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»Dcn fie talji'n gebracht hat, wo er jetzt steht 1*
sagte Schwatz bitter und trat wieder an das Fen»
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riet Fiebig schnell und voll Interesse,
3 denn eS schien ihm plötzlich eine Quelle sehr ergieb»
igen Inhalt» aufzutauchen, »Dein, Tochter ist schuld
daran, daß Du außer Amtes und eigentlich etwaS
heuintergekommen bist? Erzähle doch, wie ist daS
zugegangen 1*
„Laß das—ein andermal—es teer nur solche
Rede. Aber eS ist wahr, im Elende verkommen zu
-lass»» braucht sie mich nicht. Sie hat doch ein»
mal Alles auf dem Gewissen und trotzdem noch im
i
Heben ein großes Loos gezogen. Sie ist mir Alles
fâtttMfr.*
»So fordere eS von ihr!* rief Fiebig, die auf-
keimende Erregung des Kameraden benutzend.
»Zum Teufel, ja das werde ich will ich auch 1"
«So ist eS recht, alter Freund, nur keine Schwäche,
während fie im Genusse schwelgt man kennt das
bei.solchen Damen."
»Und immer genossen hat, immer, immer. Da»
von kam ja Alles her. Heute wollen wir es noch
abwarten kommt nichts, so gehen wir zu ihr.,
'So weit schlagen wir tins noch durch, und dann
will ich sehen, ob sie ihren leiblichen Vater Auge
in Auge verleugnen |oQ
Des alten ManneS Angen blitzten jetzt und roll»
ten wild umher, während er Heftig gestikulirend
"durch die kleine Stube schritt. Fiebig lachte still
tot sich hin, denn jetzt Hatte er den Alten wieder,
wie er ihn haben wollte und wie eS ihm allein ge
«mthlich mit ihm war.
Die Deklamationen deS Schwarz hätten auch
wahrscheinlich noch länger gedauert und er wurde
sich mit denselben immer mehr in Wuth geredet Ha»
ten, wenn nicht ein heftig polternder Schritt auf
der dunklen und schmalen Treppe eine Unterbrich»
ung angekündigt hätte.
.Horch, Schwarz," rief Fiebig lebhaft, »was
wettest Du. das ist unser Glücksbote—der Brief
träger I*
»Nur nicht mit leeren Händen!* erwiederte die
ser drohend.
Da trat er schon sie, fcirun Brief, sondern den
wohlbekannten Schein aus gelbem Konzeptpapier
in der Hand, der die Werthsendung verkündigte.
Mit einem Blicke hatte Fiebig das gesehen und
fco er kluger Weise beim Briefträger Mißtrauen ge
gen so viel Glanz für diese Hülle voraussetzte, so
trat er ihm schnell entgegen und frug ihn mit Nach»
druck: »Bringen Sie die erwarteten fünftausend
Thaler für Herrn Heinrich Schwatz?"
»Herrn Heinrich Schwarz Inhalt fünftausend
Thaler," las der Postbeamte vom Scheine und warf
einen forschenden Blick über die Einrichtung des
Dachkämmerchens. »Sind Sie selbst rr Schwarz?*
»Zch bin es," sagte Schwarz und griff nach dem
Scheine.
»Gut/ sagte der Briefträger und gab ihm das
Papier, »vergessen Sie aber Ihre Legitimations
Papiere nicht, wenn Sie das Geld abholen—- sonst
möchten Sie den Brief schwerlich ausgehändigt be
komm«,."
»Diese kann das hohe Postamt ja genießen," sagte
Fiebig,-als der Briefträger fort war, »ein Glück,
daß der Brief an Dich kommt, denn Du hast Paß
und Heimathschein in bester Ordnung mir würde
es weniger leicht werden, mich vor so fein schno
bernden Beamten zu legitimiren."
Schwarz machte sogleich Toilette tmd'fah daraus
anständig genug aus, um seines Aeußern wegen
als Empfänger von fünftausend Thalern keine Be
denken zu erregen. Denn die verwüsteten und von
allerlei Leidenschaften durchwühlten Gesichter sind
tni derartigen Orten, wo eine Spielbank ihr Unwe
sey treibt, keine Seltenheit. Schwarz präsentirte
feitttn Schein, sowie die ihn legitimireiMo Papiere,
uiid erhielt ohne Beanstandung de» «erthvollen
Stuf ausgeliefert.
Er eilte spornstreichs damit nach Hause. Sein
ganzes Wesen war erregt, von neu erwachten Be
Zierden und Leidenschaften durchtobt, mit lüsternen
Blicken hingen seine Augen an dem kostbaren Briefe,
j» er beherrschte sich kantn, ihn auf offener Straße
zu cffnen, um den ersehnten Inhalt nur erst in den
habgierigen Händen zu halten.
»Hier 1* schrie er und stürmte in die Dachkam
mer, »hier ist Geld 1 Neues Geld neues Leben,
juchhei Jetzt hat die Noth ein Ende und ein lust»
iges Dasein beginnt ein unschätzbares Wesen
solche Tochter beim Ballet, die Tausende mit Beine
schlenkern zusammenschmeißt!"
