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DER WESTBOTE "THE WESTBOTE CO.* E 8 Sw Jahrgang 42. A n n a e Der Jahre gar manche entschwanden, seitdem In dem Königreiche am See Ein Mädchen lebte ich nenne sie hiter Mit dem Namen Annabel (g o e u si g.) & Übte Comteffe hatte auf Vorschlag der Herzogin bald nach ihrer Ankunft in angefangen, Reitstunden zu neh- k men. Die hohe Frau meinte in ihrer Liebenswürdigkeit für die junge Dame, es muffe ihr Vergnügen machen, dann .später im Herbst die großen Hofjagden zu Pferde mitmachen zu können, rote die Prinzeß. Jlda erfteute das Anerbieten und em sehr tüchtiger alter Bereiter des herzogli chen Marstalls leitete seitdem den Unter richt, für welchen man die Vormittags stunden von neun bis elf Uhr angesetzt hatte. Einige Tage naâ jener Lohengrin Aufführung stand sie am Morgen, schon fertig im Reitanzug am offenen Fenster ihres Zimmers, welches nach dem Park hinaus ging. ES war ein herrlicher, heiterer Herbst tag, mit jener wunderbar reinen und klaren Luft, welche uns die Fernen nä her zu rücken scheint. Das noch volle Laub schattirtS sich in den prächtigsten Farben unsichtbare Feenhände spannen »arte weiße Fäden und hingen at tz-n pw Year, Inwrtabty la Mkâ. Lee V Und es blühte das Mädchen und dachte sonst c:-l nichts, 7 Als zu lieben mich, liebend die Kee. Roch war ich ein Kmd und ein Kind noch war fie *•%. In dem Königreiche am See, Wo rotr hebte» mit Liebe, die höher denn Und nahm sie hinweg mir zum Weh', '~f: Und begrub sie einsamer Grabesgrust 'In dem Königreiche am See. Lieb', ,'C Ich und meine Annabel Lee & Mit der Vtebe, die himmlisch« Engel,beschwingt, »r: Beschützten von seliger Hoh'. Und dies ist der Grund, warum lange zurück •»Li In dem Königreiche am See Aus der Wolke ein Wind unbarmherzig durch üvi sror *npt Meine schone Annabel Lee 3 Und es kam nun ein edler Verwandter herbei Die Engel im Himmel, w'.e wir nicht so froh, Beneideten uns von der Höh' Ja! und dies war der Grund, wie die ganze Welt weiß In dem Königreiche am See, SDafc aus einer Wolke des Nachts blies der Wind Doch unsere Liebe war stärker sürwicht^ Als die Liebe auf Alters-Höh', „i Als die Liebe auf WissensHöh' "tf Und weder die Engel im tzwnnel voll Glanz, Noch Dämonen unter dem See Sind im Stande, zu trennen mein Herz von •J bet Denn der Mond niemals strahlt, ohne daß er lg treu malt Mir das Bild meiner Annabel Lee A Blinkt der Stern Nachts in Gold, winkt das .Ä Auge so hold Meiner schönen Annabel Lee So die ganze Nachtzeit ruh' ich an deren Seit, i Die mein Liebling, mein Liebling, mem Leben, «I meine Freud', w In der Grabesgrust bort an der See, ~In dem Sarge am summenden Sech. ^Ars mlilm Hägers Gâ sie an Bü- V sehe mit scharlachrothen Beerendolden, oder an goldfarbene Blätter, welche lang sam hie und da von den Bäumen nieder fiele». Eine Lichtung in den Anlagen gewähr te einen Blick auf die dunkle Gebirgs kette, welche den Horizont begrenzte. Zu keiner anderen Jahreszeit traten die Kon tuten der rauhen Felsbildungen so scharf und klar hervor, als gerade jetzt dort hinüber lag Olberode, die alte, hebe Hei math, an die sie täglich dachte, wenn auch keine sentimentale Regung sie schon jetzt dahin zurück zog. Sie freute sich im Ge gentheil, daß sie über alle die neuen Ein drücke Ruhe des Herzens und der Seele wiedergefunden hatte. Die Gegenwart lag heiter und wech selvoll vor ihr und—die Schloßuhr schlug neun Schläge—ihre Reitstunde würde so gleich beginnen. Im Begriff vom Fenster zurück zu treten, um sich in die Reitbahn hinab zu begeben, fiel ihr Blick gerade vor sich auf den Weg. welcher unter ihren Fen stern vor den Rasenparterres herführte und sie bemerkte dabei einen Herrn, der langsamsten Schrittes, so daß er sich kaum vom Fleck bewegte, vorüber gmg und dabei unverwandten Blickes ihrFen stet sixirte. Es mißfiel ihr, auf diese Weise viel leicht schon eine ganze Weile beobachtet zu sein und noch sonderbarer kam eS ihr vor, als gleich darauf der Fremde grü ßend das kleine Casquet zog, welches ihm als Kopfbedeckung diente. Gewohnt, die Einwohner der Residenz in der artig rücksichtsvollsten, häusig de votesten Weise gegen Alles was zum Hefe gehörte zu sehen, fiel ihr die Art dieses legeren und kecken Grußes nach ihrem Fenster hin um so mehr aus und sie trat deßhalb, ohne denselben zu erwidern, in das Zimmer zurück. Es mußte wohl ein Fremder sein, wel cher sich dergleichen erlaubte oder viel leicht war es nicht einmal Dreistigkeit, sondern Unkenntnis* dessen was sich schick te möglicherweise auch hatte man sie mit einer von den fürstlichen Damen verwech feit und dieser das neugierige Anstarren gegolten. Daß es Niemand aus der Stadt -war, schien ihr gewiß zu sein sie dachte nicht weiter darüber nach, warum es ihr vor kam, als müsse sie sonst diese Erscheinung wohl schon irgendwo einmal bemerkt ha ben. Der Fremde hatte einen Anstrich von nachlässigem Sichgehenlassen und doch von unleugbarster Eleganz und Vor nehmheit, wenngleich sein dreistes Be nehmen damit nicht in Einklang zu bringen war. Das junge Mädchm hatte keine Ahnung davon, daß es eine söge nannte große Welt gibt, die in ihren Ex travaganzen leicht sehr nahe ihr eigenes Halb- und Viertelszerrbild streift eine Welt des turf und der Clubs, der grand seigneurs und der Jockeys sie fühlte nur instinktiv, daß jener Mensch etwas Anderes war, als sie bisher kennen lernte. Schon der Anzug hatte Etwas sie fand keine Bezeichnung dafür—denn sie konnte nicht wiffen, daß dieß kurze Jaquet von grobem Cheviot mit emaillirten gold nen Katzenköpfen als Knöpfen und dazu ein seltsam geformtes Casquet zur Kopf bedeckung, die neueste Erfindung emes Pariser Modehelden für ein Morgen Deshabille war. Begreiflicherweise Bemerkungen so flüchtig, Reitstunde, beschäftigten diese das junge Mädchen nur daß sie wenige später nicht mehr Minuten daran dachte. Die welche ihr großes Vergnügen machte, nahm sie ganz und gar in An- ^Jlda hatte eigentlich Geschick zu Allem, was sie vornahm, also bi? zu einem ge wissen Grade auch zum Reiten ihre schlanke, graziöse Figur nahm sich reizend tu Pferde aus aber was man eine ge borene Reiterin nennt, war sie nicht. Es aab für sie Schwierigkeiten zu überwm den, welche für eine solche gar mcht w- 1 V -^7 yv. '%f*,~.*f*s*fZ', m-^r-rv** t- -v" v*£ *a,isr',W' 'tiren und obgleich natürlich ein sehr rommcs Thier für den Unterricht aus gesucht war, ss wollte doch nicht immer pleich Alles zur Zufriedenheit des Herrn z^ihoders gehen. Heute war vollends ein solcher Tag, an dem nichts recht gelingen wollte sie nahm entweder die Zügel zu straff, oder ben Sitz nicht ganz richtig. Selbst der geduldige Apfelschimmel schien heute weniger ruhig als sonst seine Art war et machte einige ganz unmoti vlrte Bewegungen, welche die Reiterin einigermaßen erschreckten. Zu dem Allen kam noH, daß Jlda fett einigen Augenblicken jenen unver schämten Menscht« von vorhin in der Reitbahn erblickte, welcher an einer Seite der Barriere, an einen Pfosten gelehnt und ein Monocle im Auge, ihr zusah, als ob er irgend ein Schauspiel betrachte. Sie war empört über die unerhörte Dreistigkeit dieses Menschen und schon im Begriff, den Bereiter u bitten, densel ben entfernen zu wollen. Im Stillen wunderte sie sich, daß der artige alte Herr dieses nicht schon von selbst gethan hatte, da es doch geradezu eine Ungehö rigkeit für einen Fremden war, auf diese Weise in die herrschaftliche Reitbahn ^it kommen. Dann aber schien es ihr doch, als ob es noch angemessener für sie sei, nicht die geringste Notiz von der Abwesenheit je «es Zudringlichen zu nehmen und zu