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Der Deutsche beobachter. [volume] (New Philadelphia, Ohio) 1869-1911, December 05, 1894, Image 3

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I
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E
Der Amerikaner.
y$m
1
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2*
(3. Fortsetzung.)
Die Aufgabe der Gerichte war es,
die Wahrheit zu erforschen. Ehe nicht
die Behörden die Leiche gesehen, durfte
Hier nichts geschehen, der gerichtlichen
{Untersuchung durfte nicht vorgegriffen
toerben. Einer der drei Herren, welche
gemeinsam den auf so schauriger Weise
unterbrochenen Spaziergang unter
Rommen hatten, erbot sich, nach der
Stadt zu eilen, um das Gericht zu be
nachrichtigen, die andern beiden blie
ten an dem Thatort zur Bewachung
der Leiche zurück, um etwa nahende
jSpaziergänger abzuwehren, durch de
ren neugieriges Forschen die Spuren,
die zur Entdeckung des vielleicht be
ßangenen Verbrechens führen konnten,
verwischt werden würden. Diese Vor
ficht war gerechtfertigt, denn bald sam
melten sich andere Spaziergänger, die
aber auf die Mahnung der beiden Her
iren nicht weiter gingen, sondern nur
scheu aus der Ferne die über den Weg
hingestreckte starre Leiche betrachteten.
Der Kreisrichter fand, als er mit
feinen Begleitern den Thatort erreichte,
alles bort unverändert, die abge
schossene Pistole lag noch auf demsel
ben Platz, die Leiche war unberührt,
sie lag noch in derselben Stellung quer
Uber den Weg fort.
Auch für den Kreisrichter war die
erste Frage, welche er sich vorlegte, die:
War hier ein Mord oder ein Selbst
morb verübt worden? Nichts sprach
für einen Mord. Auf dem hartgetre
tenen Wege war nirgends eine Spur
sichtbar,die auf einen entflohenen Mör
ber hätte deuten können. Die Pistole,
welche ganz nahe bei der Leiche auf
dem Wege lag, konnte ebenso wohl der
Hand des Selbstmörders entfallen, als
von dem Mörder fortgeworfen fein.
Auffällig war nur, daß beide Läufe
entladen waren, während doch erficht
sich ein einziger Schuß den augenblick
lichen Tod des Unglücklichen herbeige
führt hatte. Der Kreisphysikus er
klärte nach Untersuchung der Todes
wunde, daß diese nicht den geringsten
Aufschluß darüber gebe, ob eine fremde
Hand die Pistole abgedrückt habe
•ober die eigene Hand des Selbstmör
ders.
Wer war der Unglückliche? Niemand
kannte ihn. Keiner von den Zuschau
ern, die sich jetzt zahlreich angesammelt
hatten, hatte ihn je gesehen. Er mußte
ein Fremder sein, denn in dem kleinen
I Städtchen Herrenburg gab es keinen
Unbekannten.
Er war ein schöner junger Mann
M^von vielleicht höchstens dreißig Jahren,
dies war trotz der das Gesicht entstel
lendert Wunde zu erkennen. Ein
schwarzer dichter Schnurrbart, wie ihn
Osficicre zu tragen pflegten, überschat
iete den feingeformten Mund. Die
großen, starren schwarzen Aug^n wa
1 ten gewiß, als sie noch im Feuer des
s Lebens strahlten, sprechend und schön
gewesen.
Seiner aus einem eleganten, bellen
Sommeranzug bestehenden Kleidung
nach mußte der Fremde den höheren
Ständen angehört haben, ein ganz
neuer feiner, dunkler Strohhut war
dem Verwundeten beim Niederstürzen
abgefallen, er lag ganz in der Nähe im
Grase. Wenn der Fremde wirklich
ermordet war, beraubt war et nicht,
ein Raubmord also hatte keinesfalls
stattgefunden. Er trug am Zeigefinger
der rechten Hand noch einen schweren
^goldenen Siegelring mit einem kostba
ren Stein, in welchem ein adliges
Wappen eingravirt war. In der We
stentasche fand sich eine goldene Uhr
mit goldener Kette, in der Beinkleid
tasche ein großes Portemonnaie mit
mehr als fünfzig Thalern und in der
Brusttasche des feinen Sommerrockes
ein Visitenkartentäschchen und eine
öriefiafel. Die Visitenkarten, welche
sich in dem Täschchen befanden, trugen
fcen Namen: „Kurt von Dyssern", und
In der Brieftafel fand sich außer einer
auf den Namen des „Lieutenant a. D.
Kurt von Dyssern" ausgestellten Paß
karte ein Brief vor, der die Aufschrift
trug: „Sr. Hochwohlgeboren, dem
.Herrn Kurt von Dyssern, Berlin, An-
Haltstraße Nr. 5." Auch eine in einer
S Seitentasche der Brieftafel steckende
giiittirte Rechnung eines Schneidermei
stets Bornitz, Berlin, Dresdenerstraße
211, loar für Herrn Lieutenant von
'W -Dyssern ausgestellt. Ein feines weißes
ff Taschentuch war in der einen Ecke mit
i'^-ben unter einer siebenzinkigen Krone
befindlichen, weißgestickten Buchstaben
K. v. D. gezeichnet.
Die erste vorläufige Untersuchung
der Leiche und der Gegenstände, welche
sich in den Taschen der Kleidung vor
ft .fanden, hatten als Resultat zweifellos
"ergeben, daß der Tobte ein Lieutenant
außer Diensten Kurt von Dyssern war
und daß dieser sich wohl selbst den
ITod gegeben habe, keinesfalls aber ei
item Raubmord zum Opfer gefallen
sei. Welche Gründe den Unglücklichen
gum Selbstmord bewegt hatten und
weshalb von ihm gerade der Elisen
Hain bei dem weiten*legenen Städtchen
1 Herrenburg zum Schauplatz der That
gewählt worden sei, blieb noch uner
forscht vielleicht vermochte der in
der Brieftafel enthaltene Brief darüber
ch Andeutungen zu geben. Die Durchle
& sung desselben verschob der Kreislich
.. ter auf eine gelegenere Zeit, vorläufig
S'.: 4 nahm er nur ein Protokpll über den
Leichenbefund auf und ordnete an,
daß der Leichnam nach Herrenburg ge
.â'' schafft werde.
|k tigkeit seiner Schlußfolgerungen so
fest überzeugt, daß er höchst über
ras cht wurde, als sich noch an demsel
den Abend deren Unrichtigkeit heraus
stellte.