Seine Hände zitterten sichtlich, als er das Cou»
vert öffnete und den Inhalt hervorzog. Einen
Brief warf et achtlos bei Stile und riß e Hülle
von dem cingcschkssencn Päckchen. Schöne neue
Kassenscheine kamen daraus hervor, ein ganzes Pa
ket Hundeltthalerscheine.
tzxchivarz näßte den Daumen und begann zu zäh»
len. Fiedig trat mit cynischem Lächeln um die
dicken Lippen daneben er sah dem Zählenden zu
und saaie in kurzen Absätzen: »Donnerwetter, uo«
ble Sorte das I So laß ich mir'S gefallen. Hk.b
sche Bilderchen kleine Trompetenengel find es
ja wohl ja ihr könnt gut in's große Horn stoßen
.... Hundert Thaler hundert Thaler und
nochmals hundert Thaler der Tausend, ja das
fleckt, das will etwas sagen. Es ist doch eine
hübsche Erfindung um das Papiergeld man kann
es so geräuschlos einnehmen, was für schöne Da
men beim Ballet sein Angenehmes hat, kann es
eben so geräuschlos ausgeben und steckt es so bequem
in die Brieftasche, daß kein spürnastger Gened'arm
sehen kann, der Kerl ist eben um fünftausend Tha
let schwerer geworden...
»Fünfzig," sagte Schwarz, der dabei bedächtig
gezählt hatte, »fünfzig Hnndertthalerfcheine .. ."
»Ist gleich fünftausend Thaler, die Sache stimmt,
alter ^unge, und wir können nun im frohen Be
sitze die nützliche Verwendung überlegen."'
»Dabei bleibt nicht viel zu übetlegen," sagte
Schwarz, »wir haben neue Kräfte und müssen daâ
Glück zwingen, das uns seither den Rücken wandte
Doch da liegt ja auch der Brief ich will doch
sehen, was Agnes schreibt."
»Die Hauptsache ist, daß sie Geld geschickt hat
auf das Geschreibe gebe ich nicht viel am we
nigsten bei den Frauenzimmern."
»Donnerwetter, was untersteht fich die drin,"
fuhr plötzlich Schwitz von seiner Lektüre auf, »mir,
ihrem Vater, gute Lehren geben zu wollen!"
»Zu dem Gelde Wie Du es ausgeben sollst,"
schrie Fiebig mit rohem Lachen, »nun die wird es
wohl verstehen. TU er sage mal, was schreibt Dir
denn die gute Tochter?"
»Des Teufels Großmutter mag meine gute Tech
ter sein Zch werde der Dirne wieder Respekt bei
bringen. Mir, ihrem Vater und Lehrer
»Schwarz, Du bist ja nicht mehr Meister der
Schnfe. Lies lieber vor, was in dem Briefe steht,
ich bin furchtbar neugierig auf die Weisheit vom
Ballet."
»Hier sende ich Dir die verlangten fünftausend
Thaler/ schreibt das Mädchen, »dcch so schwer sind
sie mir zu erlangen gewcrden und nur mit so großen
Opfern gelingt eS mir, Tich zu retten, dag ich ittti
ne Schuld an Dich für voll gelöscht erâchle. Rechne
also nicht darauf, weitere Summen von mir zn er
pressen, sondern beginne mit diesen beträchtlichen
Mitteln ein ordentliches unfe solides Leben. DieS
wünscht
1*
TT..
Agnes
Fiebig lachte laut auf und nahm den Brief, um
die mit flüchtiger Hand geschriebenen Zeilen zu be
trachten.
»Das muß ein propres Framnzimmer sein,
sagte er, „hört, Bender, kennen wir denn der nicht
einmal einen Besuch abstatten? Ich glaube, eS
lohnt sich, sie kennen zu lernen und eine Flasche mit
ihr auszustechen."
»&(i weiß," sagte Schwarz mit einem unheim
lichtn Lächeln, »wer weiß, ob uit sie nicht einmal
besuchen, um uns diesen Wisch da nochmals in das
Gesicht wiederholen zu lassen. Es wird wohl auch
Mittel geben, das Töchterchen gefügig zu machen
Aber jetzt vorwärts, Fiebig, das faika votre jeu
wird wohl derweil eröffnet sein und ich bin jetzt ge
rade in der Stimmung, der das Schicksal nicht
widerstehen kann. Komm, komm, ich fühle eS, ich
weiß eS, heule ist «ein Tag «ich cf »trd heißen
va
baiKjue
vi j!5
Gr sah fürchterlich aus.' Seine Augen rollten,
dunkle Klecken erschienen aufden gelblichen Wangen
der Dämon hatte ihn mit voller Gewalt gepackt,
dem er schon so schwere, tranrige Opfer gebracht
hatte. Fiebig sah das mit Schrecken, daß er auch
diese nette Summe ziellos auf's Spiel setzen werde,
und suchte es vergeblich zu verhindern.