thun, als ob sie e8 gar nicht bemerkte, daß er da sei. ^lda ärgerte sich indessen und die ge wisse Unruhe, in welche sie dadurch ge rieth, theilte sich auch dem Pferde mit vielleicht hatte man noch ohnedem irgend ein kleines Versehen beim Satteln oder Aufzäumen gemacht, denn der vorsichtige Rhövers wollte die junge Dame gerade halten lassen, um nachzusehen, als der Fremde ihm von seinem Platze aus zu rief: „wenn Sie die Trense etwas locke rer und den Steigbügel der Gräfin ein wenig kürzer schnallen, so würde es be deutend besser gehen." Das war denn doch zu arg! Jetzt »tischte der Mensch sich sogar in ihre Reitstunde und gab Rathschläge in einem Ton, als ob er hier zu sagen habe. Es Yfjlte bloß noch, daß der Andere ihm ge orchte! In der Erregung ruckte fie unversehens an den Zügeln und der Schimmel, wel cher die heftige Bewegung mißverstand, ging plötzlich von dem bisherigen Trab zum Galopp über und holte in mächtigen Lancaben aus. Erschreckt durch die unvorhergesehene Bewegung verlor Jlda den Sitz und griff, indem sie unwillkürlich Peitsche und Zü gel fallen ließ, nach dem Sattel,.um sich zu halten. Es war lerne eigentliche Gefahr vor handen und das junge Mädchen hatte auch fernen Laut von sich gegeben, aber das Pferd mußte nun doch zum Stehen gebracht werden und Rhüdens sprang da rauf zu, um es aufzuhalten, als ihm schon der Andere zuvorkam und, mit ei nem Satz die Barriere nehmend, dem Thiere in die Zügel fiel. „Wenn ich das Glück hätte, irgend welche Rechte an Sie zu besitzen, Grä sin," sagte er, als das Pferd zum Ste hen gebracht war, im Tone einer leichten Galanterie und als ob er sie seit Jahren kenne, „so dürfen Sie nicht wieder rei ten. SLie Frauen ermessen gar nicht, wie gefährlich dieß Vergnügen für sie werden kann!" Er behielt die Peitsche, welche er aufgehoben hatte und die Zügel in der Hand. Sie haben sich erschreckt und rottn chen daher gewiß abzusteigen darf ich Ihnen helfen." Ohne Weiteres und als ob es sich von selbst verstände, daß er als Stallmeister bei ihr fungiren dürfe, hielt er ihr die Hand hin, um den Fuß darauf zu setzen. Jlda war im ersten Augenblick wie erstarrt über so viel Frechheit am Meisten ärgerte sie sich eigentlich da rüber, daß Rhöders dabei stand, mit ei ner halb lächelnden und halb verlegenen Miene, ohne ihr gegen diese Aufdring lichkeit zu Hülfe zu kommen endlich aber gewann der Zorn die Oberhand. Ihre blauen Augen blitzten fast schwarz unter den finster zusammen gezogenen Brauen und eine einzige unwiderstehlich imponirende Geste herrschte Rhöders an ihre Seite. „Ich wünsche meine Reitstunde forts etzen." sagte sie, gerade so als ob der Anders gar nicht dagestanden hätte, „al lerdings ohne dabei lästige Zuschauet zu haben vielleicht sind Sie so gütig, Herr Rhöders, dafür zu sorgen, daß dieß mög lich sein wird!" Aber der Bereiter stand noch immer da und sagte gar nichts, während der Frem de wieder das Wort ergriff. „So leid es mit thut, Gräfin, Sie jetzt chon verlaffen zu sollen, muß ich mich Ihrem Willen doch fügen, wie von jetzt an alle Ihre Wünsche Befehle für mich "ein werden auf baldiges Wiederse hen denn I" Sein entzückter Blick, der ~ch nicht losreißen zu somen schien, um» rng noch immer voll ihre ganze Erschei nung, dann zog er grüßend seine Kopfbe deckung und ging langsam dem Ausgange der Reitbahn zu. Es hätte nicht mehr des beinahe chiichtern gemurmelten: „eS war der Erbprinz, gnädige Gräfin," bedurft, um Jlda von dieser Thatsache zu unterricht ten. Wie sie jetzt eben dieses braunro the phosphorescirende Haar einen Au genblick unbedeckt vor sich sah und dabei den seltsam faèciniren^en Blick bet to pasfarbenen Augen auf sich gerichtet fühlte, wußte sie sofort, wen sie vor sich hatte. Aber sie bereute ihr Auftreten von so eben keine Sekunde sie hatte im Gegen theil erst recht das Gefühl, daß es gerade so und nicht anders sein mußte und setzte gl?ich darauf, ohne weiter ein Wort über den Zwischenfall zu verlieren, ihre Reit stunde fort. Später bei der Tafel machte sie dann officiell die Bekanntschaft des Erbprinzen und nur ein paar conventionelle Redens arten wurden dabei zwischen ihnen ge wechselt. Es war ein größeres Diner zur Feier der Ankunft des Prinzen, wel cher »»vermuthet am vorigen Abend noch spät eingetroffen war. Der Zurück gekommene wurde sehr in Anspruch ge nommen. Eine Menge Vorstellungen von seither neu hinzugekommenen Persönlichkeiten fanden statt, und vor allen Dingen war es die Herzogin, welche ihren Stiefsohn mit Artigkeiten überhäufte. Er hatte auch den Platz an ihrer Seite bei Tisch erhalten, während dem Prinzen Hermann das Glück zu Theil geworden war, bei der Comtesie zu sitzen, welches Arrange ment diese selbst am Erfreulichsten de rührte, da sie hierdurch vorläufig wenig stens einer Tischunterhaltung zu Zweien mit dem älteren der beiden Brüder ent hoben wurde. Prinz Rainer selbst wurde nicht gerade getäuscht durch die Liebenswürdigkeit sei ner schönen Stiefmutter, aber er war doch angenehm davon berührt und dankte ihr namentlich die Unbefangenheit, mit welcher sie die Vergangenheit als nicht dagewesen zu betrachten schien. Er sah nicht den Blitz aus ihren Augen, der ge dankenschnell seinen gelegentlichen Sei tenblicken folgte und gewahrte auch nicht das leise triumphirende Lächeln, welches ihre Mundwinkel dabei hob. Niemand hatte Acht darauf, nicht ein l-vQ^ j*t mal die Prinzessin, welche, in eine Unter Haltung mit ihrem geliebten Vater ver tieft, sich bemühte, den glänzenden Ein druck noch zu erhöhen, welchen die Rück^ kehr des Erbprinzen auf diesen gemacht hatte. Nur Frau von Schornau's unruhige Augen flogen beobachtend hin und her und ließen sich nichts von Dem entgehen, was die Blicke und Mienen ihrer Umge bung verriethen. Sie sah auch, wäh rend nach aufgehobener Tafel im Mu schelfaale der Kaffee genommen wurde, wie Prinz Rainer sich augenscheinlich der Comtesse nähern wollte, um sie anzure den. In demselben Augenblick machte diese aber eine Bewegung nach der an dern Seite hin, welche sie in die unmit telbare Nähe der Prinzessin führte, so daß die junge Dame, wie sie ganz richtig voraussetzte, alsbald hier in ein Gespräch gezogen wurde. Auch die Herzogin hatte die Bewegung, so wenig auffallend sie an sich gewesen,, war, bemerkt und ihre rosige Laune wurde dadurch noch erhöht. Wenn Jlda mit ihr im Emverständniß gewesen wäre, oder aus toteitem Spiel sich der Anrede des Prinzen enhogen hatte, so würde sie den Plänen der hohen Frau nicht besser haben dienen können, als indem sie einer Annäherung auszuweichen schien. Ein kleines Erstaunen zeigte sich auf dem schönen, wie aus bleichem Marmor geschnittenen Gesicht des Prinzen—dann wandte er sich mit einem ihm eigenthüm lichen, matten und spöttischen Lächeln ab und vertiefte sich mit Frau von Bangern in ein Gespräch über die mißlungenen Versuche, die Wagner'sche Musik in Paris durchzudringen. Am Abend desselben Tages war der an jedem Donnerstag stattfindende Em pfang bei der Oberhofmeisterin. Eigentlich konnte man diese regelmäßig wiederkeh renken Soireen bei Frau von Schernau eben so gut Hoffeste nennen als alle übri gen Gesellschaften, welche von den Herr fchaften gegeben wurden, denn die Excel lenz gab nur den Namen dazu her. Aber es bestand insofern ein Unterschied, als die Donnerstags-Circles mehr den Charakter einer Privatgesellschaft tru gen. Die Einladungen dazu beschränkten sich nicht ausschließlich auf den Hofkreis, sondern sie umfaßten die verschieden sten Persönlichkeiten, welche man weder zu den intimeren, noch zu den großen osficiellen Festlichkeiten einladen konn te und die