Die Nachricht, daß irr dem Elisen
hain, die Leiche ejnef vornehmen, jun­
gen Fremden aufgefunden worden set,
hatte sich mit Blitzesschnelle durch das
ganze Städtchen Herrenburg verbreitet
und auch ihren Weg nach dem Gasthof
„Zum Kronprinzen", dem besten des
Städtchens gefunden. Sie flößte dem
Wirth einen mächtigen Schreck ein, und
veranlaßte ihn, sich sofort zu feiner
Vernehmung bei dem Herrn Kteisrich
ter Bernau zu melden. Seiner Aussage
warf ein ganz neues Licht in die Un
tersuchung.
„Gestern Nachmittag gegen 5 Uhr
war," so erklärte der Wirth zu Proto
koll, „mit dem von Berlin kommenden
Zuge ein sehr elegant gekleideter jun
ger Herr in Herrenburg eingetroffen
und hatte im Gasthof „Zum Kron
prinzen" Quartier genommen. Er
hatte kein großes Gepäck, nur einen
kleinen Handkoffer bei sich. Seine
erste Frage sei gewesen, ob schon ein
Herr Karl von Dyssern angekommen
sei und nach ihm, Kurt von Dyssern
gefragt habe er sei, als die Frage
verneint wurde, in bas ihm angewie
fene Zimmer gegangen, habe aber bem
Kellner befohlen, ihm sofort zu melden,
wenn Herr von Dyssern ankomme.
In das Fremdenbuch, welches ihm
gleich nach seiner Ankunft vorgelegt
worden sei, habe er sich eingeschrieben
als Lieutenant Kurt, von Dyssern. Er
sei ein großer, schöner Herr gewesen
mit schwarzemSchnurrbart und
Haupthaar, bekleidet sei er gewesen mit
einem sehr eleganten hellgrauen Som
meranzug."
Etwa eine Stunde später, so gegen
6 Uhr, sei mit dem nach Berlin gehen
den Zuge ein zweiter Herr angekom
men, der dem ersten merkwürdig ähn
Iich gesehen habe, gerade so schwarz
bärtig, schwarzhaarig, und schwarz
äug ig, man hätte die beiden für Zwil
lingsbrüder halten können, auch fei er
fast ganz so wie der erste bekleidet ge
Wesen, nur habe er nicht einen hellen,
sondern einen dunkeln Strohhut ge
tragen. Auch er habe nur einen kleinen
Handkoffer als Gepäck bei sich gehabt.
Seine erste Frage beim Eintreten in
den Gasthof sei die gewesen, ob schon
ein Herr Kurt von Dyssern eingetrof
sen sei. Als der Kellner diese Frage
bejahte und ihm mittheilte, Herr Kurt
von Dyssern wünsche sofort benachrich
tigt zu werden, sobald Herr Karl Dys
fem eintreffe, habe er erwidert, dies
sei nicht nöthig, er wolle den Herrn
von Dyssern auf dessen Zimmer selbst
aufsuchen. Mit seinem kleinen Koffer
in der Hand fei er dann von dem Kell
ner geführt nach dem Zimmer des er
ften Fremden gegangen.
Was zwischen den beiden Fremden
in der nächsten Stunde vorgegangen,
wisse der Wirth nicht, jedenfalls aber
fei das Zusammentreffen Beider nicht
ganz freundschaftlich gewesen, denn
der Kellner habe beim Vorübergehen
auf dem Korridor im Innern des Zim
mers mehrmals laute Stimmen wie
von Streitenden gehört und als etwa
nach einer Stunde die beiden Herren
das Zimmer verlassen hätten, feien ihre
Gesichter recht ingrimmig finster gewe
sen, und als er, der Wirth, sie ganz
höflich gefragt habe, zu welcher Stunde
von ihnen das. Abendessen befohlen
werde, habe der Eine ihn barsch ange
fahren, dies zu fragen fei Zeit,
wenn sie zurückkämen. Sie wollten ei
nett Spaziergang machen, wann sie
zurückkehren würden, wüßten sie nickt.
Mit diesem Bescheide seien die Herren
fortgegangen und seitdem habe der
Wirth sie nicht wiedergesehen. Als sie
am Abend nicht zurückkehrt seien, sei
er wohl ängstlich geworden, aber er
habe sich beruhigt unb geglaubt, sie
hätten vielleicht ihren Spaziergang zu
weit ausgedehnt unb seien irgendwo
in der Nachbarschaft über Nacht ge
blieben als sie nun aber auch den
ganzen Tag über ausgeblieben seien
und er außerdem gehört habe, ein
Fremder sei im Elisenhain todt ausge
funden worden müsse er böch Anzeige
machen.
Der Wirth wurde zu der Leiche ge
führt, er erkannte sie sofort als die ei
nes der beiden Fremden, aber er. mein
te, der Todte sei wohl nicht der zuerst
angekommene Herr Kurt von Dyssern
gewesen, der habe auch einen ganz hel
len Strohhut getragen aber er war
doch nicht ganz sicher in seiner Aussage,
er könne sich wohl irren, erklärte er
die Herten seien einander so sehr
ähnlich gewesen, nur dessen erinnerte
er sich ganz bestimmt, daß der zweite
Herr einen dunkeln Strohhut ge
habt habe, gerade wie der, welcher
bei dem Todten gefunden worden
war.
