hatte er den dringenden Wunsch, diese ganze Sache ohne das peinliche Auffehen eines Familienzer würfniffes zu beenden, und wenn sein Sohn das ihm jetzt doppelt verhaßte Verhältniß mit der Tochter des Dom schenkenwirthes aufgab, so hoffte er, daß der junge Mensch unter den zer streuenden Eindrücken einer mehrjâhri gen Abwesenheit sich auch mit der Hei rath seines Vaters aussöhnen und daß dann freundliche Ruhe und Frieden in fein neu gegründetes, zu so hohem Glanz emporsteigendes Haus wieder einkehren werde. Er begrüßte feinen Sohn, der ein we nig bleich und erschöpft über seinen Rech nungsbüchern saß, heute freundlicher als sonst, ja er reichte demselben sogar seine Hand und theilte ihm mit wenigen herz lichen Worten mit, daß er für ihn eine angenehme, vortheilhafte und lehrreiche Stellung in dem Hause eines Geschäfts freundes in Emden in Aussicht genom men habe. Er sprach die Hoffnung aus, daß das Leben in neuen Verhältnissen und das Interesse an einer neuen Thätigkeit ihm die wohlgemeinten Absichten seines Va ters, der für ihn denken und sorgen müsse, besser zu verstehen und zu würdigen leh ren werde. Johannes druckte ehrerbietig und herz Hch seines Vaters Hand, aber er hielt die Erwidernng, welche aus seinen Lippen schwebte, mit einem leisen Seufzer zu rück, denn er gedachte der Mahnung des Majors, dessen Voraussicht sich so schnell bewährte. Er mußte ja vor Allem die auf ihn ge richtete Beobachtung täuschen und die Aus merksamkeit ablenken, um freie Hand für die Ausführung der Pläne zu gewinnen, durch welche er sein künftiges Liebesglück zu sichern hoffte. Er fetzte, wenn auch widerstrebenden Herzens, seine Besuche auf dem Moritz berge fort, und die Heiterkeit, welche er dort zur Schau so sprudelnder und mehr er sich, seiner mung entgegen, zu mußte. trug, erschien um übermüthiger, je eigentlichen Stim derselben zwingen Er scherzte mit seinen Freunden, er tändelte mit der schönen Cordula, und der Major, der ihn auf feinen Ausflügen be gleitete, sorgte dafür, daß stets eine Ge sellschaft von jungen Leuten bis zum spä ten Abend zu lustigen Gelagen um den ganz seiner Führung folgenden jungen Mattn versammelt blieb. Auch Meister Lorenz hatte von der so schnellen und plötzlichen Sinnesänderung des jungen Löding gehört, und wenn es auch seine väterliche Eitelkeit ein wenig verletzte, daß seine Tochter von dem jungen Menschen so schnell vergessen war, so freute er sich doch darüber, weil ja dadurch das letzte Hinderniß seiner ehr geizigen Pläne beseitigt wurde. Er un terließ nicht, ganz triumphirend seiner Lisbeth mitzutheilen, was er über das lustige t'e&en ihres Geliebten erfahren, um ihr zu beweisen, wie wenig Ernst die fer selbst seine Liebeständelei mit ihr ge nommen habe. Zwar glaubte er, dieß bei dem jun gen Mädchen kaum noch nöthig zu ha ben, denn sie hatte ja unter dem Zuspruch des Majors von Brandt, dem der Alte an jedem Morgen unter irgend wel chem Vorwande Gelegenheit gab, rüt ihr eine Zeitlang ungestört zu verkehret, ihre ganze frühere Ruhe wieder gewon nen, und wenn auch ein gewisser feier licher Ernst auf ihren sonst so kindlich lächelnden Zügen lag, so verdunkelte doch keine Thräne mehr ihre hellen Au gen, und ruhig und pünktlich wie sonst versah sie ihre Geschäfte im väterlichen Haushalte. Der alte Lorenz unterließ nicht, feiner Tochter mitzutheilen, daß der junge Lö ding lustige Gelage aus dem Moritzberge halte und eine anstößige Vertraulichkeit zu den übel beleumundeten Schwestern Günther zeige, er knüpfte daran die Mahnung, daß Lisbeth einen so leicht sinnigen Menschen vergessen müsse, da sie sich selbst erniedrigen würde, wenn sie noch länger um seinetwillen weine und klage und vielleicht brave und ehren hafte Männer, die sich sonst um sie be werben möchten, zurückschrecke, während Jener sie in den Armen leichter Dirnen ver jöhne. Schon hatte er es aus der Zunge, von der Werbung des Majors und von der hohen, ehrenvollen Stellung, welche sie als Gattin eines so ausgezeichneten Edel mannes einnehmen werde, zu sprechen, da siel ihm noch zur rechter Zeit das strenge Verbot des Herrn von Brandt ein, und er verschluckte seine Worte unter einer zornigen Verwünschung gegen den jungen, übermüthigen und zügellosen Menschen, der nur von der Helmstedter Hochschule zurückgekehrt sei,, um die guten alten Sitten seiner Vaterstadt zu unter graben. Lisbeth war bei den Worten ihres Va ters erbleicht, und ihr Herz hatte sich krampfhaft zusammengezogen, schnell aber gewann das gläubige Vertrauen, das so unzerstörbar in den liebenden Herzen wur zelt, wieder die volle Herrschaft, sie war überzeugt) daß die Worte ihres Vaters nur die "Absicht hatten, sie von ihrer Liebe abzuwenden und Johannes bei ihr zu verdächtigen. Mit einem Lächeln zuversichtlicher Ueberzeugung wendete sie sich ab ohne ein Wort der Erwiderung. Es war ja unmöglich, daß Johannes sie vergessen und seine heiligen Schwüre so verletzen könne sie wußte es besser, sie trug seinen Brief auf ihrem Her zen, und wenn sie auch seitdem kein weiteres Schreiben von seiner Hand er halten, so brachte ihr doch der Major täglich seine Grüße und empfing von ihr einige Zeilen, welche die immer neue Ver sicherung enthielten, daß ihre Liebe un wandelbar sei und daß sie, wenn es sein müsse, Alles verlassen wolle, um ihm zu folgen, dem sie vor Gott ihre Treue gelobt. Freilich, als sie in der Einsamkeit ihrer Kammer Alles immer und immer wieder überdachte, da begann der böse Wurm des Mtftrauens, so sehr sie ihn auch nie derzukämpfen arbeitete, immer wieder und wieder sich in ihrem Herzen zu re gen, denn das ist ja der Fluch eines bö fett Wortes, daß es wie eine giftige Saat immer und immer wieder keimt und die Triebe des Unheils emporsprie ßen läßt, welche dichter und dichter die Seele