man doch gern hie und da sehen, oder ihnen eine Artigkeit erzeigen wollte. Die Herzogin wußte sehr genau, was sie that und hatte sich mit diesen Don nerstagen viele Anhänger erworben man rühmte die Leutseligkeit, welche aus dem ganzen Verfahren sprach und außerdem gab ihr dies öftere Hinzuziehen von Künstlern, Gelehrten und Industriellen den Anstrich der vielseitigen Interessen, während der Herzog und die eigentliche Hofgesellschaft es zufrieden waren, daß es auf diese Weise immer noch eine Gele genheit mehr gab, sich vortresflch zu un terhalten, Prinz Rainer mußte auch hier erst wieder den verschiedenen Etiquettepflich ten genügen, die ihn stets gelangweilt hatten und ihm deshalb von jeher eine Last gewesen waren, ehe er an eine Unter haltung nach feinem Gefallen denken konnte. Jahre hindurch entwöhnt von ben Fes seln der Hofetiquette und dem Leben, wie den Interessen einer kleineren Stadt, mußte er sich fast gewaltsam erst wieder hineinfinden. Die in tiefster Devotion vor ihrem künftigen Landesherrn erster benden alten Räthe und die Kammer Herren mit ihren goldgestickten blauen Fracks und ihrem stereotypen Lächeln waren ihm ebenso langweilig, als die tief vor ihm knixenden alten und jungen Da men. Mit einem müden, satiguirten Aus druck wandte er sich endlich ab. „Ich sehe mit Bedauern Unmuth und Langeweile auf der Stirn meines gnä digsten Prinzen," sagte herantretend der Baron von Hohenfeld, welcher sich seit der Rückkuuft desselben bemühte, das frühere, dem Prinzen nahe stehende Verhältniß wieder anzubahnen. „Sieh da, mein lieber Baton, Sie er scheinen mir eben recht! Kommen Sie her, wir wollen uns in irgend ein ruhi ges Eckchelt zurückziehen. Jammerschade nur, daß die Excellenz noch immer fein Rauchzimmer eingerichtet hat, in dem man sich mit Ruhe dem Genuß einer Cigar rette verschaffen könnte." Herr von Hohenfeld lachte mit seinem Mephisto Ausdruck er verlangte danach, sich schon am ersten Abend mit feiner er neuten Intimität zu dem Prinzen vor den Leuten zu brüsten, und doch fürchtete et die Ungnade des Herzogs auf sich zu len ken, wenn er den Prirzm gleich heute zur Entree det übrigen Gesellschaft ent zog, indem er ihn gar zu ausschließlich in Anspruch nahm. „Daß ich mich in die Vetdammniß stürzte, Euer Hoheit allen nach Ihnen schmachtenden Augen zu entziehen!" Die lange, magere Figur schien in sich selbst zusammen zu schrumpfen, wie um so gleich vom Erdball zu verschwinden. „Mem gnädigster Punz weiß, wie glück lich mich jeder Augenblick macht, wel lyen ich in seiner Nähe verleben kann! Abet heute Abend so schwer es mir wird Bescheide ich mich. Haben Ho heit schon," fuhr er plötzlich in ganz ver ändertem Tone fort, „drüben die schwarz^ äugige Hauptmännin von Cowatzky be merkt? Charmante kleine Frau das! Ein Feuer Ein Temperament Diavolo!" Dann, als er den gleich ültigen Blick gewahrte, mit dem der 'rinz über die junge hübsche Frau hin streifte, sondirte er weiter: „dort unsere schöne blonde Sphinx ist steilich der ge rade Gegensatz ein Gletscher, eine herr liche Statue aus kaltem Stein sollte es Euer Hoheit nicht vielleicht reizen, der Pygmalion zu werden, welcher die sèm schönen Marmor Leben einhaucht!" Aus ben eben noch müden und gelang weilten Augen des Prinzen zuckte ein ja her Blitz, als er von dem Baron an die Comteffe erinnert wurde. Sie stand in einer Gruppe junger Mädchen, zwischen denen ihre stolze blonde Schönheit frap pitend in's Auge fiel, umflossen von ei nem jener goldig schimmernden Märchen ewändet, mit denen die übermüthige oris Meiners die Phantasie aller alten und jungen Klatschbasen der Residenz erhitzt hatte. Prinz Rainer schien plötzlich den Ba ron vergessen zu haben er erinnerte sich seiner wahrscheinlich eben so wenig mehr als der Cigarrette, nach welcher er v?r hin verlangt hatte und ging in seiner langsam nachlässigen und doch so elegan ten Haltung geraden Weges auf die junge Gräsin zu, während die Blicke des Ba tons ihm mit einem wahren Satyr-Aus drucke folgten. Darauf näherte sich der Letztere auf Umwegen und anscheinend absichtslos der Oberhofmeisterin, indem et sich unter al lerlei Witzeleien, die halb Komplimente halb Sarkasmen waren, zwischen den Schleppen derDamen hindurch wand, und flüsterte det Excellenz, welche, eben ein Gespräch beendete, leise etwas zu. Um Frau von Schornau's schmale Lippen ver schärfte sich der malitiöse ug, während sie flüchtig aber scharf nach dem bezeichne ten Platz hinüber sah. Die leisen Worte der Erwiderung waren von einem unbe schreiblich höhnischen Achselzucken beglei tet. Man war es seit Jahren gewohnt, das Paar in einer gewissen Intimität zu se hen, welche indessen nie die Grenzen des Hergebrachten überschritten hatte. In früheren Zeiten war allerdings über das Verhältnis der Beicen allerlei gemun kelt worden, aber Frau von Schernau hatte es stets meisterlich verstanden, den Schein zu wahren und sogar von jeher eine strenge Prüderie zur Schau ge tragen. Unterdessen waren einige herkömmli che Phrasen zwischen dem Prinzen und der Comtesse gewechselt, währenddem die jungen Damen, welche dabei standen, sich mit innerster Wohlgeschulthnt der artig rück- und seitwärts concentrirten, daß sie sich in selbstlosester Verleugnung aller Neuzier alsbald außer Hörweite be fanden. „Ich glaube, Sie zürnen mir noch we gen heute Morgen, Gräfin 'i' fragte der Prinz, als er das geschickte Manöver der jungen Damen glücklich ausgeführt sah, in leisem, vertraulichern Ton. Vielleicht war auf Ilda's schönem Ge sicht der Ausdruck hochfahrender Kälte und unnahbarer Zurückhaltung nie so scharf ausgeprägt gewesen, als in diesem Augenblick das Kennzeichen der Olde rode, die verwachsenen dunklen Brauen, trat dadurch mehr als je bei ihr her vor. „Ich konnte nicht wissen, Hoheit," sagte sie, „daß der Herr, welchen ich heute Morgen für unbefugt hielt, meiner Reitstunde als müßiger Zuschauer beizu wohnen, allerdings größere Berechtigung für den herzoglichen Marstall besitzt, als ich selbst und ich habe deshalb für met* nen Irrthum noch um Verzeihung zu bitten." Das Wort der Entschuldigung klang freilich eher wie eine Wiederholung der Zurechtweisung von heute früh, als eine Zurücknahme derselben. „Sie sind nicht großmüthig, Grafin, einem schon Besiegten noch dm Gnaden stoß zu versetzen!" Er schlug wieder trotz ihrer abweisenden Haltung den Ton einer leichten, einschmeichelnden Galan terie an und ein heißer Blick seiner ge fährlichen Augen versuchte dabei seine oft erprobte Macht, Jlda schien indessen gegen diese Macht gefeit zu sein. Ihre langen Wimpern senkten sich keine Sekunde sie blickte ihm kühl und stolz gerade in das Gesicht. „Ich verstehe in der That nicht, was Hoheit mit dem G'eichniß vom Sieger und dem Gnadenstoß in diesem Falle meinen können." Es lag keine Spur von Koketterie in ihrer Antwort gar nichts von jener Agacerie, die scheinbar abwehrt, um desto mehr anzuziehen, wel cher er nur zu oft begegnet war. Die offenen klugen Augen blickten ihn eini germaßen erstaunt und mit überlegener Ruhe an. te war wirklich ein außergewöhnli ches Mädchen, dem gegenüber man eine andere Art des Verkehrs annehmen muß te, als er sie sonst gewöhnlich mit jünge ren Damen zu haben pflegte. Er kannte die Frauen so gut und wußte den vet schiedensten Eigenthümlichkeiten Rechnung zu tragen. Sein ganzes Benehmen schien von dem Moment dieser Ueberlegung an eine, so zu sagen, andere Färbung anzu nehmen. „Sie ertheilten mir in diesem Augen blick, vielleicht ganz unbewußt, eine Lek tion, Gräfin, die ich nicht wieder verges sen werde," sagte er plötzlich ganz ernst und einfach, „es