Durch die Aussagen deß Wirthes
wurde die Annahme, nicht durch einen
Mord, sondern durch Selbstmord hat
der im Elisenhain todt aufgefundene
Lieutenant von Dyssern sein Leben ge
endet, vollständig entkräftet.
Die beiden Herren von Dyssern hat
ten sich einer Verabredung gemäß im
Gasthof zum Kronprinzen in Herren
bürg getroffen. Ihr Zusammentreffen
war kein erfreuliches gewesen, sie hat
ten im verschlossenen Zimmer laut mit
einander gestritten, dann hatten sie ei
nen gemeinsamen Spaziergang nach
dem am Abende ganz einsamen Elisen
hain unternommen. Dort, an der äu
ßersten Grenze des Hains war die
Leiche des Herrn Kurt von Dyssern ge
funden worden. Auch Herr Karl von
Dhffern war nicht von dem Spazier
gang zurückgekehrt, er war verschwun
den, seinen kleinen Reisenkoffer hatte
er in dem Gasthof zurückgelassen die
Annahme, daß et vielleicht bei einem
auf's neue ausgebrochenen Streit fei»
nen Begleiter getödtet habe, lag nahe.
Vielleicht auch hatten Beide ein Duell
ohne Zeugen ausgekämpft, in welchem
der Lieutenant Kurt von Dyssern ge#
fallen war zu diesem Zwecke hatten
sie die entlegenste Stelle des Elisen
Hains aufgesucht, um nicht überrascht
zu werden. Der Ueberlebende hatte sich
geflüchtet und hatte sogar seinen
Handkoffer im Gasthof im Stich fle*
lassen, um einen möglichst weiten Vor
sprung zu gewinnen. In fast vier
undzwanzig Stunden konnte er, wenn
er mit den nöthigen Geldmitteln ver
sehen war, längst nach einer oder der
anderen Richtung hin die Landesgrenze
erreicht haben und vorläufig in Sicher
heit sein. Dafür, daß zwischen den bei
den Herren von Dyssern ein Kampf,
vielleicht ein heimliches Duell stattge
funden habe, sprach auch der seltsame
Inhalt des Briefes, der sich in der
dem Todten abgenommenen Brieftasche
vorgefunden hatt#. Dieser Brief lau
tete:
„Du verlangst, ich soll noch ein Mal
mit Dir zusammentreffen, ehe Du
Deine Reife nach Amerika antrittst.
Du bietest mir Geld für Anna's Brie
fe, eine jämmerliche, nichtswürdige
Summe, die kaum genügt, meine drin
gendsten Schulden zu bezahlen. Ich
gerieth, als ich Deinen schändlichen
Brief erhielt, in eine wahnsinnige
Wuth. Mit meinen Händen hätte ich
Dich erwürgt, wenn ich Dich hätte
erreichen können. Mit Geld und
mit einer solchen jammervollen Summe
willst Du mir Anna's Briefe, mei
nen theuersten Schatz, als Andenken
an meine gemordete Liebe ablaufen!
Ich hasse Dich, Kurt, so glühend,
wie ein Mensch nur zu hassen vermag.
Eine Wonne wäre es für mich, Dich
tobt zu sehen, Anna zu befreien von
dorn Ünholb, der ihr Leben vergiftet,
an den sie gefesselt ist durch Bande, die
nur der Tod zu lösen vermag. Ich
würde Dich mit Freuben. ermorden,
aber Anna würde dann noch unglück
licher, wenn Du durch meine Hand
endest, sie wäre mir dann dennoch für
alle Zeit verloren. Deshalb, nur
deshalb schone ich Dich, ich hätte Dich
sonst längst durch die schimpflichsten
Beleidigungen gezwungen, mir mit der
Pistole in der Hand gegenüber zu tre
ten.
EineHerzenswonne war es für mich,
als ich hörte, daß die Nemesis Dich er
reicht hat, daß Du gezwungen worden
bist, Deinen Abschied zu nehmen und
daß Du nun trotz Deines Gelbes aus
gestoßen werben bist aus der Gesell
schast, daß Du deshalb nach Amerika
auswandern mußt und daß Anna sich
geweigert hat, Dit dorthin mit ihrem
Kinde zu folgen. Es ist ein süßer
Triumph für mich, daß Du Dir ihre
Liebe nicht zu erringen vermocht hast.
Ich weiß es, noch heute gehört mir ihr
Herz, wenn sie auch von dem harten
Vater gezwungen worden ist, Dir
ihre Hand zu reichen. Du weiht dies,
Du zitterst in ohnmächtiger Wuth bei
dem Gedanken, daß ich Anna's süße
Liebesbriefe besitze.
Und diese Briefe verlangst Du von
mir! Für fünfhundert Thaler soll ich
sie Dir verkaufen. Nein, so thöricht
bin ich nicht. Wertn mich Geld Vet
führen könnte, müßte es eine Summe
fein, welche mir es möglich machte,
mich vollständig frei zu machen von
allen meinen Schulden, die mich endlich
zu vernichten drohen. Dreitausend
Thaler aber nein, auch dafür möchte
ich meine Rache an Dir nicht verkau
fen!
Verlangst Du nach dem, was ich
Dir geschrieben, noch immer, daß ich
mit Dir in Herrenburg zusammentres
fe? Wenn Du es verlangst, werde
ich an dem bestimmten Tage kommen.
Aber ich warne Dich, reize mich nicht
durch das Anerbieten einer schmachvol
len Geldsumme. Mein Haß könnte
nock wilder emporlodern! Wenn Dir
Dein Lsbs« liâ ist, hüte Dich, mich zu
reize».
Karl von Dyssers."