»Laß uns wegreisen," redete et ihm vernünftig
zn, und an einem kleinen, angenehmen Orte den
Winter still verleben, so daß wir im Frühjahre mit
neuen Kräften wiederkehren und andere Ausbeute
machen können, als jetzt, wo Alles aus ist und der
Winter vor der Thüre steht."
Aber Schwarz befand sich in einem Delirinm,
unter dessen Gewalt er vorwärts stürmen mußte.
»Nichts da schrie er, »heute soll es sein, heute
ist der Tag des Glücks und mit Schätzen beladen
gehen wir dann den Winter nach Paris. Das ist
ein Gedanke! Was schreit uns das Ende der Sai
son wir sind da und die Bank soll es spüren."
So stürmte er hinaus und Fiebig folgte ihm, um
bei ihm zu bleiben, der jetzt auf feinem Willen be»
stand, und so die Möglichkeit einer Intervention
nicht ganz aus der Hand zu geben.
»Höre, Schwarz," sagte er unterwegs, »Du hast
nun so viel Geld und ich habe keinen Pfennig
gib mir einen der schmucken Scheine, daß auch ich
mein Glück versuchen kann."
Schwarz sah ihn einen Augenblick groß an, wie
wenn er überlegte, zog dann das Päckchen aus der
Brusttasche, löste zwei Scheine davon los und gab
sie dem Kameraden mit einem an Grandezza streif
enden Anstände.
»Hier," sagte et, »hast Du zwei von den Schei»
neu, versuche auch Du Dein Heil aber wenn Du
Unglück hast, so sei getrost, denn in meinen Hän
den ruht unser Glück."
Sie erreichten den Spielsaal, Schwarz in stürm
(scher Eile. Wie gleichgültig klang neben seiner
Leidenschaftlichkeit die einförmige Stimme des
Bankhalters 1 Nur wenige Spieler standen um dm
grünen Tisch und es handelte sich seither nur um
kleine Einsätze kaum daß sich ein Goldstück mit
rothverschämtem Aussehen unter den Silbetmünzeit
blicken ließ.
Schwarz legte sofort einen feinet blanken Hun
deltthalerscheine auf.
Der Bankhalter warf nur eilten halben Blick
nach der ungewohnten Erscheinung und fuhr fort
in seiner einförmigen Weise, Glück und Unglück
aus der Karte zu verkündigen.
Die Karte fiel Schwarz hatte gewonnen.
Triumphirend wandte er sich zu Fiebig um
ein Aussehen sprühte wieder Leidenschaftlichkeit,
grausames Vergnüge».
Mit bebender Hand verdoppelte er den Satz.
Die Karte fiel er hatte wieder gewonnen.
»Siehst Du, Fiebig das Spiel geht gut, For
tuna will uns entschädigen ...."
Dabei hatte er einen neuen Einsatz gewagt und
wiederum gewonnen.
So ging es fort, Zug um Zug. Wie im furcht
baten Kampfe Panther und Tiger gegeneinander,
o standen Spieler und Bankier Aller Augen
hingen an dem glücklichen Schwarz, der von Mi
nute zu Minute der Bank größere Verluste be
leitete.
Der Saal füllte sich. Die Mähr von dem, was
da drinnen vorging, verbreitete sich und trieb Schaa
ten Neugieriger herbei.
Fiebig stand zitternd hinter des glücklichen Ka
meraLen Stuhle, der fast Zug um Zug gewann,
nur selten einen Einsatz verlor. Ihm schwindelte
bei diesem seltsamen Treiben, das Aller Blicke auf
ich zog der Haufen Geld vor Schwarz wurde
immer größer und kostbarer aber wilder und
glühender auch funkelte« des Spieles begehrliche
Augen.
,£ore aus, Du hast genug," flüsterte Fiebig ihm
zu, „behalte, was Du jetzt hast, und bringe es in
Sicherheit."
Schwarz lachte hell aus.
âNarr," schrie er, »wer baâJälui beim Schöpse
hat, soll es festhalten es soll, es muß ganz he
ran und darum jetzt va banque
Athemloses Schweigen folgte diesem bedeutungs
vollen Worte.
Ohne eine Miene zu verziehen, zählte der Ban»
ft et die in der Bank befindliche Summe, während
die Zuschauer mit neugieriger Spannung nähet
drängten und Schwarz, hoch ausgerichtet, mit stolz
herausfordernder Miene vor dem grünen Tische
land.
Die Summe war eine ziemlich bedeutende
Schwarz zählte fein Geld dagegen sonderbarer
Zufall, die beiden Summen stimmten auf den Tha
ler gegen einander, als wären sie vorher abgezählt
worden
Dieser wunderbare Zufall schien Schwarz's Zu»
vctstchilichkeit noch zn steigern, kam seinem Glauben
an den Fatalismus des Glückes zu Hülfe.
»So ist es recht!" tief et laut, »Alles gegen
Alles es hat gerade ausgereicht."