gibt eben Ausnahme wesen, welche den Dämon in uns be zwingen, ohne selbst nur die Absicht zu haben." Jlda verstand nicht recht, was er mit dieser Aeußerung meinte, aber sie fühlte die Veränderung zum Vortheil in feinem' Wesen und noch zu kindlich harmlos, um an Berechnung zu denken, oder eine In dividualität wie die des Prinzen ermessen zu können, wurde sie getäuscht. Es ist schon erwähnt, wie die jungen Damen, mit denen die Comtesse sich vor hin unterhalten, in discreter Weise ihren Rückzug angetreten hatten, wodurch das Paar während dieses Gespräches ganz isolitt war. In ihrem Rücken befand sich eine dichte Gruppe von hochstämmigen Pflanzen, welche ein kleines Sopha, einen reizenden, lauschigen Schmollwin kel umschatteten. Zur Seite neben ihnen stand ein 33er tikow, auf dem sehr schöne alte Terra cotten aufgestellt waren, welche die Her zogin der Oberhofmeistetm von einer ita lienischen Reise mitgebracht hatte. Es fiel ihm ein, daß ein hieran knüpfendes ernsteres Gespräch vielleicht sich dazu eig nen würde, den ungünstigen Eindruck zu verscheuchen, welchen er sich nicht verheh len konnte, bisher auf das junge Mäd chen gemacht zu haben. Und während er sie auf einen reizen den antiken Krug aufmerksam machte und Beide mit einer raschen und ganz unv rtnutheten Bewegung sich dabei feit wärts wandten und dicht an das erwähn te Möbel Herantraten, wurde ihnen durch eine kleine Lücke zwischen den Blattge wachsen, denen sie jetzt ebenfalls ganz nahe gekommen waren, ein höchst eigen thümlicher Anblick zu Theil. Mit weit vorgestrecktem Halse und dem Ausdruck der ausgeprägtesten Neugier auf dem ohnehin nicht hübschen Gesicht, saß dort das älteste Fräulein von Reider und versuchte mit Anspannung aller Sinne Etwas von dem sie auf das Höchste in teressirenben Gespräch zu erhaschen. Wahrscheinlich vom unbezähmbarsten Wissenèdrange erfüllt, hatte sie sich un bemerkt von ihren Gefährtinnen getrennt und auf dem Sopha hinter den Büschen Posto gefaßt. Die Bewegung der beiden jungen Leute wurde so rasch und ganz unerwar tet ausgeführt, daß die Ertappte auch nicht einmal mehr eine gewisse harmlose Posi tion annehmen konnte. Ein Spiel des Zufalls zeigte sie dem Prinzen und der Comtesse im gleichen Moment und wie es manchmal geht, daß sich die Blicke ein ander ganz fremder Personen bet auffal lenden, oder sonderbaren Begegnungen in ihrem Erstaunen treffen, so war es auch hier, und der Anblick hatte etwas so un widersteh lich Komisches, daß Beide un willkürlich lächeln mußten. Gleichzeitig über Etwas lachen, wenn man doch nicht zusammen davon spricht, ist aber fast ein kleines Geheimniß, das man mit einander theilt—es bringt selbst gegen ihren Willen zwei Menschen in dem Augenblick sich innerlich näher Dem Prinzen hätte nichts Günstigeres in seinem Verkehr mit Jlda zu Hülfe kommen können, als dieser kleine Zwi schensall, welcher der Situation etwas Komisches und dadurch Harmloses ver lieh. Er benutzte ihn sogleich auf das Vortheilhafteste, indem et die kleine Scene für sich allein wirken ließ, während er sie mit Stillschweigen überging und verwickelte das junge Mädchen darauf mit routinirter Gewandtheit in eine esprit volle Plauderei, die bei aller scheinbar spielenden Leichtigkeit doch einer gedan kenvollen Tiefe und eines gewissen Em steS nicht entbehrte. Der Raum, in welchem das Gespräch stattfand, war bis dahin nur von einzel nen convetsirenden Gruppen belebt ge wesen die größere Menge bet Gäste drängte sich stets denjenigen Räumen zu, in welchen sich das Fürstenpaar augen blicklich aufhielt, gerade wie sich die In festen nach einem Gesäß mit Honig hin zuziehen pflegen. Endlich betrat die Herzogin aus ihrer Runde dutch die Gemächerreihe auch den .'*7^ Salon, wo ihr Stiefsohn weilte, ohne je doch anscheinend ihn und die junge Dame, nut welcher er sich unterhielt, sogleich zu bemerken. Sie redete nach einender vir fchtedene Persönlichkeiten an die hohe Frau hatte dabei, wenn sie es wollte, eine hinreißende Manier, welcher Niemand widerstehen konnte. Der in tiefster Ehrfurcht vor ihr zu sammenknickende alte Rath wurde glei cherweise von ihr bezaubert, wie der jüng ste Lieutenant, welcher am andern Tage erröthend vor ihrer vorüberfliegenden Equipage Front mochte. Jeder, welcher mit ihr sprach, hatte in solchen Momenten der Unterhaltung mit ihr das Gefühl, als wenn sie gerade für ihn eine ganz besondere Theilnahme em pfinde und als ob seine Interessen ihre eigenen seien. Em ausgezeichnetes Gedächtniß kam ihr dabei vorzüglich zu Hülse. Sie er innerte sich an allerlei Vorfalle, die je nach dem für die Betreffenden ehren voll, schmeichelhaft, in irgend einer Weise bedeutungsvoll, immer aber wohl thuender Art waren und wußte so in Ällen das Gefühl der Befriedigung zu erwecken. Die Oberhofmeisterin hatte ihr soeben einen jungen Lehrer vorgestellt, der durch einen Band hübscher Poesien kürzlich die Aufmerksamkeit auf fut, gjer.t't hatte und deßhalb mit einer Einladung beehrt wor den war. Die schmeichelhafte Anrede det fürstli chen Frau ließ das süße Gefühl eines großen Erfolges in ser Brust des jungen Poeten zurück und feine hochfliegenden Hoffnungen auf eine glänzende Dichter lauföahn schienen in dieser Stunde eine schöne Bestätigung zu finden. Und während er hoch beglückt nach beendigter Unterhaltung feine Verbeu gung machte und zurücktrat, war Frau von Schirnau wieder näher herzugekom men und schien ihre Herrin mit ernsthas -tet Miene auf Etwas aufmerksam zu ma chen. Auf den schönen, belebten Zügen der Herzogin war das liebenswürdige Lächeln von soeben nicht wieder erloschen, es ver schärfte sich bei den Worten der Oberhof meisterin aber beinahe zu dem eigenwilli gen Schmollen eines verwöhnten Kindes, welchem man ein Spielzeug nehmen möch te, von dem es doch ganz genau weiß, daß man es ihm lassen wird, wenn es sich nur widersetzt. „Aber, liebe Excellenz." sagte sie balb scherzend, halb piquirt, „lassen Sie voch unsere schone Gräfin mit ihrer Passion für kostbare Stoffe in Frieden. Einet Ausnahmeerscheinung wie der Comtkffe kann man wohl solche kleinen Ertrava ganzen verzeihen, welche bei jeder Ande ren allerdings von schlechtem Geschmack sein würden." Die Herzogin schritt weiter, während sie sprach und näherte sich der eben Be sprochenen, die von dem Erbherzog bis dahin eifrig unterhalten war. „Ich erlaube mir auch nur deßhalb auf den auffallend luxuriösen Anzug der Comtesse aufmerksam zu machen," hatte die Dame noch eben Zeit sich zu ent schuldigen, ehe sie das Paar erreichten, „weil Euer Hoheit selbst ausdrücklich be fohlen haben, daß an den Donnerstag Abenben tleinere Toilette gemacht wer den soll." Die hohe Frau beachtete den Einwurf nicht weiter. „Ich muß Ihnen mein Kompliment machen, liebe Gräfin, über den Geschmack, welchen Sie stets in Jh ren Toiletten entwickeln," redete fie überaus gütig das junge Mädchen an. „Diese frischen, scharlachfarbenen Rar. ken wilden Weines kleiden vorzüglich zu Ihrem hellen Haar und dem matten Grün Ihrer Robe. Sind Sie nicht auch meiner Ansicht, Excellenz, daß die Zu fammenstellung reizend ist?" wandte fie sich an die Oberhofmeisterin, indem sie dieselbe boshafterweife zu einem Lobe der von ihr so eben erst Getadelten nö thigte. „Gewiß, Hoheit, sehr reizend," stimmte die Angeredete mit ihrem säuerlichst-sü ßen Lächeln zu, „die Comteffe weiß den Effekt ihrer Roben so brillant zu steigern, als ob Aschenbrödels „Bäumchen rüttle Dich, Bäumchen schüttle Dich," in ihren Diensten stände, silberne, goldene und mit Sternen besäete Kleider zu spenden." Sie konnte es beim besten Willen nicht über sich