Dielet lettsame Brief gab einigen
Aufschluß über die Ursachen des Strei
tes, als dessen Opfer der Lieutenant
Kurt von Dyssern gefallen war viel
leicht befanden sich in. den im Gasthof
zum Kronprinzen zurückgebliebenen
kleinen Handkoffern der beiden Reifen
den noch andere Papiere, welche diesen
Aufschluß ergänzten.
Die Koffer wurden von dem Kreiss
richtet requirirt, in dem einen dersel
ben fand sich nichts Bemerkenswer
thes, nur Wäsche und Kleidungsstücke,
der andere dagegen enthielt außer der
für eine Reihe von wenigen Tagen be
rechneten Wäsche eine elegante Brief
mappe mit einer nicht unbeträchtlichen
Anzahl von Briefen, die sämmtlich des
Lieutenants Karl von Dyssern Adresse
trugen. Sie waren von Frauenhand
zierlich und sein geschrieben, nur einer
zeigte die Schriftzeichen einer ktäfti
gen Männerhand dieser eine Brief
lautete:
„Du willst mit Deinen Drohungen
eine möglichst hohe Geldsumme von mir
erpressen. Mich ekelt ein so schmach
voller Handel an, mein Ekel wird nur
durch die Verachtung, welche Du mir
einflößest, übertroffen. Wenn ich
trotzdem bereit bin, die Briefe mit ei
ner für meint Verhältnisse sehr erheb
lichen Summe abzukaufen, so geschieht
dies nur, um Anna durch die Rückgabe
derselben den Beweis zu liefern, wie
unwürdig der Mensch ist, an den sie
ihre Jugendliebe vergeudet hat. Für
diesen Zweck ist mir selbst das Opfer
von 3000 Thalern nicht zu schwer, ein
höheres Geldopfet abet kann und will
ich nicht bringen, auch dieses bringe
ich nur dann, wenn ich durch dasselbe
die Sicherheit erhalte, daß Du nicht,
während ich in Amerika bin, den Ver
such machst, Dich meiner Frau zu nä
Hern. Du sollst die verlangten 3000
Thaler ehalten, ich werde das Geld
mit nach ^ertenbutg bringen und 'Dir
übergeben, aber nur dann, wenn Du
mir eine schriftliche Erklärung aus
stellst, daß Du mir die Briese für 3000
Thaler verkauft hast und daß Du Dich
auf Dein Ehrenwort verpflichtest, nie
den geringsten Versuch zu machen.
Dich meiner Frau jemals wieder zu
nähern. Ich werde Dir den Wortlaut
dieser Erklärung und der Quittung der
Art vorschreiben, daß Deine ganze Er
bärmlichkeit und Ehrlosigkeit sich in
derlelbeA wieder]pieces
w
Willst Du hierauf eingehen, dann
komme am 20. d. M. nach Herten
bürg, ich werde Dich dort im Gasthof
zum Kronprinzen treffen und Dir
8000 Thaler baar auszahlen aber ich
warne Dich, daraus, daß ich Deine
unverschämte Geldforderung, bewillige,
den Schluß zu ziehen, daß ich auch zu
noch höheren Opfern mich bereit finden
lassen würde jeder Versuch, mich dazu
zu bewegen, würde vergeblich sein.
Kurt von Dyssern."
In einem eigenthümlichen Gegensatz
zu diesem für den Empfänger so be
leidigenden Schreiben standen die von
zarter Mädchenhand geschriebenen
Briefe. Die Schreiberin, die sich stets
„Deine Anna" darin gezeichnet, ver
sicherte in diesen Briefen dem theuren
Karl ihre durch kein Machtwort des
strengen, harten Vaters zu erschüttern
de Liebe. Wenn auch der Vater ver
suche. ihr Herz dadurch von ihrem
Karl abzuwenden, daß er ihn als einen
leichtsinnigen Verschwender, als lei
denschaftlichen Spieler, ja sogar als
gewissenlosen, mit den Mädchenher
zen spielenden Wüstling schildere, so
glaube sie doch solche Verleumdungen
nicht. Niemals werde sie dem Wort,
welches siè ihrem geliebten Karl gege
ben, untreu werden, Sie beklagte sich
darüber, daß der Vater sie zwinge,
freundlich gegen den „abscheulichen"
Kurt zu fein, sie wisse sehr wohl, daß
er wünsche, sie solle Kurt ihre Hand
reichen aber dies werde niemals, nie
mals geschehen, sie bleibe ihrem Karl
treu bis zum Tode.
Der letzte Brief in der Mappe war
eint verzweiflungsvoller Abschiedsbrief.
Ihre Kraft erlösche so schrieb Anna
—, sie vermöge dem immer erneuten
Andrängen des Vaters nicht mjjhr zu
widerstehen, er habe ihr mit Enter
bung, ja mit Verstoßung und seinem
Fluche gedroht, wenn sie sich langet
feinem Willen widersetze. Sie habe
nachgeben müssen mit blutendem Her
zen. Sie habe sich mit Kurt verlobt
aber ihr Herz bleibe dem Geliebten
treu bis zum Tode, wenn sie auch den
verhaßten Mann ihre Hand reichen
müsse.
Durch diese Briese erhielt der Kteis
richier eine ganz neue Anschauung
über den inneren Zusammenhang des
Zusammentreffens der beiden Herren
von Dyssern. Hatte et vorher schon
nicht mehr an einen Selbstmord ge
glaubt, so trat ihm jetzt sogar die'
Wahrscheinlichkeit entgegen, daß ein
Raubmord verübt worden sei oder
wenigstens ein Mord, an den sich un
mittelbar 'der Raub angeschlossen
habe.