umranken und ihr langsam die Kraft des Glaubens und des Vertrauens aussaugen. Lisbeth hielt fest an der Ueberzeugung daß ihr Vater sie täuschen wolle, sie klam merte sich mit aller Kraft ihrer Liebe und Sr--ir Treue an den Glauben zu ihrem Gelieb ten, aber immer und immer wieder stieg das böse, häßliche Bild vor ihr auf, das die Worte ihres Vaters in ihr geweckt hat ten. Sie sah ihren Johannes der bis jetzt mit dem Antlitz voll flammender Be gersterung, mit den Augen voll Treue und Wahrheit ihr vorgeschwebt hatte, wie er, den Drohungen,ihres Vaters trotzend, an ihrer Seite gestanden, vor sich, lachend und taumelnd im Kreise lustiger Zecher, umgaukelt von den beiden üppigen Mäd chen, welche sie nur flüchtig auf dem Mo ritzberge gesehen. Sie schüttelte unwillig den Kopf, um das häßliche Bild verschwinden zu lassen sie betete zu allen Heiligen des Himmels, ihren Glauben und ihr Vertrauen nicht wanken zu lassen, aber doch stieg immer wieder das böse Bild vor ihr empor, sie mit Grauen und Entsetzen erfüllend. Der Major von Brandt kam am nach sten Morgen, und wie an jedem Taye, sendete Meister Lorenz seine Tochter hm ab, um statt seiner den Gast zu bedienen, den die schöne Lisbeth bereits als treuen Freund begrüßte und dessen Ankunft sie täglich mit Ungeduld erwartete.' Er brachte Ihr 'wie immer einen Gruß von ihrem Johannes, aber feine Miene schien heute ernster als sonst, und es kam ihr vor, als ob er sie mit sorgenvollen und mitleidigen Blicken betrachtete. Sie er zählte ihm zwar mit lächelnden Lippen, aber doch zitternd und hochklopfenden Herzens, was ihr Vater ihr gesagt habe, um ihren Geliebten bei ihr zu verdächti gen und sie von der Treue gegen ihn ab zuwenden. Der Major sah sie einen Augenblick ernst und leicht seufzend an, dann sagte er wie zögernd und mit einer heiteren Zuversicht die ein wenig gezwungen er schien, es sei ja natürlich, daß man ihre Liebe durch Mißtrauen zu tobten suche, Vertrauen sei ja das Kennzeichen edler Herzen. Er vermöge es nicht zu glauben, daß der junge Mann, für den er selbst eine so freundliche Zuneigung empfinde, sich ihrer Liebe so unwürdig zeigen könne, und er wolle nicht daran zweifeln, daß Johannes die Probe bestehen werde. Seine Worte schienen fest und zuver sichtlich, aber er sagte das Alles mit einem so eigenthümlichen, und mitleidigen und zuweilen beinahe drohenden Ton, daß Lisbeth ihr Herz in neuer qualvoller Angst zusammenzucken fühlte. „Nein, nein!" rief Herr von Brandt, indem er mit feurigen Augen das junge Mädchen betrachtete und ihre Hand, die er treuherzig ersaßt hatte, wie zufällig an seine Lippen führte, „nein, nein es ist unmöglich, so viel unverantwortlicher Leichtsinn kann in einem Menschenherzen nicht Platz finden glaubt es nicht, was man Euch sagt, haltet fest an dem Ver trauen zu ihm, er kann, er darf es nicht täuschen, denn wenn er es thäte, bei Gott ich wäre im Stande, blutige Rechenschaft von ihm zu fordern. „Ihr seid so hold und schön ivie eine Blume des Frühlings, und wer Euch kränken und täuschen könnte, der müßte kein menschliches Herz in seiner Brust ha ben. Ich bin nur Euer Freund, mir gehört nicht der süße Duft der Liebe, wie Jenem, aber das schwöre ich Euch, Nie mand auf Erden sollte es wagen. Euch zu nahe zu treten, so lange ich an Eurer Seite stehe, mein Arm wird stets erhoben sein, Euch zu schützen, und ich möchte Euch auf meinen Händen durch das Leben tra gen, daß kein harter Stein des Weges Euren Fuß berührt." Er zog sie an sich und drückte sie einen Augenblick, wie von unwillkürlichem Ge fühl fortgerissen, an seine Brust. Lisbeth sah bleich und zitternd zu ihm auf aus allen seinen Worten klang es ihr entgegen wie ein düsteres, drohendes Geheimniß. Er sprach ihr von Glauben und Ver trauen, aber von seinen Lippen schien das Gift des Mißtrauens in ihre Seele zu dringen, und doch überkam sie wieder ein freudiges Gefühl der Sicherheit bei den warmen Worten, in denen er ihr feinen Schutz und Beistand verhieß. Sie drückte innig seine Hand und sagte, während ihre Augen sich in in feuchtem Schimmer verhüllten: „Sagen Sie ihm, Herr Major, daß ich ut ihn glaube, daß ich ihn liebe mit aller Kraft meiner Seele, daß ich bereit bin, für ihn Alles zu missen und Alles zu leiden. Sagen Sie ihm das und helfen Sie mir mein Herz schützen gegen die Zweifel, mit denen man meine Liebe oergiften möchte." Sie wendete sich schnell um und ging hinaus. Der Major sah ihr mit wundersam funkelnden Blicken nach, in denen flam mende Leidenschaft mit höhnischer Freude sich mischte. Es verflossen einige Tage—der Major ging ab und zu zwischen den beiden Lie benden und brachte ihnen Botschaft von einander, Beiden versprechend, daß er bald eine Begegnung vermitteln und den bestimmten Plan für ihre Flucht feststel len werde, wenn es ihm nicht endlich doch noch gelingen sollte, wenigstens den har ten Sinn des Meister Lorenz Jansen zu erweichen und denselben dazu zu bewegen, daß er, um dem alten Löding noch ent schiedener zu trotzen, die Zustimmung den beiden jungen Leute gebe. Er war während dieser Zeit mehrmals allein tfttch dem Moritzberge gegangen und hatte eine längere Unterredung mit der hübschen Cordula gehabt, bei welcher deren Vater und Schwester nicht zugegen waren, aber es schien nicht, daß Liebes tändelei den Gegenstand dieser Untern dung bildete, er sprach ernsthaft mit dem aufmerksam zuhörenden Mädchen und mußte ihr wohl bestimmte Vorschriften für ihr Verhalten geben, denn sie nickte wiederholt verständnißvoll mit dem Kopf, als ob sie Alles wohl begriffen habe und versprechen wolle genau auszuführen, was er ihr sagte. Endlich drückte er ihr, ängstlich um herspähend, ganz verstohlen ein kleines Päckchen in die Hand und eilte dann schnell davon, um einige Stunden später mit Johannes