gewinnen, von einer kleinen Stichelei abzustehen. Jlda's Anzug bestand aus einem matt grünen Seidenstoff mit einem eingeweb ten Streumuster von flimmernden Gold sternchen, welches sehr wirkungsvoll war. Alle jzne kostbaren Stoffe, die auf An rathen von Doris Metnets von deren geschickten Händen zu den geschmackvoll sten Toiletten arrangirt waren, stammten aus den mehrfach erwähnten Garderobe Vorräthen zu Olberode. Jlda war an fangs zweifelhaft gewesen, ob sie dem Drängen ihrer Schneiderin die alten Sa chen zu verarbeiten, nachgeben sollte aber das junge Mädchen hatte so viel gu ten Geschmack dabei entwickelt, das Ma terial zeigte sich so wohlerhalten und schon und vor allen Dingen war eS ein mal vorhanden, ohne Etwas zu kosten— so hatte die Comteffe eingewilligt. In diesem Augenblick, bei der malitiösenBe merkung der Frau von Schernau bereute sie aber beinahe es gethan zu haben und ein flammendes Erröthen stieg in ihr schönes, stolzes Gesicht. Prinz Ramer sah ei und ärgerte sich über den hämischen Ausfall der ihm oh nehin seit langer Zeit verhaßten Frau. Ein unendlich verächtlicher Ausdruck kräu selte seinen langen rothen Schnurrbart und einer jener vernichtenden Sarkas men, welche ihm schon manchen Feind für's Leben zugezogen hatten, schwebte ihm auf den Lippen, als feine Stiefmut ter dem zuvorkam. „Ja, unsere liebe Gräfin ist eigentlich eine richtige kleine Verschwenderin," sagte die schöne Frau mit ihrem liebenswür digsten Ausdruck, „aber was schadet das, wenn es mit so viel Geschmack geschieht, als es hier der Fall ist. Sie ist natüt lich das eiifiint gatee der Großmama, wie sie hier unser allgemeiner Vorzug ist! Wahrhaftig, liebe Gräfin, ich wünsche nur, daß ich recht oft die Freude habe, Sie in einem Ihrer reizenden Feenge wänder aus Excellenz Schornau's Mär chenbuche zu sehen." Man konnte nicht huldvoller und gü tiger dem spöttischen Hieb die Spitze ab brechen, als die Herzogin es mit ihren Worten an das junge Mädchen that. Dann noch ein lächelndes Kopfnicken, welches auch dem Prinzen zu gelten schien und die hohe Frau schritt mit Frau von Schernau plaudernd weiter, ganz so als ob nicht das Mindeste vorgefallen sei. „Nehmen Sie sich künftig in Acht vor jener Frau, Gräsin, Sie haben von die set Stunde an eine unversöhnliche Fein din an ihr," sagte der Prinz, hinter den beiden Damen hersehend. „Ich glaube," nickte Jlda gedanken voll, „ich war ih? zuwider vom ersten Augenblicke an, wo wir uns gesehen ha ben." „Das ist begreiflich, die Finsterniß und das Licht!" Sein Ton hielt die Mitte zwischen Ernst und Scherz bann, indem er gänzlich zu Letzterem überging, schlug er vor: „ich biete Ihnen ein Schutz- und Trutzbündniß an gegen diesen gemein samen Feind, welcher wahrlich nicht zu verachten ist!" Die seltsamen, saScini renden Augen, die je nachdem so müde und sammetweich zu schmeicheln wußten, ober dämonisch zu bannen verstanden, konnten auch offen und ehrlich schauen und waren bann vielleicht am Alletge fährlichsten. Das junge Mädchen fühlte ihr Miß trauen dem Prinzen gegenüber ganz und gar schwirdm. Er besaß offenbar, gleich feiner Schwester, welcher sie so seht zugethan war, einen Charakter voller an scheinender Widersprüche, aber im Grun de war er doch sicher gut und edel wie diese. Im anstoßenden Gemach hatte sich eine Gesellschaft aus den Intimeren des Ho fes zusammengefunden, unter denen die Pi in Bessin Cercle machte. Sie besaß ein ausgeprägtes Talent zur Repräsentation und eine echt fürfil che Würde, wenn sie sich zufällig nicht gerade darin gefiel, den neckischen Kobold zu spielen. Heute war sie im Ganzen ernster als gewöhnlich uvd sie beendete eben mit Frau von Dangern, der leidensch isüichen Wagner-Schwär merin, ein eingehendes Gespräch über die letzten Avffährungen in Baireuth. Sich zur Seite wendend, war sie im Begriff, die nächste Dame anzureden, als anstatt der schwarzäugigen Frau von Cowatzky, welche vorhin noch dagestanden hatte, plötzlich der Baron von Hohenfeld sich tief vor ihr verneigte. Es war seine Art, sich stets vorzudrän gen und den Herrschaften in den Weg zu stellen, und er that das selbst in diesem Falle, während er doch wußte, daß ihn die Prinzeß haßte, weil sie ihn mit gutem Grund für das böse Prinzip ihres Bru ders hielt. Aber obgleich er die Berech tigung für diese Annahme wohl selbst nicht hätte leugnen können, erbitterte ihn die Abneigung, welche ihm gezeigt wur de, nichtsdestoweniger auf das Höchste, zumal er sich als Protege der regierenden Herzogin für eine unantastbare, höchst wichtige Person hielt, und er suchte sich deshalb für die Ungunst der Prinzessin auf jede Weise zu rächen. Soeben hatte et Frau von Cowatzky mit seiner leicht fertigen Impertinenz von ihrem Platz weg zu manöötiren verstanden und sich an deren Stelle ausgepflanzt, indem er die Prinzeß auf diese Weise nöthigen wollte, gegen ihre Abficht, einige Worte mit ihm zu sprechen. Indeß hatte er die Rechnung ohne die „W'.lis" gemacht. Die Prinzeß schien ihn überhaupt gar nicht zu bemerken genau so als ob er Luft gewesen wäre und sie eine Lücke in dem Kreis zu übergehen habe, stand sie schon in ihrer rapiden, graziösen Manier vor der zunächst stehenden Präsidentin von Reider. Das Wort der Anrede wurde ihr aber so zu sagen vor dem Munde abgeschnit ten, denn es ertönte neben ihr, allen Re geln der Etiquette zuwider, die Stimme des Barons. „Ich habe noch um Vergebung zu bitten," säuselte er mit gedämpfter Stimme, aber doch deutlich genug, da mit man ihn nicht gut überhören konn te, „daß ich gestern so unglücklich war, Eure Hoheit nicht gleich zu bemerken und zu grüßen, da Höchstdieselbe vorüber ritten. Seine lange dürre Figur stand, wäh rend er sprach, wie ein zerbrochenes Rohr zusammengeknickt da. Die Prinzeß wandte den Kops kaum merklich zur Seite, mit einem unbeschreib lich erstaunten und geringschätzenden Aus druck auf ihrem feinen Gesichtchen. Es schien, als ob sie es absichtlich vermied, jene Gestalt des Erbarmens dabei anzu sehen, welche ihr in der Seele zuwider war. Mit einer kurzen Bewegung schob sie sogar ihre lachsfarbene Schleppe zu rück, wie wenn sie die Berührung eines eklen Repels gefürchtet hätte. „Ich entbinde Sie hiermit ein für alle mal von der Verpflichtung, sich bei mir für irgend etwas zu entschuldigen, Herr von Hohenfeld," sagte sie laut und mit vernichtender Kälte im Ausdruck. Da mit ließ sie ihn stehen und wandte sich wieder an Frau von Reibet, um sich mit dieser über deren Thätigkeit im Frauen verein der Residenz zu unterhalten. Baron Hohenfeld raffte sich rasch von dem Drucke feiner Niederlage wieder aus ein von (i5.fi und Galle funkelnder Blick feiner stechenden, dunkeln Augen schoß hinter der Prinzessin her dann hatte er sofort seine spöttische, witzelnde Miene wieder vorgenommen, mit bet et sich in den Gesellschaften umherzutreiben pflegte, indem er hier und da einen dreisten Witz zuflüsterte, oder halblaute Bemerkungen wagte, welche fast immer einen Beige schmack von haut gout Hatten. Es gab Wenige, welche ihm ihr Mißfallen darü bet zu zeigen wagten, noch Wenigere, die die sich erkühnten, ihm offen entgegen zu treten man fürchtete feine scharfe Zunge, feine boshaften Witze und roch mehr fast feine Intriguen bei Hofe. Er hatte auch heute nicht geglaubt, daß die Prinzeß es wagen umrde, ihn so gewissermaßen öf fentlich zr beleidigen. Die lächelnden, spöttischen Mienen waren ihm nicht ent gangen, welche sich diesmal auf feine Kosten belustigt hatten. Aber er war nicht der Mann darnach, sich nichtachtend behandeln zu lassen, ohne sich zu rächen. O! Sie sollte ihm diese Demüthigung