Es ging aus den Briefen unzweifel
haft hervor, daß der ermordete Kurt
von Dyssern nach Herrenburg gekom
men war, um für die Summe von
3000 Thalern die Briese feiner Frau
von Karl von Dyssern zu kaufen. Die
ser Kauf war noch nicht abgeschlossen,
denn die Briefe lagen noch in dem
Handkoffer Karls verschlossen, das
Geld mußte daher noch in dem Besitze
Kurts von Dyssern geblieben fein, aber
weder bei dem Ermordeten noch in des
sen Handkoffer war eine solche Summe
erfunden worden hieraus ergab sich
die Wahrscheinlichkeit, daß der Mörder
sie geraubt habe. Entweder hatte et
den Mord begangen, um sich des Gel
des nach wahrscheinlich fruchtlosen
Unterhandlungen zu bemächtigen, oder
er hatte wenigstens, nachdem vielleicht
in einem Streite Kurt von ihm erschos
sen worden war, dem Todten das
Geld abgenommen, welches derselbe,
wie er wußte, bei sich trug. Die Mög
lichkeit eines heimlichen Duells erschien
nach dem Ton in den letzten Brief
Kurts von Dyssern ausgeschlossen,
denn es erschien undenkbar, daß dieser
sich mit einem Menschen duellirt haben
sollte, den et geradezu einen Ehrlosen
nannte.
Jedenfalls erschien jetzt der Verdacht,
daß der Lieutenant Karl von Dyssern
ein Mörder, ja sogar ein Raubmörder
fei, so dringend, daß eine Verfolgung
desselben durch Steckbriefe geboten
war.
Der Steckbrief wurde erlassen, aber
er hatte keinen Erfolg. Der Mörder
hatte den Vorsprung eines Tages gut
benutzt, er war geflohen, ohne eine
Sput zu hinterlassen. Vergeblich
wurde in allen Zeitungen seine genaue
Personalbeschreibung veröffentlicht,
vergeblich bemühte sich die Polizei in
allen Hafenorten nach ihm zu for
schen. Et war und blieb verschwun
den.
Die Nachforschungen, welche inzwi
schen nach seiner Vergangenheit und
seinem Verhältniß zu dem Ermordeten
angestellt wurden, gaben dem Verdacht,
daß et einen Raubmord ausgeübt habe,
noch größere Wahrscheinlichkeit.
Der Lieutenant Karl von Dyssern
war ein Wüstling, ein leidenschaftlicher
Spieler, der im übelsten Rufe stand.
Er würde, auch wenn er nicht geflohen
wäre, in kürzester Zeit einen schimpf
lichen Abschied erhalten haben, da sich
nach seiner Flucht herausstellte, daß er
Wechsel gefälscht hatte, die jetzt unrin
gelöst blieben. Er war bekannt als
außerordentlich jähzornig, und alle sei
ne früheren Kameraden trauten ihm
zu, daß er in der Wuth zu jedem Ver
brechen fähig fei. Mit seinem ihm kör
perlich sehr ähnlichen Vetter, Kurt von
Dyssern, hatte er von frühester Kind
heit an in einem durchaus nicht freund
schaftlichen Verhältniß gelebt, welches
in erbitterte Feindschaft ausgeartet
war, als Beide sich um die Hand der
schönen Anna Werthheim, der einzigen
Tochter eines wohlhabenden Fabrikart
ten, bewarben. Karl von Dyssern sah
in der Heirath mit einem wohlhaben
den Mädchen die einzige Hoffnung, sich
vor seinen Gläubigern zu retten, et
glaubte des Erfolges sicher zu fein,
denn die schöne Anna liebte ihn, und
euch ihr Vater, der sich durch die Ver
heirathung seiner 'Tochter an einen
Edelmann aus alter Familie aeschmei-
chelt fühlte, hatte sich zuvorkommend
gegen den jungen Officier gezeigt und
ihn freundlich in sein Haus eingeladen.
Als aber Karl von Dyssern du res) einen
sehr bedenklichen Streit am Spieltisch
gezwungen wurde, sich in ein Linienre
giment versetzen zu lassen, und kaum
einer schimpflichen Verabschiedung ent
ging, als der alte Herr Werthheim er
fuhr, daß Karl sein ganzes Vermö
gen in wüsten Ausschweifungen verju
belt habe und jetzt von Schulden über
lastet sei, brach er jede Verbindung
mit dem übel berüchtigten Menschen
ab und verbot seiner Tochter auf
das Strengste, noch ferner an diesen
nur zu denken dagegen begünstigte er
jetzt einen andern Officier, Lieute
nant Kurt von Dyssern, den Vetter
Karls.
Kurt von Dyssern war ein junger
Officier, dem allgemein eine sehr glän
zende Zukunft prophezeit wurde. Er
zeichnete sich aus durch ein ernstes, wis
senschaftliches Streben, durch Tüchtig
keit in feinem Beruf, und durch eine
fast bis zum Philisterthum gehende
Solidität. Sein Ruf war untadel
haft, auch befaß er ein zwar nicht be
deutendes, aber für seine Lebensbedürf
nisse vollständig hinreichenbes Vermö
gen. Da et außerbem außer seinem
Vetter Karl ber letzte Repräsentant ei
ner alten vornehmen Adelsfamilie war,
erschien er bem alten Herrn Werthheim
als ein sehr wiinsckenswerther Schwie
gersohn. Den einzigen hervorragenden
Charakterfehler, ben Kurt mit feinem
Veiter Karl gemeinsam hatte, ein wil
der, schnell auflobernder Jähzorn,
kannte ber alte Herr entweder nicht
oder er verzieh ihn.
Anna Werthheim war zu schwach,
um dem Willen ihres Va'ters zu wider
stehen, sie reichte dem ungeliebten Kurt
ihre Hand. Die Ehe des jungen Paa
res war höchst unglücklich. Kurt, der
feine junge Frau innig liebte, erfuhr,
daß diese noch immer das Bild des
von ihm verachteten und verhaßten
Vetters im Herzen trug Anna sagte
dies dem ungeliebten Gatten mit frei
müthiger Offenheit, sie erklärte ihm,
daß sie im Herzen ihrem Geliebten bis
zum Tode treu bleiben werde und daß
sie dies kurz vor ihrer Hochzeit Karl
geschrieben» habe. Ihre Pflicht als
Gattin werde sie nicht verletzen, sie habe
deshalb Karls Versuch, auch nach ihrer
Hochzeit mit ihm in einem Briefwechsel
zu bleiben, zurückgewiesen, indem sie
ihm mehrere Briefe urteröffnet zurück
geschickt habe, aber ihren Gefühlen
könne sie nicht gebieten, ihre Liebe zu
Karl fei und bleibe unverändert.