Die Stimme des Bankiers ertönte so kalt und
gleichgültig wie immer alle Blicke hingen mit
äußern» Spannung an dem Ende dieses intei esan.
ten Kampfes die Karte fiel Schwarz hatte
verloren.
Wie vom Schlage betäubt taumelte er vom Tische
zurück »vive la baiKjue 1" rief der Bankhalter,
und die Croupiers mit ihren Haken zogen die vet
lotenen Summen Schwatz's zu sich hinüber
Dieser hatte Alles verloren und war jetzt gerade
wieder so arm, wie vor der Ankunft deS kostbaren
Briefes. Verzweiflungsvoll wühlte er in seinen
Taschen, ob nicht ein Geldstück, ein Bankbillet in
denselben sich versteckt habe, mit dem er noch einmal
de» Kampf mit dem Glücke beginne» keime ....
vergebens. Da, ein Gedanke Fiebig hatte zwei
Hnndertthalerfcheine von ihm bekommen.
„Hiebig, gib mit daS Geld zurück, nur einen der
Scheine, die ich Dir gab ich zwinge es doch und
in der nächsten Viertelstunde bin ich wieder reich."
Fiebig machte ein trauriges Gesteht und log, um
nur etwas von dem schönen Gelde zu retten.
»Verspielt, Bruder, dort, dort habe ich auch
mein Glück versucht."
»Rabe" stöhnte Schwarz* JD Geld, Geld, nur
einen Thaler, daß ich eine neue Angel habe für das
Glück! Habe ich denn nichts, gar nichts von
Werth mehr Nichts. Meine Herten, ich hade
Alles verloren, nur nicht mein Glück, ein Geldstück,
geben Sie mir ein Geldstück, meine Herrschaften
Sic erhalten es Zehnfach zurück!"
Die umstehenden Herren lachten und wandten
fich von dem Natten ab, den die Bank nicht nur
zum Bettler gemacht, sonder» auch zum Beiteln ge
bracht hatte .... Das Schauspiel war aus, wel
chee sie belustigt hatte der durchgefallene Mime
interessirtc Niemanden mehr mochte er sich eine
Kugel in das Gehirn jagen, wenn iynt das Fiasco
nicht behagte— was kümmerte cs diese Wclt von
Mussiggängern, die sich amüstreit wollten?
Fiebig zog den ganz gebrochenen, verzweifelnd
sich geberdenden Schwarz ans dem Saale.
Noch unter der Thür Herten sie bereits wieder die
einförmige Stimme deS Bankhalters: »Mcssiuurs,
suites votre jeu l" Die Karten fielen weiter, hin
übet und herüber, und neue aufregende und inte
ressante Episoden, wie sie am Spieltische an der
Tagesordnung sind, nahinen die Aufmerksamkeit
der Badegäste gefangen nnd amüsirten sie, töte sie
der Bank neue Ströme Geldes zuführten.
Siebente? Kapitel.
Der Kriminalrath Meding befand sich noch allein
in feinem Arbeitszimmer und sah die eingegange
neu Briefe und Zeitungen durch, die ihm vor Kur
zem hierhergebracht worden waren, anstatt in sein
20urauvmmer.
Denn der schon dein Greisenalier
nahe Herr, der tüchtige und vielbeschäftigte Cyef
einer Abtheilung des Kriminalgerichts, war schon
seit einigen Wochen leidend, und wenn auch nicht
an da« Bett, so doch an daS Zimmer gefesselt.
Doch der Rnhepunkt in seinen amtlichen Arbei
ten hatte nur das allernothwendigste Zettmaß in
Anspruch nehmen dürfen, und schon nach drei oder
vier Tagen wurde er wieder thätig, ließ sich über
die laufenden Geschäfte Belicht erstatten und nahm
von seinem Zimmer aus an allen Vorgängen leb
haften Antheil.
Am heutigen Morgen erwartete er den Assessor
Reyher, welcher ihm übet die seitherigen Ergebnisse
der Untersuchung übet den an Herrn von Norden
begangenen Mord mittheilen sollte, die natürlich
mit größtem und umfassendem Eifer angestellt wot-
den war. Bei der großen Aufregung, welche dieser
freche Mord, so mitten in der Stadt, hervorgerufen
halte, lag es den Behörden daran, so schnell als
möglich ein Resultat ihrer Bemühungen zn erzielen.
Bald wurde auch der Assessor Reyher angemeldet,
und der Kriminalrath gab mit dem energisch geruf
enen Eintreten zugleich seinem Arbeitsstudie eine
Kalbe Wendung, um zum Anhören der erwarteten
Berichte bereit zu sein.
»Nun," rief der alte Herr dem Assessor entgegen,
»lassen Sie hören, ob Sie etwas Ordentliches her
ausgebracht haben. Haben Sie, Herr Assessor?"