büßen mit dem, was ihr am theuersten war auf der Welt 9. Kap'ite l. Gegen alle Erwartung derjenigen Per fönen, welche bestimmt darauf gerech net hatten, daß ihnen die nächste Zeit das unterhaltende Schauspiel einer stür mischen Werbung des Prinzen um die Neigung der jungen Gräfin bringen würde, fand nichts dergleichen statt. In feinem Benehmen gegen die junge Dame artig rücksichtsvoll, aber zugleich respektvoll zurückhaltend, glich sein Ver halten in diesem Falle so ganz und gar nicht dem, was man vorausgesetzt hatte, daß man anfing allmählich überzeugt zu sein, der Erbherzog empfinde keine Spur von besonderem Interesse für die Com teffe. Wahrscheinlich war sogar Derjenige, um welchen es sich bei all diesen Voraus setzungen handelte, selbst dieser Meinung, zum Mindesten aber der festen Ueberzeu gung, von keinem ernsteren Gefühl er griffen zu sein. Eine kleine Herzensaffektion und ihre zerstreuenden Anregungen gehörte indes sen so unbedingt zu den Lebensgewohn heiten des Prinzen, daß er denselben weiter keine besondere Wichtigkeit beizu legen pflegte es war für ihn ein Sport wie jeder andere und jemehr Hindernisse es darin zu besiegen galt, desto amüsan ter wurde die Aufgabe. Jlda hatte im Verlauf des täglichen Zusammenlebens, dem einfach liebens würdigen Benehmen des Prinzen gegen über, sehr bald ihre volle Unbefangen heit wiedergefunden und das neu hinzu getretene Element störte in keiner Weife das harmlose Sichwohlfühlen des jun gen Mädchens in der belebten Gesellig keit des Hofkreifes. Im Gegentheil, bei der Art und Weise, wie der Erbherzog sich zu der Comteffe stellte, konnte der Verkehr mit ihm, da er neben seinen weniger löblichen Gewohn heiten auch viele geistig fördernde Inte ressen hatte, nur angenehm sein. In der schon spätherbstlichen Jahres zeit fanden fast täglich Treibjagden statt der Herzog war ein leidenschaftlicher Jä get und lag diesem Vergnügen seht flei ßig ob. Auch der Prinz liebte das edle Waidwerk, aber da er zugleich ein toll kühner, passionirter Reiter war, bevor zugte er hauptsächlich die Hetzjagden in •-v englischer Manier. Es sollten in diesem Iahte demnach auch mehrere dieser Art veranstaltet werden, während bis dahin nur seltener dergleichen vorgekommen waren. Da die Herzogin ebenfalls den Wunsch geäußert hatte, einer Parforcejagd bei zuwohnen, beeilte ihr Gemahl sich als bald, eine solche anzusetzen, und das beste Wetter begünstigte den dazu bestimmten Tag. Die Jagdgesellschaft gab ein heiter be lebtes Bild ab die kläffende Meute konnte kaum noch im Zaum gehalten werden und die Piqueure warteten nur darauf, daß dieselbe losgelassen würde. Die Jäger in ihren scharlachnen Röcken waren meist treffliche Reiter eine Menge von geladenen Gästen, die Kavaliere vom Dienst, das höhere Forst- und Jagdper fonal auch die Offiziere der Garnison hatten ein ansehnliches Kontingent dazu gestellt. Die Prinzeß und Jlda waren eben falls zu Pferde erschienen und obgleich die Erstere das junge Mädchen sonst sehr gern um sich sah, hätte sie doch in die sem Falle vorgezogen, dieselbe mit den andern Damen im Wagen zu wissen, denn sie fand die Comtesse viel zu neu als Reiterin bei einer solchen Gelegen heit. Aber es hatte geschienen, als ob eS der Herzogin besonderes Vergnügen mache, ihren Schützling heute als Ama zone zu sehen und so mußte man sich fügen. Auch Prinz Hermann, welcher schon ein ganz tüchtiger Reiter war, hatte auf seinen dringenden Wunsch die Erlaubniß erhalten, die heutige Partie mitzuma chen sein jugendlicher Kopf war dabei ganz erfüllt mit allerlei vagen Vorstel lungen von möglichen Gefahren, denen die Comteffe bei dem lebhaften Treiben, das bevorstand, vielleicht ausgesetzt sein könnte, und von dem Wunsch ihr darin ritterlich beizustehen. Er hielt sich deß halb auch immer in der Nähe der beiden Reiterinnen auf. Die Herzogin wollte zu Wagen mit ihren Damen der Jagd bis zu einem gewissen erhöhten Punkt folgen, von dem aus man einigermaßen das viel fach coupirte Terrain leicht überblicken konnte. Der Kammerherr der Herzogin, Herr von Hohenfeld, welcher als alter erfah rener Sportsmann sehr genau über alle heutigen Vorkommnisse Auskunft zu geben verstand, war dazu ausersehen, die hohe Frau zu Pferde zu begleiten, um für et waige Erklärungen gleich zur Stelle zu fein und er verfehlte nicht, sich mit dieser Bestimmung rote mit einer Auszeichnung zu brüsten. Laut und luftig schmetterten unten im Thale bereits die Hörner durch die Lust, daß es weithin schallte und das Echo, wie der Ruf ferner Waidgenossen, ant wortete. Die Jagd war jetzt im vollen Gange sie ging eben durch einen Sturzacker hin, abet es schien, als ob der geängstigte Meister Reinecke sich jenseits desselben wieder in den Wald zu bergen gedenke. Weit voraus und alle Anderen in toller Carriere hinter sich zurücklassend, sprengte det Erbherzog seine englische Fuchsstute spottete der Hindernisse, welche das schwie rige Terrain den andern Pferden mehr oder weniger bereitete. Bei fernem Anblick verdüsterte plötzlich eine Wolke das schöne Gesicht der Herzo gm ihre stahlgrauen Augen blickten mit einem Ausdruck auf die Hetze unten im Thal, der so kalt und hart war, wie das vielfach Gefahr bringende Metall, dessen Farbe sie hatten „Finden Sie nicht auch, Baron von Hohenfeld, daß Prinz Rainer sehr wohl und anscheinend sehr gekräftigt von fei nen Reifen zurückgekehrt ist 'i" fragte sie plötzlich ganz unvermittelt, denn die Bemerkung konnte sich nicht füglich auf das, was sie augenblicklich sah, bezie hen, weil die Entfernung, trotz des vor züglichen Fernglases, dessen sie sich be diente, immerhin zu weit war,um dieGe sichtszüge der einzelnen Jäger zu unter scheiden. „Ich muß um Vergebung bitten, daß ich Euer Hoheit zu widersprechen wage, aber ich habe leider eigentlich das Gegen theil beobachtet. Im lebhaften Gespräch, oder wenn der Prinz durch irgend Etwas angeregt ist, bemerkt man es freilich nicht, aber in Momenten unbeobachteter Ruhe finde ich, daß er bisweilen sehr angegrif fen und fast verfallen aussehen kann." In den zahllosen, tiefen Falten um den Mund des Sprechenden zuckte und lau erte es bei seinen Worten rote ein gifti ges Gewürm. Die fürstliche Frau streifte ihn halb spöttisch, halb verächtlich mit einem ta sehen, unbeschreiblich überlegenen Sei tenblick aber sie erwiderte nichts und ihre ganze Aufmerksamkeit schien wie der von dem Schauspiel vor ihr gefef seit zu fein. Plötzlich erklang neben ihr sein emphatischer Ausruf: „Ah, da kommt unser Prinz! Jeder Zoll fürst liche Ritterlichkeit, bei aller jugendlichen Frische! Das prächtige Abbild feines erlauchten Vaters, fein würdiget Nachfol ger „Aber er wird eS niemals fein!" stieß sie bitter hervor. Die Mutterliebe ist eine wunderbare, geheimnißvolle Macht! Die Herzogin, welche mit ihrem scharfen, zerfetzenden Verstände, ihrem kalten Her zen und ihrem eisernen, sich über Alles hinwegsetzenden Willen die Menschen wie die Situationen unterjochte, wurde eine Andere, sobald es sich um ihr K'.nd han delte. Eine leidenschaftliche, vergöttern de Zärtlichkeit, die Etwas von dem wil den Instinkt einer Tigerkatze für ihre Jun gen an sich hatte, erfüllte sie für ihren Sohn und die Eifersucht, welche sie sei netwegen auf den dem Throne näherste henden Bruder empfand, konnte sie in unbewachten Augenblicken sogar die kühle Vorsicht vergessen lassen, welche fie sonst stets zu bewahren pflegte. Eben noch völlig klar und auf der Hut vor den servilen, intriganten Ein fchmeichelungen des Barons, riß der Anblick ihres Lieblings, welcher als ei net der Letzten von det Gesellschaft so eben