Löding und einigen von dessen Freunden wieder zu erscheinen und in gewohnter Weise zu trinken und zu scherzen. Am Morgen, nachdem dies geschehen war, erhielt Johannes in aller Frühe schon durch einen Musketier ein Billet des Majors. „Gehen Sie sogleich," schrieb ihm die ser, „nach dem Moritzberge hinauf und erwarten Sie mich dort. Es werden am Vormittag keine Gäste dort sein, ich habe noch eine Stunde Dienst und komme dann, um Ihnen Wichtiges mit zutheilen. „Die Entscheidung naht, es ist jetzt wichtiger als je, daß Niemand unser Ein Verständniß ahne und jeder Verdacht fern gehalten werde, man darf uns deshalb nicht zu viel miteinander sehen.. Eilen Sie, mich zu erwarten, und verbrennen Sie diese Zeilen." Johannes beeilte sich, dieser letzten Warnung folgend, das Billet des Majors tu Asche zu verwandeln, und ging dann sogleich hochklopfenden Herzens und in äußerster Spannung nach dem Moritz berge hinauf. warmen Blicke und das lockende Lächeln des verführerischen Mädchens noch weni ger als sonst. Er suchte seinen Platz in einer durch dicht belaubte Weinrattken fast verdeck ten Laube und bestellte eine Flasche Moselwein, welche herbeizuholen Corvu la dienstfertig davoneilte. Ihre Schwe ster war nicht sichtbar, ebensowenig der alte Gunther, der in der Stadt zu thun hatte. Sie nahm zwei grün«. Römerbecher aus dem Glasschrank des Schenkzim mers, da sie gewöhnt war, den Gästen Bescheid zu thun, und ging in den Gar ten hinaus, um zu Johannes zurückzu kehren, aber sie nahm einen und hinter den dichten Ranken emer anderen Laube verborgen, zog sie eine kleine Papierdüte aus ihrem Mieder hervor und schüttete den Inhalt der selben, ein weißes Pulver, in die ent korkte Flasche, aufmerksam beobachtend, wie dasselbe sich sogleich auflöste, ohne den Wein zu trüben öder zu färben, dann eilte sie in die Laube, in wel eher der junge Mann und nach denklich sots, stellte den Wein vor ihn hin, schenkte eines der Gläser bis zum Rande voll, während sie in das andere nur einige Tropfen füllte sie stieß dann mit ihrem Gast an und hob ihr Glas bis zum Munde empor, ohne daß jedoch ein Tropfen seines Inhaltes ihre Lippen be rührte. Johannes war durch den Weg, den er, von seiner Ungeduld getrieben, in der warmen Morgensonne mit verdoppelten Schritten zurückgelegt hatte, erschöpft und durstig, er leerte seinen Kelch mit einem Zuge, und schnell füllte Cordula densel ben wieder voll. Sie setzte sich an seine Seite und begann neckend und scherzend zu plau dern, und wenn er ihr auch nur kurze, einsylbige und zerstreute Antworten gab, so wehrte er sie doch, ganz mit seinen Gedanken beschäftigt, nicht ab, als sie seine Hand in die ihrige nahm und sich Ume chelnd an seine Schulter lehnte. Er leerte sein Glas, das sie ihm im mer wieder voll schenkte und baneichte, zum zweiten und dritten Mal, und bald begann es in eigenthümlicher Weise vor seinen Augen zu flimmern, eine sonder bare Betäubung umfing seine Sinne, ver wirrt und unzusammenhängend wurden die Worte, die er sprach, er strich mit der Hand über seine Stirn, als wolle er eine Wolfe von seinem Haupte ver scheuchen. Er sprang auf und blickte wie fragend und suchend umher, aber sein? Augen umflorten sich, er sank auf seinen Stuhl zurück, sein Haupt lehnte sich müde an Cordula's Brust und im be täubenden Schlummer schwanden seine Sinne. Cordula beobachtete ihn prüfend, sie schien in dem Allem nichts Auhergewöhn liches zu finden, vielmehr nut dem so plötzlich und übermächtig ihn erfassen den Schlummer äußerst zufrieden zu sein. Sie wendete ihn, sein Haupt mit ihren Händen stützend, auf feinem Stuh le um, daß er den Eingang der Laube im Rücken hatte, dann fetzte sie sich neben ihn, lehnte fein schweres Haupt an ihre Schulter und betrachtete mit glühen den Blicken, aufmerksam nach dem Gar ten hinlauschend, sein jugendlich schö nes Gesicht zuweilen strich sie liebko send über sein Haar und küßte seine geschlossenen Augen und seine von tie fen/schweren Athemzügen geöffneten Lip pen. Nachdem sie so eine Zeitlang dage sessen, hörte sie Schritte auf dem Kies wege des Gartens, welche sich der Laube näherten, sie erkannte die Stimme des Majors von Brandt, aber sie änderte ihre Stellung nicht, sie drückte das Haupt des Schlafenden nur noch fester an sich und zog aus ihrem Buseistuche ein Papier hervor, das sie entfaltete und vor sich emporhielt, als ob fie eifrig da rin lese. Der Major war früh schon, nachdem er das Kommando der militärischen Uebungen seiner Truppe an diesem Tage dem Hauptmann Könnecker zu des sen großer Genugthuung übertragen, in der Domschenke erschienen, und wie an jedem Tage hatte sich Meister Lorenz in seinen Keller zurückgezogen, um dem Major zu einem Gespräch mit Lisbeth Gelegenheit zu geben, nachdem dieser ihm noch versichert, daß das Mädchen schon fast ganz wieder zur Vernunft ge bracht sei und daß sie in kurzer Zeit ohne alles Sträuben in die Verbindung willigen würde, welche der Ehrgeiz des Schenkwirths so sehnsüchtig erwartet hatte. „Schnell, schnell!" sagte der Major, als Lisbeth in das Schenkzimmer trat, „macht Euch fertig, auszugehen Ihr sollt ihn sehen, Ihr sollt ihn sprechen, die Vorbereitungen sind getroffen, wir wollen Alles verabreden, und in weni gen Tagen schon sollt Ihr mit ihm in glücklicher Sicherheit sein, um ruhig ab zuwarten, bis der Eigensinn Eures Va ters sich mit Eurer Liebe versöhnt, wozu ich dann schon das Meiniae beitragen werde, denn bei Gott, ich bm Euer Freund," fügte er, warm ihre Hand drü ckend, hinzu, „und ich würde mein Leben für Euch geben." Lisbeth drückte erröthend und erblei chend die Hand auf ihr Herz so sehr die Hoffnung, den Geliebten wiederzu sehen, sie entzückte, so bebte sie doch zugleich in angstvoller Furcht vor der nun so nahe an sie. herantretenden