Neyher zuckte mit den Achseln. Da et die un
geduldige und jedem Umschweife feindliche Weise
des allen Herrn kannte, setzte er sich und sagte: „Ich
wollte eben hören, welchen Werts der Herr Rath
meinen Resultaten beilegen, die sehr spärlich et»
wachsen. Darf ich beginnen?"
»Reseriren Sie," lautete die Antwort der Rath
lauschte aufmerksam.
Reyher schlug seine Akten auseinander und be-,
gern
Ii: »Nachdem die Leiche des Herrn von Norden
aufgenommen worden war, bei deren Recognoszir»
Iing sich, wie das Protokoll ausweist, evident her»
ausstellte, daß derselbe nicht durch Selbstmord, son
dern durch einen taubmörderischen Ueberfall umge
kommen ist, und sich im Zimmer des Ermordeten,
im Hause und Gatten keine auch noch so geringen
Spuren vorfanden, welche zur Entdeckung des
Mörders hätten fuhren können, so hielt ich es für
geboten, die beiden Gärtnersleute, von denen im
Anfnahmeprotokoll bereits ausführlich die Rede ist.
nochmals sorgfältigen Befragungen zu unterwerfen."
„Gut, gut," fiel der Rath ein, und wie fielen
diese anS 1"
»Ganz erfolglos. Ich hatte von Anfang an bei
den beiden alten Personen den Eindruck der Un
schuld empfangen, aber ich kannte meine Pflicht.
Mehrmals habe ich die Leute einzeln vernommen,
doch blieben sie harmlos, unbeirrt bei ihren ersten
Aussagen. Auch nicht der geringste Widerspruch
fand hatt. Ich versuchte alle Künste des Znquirir»
ens, um sie in Verlegenheit zu bringen, und etwa
Verheimlichtes hcrvotzulocken ich deutete vergeb»
Itch auf Thatsachen, die ich vermuthen wollte, hin,
alS ob sie ja dieselben schon zugestanden hätten
aber sie berichtigten dieselben stets harmlos, als ob
ich sie nur mißverstanden hätte. Denn sie meinten,
alle diese Befragungen geschehen nur, um AlleS recht
genau festzustellen daß auf ihnen selbst ein Ver
dacht laste, ahnen sie in ihrer Harmlosigkeit nicht
einmal...."
Der Ktimiualrath bewegte nachdenklich be«
Kopf.
»Und die Vergangenheit der Leute?"
»Ist fleckenlos. Der Garten ist Eigenthum deS
Rentiers Willing und die Leute stehen in dessen
Diensten. Schon der Vater des Gärtners stand in
Diensten der Eltern des Herrn Willing, und der
Sohn ist sein Nachfolger geworden. Die Frau ist
auch bereits als junges Mädchen in Milling's Hans
gekommen und hat dann den Gärtner geheirathet.
Herr Willing erklärte mit, daß Beide fem und sei
ner Familie volles Vertrauen besäßen, dessen sie
sich noch niemals unwürdig gezeigt hätten er
wies jede Verdächtigung der alten Leute mit einer
ordentlichen Indignation zurück."
»Sie haben keinen Artest der Leute verfügt?"
»Nein, Herr Rath."
»Gut. Was haben Sic^veitet gefunden?"
»Der an Norden'S Eigenthum begangene Raub
beträgt wahrscheinlich fünftausend Thaler in Hun
dertthalerscheincn. Norden empfing am Tage vor
der Nacht der That gegen Anweisung anfLaßmann
zwanziglausend Thaler, wie Laßmann erklärt, in
lauter Hundertthalerfcheinen. Dieselben waren zur
Deckung eines Accepts der Frau von Norden be»
stimmt, der auch präsentirt worden ist. Fünfzehn»
tausend Thaler von diesem Gelde wurden aufgefnn
den, und da die Privatbörse des Ermordeten nicht
geplündert worden, so ist es wahrscheinlich, daß
gerade fünftausend Thaler geraubt und sorgfältig
von der vorhandenen Summe abgezogen wurden
»Sonderbar! Ein Räuber mit bestimmten Grund
sätzen, wie es scheint. Das Geld ist doch überall
gehörig reeognoozirt?"
»Ja. Auf die Anzeige des Staatsanwaltes ist
nun gestern eine Anzeige von der Postdireetion ein»
gegangen. Am Morgen nach dem Morde ist aus
der Postexpedition ans der westlichen Vorstadt ein
Gcldimcf abgegeben worden, dessen Inhalt mit
fünftausend Thalern angegeben war."
„Ah! Au wen war der Blies adressirt?"
»An Hetrn Heinrich Schwarz in dem Bade 3c."
Das Gewicht des Brieses ist ein so geringes ge
wesen, daß der Inhalt in Scheinen von hohem
Werthe bestanden haben muß. Ich habe nun fünfzig
der vorgefundenen Hnndertthalerfcheine mit einem
Bogen Briefpapier nnd einem fünfmal gesiegelten
Convert zujannneugewogen und so ziemlich dasselbe
Gewicht erhalten, welches nach den Notizen des
Postamts jener Brief gehabt hat."