mit der Comtesse vorüber kam, sie zu jener finster hervorgestoßenen Antwort hin. Wieder vertiefte es sich um den falti gen Mund des Barons zu jenem unheim lich lauernden Ausdruck. „Wie oft kommt es anders in der Welt, Hoheit," sprach er mit gedämpfter Stim me weiter, „als es nach den gewöhnlichen, menschlichen Berechnungen zu erwarten ist. Mit welcher Freude würde das Land, würden die ergebenen Dienet des herzoglichen Haufes eine Aenderung in der demnächstigen Thronfolge begrüßen! Man vergöttert den Prinzen Hermann, während der Erbherzog sich keiner Sym pathien im Lande erfreut. Er ist fremd „Und das sagen Sie, Herr von Ho henfeld," unterbrach ihn die Herzogin mit zurückgekehrtem Mißtrauen, „Sie, der ihm feit Jahren Zunächststehen de „Ja! Ich, Hoheit," antwortete mit Aplomb, dem gefährlichen Dilemma, in das er hineingerathen war, die Spitze bietend, der Baron. „Gerade weil ich die Ehre habe, dem Prinzen Rainer nahe zu stehen, weiß ich besser als Andere, daß es auch sür ihn kein Glück sein wür de, zur Regierung zu kommen. Die Sor gen sür das Wohl seines Landes würden ihn sehr bald ermüden und langweilen, und der dauernde Aufenthalt einer kleineren deutschen Residenz ihm mit der Zeit quälend werden bis zur Unerträg lichkeit. „Euer Hoheit wiffen, wie genau ich den Prinzen seit seiner ersten Jugendzeit kenne für ihn wäre es unendlich mehr feiner Individualität entsprechend, wenn es ihm als nachgeborenem Prinzen frei stände, sich in einer der großen europäi schen Hauptstädte das Leben nach seinem Geschmack zu gestalten. Wer weiß! Am Ende erkennt er das selbst, wenn er hier erst wieder eine Zeitlang verweilt hat, vielleicht „Sie träumen, Herr von Hohenfeld," warf die Herzogin herbe ein, „man ent sagt nicht freiwillig und ohne Noth einer Krone!" „Ohne zwingende Gründe allerdings nicht fein versteckter Blick schoß un- willkürlich blitzschnell nach der Oberhof meisterin hinüber, welche, mit einem mächtigen Opernglase bewaffnet, neben ihrer Herrin im Wagen saß, aber so ganz im Anschauen des Schauspiels vor ihr versunken war, daß sie nicht zu sehen und nicht zu hören schien, was in ihrer Nähe vorging. „Indessen solche Gründe könnten doch eintreten—sogar sehr leicht eintreten und alle wahren Freunde des herzog lichen Hauses müßten eine solche Wen dung der Dinge nur mit Genugthuung begrüßen Ich meinestheils würde zum Mindesten sehr erfreut dadurch fein ja, ich glaube sogar, daß ich es gege benen Falls für meine Pflicht halten könnte, mit meinen schwachen Kräften für die Förderung dessen, was für alle Theile am Heilsamsten scheint, einzutre ten." Er hatte langsam, wie zögernd und in dem er doch jede Silbe betonte, gespro chen die Herzogin, scheinbar in Gedan ken versunken, tauschte indeß mit gespann tester Aufmerksamkeit auf feine Worte. Plötzlich wandte sie sich voll nach ihm herum und sah ihn halb prüfend, halb mit erzwungener Strenge durchdringend an. „Wiffen Sie wohl, mein Herr Baron, daß Ihre anscheinend so harmlos klin genden Worte sehr nahe an Hochverrath herstreifen? O! Ich weiß wohl," be antwortete sie eine betheuernde Bewe gung seinerseits, „daß Sie sich nichts Schlimmes dabei vorgestellt haben im Gegentheil, ich kenne ja Ihre treue Erge benheit für meinen Gemahl und für mich, sowie Ihre Vorliebe für meinen Sohn und bin Ihnen dankbar dafür. Dankbar sogar für bloße gutgemeinte Wünsche, an deren Verwirklichung wir Alle natürlich nicht im Entferntesten den ken." Ihr Ton war allmählich zu immer huldvollerer Güte übergegangen: „Chi märe für Chimäre, Baron! Sie äußer ten einst, daß es Ihr höchster Wunsch sei, Ihren dauernden Aufenthalt in dem so sehr von Ihnen geliebten Paris nehmen zu können sollte jemals durch irgend eine Fügung des Himmels das Luft schloß, welches Sie vorhin für meinen Sohn aufbauten, zur Wirklichkeit wer den, so—empfangen Sie mein fürstliches Wort darauf soll auch Ihr Traum von Glück zur Wirklichkeit werden, in einer Weife, welche Sie befriedigen dürfte!" Sie hatte die letzten Worte in vollem, höchstem Ernst betont, sprang bann aber rasch und leicht zu etwas Anderem über, indem sie ben Kops nach einer der in der Nähe haltenden Equipagen wandte. „Bitte, Herr von Hohenfeld, ich vergesse ganz und gar, daß gewiß auch eine ober die andere von den dortigen Damen gern hier und da eine Erklärung über den Verlauf der Jagd haben möchte unsere gute Präsidentin zum Beispiel vergeht, glaube ich, schon vor Ungeduld, Etwas von Ihnen zu hören. Eilen Sie ja, die Damen zu befriedigen!" Herr von Hohenfeld beetfette sich, dem erhaltenen Befehle nachzukommen. Das Lärmen, Jauchzen und Blasen war ohne Ende, während die Jagd ihren weiteren Verlaus nahm.. Zwei Füchse hatte man bereits erlegt und die Meute jagte auf der Fährte eines dritten. Prinz Hermann war doch mittlerweile feinen Vorsätzen und der erkorenen Dame untreu geworden die wilde Aufregung der Hetze hatte ihn zuletzt ebensogut er griffen als die Uebrigen und unwidersteh lich mit fortgerissen. Die Comtesse war im Schutz eines der älteren Herren zu rückgeblieben, dem, obgleich er artig ge nug war, es nicht zugeben zu wollen, sie es dennoch anmerkte, daß er ein Opfer brachte, indem er mit einet Dame lang samer folgte. Jlda hatte längst eingesehen, daß eine solche Jagd nichts für sie war und daß ihr Platz viel richtiger bei dert andern Damen im Wagen gewesen wäre. Allein man hatte sie dazu gedrängt, und nun mußte sie, so weit sie konnte, sich für die ses eine Mal der fatalen Sage anpaffen, indem sie, so gut es eben gehen wollte, langsamer nachzukommen suchte. Wenn sie doch nur wenigstens den gu ten, geduldigen Rhöders zur Seite ge habt hätte! In der That wäre sie sogar lieber noch ganz allein geblieben, als sich sagen zu müssen, daß ihr Begleitet es ge miß im Stillen verwünschte, ihretwegen um einen Theil vom Vergnügen des Ta ges zu kommen. Sie hatten gerade eine Art von Hohl weg zu passiren, als auffallender Weife ein zurückkehrender Jäger ihnen entgegen kam, in welchem sie, als et sich näherte, den Erbprinzen erkannten. Schon auf ein paar Schritte weit tief er ihnen entgegen: „Mein liebet Herr von Breitenstein, ich komme, Sie als Begleiter der Gräfin abzulösen. Ich weiß, Sie sind ein passionirter Jäger und ich selbst habe meine Diva vorhin etwas arg mitgenommen und möchte ihr nur eine kurze Erholung gönnen. Wenn Sie dort die kleine Böschung hin an freiten und quer über den Anger ja gen, können Sie die Jagd binnen Kurzem einholen." Der Angeredete ließ sich nicht erst lange nöthigen, mit guter Manier wieder zu feinem Vergnügen zu kommen, und nahm die Proposition des Prinzen dank bar an. „Sie müssen zugeben, Gräfin, daß ich sehr selbstlos bin," sagte Dieser, indem er an ihrer Seite den Weg fortsetzte, „ob gleich mir diese Gelegenheit das Vergnü gen gewährt, Sie eine Weile begleiten zu dürfen, wüßte ich Sie doch lieber sicher aufgehoben bei den übrigen Damen im Wagen, denn ich fürchte wirklich, daß die Anstrengung dieses TageS zu viel für Sie wird." „Ja, ich gestehe es auch offen, Hoheit, ich habe es wiederholt heute schon be reut, mitgekommen zu fein, ich hatte so gar keine Ahnung von dem Verlauf einer solchen Jagd und will von Herzen wün schen, erst glücklich wieder heim zu sein! Es ist so peinigend," fügte sie unbefan gen lächelnd hinzu, „als lästiger Hemm schuh immer irgend Jemanden zurück zu hatten. Ich hatte vorhin gerade den gu ten Herrn RhödetS lebhaft herbeige wünscht und freute mich aufrichtig, als Hoheit herzu kamen uneben unglücklichen Herrn von Breitenstein von der Last mich zu eskortiren erlösten." „Die Analogie mit dem guten Rhö ders ist freilich nicht gerade schmeichel haft für mich," meinte er lachend, „aber es ist immer noch besser, wenigstens apropos kommen, als das Gegen theil« v^f -*-0-Ä.