Ent scheidung über ihr ganzes künftiges Le ben, dessen Glück sie mit der Verletz ung ihrer kindlichen Pflichten erkaufen sollte. „Ihn sehen, ihn sprechen V fragte sie, „und wie soll das geschehen?" „Schützt einen Gang in irgend ei nem häuslichen Geschäft zu irgend einer Freundin vor, Euer Vater wird Euch keine Schwierigkeiten entgegenstellen ich werde feinen Argwohn beseitigen, und bann geht hinaus vor das Thor auf den Moritzberg, dort werdet Ihr mich finden,, es ist besser, wenn man uns auf den Straßen nicht beisammen sieht, oben im Garten des Meister Günther erwartet er uns. Ich habe da für gesorgt, daß Ihr ihn ungestört spre chen könnt." „Auf dem Moritzberge?" fragte Lis beth scheu und zögernd. Die Erinne rung an die Worte ihres Vaters stieg in ihr auf, und es erfüllte sie mit ei ner dumpfen Bangigkeit, daß sie dort gerade ihren Geliebten wieder sehen sollte. „Es ist der beste Ort," sagte Herr von Brandt, „dort seid Ihr um die Vormit tagsstunde vor jedem Beobachter sicher— doch eilt, eilt! er wird uns ungeduldig erwarte«." Lorenz trat wieder ein, Herr von Brandt bat ihn selbst um die Erlaubniß für seine Tochter, um einen Ausgang in die Stadt zu machen. Bereitwillig stimmte der Alte zu. Lisbeth eilte hin aus, um sich zu dem verhangnißvollen Gange anzukleiden. Herr von Brandt plauderte noch einige Augenblicke mit dem Schenkwirth, dann entfernte auch er sich mit dem Bemerken, daß seine Soldaten ihn aus dem Exer zierplatze erwarteten. Tie schöne Cordula kam chm entgegen Eine Viertelstunde später traf er in et und grüßte ihn heute, da der ganze1 niger Entfernung von dem Stadtthor mit Garten noch leer war und er keine Ge- der ängstlich umherspähenden Lisbeth zu sellschaft mitbrachte, herzlicher und ver- santntert, welche niedergeschlagenen Bli traulicher Als jemals er aber beachtete ckes und fast fürchtend, daß jeder Vor in seiner Unruhe und Aufregung die übergehende ihr das Ziel ihres Ausgangs auf dem Gesichte ablesen müsse, ul^r die geht ich werde meine Würde bewah Straße geeilt war, nur furchtsam und ren und nicht vor mir selbst zu etröthen scheu die Grüße der ihr begegnenden Be- haben." kannten erwidernd. Der Major plauderte auf dem Wege, während sie in ftbnsüchtiger Ungeduld ihre Schritte mehr und mehr beschleunig te. Heiter und unbefangen, vom blauen Himmel strahlte das reine Sonnenlicht auf die frühlingsgrüne Landschaft her ab. Lisbeth schien es, als ob mit den Häu fern der Stadt alle dumpfen Sorgen und Schmerzen hinter ihr zurückwichen, und immer hoffnungsvoller und freudiger schluq ihr Herz dem Wiedersehen mit dem Umweg, Geliebten entgegen. Endlich traten sie in den Garten, der im Frühlingsmorgenschein schimmernd und duftig vor ihnen dalag. Niemand war zu erblicken, nur die Vögel wiegten fick zwitschernd in den Z.veigen oder hupften auf den frisch geharkten Wegen umher, die Frühlingsblumen auf den Beeten öffneten ihre Kelche, die ersten Obstbäume blühten und die Zweige wiegten sich im schmeichelnden Win^ hauch. Es schien, als ob die ganze Natur hier noch unbelauscht von neugierigen Blicken, noch unentweiht von dem Treiben der Welt in stiller Feierstunde ihren Dank dem Schöpfer entgegenathmete, der sie so schön und herrlich gemacht. Reine Freude, selige Hoffnung erfüllte Lisbeth's Herz und leuchtete von ihrem Gesicht hier, wo die game Pracht und liebliche Anmuth des aufblühenden Früh lings ihr entgegenschimmerte, sollte sie ja den Geliebten wieder an ihr Herz drü efen, den sie während schwerer, banger Tage kaum noch jemals wiederzusehen gehofft hatte. „Kommt," sagte der Major, indem er die Hand des Mädchens ergriff und sie mit sich fortzog, „ich kenne den Platz, an dem er zu sitzen pflegt, er wird auch jetzt dort fein und von Euch träumen, wir wollen ihn überraschen leise, damit er uns nicht hört und die Freude dann um o größer tst." Er zog das in wonniger Erwartung erreichende Mädchen mit sich fort, und auch seine Blicke flammten hell auf, aber der Strahl, der aus feinen Au en hervorschoß, glich dem Blitz, der an eißen Sommertagen durch die schwule Luft fährt, unheilvolles Wetter verkün dend. Der Major hatte Lisbeth's Hand er« 'aßt und führte sie vor die Laube, über deren Ausgang die Zweige des wilden Weins dicht herabhingen er bog die Ranken zurück und schob Lisbeth. selbst 'ich hinter dem Blätterwerk verbergend, vor. Sie tauchte den sehnenden Blick in den grünen Schatten der Laube, der ge gen das helle Sonnenlicht draußen wie matte Dämmerung erschien mit glück Itchem Lächeln und die Arme ausbreitend wollte sie unter das goldgrüne Blätter dach treten, da aber blieb' sie wie ange wurzelt stehen, ihre Augen öffneten sich weit, starres Entsetzen und Todtenblässe bedeckten ihr Gesicht, und ihre eben noch sehnsüchtig ausgestreckten Arme schienen ein gespenstisches Schreckbild abwehren zu wollen, denn in der schattigen Däm merung der Laube sah sie ihren Gelieb ten, den sie mit dem ersten Blick erkannte, rotnn er auch das Gesicht ihr nicht zuge wendet hatte, in den Armen eines scho nen, üppigen Weibes ruhen, sein Haupt lehnte an deren Schulter, und er schien ganz verloren in brünstiger Hingebung, dies Weib aber—sie erkannte sie an der Tracht und Haltung, denn sie war früher zuweilen schon hier oben gewesen sie wußte, auch ohne die Züge des ebenfalls abgewendeten Gesichts zu sehen, daß es jene leichtsinnige, sittenlose Cor dula war, von welcher ihr Vater ihr ge brochen. Das Weib schien ihr Nahen nicht zu bemerken, denn sie blieb ruhig sitzen, den Arm um den an ihrer Brust ruhenden Jüngling geschlungen, sein Haar strei chelnd und seine Augen und Lippen küs [end. Sie war ganz in ihr kosendes Lie besspiel versunken, in der Hand hielt sie ein Papier, zwischen den Küssen, mit denen sie sein Gesicht bedeckte, las sie des sen