»Das könnte eine Sput geben. Jener Heinrich
Schwarz?"
„Ich telegraphirte sofort nach
3c.
und erhielt
Antwort. Dieser Schwarz mit einem Gefährten,
Namens Fiebig, ist seit mehreren Tagen ans 36
verschwunden, nachdem er cinc bedeutende Summe
an der Spielbank verloren hatte."
„Aha! Nur weiter." ..
„Ich telegraphirte nochmals tint twlffte'Ktll»
fünft. Die von Schwarz verspielte Summe soll
ans lauter Hundertthalerscheincn bestanden haben,
und er selbst hatte am selbigen Tage com Postainte
einen Brief mit fünftausend Thalern aus der Re
sidenz erhalten. Wchiji et sich gewendet hat, ist
unbekannt, doch will man auch von dort aus Re
cherchen anstellen."
„So wüßten wir also den wahrscheinlichen Em
pfängcr des hier geraubten Geldes, «ie haben doch
nach allen Seiten hin telegraphirt?"
„3a."
„Wer war der Absendet des Briefes?"
„Der Postbericht bezeichnet ihn als eine verschlei
erte Dame."
„Die Bekanntschaften und der Umgang des von
Norden?"
„War nicht unbedeutend, aber ganz bestimmt.
Ich selbst, wie Doktor Merjr, gehören jenem Kreise
an. Auch an jenem Abend, an welchem der Mord
geschehen sein muß, waren wir bis auf Norden alle
zu ia.Ii men. Keiner sonst fehlte, Keiner verließ den
Platz vor Mitternacht. Daß Norden fehlte, schrieb
man anf Rechnung des neuen Balleis, in welchem
seine Frenndin, Angela Ntgera, die Hauptpartie
chatte."
„Also auch weibliche Bekanntschaft?"
„Ja, die einzige."
„Hat nicht die Gärtnersfrau ausgesagt, daß ihr
die fremde Gestalt, welche ant Abend der That noch
spät zn Norde» gekommen war, wie eine weibliche
Fignr erschienen sei?"
,,Sie will darüber nicht mit sich selbst in's Reine
gekommen fem. Bald sei ihr die Gestalt im langen
schwarzen Mantel wie ein Weib, bald wie ein Mann
vorgekommen. Der Kopf habe in einer Kapuze ge
steck
„\sm Weib hat auch den Brief auf die Post ge
geben?"
„Za, ein tief verschleiertes Weib."
„Und Norden besaß keine Damenbckanntschasten,
als die Ballettänzerin Niger»?"
„Eâ ist wenigitens keine andere bekannt gewot»
de», wie bei ihrem Vorhandensein schwerlich unter
blieben wäre."
„Haben Sie eine Vernehmung des Fräuleins
Nigeta vorgenommen
„Nein, Herr Rath ...."
»Haben Sie sich unter der Hand nach ihrem Thun
an jenem Abend erkundigt
»Attch nicht. Bis jetzt weiß ich mir, daß sie zu»
erst in dem »tut« Ballet die Rojenfee tankte, dann
einen Besuch bei Fräulein Laßmann machte, um
sich derselben im ftojtvim zu zeigen, und entlieh anf
einem Künstlerfeste erschien, das bis gegen Morgen
dauerte» Zch war iu meinen Erwägungen bis an
dieielbe Stelle gekommen, wollte aber ohne Zhie
Zustimmung nicht tu«iter gehen."
»Sie müssen aber weiter g-hen."
»Fräulein Nigera ist eine allgemein hochgeachtete
Dame, die in den ersten Gesellschaftskreisen glänzt.'
»Das schließt nicht aus
„Richtet aber Scandal an, wenn sich doch nichts
ergibt."
„Wir thun unsere Pflicht, aber wir thun fie mit
der nöthigen Rücksichtnahme doch deshalb nicht
weniger gewissenhaft. Eine Vernehmung der Tan-
zerin muß stattfinden Sie mögen dieselbe in
möglichst salonmäßige Form kleiden. Da sie eine
Freundin des Ermordeten war, kann sie eine Be
ftagung im Interesse der Sacke nicht befremden.
Sie können eS so darstellen und doch gründlich da
bei zu Werke gehen. Ferner lassen Sie in der Um
gebung der Tänzerin über dieselbe, und besonders
über jenen Abend und ihr Wesen seit dem Morde
nachforschen. Ist noch etwas geschehen?"
„Noch etwas, das auf dieselbe Dame Bezug
nimmt. Vom Postamte ist ein an Herrn von Nor
den gerichteter Brief an uns abgeliefert worden,
den ich in amtlicher Eigenschaft erbrochen und ge»
lesen habe. Es war ein Brief von Frau von Not
den an ihren Sohn, der, außer einer Anweisung
über fünftausend Thaler an Herrn Laßmann, die
Einwilligung der Mutter zu Norden's Verlobung
mit Fräulein Angela Nigeta gibt, um welche der»
selbe in einer eben so dringenden als entschiedenen
Weise gebeten haben muß."