-, V -r£~ sr ^s 3 -r iDâ'â HSeMbote« i Herausgegeben von der Meftvote Compagnie e i n u n 8»ei DallarS per Jahr ia VoravSbezahl»«g. No. 4I Jlda wußte bei der zutreffenden jBe* merkung nichts Besseres zu thun, als mit zu lachen. Zum Kuckuck auch mit dieser aller» liebsten Unbefangenheit, dachte er, die i«$ freilich selbst im Anfange unseres Ver kehrs mich bemüht habe, ihr zurück z» geben, welche aber nachgerade anfangt ziemlich bedenklich für mich zu werden I Und laut fügte er hinzu: „Ich möchte Ihnen vorschlagen, Grä* sin, das Verfolgen der Jagd liebet gänz? lich aufzugeben und statt des schwierigen Terrains einen hübschen und bequeme»,. Weg zu wählen, welcher uns in etiv» einer Siunde nach dem Forsthaufe in» Walde bringt, wo das Frühstück einger nommen werden soll. Wir finden die Herzogin und die Anderen vielleicht srfwif dort vor jedenfalls treffen wir daselbst mit der ganzen Jagdgesellschaft wieder zusammen." Jlda war froh in der Aussicht auf bei| besseren Weg und nahm den Vorschlag' dankbar und ohne Zögern an. Sie sah dabei hinreißend schön aus die blaß? rothen Wangen etwas tiefet gerathet von der Bewegung in der frischen Luft» die dunkelblauen Äugen leuchtend in un bewußter unschuldsvoller Tafemsluftz Die Räthsel in der menschlichen Natu* sind zu wunderbar nichts zieht die Märt* net in den meisten Fällen mehr un als kindliche Unberührtheit und Unbefangen« heit, und doch sind sie jeden Augenblick .bereit, diese selbst zu zerstören. Neben ihrer außerordentlichen Schön» heit und fast mehr noch als diese war etz gerade ihre „reizende Gleichgültigkeit/' welche sein Interesse erregt hatte, und nun fing er doch bereits an, zu finden, daß dieselbe über die Gebühr andaure, und zu wünschen, sie möge einem wanne» ten Ausdruck weichen. Sie waten in Warum die Amerikaner i« Mexico nicht beliebt sind. Em Correspondent aus Mexico gibt folgende Erklärung. Der Grund, sagt et, ist nicht, daß unsere Republik die mex» canifche zu verschlingen droht und be»' reit'S Stücke von ihr angeschlossen ha^ Die Franzosen, welche in Mexico sehr bS" liebt sind, haben schon einmal das ganze Land erobert. Aber der Franzose ist in» met ein „Gentleman" und weiß, daß dif Mexicanet in ihrem Lande ein Recht ha» ben, so dumm, träge, unwissend und sow detbat zu sein, als sie eben wollen, und daß er, wenn es ihm dort nicht» gefällt nur weczugehen braucht. Der Angl*' Amerikaner ist aber nicht immer ein Gew tleman, fondern sehr oft das Gegentheil, Er läßt den Mexikaner merken, oder sagt* es ihm gerade heraus, daß er ihm und daß alles Amerikanische allem Mexikanj» sehen unendlich überlegen ist. SelbH wenn er seine Verachtung zu verberge« sucht, kostet ihn das sichtliche Mützs» Der „Aankeerismo," wie es in der A '•"ä 1 während die schlanken weichen i'inies ihrer vornehm graziösen Figur sich pla stisch in dem knappen dunklen Reitkleid? abhoben. Es wallte heiß in ihm auf bei ihrem Anblick: Wie schön sie ist, durchdrang es ihn. Die Haltung einer Königin und die unbewußte Reinheit eines Kindes. einen seitwärts abzwei genden schmalen Fahrweg eingebogen^ der beim Beginn durch Pflanzungen junge Tannen» mit niederem Gestrüpp hin* lies, bald aber in den eigentlichen Hoch» wald führte. (Fortsetzung folgt.) Presse dort viel genannt wird, ist ein Gefühl daß binnen wenigen Iahten das ganze Land den Amerikanern gehören werbe und inzwischen von Barbaren mißverwaö» tet werde. Natürlich gibt es Ausnah men unter unseren Volksgenossen dorV welche sehr geachtet sind aber der durch» schnittliche Amerikaner w,rd weit wenig« schlecht behandelt, als er's verdient. Er würde in keinem europäischen Lande sich so anmaßend, gemein und prahlerisch z« benehmen wagen als gerade in Mexico ohne sich empfindlichen Zurechtweisungen auszusetzen. Manche Amerikaner sinb geradezu „Loafers," pöbelhaft, grob, und leider sind darunter viele, welche vor dsr amerikanischen Justiz dort eine Zuflucht gefunden haben. Manche auch komme», dorthin mit Empfehlungsbriefen, borgelt Geld und verduften dann. Andere h|* ben wenigstens ein schlechtes Benehme# im Umgang, wenn sonst kein Laster. Besonders verhaßt aber ist die Ttutt» kenheit der Amertkanet. Die Mexikaner betrinken sich auch aber sie thun es iß» Stillen und wagen nicht, es sehen zu lasse». Sie machen keinen Lärm. Der trunke ne Amerikaner aber sucht seinen Zustatch soweit als möglich bekannt zu geben, wiÄ rauflustig und lärmend und prahlt mit seinem Laster. Er besaust sich absichtlich, der Mexikaner unabsichtlich. Neulich kam eine Partie junger Sa« Franciscoet Muttersöhnchen in zwei PuH» man Cars nach El Paso. Sie haefteh Stücke von der Kirche ab, um zu sehetz, woraus sie gemacht sei sie gingen in Privathäuser unemgeladen und stierten Alles an sie befühlten die Kleider, u« den Stoff zu erproben. Sie begaffte# auf's grechste die Frauen sie spräche» laut ihre wegwerfenden Urtheile über Iß» den und Alles aus, als ob Niemand i|e Englisch verstünde. Und das Alles raus* de geduldet und mit schlechter Erziehung entschuldigt, ohne den Flegeln eine Zu rechtweisung einzutragen. Ja, wenn Amerikaner in Verlegenheit mit der Polizei kommen, so werden sie immer milder behandelt als die Eingebt renen. Der Correspondent räth aber doch allen amerikanischen Reifenden, sich mit keinem Landsmanne in Mexico eiüzW» lassen, bevor sie von seiner EhrenhafttA kett und Anständigkeit überzeugt sind. 1? Mexikanische Justiz. Kurzem brachten wir aus der deutsche« Zeitung in Mexico einen Bericht über die Schandthat dortiget Menschenräuber, die im Städtchen Taretan im Staate Michod« can das sechsjährige Söhnchen eine! wohlhabenden Bürgers Namens Lop^ raubten und schon zwei Tage darauf* weil sie das von ihnen geforderte Löse geld nicht erhalten hatten, die Leiche bis' ermordeten Kindes in die Nähe der elter lichen Wohnung warfen. Heute könn« wir aus derselben Zeitung Folgend# melden: „Jetzt schon können wir berichten, daß blé Menschenräuber, mit Ausnahme von zwei DZ#* schuld'gen. ergriffen, ihres Verbrechens übe*» führt und gerichtet worden sind. Da man dm Leichnam von Lopez' Söhnchen unweit d6 Hauses eines gewissen Zeferino gefunden hatte und sonst werter keine Anhaltspunkte über bte Urheber des Mordes vorhanden waren, warf man bett Verdacht auf jenen Zeferino, und die Behörden machten sich auf die Suche nach ,hq». Da erschien aber ein Kind im Po'uzeihause unsfc sagte aus, es habe gesehen, wie zwei Männer, Flavians Marquez und Jose Mar?« Posas dm kleinen Pepe Lopez mit sich fortgeführt hätte«. Die Polizei suchte sofort nach den beiden -tie*» dächtigen, fand aber nur den letzteren. Im Verhör gestand er seine Theilnahme an deM Verbrechen und verrieth seine Mitschuldige«, vier an der Zahl. Mit der ganzen Bande rout» de kurzer Prozeß gemacht, indem man sie sum« metrisch erschoß. Den Brief, in welchem die Menschenräuber dem Hrn. Lopez ihre Beding» ungen zur Auslösung ihres Söhnchens mit«, theilten, hatte Posas geschrieben. Marqrttz und noch ein Mitschuldiger haben sich duvch schleunige Flucht vorläufig dem Arm der irdi» schen Gerechtigkeit entzogen, werden aber vP», folgt und man glaubt, auch sie dem RichM überliefern zu können." Tausende von Heilungen sind bkt beste Anzeige für Dr. Sage S "Catarrh Remedy," 1 •'ä i ii \n\n FE- PUBLISHED BY Bon Edgar A. Poe. Uebersktzt von Dr. T. Haertng. Durchrieselnd, durchrieselnd die Annabel Lee. Der schönen Annabel Les. Roman DON U. von LimbUIg. Columbus, Ohio, Donnerstag, den 2t. Mai 1885.