Inhalt laut lachend mit spöttischer Stimme. Lisbeth fühlte, wie all ihr Blut eis fält zu ihrem Herzen zurückströmte, denn die Worte, die sie dort höhnend von Cordula's Lippen hörte, waren ja die selben, die sie aus der Tiefe ihres liebe vollen und bekümmerten Herzens herauf an Johannes geschrieben es war kein Zweifel ihr Vater hatte Recht Jo hannes hatte sie vergessen, verrathen er hatte den Gruß ihrer Liebe, die Botschaft ihres glücklichen Vertrauens, ihrer Treue, ihrer Hoffnung dem Hohn und Spott einer leichten Dirne preisge geben. Ihre Sinne schwanden. Alles drehte sich im taumelnden Kreise vor ihren Au gen sie schwankte und griff nach den Ran ken der Laube, um einen Halt für ihre brechende Kraft zu finden. Der Major sprang heran und fing sie in seinen Armen auf. Cordula wendete den Kopf um und rief lachend: „Nicht hierher, mein Freund, diese Laube ist besetzt, suchen Sie sich einen an dem Platz." Der Elende!" flüsterte Herr von Brandt, „ich fürchtete, daß er bei sei nem Leichtsinn die Probe nicht bestehen werde." Schnell riß er Lisbeth mit sich fort, aus dem Schatten der Laube heraus tönte ih nen Cordula's lustiges und höhnisches Lachen nach. „Fort, fort von hier!" rief Lisbeth mit erstickter Stimme, indem sie, kraftlos in des Majors Arm hängend, dennoch wie von innerem Entsetzen fortgetrieben, wieder nach dem Ausgange des Gartens hineilte. Am Abhänge des Berges verließen sie ihre Kräfte, fie sank auf den Rasen ant Rande des Weges nieder, faltete die Hände über ihrer Brust und die thränen losen Blicke zum Himmel aufschlagend, stöhnte fie leise: „O, wie ist es möglich—kann die Son ne dort oben ihren Weg fortsetzen, nach dem ihr Strahl so viel Niedrigkeit, so viel Verrath beleuchtet hat?!" Herr von Brandt beugte sich theilneh« mend zu ihr herab. „Kaum vermag ich ein Wort zu Eu rem Troste zu sprechen," sagte er, „doch vielleicht ist der Schein gegen ihn, er kann zurückkommen von einer leichten Verir rung des Augenblicks.— Hätten wir nicht besser gethan, ihm seilten Leichtsinn vor zuhalten ?—Gewiß, er würde zu Euch zu rückkehren." „Zurückkehren zu mir?" indem sie jäh emporsprang, „ich wäre die Niedrig sie meines Geschlechts, wenn in meinem Herzen noch ein Funke für ihn glühte eine leichte Verirrtmg wollen Sie es nennen, daß er merner so schändlich ver gessen konnte, während ich Alles für ihn geopfert, meine Heimath, die Liebe und den Segen meines Vaters und daß er o, welche Schmach! meinen Brief jener Elenden zu niedrigem Hohn in die Hände gab nein, nein, Herr, nein, mein Stolz hat ebensoviel Kraft wie meine Liebe er ist todt für mich nennen Sie nie mehr feinen Neimen vor mir, es wäre eine Beleidigung, die Erinnerung an ihn soll für immer aus meinem Herzen gerissen sein, und wenn auch metn Herz darüber zu Grunde »^te'V Ein Thränenstrom brach aus ihren Augen, einen Augenblick stand sie schluch zend da. Ter Major legte seinen Arm um ihre Schultern, sie lehnte ihr Haupt an seine Brust, die Thränen thaten ihr wohl und lösten den Bann des starren Schmerzes, der sie gefangen ge halten. Dann richtete sie sich wieder auf. „Fort nun, fort!" rief sie, „das Alles ist aus, ich habe mich gegen meinen Va ter schwer vergangen, ihm allein gehört meine Pflicht, mein Gehorsam, meine Liebe!" Sie stützte ihre Hand auf den Arm des Majors und eilte mit immer flüchtigeren Schritten roieoer der Stadt zu, unbekum-' mert darum, daß einzelne Landleute, die ihr begegneten, ihr verwundert nach blickten. Sie schritt durch das Thor, der Major ging hochaufgerichtet an ihrer Seite, em stolzes, triumpyirendes Lächeln spielte um feine Lippen, er hielt ihren Aim fest, als sie die Straßen der Stadt betraten, sie achtete nicht darauf, auch mochte sie noch der Stutze bedürfen starr und gleichgültig blicfie sie vor sich hin, die alten, bekannten Häuser der Stadt er schienen ihr wie eme neue, fremde Welt, war doch Alles, was bisher ihr Herz und ihre Seele erfüllt hatte, um sie her in Trümmer gesunken, und hatte doch die Zukunft, die kalt und farblos vor ihr lag. nichts mehr gemein mit der warnten, blühenden Vergangenheit, die in einem Augenblick für immer erstorben war. Mit hoher Verwunderung sahen die Bürger auf den Straßen die schöne Tochter des Meister Lorenz Jansen am Atme des fremden Offiziers, der das Stadtgespräch sc viel beschäftigte, ein hergehen es war ja etwas ganz Uner Hörles, daß eine Hildesheimer Bürgers tochter so vertaülich am Arme eines Mannes über die Straße schritt, der nicht zu ihrer Familie gehörte, und noch dazu ein Edelmann, ein Offizier und ein Aus länder. Der Major erwiderte die erstaunten Grüße der Vorübergehenden heiter und lächelnd. Lisbeth schien das Alles nicht zu beach ten, vorwärts und immer vorwärts eilte sie, das Sonnenlicht that ihr wehe, sie sehnte sich nach Einsamkeit und Dunkel heit, tun nur mit sich allein ihre Schmer zen auszuringen. Meister Lorenz stand in der Thür der Domschenke er öffnete die Augen weit, als er feine Tochter am Arme des Ma jors über den Domhof daherkommen sah. Lisbeth eilte auf ihn zu, schloß ihn in ihre Arme und rief: „Verzeihung, mein Vater, Verzeihung! Du hattest Recht, ich war thöricht und oerblendet und habe meine Pflicht ge gen Dich vergessen Gott hat mich vom Verderben errettet, laß mich in der Ein samkeit beten, damit ich dieKraft zu leben wieder finde." Sie wendete sich zu Herrn von Brandt und sagte, ihm die Hand reichenb: „Dank, mein Freund, Dank für Ihre Theilnahme." Dann eilte sie die Treppe hinauf und verschwand in ihre Kammer. „Was bedeutet das wie ist das zu gegangen?" sagte Meister Lorenz, in des sen Verwunderung sich ein Schimmer freundlicher Zufriedenheit mischte. „Alles ist in Ordnung," sagte ber Ma jor, seinen Schnurrbart empordrehend. „Ich habe ihr bie Augen geöffnet sie hat sich