Der Kriminalrath konnte sein Erstaunen über
diese unerwartete Mittheilung nicht verbergen.
„Soll ich Ihnen die betreffende Briefstelle vor
lesen, Herr Rath?"
„Ich bitte darum der Gegenstand ist aller
dingS sehr interessant, und vielleicht auch für uns
wichtig."
„Frau von Norden schreibt: »Mein Sohn, Du
kommst in Deinem Briefe mit einer Wärme auf
Deine Liebe zur Tänzerin Nigera zurück,,tie mit
beweist, wie ernst und wichtig Dir diese Angele
qeiihett ist. Es ist für mich, eine Mutter, in deren
Familie nie eine Mißheirath geschehen ist, nicht
leicht, sich an den Gedanken zu gewöhnen, eine
Dame von der Bühne, gerade eine Tänzerin, als
Tochter, als Frau des einigen Sohnes in ihrem
Hause zu empfangen. Meine Hoffnungen lauteten,
Du weißt es j.t, anders, denn ich wollte unsere alte
Familie mit einer eben so alten des Landes ver
einigen, und Deine Braut, die ich erwählte und
wünschte, sollte eine Grafenkrone tragen. Aber ich
habe auch die eigene, durch Elternhand geschlossene
Ehe mit Deinem Vater nicht vergessen Dn weißt
es ja auch, wie freudlos und traurig sie war, die
nicht die Ltebe, sondern der Familienegoismus ge
schlossen hatte. Dein Vater fühlte sich unglücklich,
wie ich auch, nnd er suchte auswärts die Freuden
nnd die Befriedigung, welch- er im eigenen Hanse,
in das die Liebe Ihn nicht fesselte, nicht fand. Un
ter dein Eindrucke dieser ernsten Lehre, die ich selbst
empfing, wage ich nicht, Deiner Liebe zu wider
streben doch, mein Sohn, Du bist ja verständig
und Menschenkenner genug, prüfe das Wesen, zu
welchem Dich Dein Herz zieht, streng, strenger als
jedes andere, denn sie bewegt sieh auf einem Boden,
wo der höchste Triumph im Geben des Scheins statt
der Wahrheit liegt, und wenn Du sie dann so er
findest, daß sie Deiner und Deines Namens würdig
ist, daß Du, ohne erröthen zu müssen, mit ihr vor
Deine Mutter und vor Deine Ahnen treten kannst,
o soll auch mir die Tochter willkommen sein, die
Du wählst, und mein Segen wird Euren Bund
weihen und heiligen ..."
ine sehr verständige Fra», diese Frau von
Norden, welche nuu tie Nachricht von dem Tode
ihres Sohnes schon in Händen haben wird. Hat
die Tänzerin von der Absicht des Ermordeten, fie
zu ehelichen, gewußt und theilte sie seine Neigung?"
„Ich kann nichts darüber sagen, sehe abet die
Wichtigkeit der Frage für einen etwaigen Vcidacht
gegen die Tänzerin vollkommen ein. Alles, was
ich weiß, ist, daß Norden die Nigera regelmäßig
Vormittags besuchte, nnd daß sie, die sonst sehr
wenige Herrenbesuche empfängt nnd von der man
qewiß weiß, daß selbst ein prinzlicher Anbeter kürz»
lich den entschiedensten Korb erhalten hat, Nor
dtti'ö Besuche stets empfing und mit einer gewissen
Bevorzugung die Bouquets annahm und pflegte,
welche er ihr täglich frisch brachte."
Nach einer kurzen Pause des Nachdenkens sagte
der Kriminalrath »Ihre ganze letzte Mittheilung,
lieber Assessor, bestärkt mich nur in unserem kâeits
gefaßten Beschlusse. Stellen Sie noch Heiitc eine
Befragung der Tänzerin an, natürlich in ihrer
Wohnung und mit der vollen Rücksichtnahme und
Vorsicht, damit jede Verletzung, jede Erregung der
öffentlichen Neugier und Aiifmerfamfeit vermieden
wird. Suchen Sie in den von uns berührte» Purk
ten Aufklärung zu bekommen das Treiben der
Dame jetzt und zur Zeit des Mordes, sowie nach
demselben lassen Sie durch unsern taktvollsten Po
lizei Lieutenant erforschen und reseriren Sie mit
wieder, sobald Neues in der Sache vorliegt."
Damit war Neyher entlassen und et begab sich in
sein Expeditionözimmer zurück, um daselbst noch
Einiges zu erledigen und seinen Plan zu überlege»,
wie er gegen Mittag am Besten bei der Tänzerin
rci'issircu könne. AIS et so gedankenvoll des Weges
ging, erblickte et doch sogleich, wie Doktor Metjr
anS einem Hanse trat, und eilte auf denselben zu.