Die Geständnisse seiner jungen
Frau erzeugten in Kurt eine wilde, er
bitterte Eifersucht gegen seinen unwür
digen Vetter, die ohnehin unglückliche
Ehe ward hierdurch noch unglücklicher
und auch die Geburt eines kleinen
Sohnes änderte nichts in dem «auri
gen Verhältniß. Vergeblich bemühte
sich Kurts einzige, in feinem Haufe bei
ihm lebende Schwester, Fräulein Su
fanne von Dyssern, die er zärtlich liebte
und die seine Herzensvertraute war,
zwischen den beiden jungen Ehegatten
zu vermitteln und sie zu versöhnen, der
zwischen ihnen bestehende Zwiespalt
wurde nur um so tiefer und klaffender.
Es kam oft zu heftigen Scenen, bei
welchen Kurt in feinem auflodernden
Jähzorn die junge Frau so empfindlich
kränkte, daß sie nicht mehr Gleichgil
tigkeit, sondern einen tiefen Haß gegen
ihn empfand.
Der Jähzorn Kurts wurde für ihn
die Ursache eines neuen Unglücks. Auf
offener Straße gerieth er in einen
Streit mit einem rohen Burschen, der
ihn brutal gestoßen hatte. Er zog im
Zorn den Degen, aber ehe er ihn ge
brauchen konnte, wurde er von einem
halben Dutzend nerviger Fäuste gepackt,
der Degen wurde ihm von den ihn um
ringenden Arbeitern entrissen und zer
brochen, er selbst wurde geschlagen und
gestoßen, nur durch die Flucht in ein
Haus konnte er sich weiteren Mißhand
lungen entziehen.
Der Straßenskandal erregte ein
peinliches Aussehen, alle Zeitungen be
richteten über denselben und meistens
nicht zu Gunsten des Ossiciers, der in
Den Augen seiner Kameraden durch die
irlittenèn Mißhandlungen, welche et
nicht hatte rächen können, entehrt war.
Er mußte fein Abschied nehmen, aus
ber Gesellschaft, in welcher er bisher
gelebt hatte, toot er ausgeschlossen für
immer.
Das Leben im) Saterlande wurde
dem von der öffentlichen Meinung Ge
ächteten unerträglich. Er beschloß,
nach Amerika auszuwandern, und ob
gleich seine Frau sich weigerte, ihn zu
begleiten, blieb er doch bei diesem Be
schluß, den feine Schwester Susanne
billigte sie hoffte, daß durch eine län
gere Trennung der beiden Ehegatten
der Haß Annas gegen Kurt sich mil
dern werde, besonders wenn es Kurt
gelinge, sie davon zu überzeugen, daß
Karl von Dyssern, an dem noch immer
ihr Herz hing, ihrer Liebe unwürdig
sei. Im vollen Einvetständniß mit
seiner Schwester schrieb deshalb Kurt
an seinen unwürdigen Vetter und aus
gerüstet mit der zu dessen Bestechung
nothwendigen Geldsumme, er Nahm so
gar fünftausend Thaler mit, um des
Erfolges sicher zu fein, reifte nach
Herrenbutg.
Seine Reise sollte nicht nur für ihn,
sondern auch für seine unglückliche
Frau verhängnisvoll werden. Als sie
die Nachricht erhielt, daß Kurt ermor
bet unb daß Karl von Dyssern-der
Mörder sei, brach sie in jähem Schreck
ohnmächtig zusammen. Sie erwachte
aus der Ohnmacht nut, um in wilder
Fiebcrphantasie sich anzuklagen, sie sei
die Mörderin ihres Gatten, ihr Haß
habe ihn getödtet. Sie trage die
Schuld an allem Unglück, ihretwegen
irre jetzt ihr geliebter Karl als Mörder
verfolgt in der Welt umher und nun
könne sie niemals wieder mit ihm ver
eint werden. Wahrheit und Phantasie
mischten sich so innig in rhren Frcber
traum, daß ihre Selbstanschuldigung,
sie habe Karl gebeten, sie von dem ver
haßten Gatten befreien, fast den An
schein der Wahrheit erhielt und daß
ihre treue Pflegerin, die Schwester des
Ermordeten, oft von Entsetzen über
diese schrecklichen Geständnisse erfüllt
war.
Nach wenigen Wochen erlag bée un
glückliche junge Frau der schweren
Krankheit, vor ihrem Tode hatten
sich die Nebel zerstreut, welche ihren
Verstand umnachtete, sie hatte ihren
kleinen, kaum ein Jahr alten Kimben
noch ein Mal zu sehen verlangt, hatte
ihn mit inniger mütterlicher Zärtlich
keit geküßt und dann in die Arme ihrer
Schwägerin Susanne gelegt,diese hatte
sie angefleht und von ihr das Verspre
chen erhalten, daß der verwaiste Knabe
in ihr «ine zweite Mutter finden
solle.
Die Msrgensonne schien mit leichten
Strahlen in das Studierzimmer, als
der Kreisgerichtsrath das Akierrheft
über den Dyssern'schen Mord, welches
er mit nicht nachlassendem Interesse' bis
zum letzten geschriebenen Worte durch
ftudirt hatte, niederlegte.