überzeugt, baß jener leichtfertige Mensch sie betrogen, verspottet und ver höhnt hat. „Macht Euch leine Sorge mehr, ein Weiberherz braucht einige Tage, um den Kummer und noch mehr die gekränkte Eitelkeit wegen eines verlorenen Liebes glückes zu überwinden. Ihr habt es ge hört, daß sie mich ihren Freund nennt, überlaßt es mir, diese Freundschaft mehr und mehr zu erwärmen und den Platz, der in ihrem Herzen leer geworden, wie der auszufüllen. Jetzt aber gebt mir ei nen guten Trunk, denn es ist keine Klei nigkeit, ein Frauenzimmer zur Vernunft zu bringen." Er führte Meister Lorenz in das Schenkzimmer, dieser holte eine Flasche seines ältesten und edelsten Weines aus dem Keller, und bis zur Mittagsstunde saßen Beide in bent kleinen, kühlen Zim mer neben einanber, ben eblen Reben saft fchlürfenb unb Pläne für bie Zu kunft bespreche, bei benen das Herz des alten Jansen vor stolzer Freude höher und immer höher schlug. Endlich, als noch andere Gäste An getreten waren, brach der Major aus, drückte kräftig die Hand des Wirthes, in dem er ihm leise in das Ohr flüsterte: „Lebt wohl, mein werther Herr Schwie geroater," wobei heller Sonnenschein sich über das behäbige Gesicht des Alten ergoß. Herr von Brandt aber ging nach dem Anger hinaus, wo feine Soldaten exer zierten und wo ver Hauptmann Kön necker zu feiner höchsten Genugthuung heute einmal wieder fein altes Manöver ausführen ließ unb schon zu wieberholten Malen einen durch einen Zug von zwan zig Mann markirten Feind das bünne Centrum feiner Schlachtordnung burch brechen und ihn bann von den beiden Flü gebt hatte umgehen und überflügeln lassen. Gegen seine Gewohnheit lobte Herr von Brcmbt, ber heute kaum auf bie Ma növer zu achten schien, alle Anorbnungen bes Hauptmanns und alle Exerzitien sei ner Soldaten. Nach einer Stunde befahl er, die Ue bungen zu beenden, und bat den Haupt mann Könnecker, die Truppen nach der Stadt zurückzuführen, worauf bieser, ganz stolz unb strahlend vor Vergnü gen. nach langer Zeit zum ersten Mal wieder als alleiniger Kommandeur an der Spitze der Kompagnie durch die Stra ßen zum Marktplatz hinmarsthirte, um die Mannschaften in ihr Quartier zu ent lassen. Herr von Brandt aber ging langsam, während in der Stadt die Mittagsglocken läuteten, wieder den Weg nach dem Mo ritzberg hinauf. Achtes Kapitel. Als Herr von Brandt auf dem Moritz berge ankam, fand er Meister Günther, der inzwischen zurückkehrt war, einigerma ßen beunruhigt über den festen Schlaf des jungen Löding, aus welchem man denselben bis jetzt vergeblich zu erwecken versucht hatte. „Ha," sagte der Major lachend „die Sonne hat ihm auf den Kopf geschienen, dann hat er zu hastig den kühlen Wein getrunken, das gibt einen derben Rausch, den man nicht so schnell wieder ausschläft, seid ruhig, ich werde ihn schon wieder er wecken, das hat nichts zu sagen." Er begab sich in die Laube und fat* dort die schöne Cordula ebenfalls ganz erschrocken über den langen und schweren Schlaf des jungen Mannes, sie hatte eine Bank in dre Laube tragen lassen und die selbe mit Kissen bedeckt, darauf lag Jo hannes Lödmg, bleich, langsam und schwer athmend. Cordula kniete vor ihm, streichelte lieb kosend seine Stirn und rief ihn schmei chelnd bei feinem Namen er schlug dann auch wohl zuweilen die Augen auf, aber et blickte wie träumend, ohne Verständniß und Bewußtsein in das über ihn gebeugte Gesicht des immer mehr geänqstnjteti Madch-.ns, um sogleich wieder mit vm-mt dumpfen Seufter ober einem kaum ver ständlich hingeyauchten Worte wieber in seinen Schlummer zurückzusinken. „O, kommen Sie, kommen Sie," rief Cordula schnell aufspringend und dem Major entgegeneilend, als dieser in die Laube trat „ich weiß mir nicht mehr zu helfen sehen Sie, wie er daliegt, ohne Bewußtsein und Sprache, mein Gott, wenn ihm Etwas widerfahren wäre. „Ich habe tieglaubt, ihm ein unschul diges Mittel einzugeben—Sie haben mir gesagt, daß es sich nur darum handle, ihn von der Umstrickung eines anderen Frauenzimmers zu befreien, und daß er nach kurzem Schlaf erwachen und mir dann ganz gehören werde nun sehen Sie, so liegt er jetzt schon stundenlang, er antwortet nicht, wenn ich ihn rufe, es wäre entsetzlich, wenn ihm Etwas widerführe lieber wahrlich wollte ich ihn aufge ben, so sehr er mich auch reizt und so heiß ich darnach verlange, ihn für mich allein zu gewinnen." „Seid ganz ruhig," sagte der Major, „je länger er schlaft, um so mehr vergißt er Alles, was früher sein Herz erfüllte, umso sicherer gehört er künftig Euch allem. Jetzt geht uberlaßt ihn mir, ich werde ihn bald erwecken und Ihr sollt Euch überzeugen, daß er so frisch und fröhlich sein wird, wie zuvor." Cordula entfernte sich zögernd, indem sie noch einen letzten Blick voll heißer Lei benschaft und unruhiger Besorgmß aus den schlafenden Jüngling warf. Herr von Brandt zog ein kleines Fläsch chen von dunkelgefärbtem Glase aus der Tasche und hielt dasselbe dicht unter di^ Nase des Schlafenden sogleich began nen dessen Augenlider zu zucken, sein Ge sicht zog sich wie in plötzlichem Schmerz zusammen, ein konvulsivisches Zittern flog durch seinen Körper und seine Hände er hoben sich, um das Fläschchen, das der Major fest an feine Nase gedrückt hielt, zu entfernen. Nach wenigen Augenblicken schlug er die Augen auf, die starte Betäubung, in welcher er so lange dagelegen, schien von ihm gewichen, seine Blicke waren frei und klar, aber von tiefer Verwunderung wie aus einem schweren Traum erwachend, sah er umher, als müsse er seine Erimter ungen sammeln und sich Rechenschaft von seiner Vertrrung geben. „Was ist mit mir geschehen," sagte er sich mühsam aufrichtend „ich bin wie zerbrochen Sie hier, Herr Major, wie komme ich hierher, was war das für ein wundersamer Zustand?" „Nun," sagte der Major lachend, „das nenne ich einen tüchtigen Rausch, der mir Respekt vor dem Keller des Meister Gün ther einflößt, der bisher nicht allzu hoch in meiner Achtung stand freilich habe ich Euch etwas länger warten lassen, als ich sollte, es kamen mir so viel dienstliche Ge schäfte auf den Hals. „Ja, ja, der kühle Wein hat eine heim tückische Wirkung, wenn man in der war men Frühlingsluft den Berg hinaufge stiegen ist habe ich doch eine gute Dosis englisches Salz gebraucht, um Euch aus Eurem Schlaf zu wecken, auf den die schöne Cordula nicht wenig zornig ist, da sie es unverzeihlich findet, in ihrer Gegen wart zu schlafen, statt sich mit ihren fun feinden Augen und ihren rosigen Lippen zu beschäftigen." Johannes strich sich mit der Hand über die Stirn und blickte immer noch ganz verwirrt umher. „Ja, ja," sagte er bann, „ich erinnere mich, es wird wieder Licht in meinem Kopf. „Sie hatten mir geschrieben, daß ich ihr hier begegnen sollte, ich war müde und durstig von dem hastigen Wege meine Zunge klebte am Gaumen ich stürzte den kalten Wein hinunter, wie ist es möglich, daß mich das so betäubt hat, mein Kopf brennt und schmerzt," sagte er, die Hände gegen seine Schläfe pres send. „Nun, das .vird sich geben," sagte der Major, indem er ihm das geöffnete Fläschchen hinhielt „riechen Sie noch einmal kräftig dies englische Salz, das vertreibt die Dünste und macht das Ge hirn wieder hell und frei." (Fortsetzung folgt.) Wenn ihr zur Apotheke"geht, so ver geßt nicht, daß esPe run a und Mona litt ist, was ihr haben wollt. Der ,^rothe Prinz" als Ehemann. „Rother Prinz" so hieß in seinen Glanzzeiten der Prinz Napoleon oder Plön Plön, weil er als kaiserlicher Prinz eine Zeit lang im französischen Senat den Radikalen spielte. „Rother Prinz" heißt noch heute der preußische Prinz und deut sche Generalfeldmarschall Friedrich Karl, der Held von Münchengrätz und Königgrätz. von Vionville, Metz und Le Marts, wegen seiner rothen Husaren-Uni fornt. Leider hat der tapfere rothe Prinz aus dem Zollernhaufe, der Neffe des deutschen Kaisers, die ganze Rohheit seines verstor benen Vaters, des Prinzen Karl, geerbt. Und wenn er auch nicht, wie Letzterer, ei nige in brutaler Wuth verübte Morde auf dem Gewissen hat, so sind dafür feine mit Faust, Reitpeitsche und Flintenkolben gegen Unterthanen seines Oheims ver übten Gewaltthaten unzählig. Daß er seit Jahren im Navsch und nüchtern seine Frau geprügelt hat, ist ebenfalls bekannt genug. Und bekanntlich hat diese Ge wohnheit des Mannes, der seinen Ruhm als Franzcsenprügler durch seine Nieder tracht als Weiberprügler schändet, sowie feine fortgefetzte eheliche Untreue jetzt endlich zur völligen Trennung zwischen ihm und ferner Gattin geführt und daß aus dieser Trennung nicht eine gerichtliche Scheidung wurde, ist nur dem alten Kai ser zuzuschreiben. Der preußische rothe Prinz wird am 20. März sechsundfünfzig Jahre alt seine Gattin Maria Anna, Tochter des verstorbenen Herzogs Leopolo Friedrich von Anhalt, ist um zehn Jahre jünger. Ueber diese stolze und noch immer schöne Dame, die „Inhaberin" eines Branden burgischen Dragoner Regiments, und über ihr Eheleben mit Friedrich Karl schreibt ein Kenner der „Westlichen Post": „Unter den Fürstinnen von Geblüt galt die Prinzessin Friedrich Karl in Berlin lange Zeit als die schönste Frau am kö nig lichen Hof, da weder die Kaiserin Au gusta, noch ihre Tochter, die Großherzogin Louise von Baden,'und am allerwenig sten die Kronprinzessin unb deren Töchter burch Schönheit sich auszeichnen, wogegen ihnen, namentlich der Großherzogin Loui se, Anmuth und Grazie nicht abgesprochen werden können. Seitdem die Töchter der Prinzessin Friedrich Karl herange wachsen sind, rmalisircn diese, namentlich die zweite, an den Erbgroßherzog von Olbenburg verheiratete, mit ihrer Mut ter um ben Schönheitspreis. Viele er kennen ihn auch jetzt noch ber Mutter zu und die Fürsten und Prinzen, so vor Allem der Kaiser und der Kronprinz hui« digten mit ritterlicher Galantem der „Zierde des Berliner Hofs". WieNie mand vollkommen ist, so hat auch die Prinzessin Friedrich Karl ihre Fehler sie ist harthörig und mißtrauisch, dabei vergißt sie eine ihr einmal zugefügte Be leidigung nicht, sondern weiß sich zu ge legen« Zeit dafür zu rächen. Nun, zum DER WESTBOTE.. È2INHAED&PISSEB, Publishsra. TEHM8: |W« Mian per Year, inwriaHy in Advaste. Bo. Prinz Friedrich Karl wohnte mit sei* nem Sohne die meiste Zeit auf femeuv Jagdschloß Dreilinden, ober, wenn er nac» Berlin kam, im königlichen Schloß. Auky der Prinzessin mit ihren Töchtern hatt? der Kaiser dort eilte abgesonderte ung eingeräumt. Nut bei besonderes Veranlassungen und um den äußerer*" Schein zu wahren, zeigten sich «Zwnah^ und Gemahlin zusammen. Ersterer hatte längst sein Herz an die berühmt« schönâ^ Gräfin Josesine von Seydewitz, jetzig^ .Gräfin von Dönhoff, verloren, deren ausè drucksvoller Kopf und junonische Gestalt bei Malern, Bildhauern und Gar De-Ossi fizieren schwärmerische Bewunderung fan-G den. Gräfin Josefine zeigte sich, ihrenP prinzlichen Anbeter gegenüber dur^auG nicht hartherzig sie rühmte sich selbst it|# Gegenwart seiner Gemahlin seiner Gimst^ und diese beschloß sich an ihrem ungeireuetP Gatten in auffallender Weise zu xachent=. Das thai sie auf folgende originelle Heise Als nach Beendigung des Feldzuges von 1866 gegen Oestreich die siegreiche vreu-»' ßifche Armee ihren Einzug in Berlin hielt*/ als die Hauptstadt in einem Meer vor^. Jubel^ schwamm und die heimgekehrt' ten Truppen mit einer Herzlich! c.: em%. pfangen wurden, die nur von dem .