Mit liebevollem Fleiß hatte er in
diesen Akten fast alle die Schriftstücke
gesammelt, welche irgend auf den in
iereffanten Eriminalfall Beziehung
hatten. Seine eigenen Eindrücke,Muth
maßungen und Schlußfolgerungen
halte er damals ausführlich nieberge
schrieben und ihnen das aktenmäßige
Material durch Abschriften aus den
Protokollen zur Seite gestellt, dazu- ka
men Ausschnitte aus den Zeitungen,
welche sich in jener Zeit sehr eingehend
mit den Dyssern'schen Mord und den
Familienverhältnissen sowohl des Er
mordeten als des Mörders beschäftigt
hatten. Das Aktenfest ergab ein kla
res, bis in die kleinsten Details ver
folgbares Bild, und kräftigte die Er
innerung des Lesenden so sehr, daß
er meinte, die ganze langwierige Un
tersuchung noch einmal geistig gß durch
leben.
(Fortsetzung folgt.)
e k a n n k w i oft ge
nug zur Seifütterung von knochenbil
denden Kalkfalzen bei der Aufzucht
von Jungvieh ermahnt und mit Recht,
denn oft genug fehlen in der gereichten
Nahrung die zur Ausbildung des Kno
chengerüstes und zu anderen Bildunaen
nothwendigen Kalksalze, welcher Um
stand sich dann in vielerlei Krankheits
erscheinungen zeigt. Nun fehlte es bis
dahin an ausreichenden einschlägigen
wissenschaftlichen Untersuchungen, wel
che für die Assimilation der Kalksalze
beweisende Belege beibrachten. In
neuerer Zeit ist ein weitererBeitrag zur
Lösung dieser Frage geliefert worden.
Die Versuche, welche sich auf die Assi
milation des phosphorsauren und koh
Ienfauren Kalks erstrecken, wurden an
einem Stierkalbe der niederländisch
norddeutschen Niederungsrasse ausge
führt. Die Ergebnisse der Versuche
waren folgende:
1. Die zur Milch gereichten Mine
ralsalze, phosphorsaurer und kohlen
saurer Kalk, wurden vom Kalbe fast
vollkommen verdaut. Der nicht zum
Ansatz im Körper verbrauchte Theil
der Phosphorsäure wurde durch den
Harn, der nicht im Körper verblei
bende Kalk durch den Darm entfernt.
2. Wurde phosphorfaurer Kalk in
Milch gereicht, so war die Assimilation
von Kalk und Phosphorsäure etwas
größer, als in der Periode,, in welcher
das Versuchskalb allein Milch erhielt.
Vorwiegend kam der Kalk zum Ansatz.
3. Wurde kohlensaurer Kalk zur
Milch verabfolgt, so ließ sich eine Ver
mehrung der Kalk-Assimilation fest
stellen.
A e s u e e e i z u
Apfelstrudel wird wie folgt bereitet.
Man gibt auf ein Brett ein halbes
Quart Mehl, einen halben Kaffeelöf
fel voll Salz und eine und eine halbe
Unze Butter, rebelt diese mit beiden
Händen fem ab, daß sie sich dem Mehl
mittheilt, ohne Klümpchen zu hinter
lassen. Hierauf wird in die Mitte des
Mehles eine Grube gemacht, in dieselbe
ein ganzes Ei gegeben und das Ganze,
indem man ungefähr eine halbe Tasse
voll lauwarmes Wasser dazu gießt, mit
einem Messer gut untereinander ge
mischt, woraus man mit den Händen
Alles zu einem glatten Teige verarbei
tet, der nicht kleben bleiben darf, wenn
man ihn auf das Brett herabfallen
läßt. Dann läßt man den Teig, über
welchen man einen erwärmten Kochtopf
stülpt, ungefähr drei Viertel Stunden
ruhen. Inzwischen wird die Fülle zu
recht gemacht, welche aus in Scheiben
geschnittenen Achseln, gestoßenen Man
deln, Rosinen und Zucker besteht.
Dann bedecke man einen großen vier
eckigen Küchentisch mit einem Tuche,
streue Mehl darauf, rolle den Tèig erst
mit dem Holz, und ziehe ihn dann so
dünn als nur möglich aus, schneide
den etwas dichteren Rand ab, bestreue
die ganze Teigfläche gleichmäßig mit
der Fülle, träufle roatme Butter dar
über, rolle mit Hilfe des Tischtuches
das Ganze zu einer großen Schnecke,
lege diese vorsichtig in das erwärmte,
mit Blâr bestrichene Backbkech. Der
Strudel braucht ungefähr eine Stunde
zum Backen,wird warm mit Zucker und
Nimmt bestreut enaeriebiet.
Fenster sür den SBMstét
luftdicht zu machen. Da der Gips sehr
schnell hart wird, empfiehlt sich, immer
nur einen Lössel voll davon mit Wasiee
zu einem Brei zu rühren und ihn i.tt
die Ritzen der Fenster zu streichen. Was
dann aus Unvorsichtigkeit auf die Mh»
men und Fensterbretter fällt, wischt'
man mit einem feuchten Tuche ober
Schwämme ab. ehe es fest trocknet, und
rührt dann einen frischen Löffel voll
ein. um mit dem Verkitten fortzufah
ren. Der ÄchS de» GuijStt MiaUi
übn.
pmmglMte Mä-tz.
HeiteroA aus dem Künstler!»?»»
Von bm verstorbenen CellovrrtuM
sen Joseph Dient wußte man man«
drollige Anekdote zu erzählen,
war ent Breden ein begabter MenM
und tüchtiger Musiker, aber als fruch£
rer „Sennhirt" und so-„von der Plw
auf dienend", ganz „aus dem Vol«
hervorgegangen", konnte er mit otm
gesellschaftlichen Formen der Hoherg«
bildeten nie- zurechtkommen. Se^»
höchstes Selbfllob war: daß „Auto»
didakt" sei. Er hatte dieses Fremd»
wort sich zu eigen gemacht, odgleny
ihm sonst fremde Sprachen oder ge*
lehrte und wissenschaftliche Ausdrucke
nicht geläufig waren. Abe'r als er voy
Weimar aus eines Tages Karls
bad eintraf mit Concertabsich.en»
schwatzte er, wie üblich, mit überstroyf
mendem Herzen, und dem bekannte»
Redeflüsse feinet Karlsbader Wirchm
soviel von seiner Herrlichkeit vor
ließ das beliebte Fremdwort so oft ein»
fließen, auch in Verbindung nnt
„Sennhirt", auf welchen er gleichfalls
stolz war, daß die gute Vöhmin der je*
sten Meinung wurde: beide ihr fremdes
Bezeichnungen seien die hauptsächlich^
sten Würden des neuen Kurgastes, un»
demgemäß feine Personalien für
Kurliste aussetzte. In einem Exemplar
der damaligen Fremdenliste Karls
bads konnte man als Curiosum lesend
Joseph Dim. Autodidakt, vutb Senm»
Hirt aus Weimar. &
In Berlin lernte Diem eine junge
Dame kennen, selbstverständlich 'baS
Ideal in bester Form! Der Vater
Millionärs Die junge Dame hat»,
ihm bereits Hoffnungen auf Gegen*
liebe gegeben, und es handelte sich für
unsern jugendlichen Schwärmer nuts'
noch darum, in den. Familienkreis fefe*.#
ner Angebeteten zu gelungen, die per»,
sönkiche. Bekanntschaft bt£ gestrenge«
Papas zu machen. Endlich ist auch
dies durch Empfehlungen und gute
freunde, vermittelt und der wichtige
Abend naht, an welchem Diem den»
Alten vorgestellt werden soll und
Cellovorträgen in den Salon des Krh*
sus und seines Goldtöchterleins gel«»
den ist. Das Instrument ist bereits
vorausyesandt, und da ein fürchte#"
liches Regenwetter die Straßen fchi#
unpassirbar macht, muß sich unser HeM
für seine Person nach einer Droschke
umthun. Endlich ein Gefährt in SichK
Diem stürzt drauf los, öffnet de»
Wagenschlag und indem er von recht*
einsteigt, thut ein anderer von link?
dasselbe. Jetzt Kamps um den
fitz des Vehikels! „Herr! Sie sind ein
Unverschämter!" schrie endlich DieM
mit Berserkerwuth, „ich war doch ziO.
erst am Platze!" „Das muß erst bo»
wiesen werden, hinaus!" lautete dir
Antwort, „solch' Grünschnabel kau».,
laufen!"
Grünschnabel genannt zu werde»
in dem Augenblicke, wo mart vor ve«
wichtigsten Ereignisse seines LebenK
steht, vor der neuen Bräutigams
würde, das ist allerdings unerhört!
Der Künstler schäumte jetzt vor WutH,
und mit der ihm noch geläufige»
„bäuerischen" Ausdrucksweise ließ
aus dem Arsenale seiner Schimpß»
Worte eine Anzahl recht derber, sehe
beleidigender flügge werden, -daß bet
ganz verdutzte „Droschkenconcurtent^
sich schleunigst zurückzog, aber mit de»
unheilverkündenden Worten: „Uner»
hörter Grobian! Aber warte,, junges
Bengel, ich werde dich schon toiederfnt#
den!"
Und wirklich! endlich in die Kisse»
der eroberten Droschke versenkt, unw
nachdem er die Adresse seines präsump»^
tiven Schwiegervaters dem Rosselenkeff-/
noch zugerufen, hört Diem ganz beul»"
lieh, daß ein zweiter Wagen dem feint*
gen unausgesetzt nachjagt.
Vor dem Haufe des Millionärs unkv
Eommerzienrathes angelangt, sprang.
Diem erregt aus der Droschka.,
schnaubte athemlos an'dem u'rchbä*
treßten Portier vorüber, die erste»
Stufen der feenhaft erleuchtete»
Treppe überspringend. Himmeti fei»
Feind und Verfolger war keck genu^
.ihm bis hierher nachzusetzen, auch «r
nahm bereits die ersten Stufen* uneo»
hört! „Herr wie können Sie to®*
gen hier einzudringen.!" zeterte der
Cellokünstlet in wilder Empörung....
und vertrat bem andern mit heraus»
fordernder Haltung den Weg,. „Portiet*
weisen Sie diesen Menschen hinauf
mich aber melden Sie: Jwseph Dientz,.
Kammervirtuos!"
Indeß der Pvrtier dachte att
keine Meldung! Er sank vor Schrecke»
in die Knie ob der ungeheuren Frevel»
that, die sich soeben. «reigRet Haitz.
Diem's Verfüget atzer warf eine»
verächtlichen Blick cuts de® Künstle^'
schritt dann stolz und ohne nur ein
Wort zu veâren, air seinem Gegner
vorüber, die. Treppe hinauf, dem erste»
Stocke zu.
„Was soll de NW dies?!" stotterte
plötzlich unser Heid tiafo warf «ine»
hilfesuchenden Blick auf den Portier.
„Großer Gott!" keuchte nun btfcf
wieder Wort findende Cetberu-s del
HauseZ. „Smv Sie ve rückt?! da*
toat ja der He« (Somuiy^icntaU*
seMN"
Erst nach langer Bedenkzeit waste
c$ Diem, durch einen Dienstmann fei»
Mo zurückzufordern. Bon den Ju».
fassen des eommerzieiimihlichett Hauset
iatte er natürlich seit dem unglückliche»
„Qutprix*)*»' MkbMvw.
nommtttl
V e e i u n
1
(eitien Brief in der Hand, weineM?
I »So treibst Du's, und bedenkst
daß Du mir ewige Liebe und
geschworen hast!" Er: „Aber,»
tas ist aber auch schon ein? ($8
I
bett-
5
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Roma« von Adolf Ttrcckfttß,
Der Kreisrichier toat von der Rlch-

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