-nthujs siastischen Empfang nach der Heimkeh^ der Sieger von Wörth, Mars-la Tour# Sedan und Parts übertroffen werdew^ konnte, war das erste Geschöpf, welches betn Prinzen Friedrich Karl in feinen Ge^. mächern entgegentrat, Jocko, der dres^ sirte Affe der Prinzessin, und zwar geklet*yj bet in bie rothe Husarenuniform, rote si|,,' ber Prinz selbst trug und in welcher e% sich soeben als schneidiger Reiterfüh cer, alS umsichttger und glücklicher Feldherr be^ währt hatte. Kein Wunder, wenn bat-, dem Prinzen die Galle überlief. Gex^ wissermaßen öffentlich, d. h. vor den Au«-. gen ihrer Kmder und der entsetzt drein*. schauenden Dienerschaft, traktirte er fem« Gemahlin mit der Reitpeitsche und ver» ließ spornstreichs das Palais, um sidjlv in feinem Jagdschloß Dreilinden zu ver« graben. Seitdem kam der Prinz, dessen 'Lermö»--. gensverhaltmsse im Vergleich zu denen seine» Verwandten auch nicht die glänzend»' sten waren, nur bei seltenen Gelegenheit ten mit seiner Gemahlin zusammen. Nach dem deutsch-französischen Krieg schien eß allerdings, als ob der Riß zwischen de» Gatten überkleistert sei sie wohnten wie der in Berlin zusammen und der Vrinj begann, sich öfters am Hof sehen ?u las* sen, und an den Hofgesellschaften Theil zG^ nehmen, was er Jahre lang vermieden"', hatte. Seitdem vollends seine Tcchte| glucklich unter die Haube gebracht wares' und er durch den Tod seines Vatris z» einem beträchtlichen Vermögen gekon-.metz..' ist, schien er wieder auszuleben. De»^. Kaiser soll sich mehrfach erfreut darübe| ausgesprochen haben, daß der „(Ëinsiebi,. ler von Dreilinden" sich wieder an de^ Hofgesellschaften betheilige. Das Verhältniß mit der schönen Gräsi» Seydewitz war längst abgebrochen do|. eine andere Hofschönheit, die jetzt dreißig Iahte alte Grasin Adelaide von Schinp ntelmann, hatte den leicht entzündliches Prinzen bezaubert und, da sie bti alleK Hoffestlichkeiten, bei den kleinen intimeH Gesellschaften, vermöge ihrer Stellung überall zugezogen wurde, sie ist eins der drei Hofdamen der Kaiserin sank sich oft genug Gelegenheit zum trauliche*. Verkehr zwischen dem Prinzen und der ich Wahrheit außergewöhnlich schönen ut* nicht mit einem Kieselherz begabten Grcis fin, Anch dieses Verhältniß war für d«c Hofgesellschaft und insbesondere die PritN zessin Friedrich Karl schon längst kein GO heirnniß mehr es muß aber kürzlich iw gend Etwas vorgefallen sein, vielleicht hcA. der Prinz seine Gemahlin zu aujfaUenjk und absichtlich vernachlässigt oder dW Gräsin Schimmelmann zu sehr gezeigt daß sie die jetzige Herzenskönigin düA Prinzen ist, kurz, es ist wieder zu seh» heftigen Auftritten zwischen den Gatte» gekcmtnen. Die Prinzessin verlangte mit Entschiedenheit, daß ber Prinz bos Bell» hältniß mit ber Hofdame abbreche, tvaS" er indeß kurz und barsch verweigerte. Außer sich vor Entrüstung hat die Pritfc^ zessin Berlin verlassen und sich nach Dej* sau begeben. —Wunder hören nie auf. Aber Krans* heit, sobald Per una und Matta liw, sie anpacken. Ueber die Weihn achtsf in Mexiko gibt das in der Hauptfta# Mexiko erscheinende deutsche Blatt fol* gende Auskunft: „Die Weihnachtszeit wirb in Mertfo auf etwas andere Weifte begangen, als in unserem alten Bater» lande vor allen Dingen braucht ma» hier neun Nächte dazu, benn sie beginnt am 16. Dezember unb enbigt am 24 Nachts. Der Hausherr fchmüâ feü Haus sowohl außerhalb, wie in den i» neren Räumen mit bunten Papierlatem nen auf einem Tisch errichtet man eine Grotte aus grünen Tannenzweigen, berat Innerem verschiedene Figuren aul ber biblischen Geschichte, bie heiltgm drèi Könige, Joseph und Maria u. s. w. auf». gestellt sind. Die für ben Abenb ei.tgf» laberten Freunbe bringen kleine Gc'chenkfr15 hauptsächlich aus Zuckerwerk bestehen^,.- mit, unb wettn alle Eingeladenen bdk' sammen sinb, stellen sie sich zu einer Pri| zession auf Jeder nimmt ein ^icht in bie Hamb unb, eine Litanei singend, beweat sich die ganze Gesellschaft mehrere Male im Zuge durch alle Räumlichkeiten deß Hauses' nach beendigtet Prozession 6e*„ innt ein Mahl, (Sonzert oder Tar ieses Programm wird an allen Abend« bis zum 24. Dez. wiederholt. ÜRoch bemerken ist, daß fast in jedem Ho use Ro* feien abgeschossen werden. Die ^andeS zeitungen klagen, daß die Feier nach und nach abgenommen habe unb jetzt nur noch vcm sehr wenigen Familien' begangen werde. Aus dem Hauptplatz ber Stadt Mexiko hat sich auch kurz vor bei ^eim' tagen ein Weihnachtsmarkt entn uMt Tannenzweigs, Zuckerwerk, Spielzeug für Kinber und Landesfrüchte sind die auptfächlichsten Artikel, welche d& zu**., Verkauf ausgeboten werden." Horsford's Arid Phosphate. Mein Arzt trüjt Bedenken. •, Tr. S. V. Cleoenger, S^ieaar-, TUls., iagjl: „tzorsford's Acid sollte offiziell qesnacy i metbeüte* ist die richtigste Art Phosphorus nr^uge» ben, und kein Arzt braucht sich ju bedenken, zu verschreiben." ,-*r%s 21 Mißtrauen hat ihr Herr Gemahl oft ge nusi Anlaß gegeben. Schon fett vielen, vielen Jahren pfif fen es in Berlin die Spatzen von denk Dächern, daß Prinz Friedrich Karl es miß V ber ehelichen Treue durchaus nicht qcnail nahm und daß es im l'ücv3 des H'r^nze^ in Folge dessen sehr häufig zu sehe heftig, gen Auseinandersetzungen zwischen thni und seiner Gemahlin kam. Sogar voch körperlichen Mißhandlungen weiß ^ratè. Fama zu berichten, mit denen der „cothch Prinz", dessen--Heftigkeit und RucCnchtsl losigleit bekannt ist, feine Gemahlin trak-è tirt haben soll. Die vor jetzt nch?zu 3€f. Jahren geschlossene Ehe war eine der un* glücklichsten, die man sich denken kamt ja schon in den ersten Jahren kam tehi häufig zu ben heftigsten Austritten zwi* sehen dem Prinzen und seiner Gemahlin* unb erst, nachdem diese ihrem Mann ei* nen Sohn, den jetzt neunzehnjähriger! PrinzemFriedrich Leopolb, geboten hatte# betn zum großen Leidwesen des ^.iter# drei Töchter vorangingen, kam es zu emetpt^ Art Compromiß zwischen bent prmzUchet» Paar. \n\n Die Kunde, daß Johannes Löding in Columbus, Ohio, Donnerstag» den 31. Smttmr 1884.