Durfte er doch Hussen, von demselben Nachricht
über die still geliebte Hermine zu empfangen, deren
be orglichtr Gesundheitszustand ihn seit mehreren
Wochen um so schwerer ängstigte, weil es ihm un
ter diesen Verhältnissen doppelt schwer und selten
wurde, das theure Mädchen zu sehen und sein Herz
an einem verstandnißvollen Gruße ihrer schönen
Augen zu erlaben.
Rcyher hatte sich auch nicht getäuscht, Merx war
bereits tti Laßmann's Hause gewesen und hatte nut
Günstiges zu berichten.
»Es ist wunderbar," sagte er, »welchen heilsamen
Einfluß zuweilen freudige Gemüthsbewegungen
ausüben, und wie sie die vorher stockende Lebens
thäiigkeit ganz wnndersain beleben. Ich hegte neu
lich nicht geringe Besotgniß für daS theure Kind
und verschrieb ihr Medizin, Stille und Slnbenanf
enthalt da kommt plötzlich der Moâje Bruder
aus London herüber weg ist Vorsicht und Ruhe,
ant selbigen Tage fährt sie mit ihm zu ihrer Buseu
freuudin, dee Nigeta, und lacht mit Recht meine
Befürchtungen aus, denn sie blüht wie eine Maien»
tose."
Um die freudige Bewegung feines Herzens bet
dieser Nachricht etwas zu verbergen, sagte Rcyher
heiter spottend: „Siehst Du, solche Weiöheitökrä»
tuet seid ihr weise» Schüler Aeseulap's nun, daß
euch die Wahrheit unter den Händen durchgeht.
Ich erinnere mich noch heute mit Vergnügen daran,
wie meine nun allerdings verstorbene Großmutter
ihren Arzt auslachte, der am Tage vorher für die
Nacht ihren Tod in Aussicht gestellt hatte."
»O," erwiederte Merjc, „derartigen Irrthum,
welcher immer nur auf's Neue das Stückwerk
menschlichen Wissens bezeugt, erträgt der Arzt gern
ich konnte mir kein besseres Geschick wünschen, als
daß alle meine aufgegebenen Kranken zu neuer Le
benskraft erwachte»."
»Siehst Du zuweilen HetminenS Bruder, was
ist er für tut Mensch
»Ein glatter, hübscher Junge, der stets fein fri
sirt ist und wie aus dem Modejonrnal geschnitten
aussieht, dabei aber angenehm und liebenswürdig,
und der sich auch nicht umsonst in der großen Welt
umgesehen hat. llebrigens hat er sich sofort ver»
liebt und Noiden's Stelle ersetzt."
„Norden's Stelle? Was meinst Du damit?"
»Nun, er hat sich beim ersten Anblick sterblich in
die Nigera verliebt und läuft täglich zu ihr, tri
sonst Norden hinging. Seine Schwester ist be
kanntlich auch in die Tänzerin vernarrt, nnd des
halb entzückt über den guten Geschmack ihres Be»
derö der alte Laßmann heißt natürlich gut, wa(
seine Hermine gut heißt, auch weitn es einmal »ich
ganz nach seinem Geschmacke ist. Da tum in letz
ter Zeit Hkirathcn mit Künstlerinnen selbst in dei
höchsten Kreisen vorgekommen sind, so schmeichelt I
es ihm wohl sogar, wenn sein Sohn die als Schön»
heit und Künstlerin gleich gefeierte Angela heim«
fiihtt kurzum dieselbe ivird verzogen und fe*
titt, und in Laßmann's sonst so stillem Hanse kannst
Dn neuerdings alle Tage Gesellschaft finden, bei,
der Hertniue eisrig beflissen ist, der Freundin die
Rolle der Königin zn sichern."
"Reyher seufzte im Stillen, wenn et der Glück»
lichen gedachte, die dort mit dem geliebten Mädchen
zusammen sein dursten. Hinsichtlich seiner hatte
sich der alte Laßmann seiner Tochter Wünschen
durchaus nicht so sügsarn gezeigt, wie der Doktor
behauptete im Gegentheil, et wollte von einer
Liebe des armen Assessors zu seiner Tochter durchaus
nichts wissen. Mit Heimine war es freilich auch
etwas Anderes, als mit feinem Sohne Adolfs der,
wenn er auch eine Baronin heirathete, derselben doch
seinen Namen gab und selbst im Rangrsticht erl)Öht
wurde, wahrend Hermtuc mit ihrem fürstlichen
Vermögen leicht Baronin oder Gräfin werden
konnte....
Um nur etwas zu sagen, antwortete Reyher auf
die lange Schilderung: „Gibt denn die Nigera dem
jungen Laßmann Hoffnung
»Ja, wenn man das nicht Hoffnung geben heißt:
alle Besuche, Bouquets, Vergnügungen und Festi»
thäten annehmen und sich gleichsam selbst hinein
stürzen die Tänzerin soll ganz verändert sein
gegen früher."
»Ob sie eigentlich Norden geliebt hat
»Sie ihn, oder et sie? das Letztere glaube ich
sicher, denn er war sehr für sie eingenommen und
zn ehrenhaft, tun Hintergedanken zn hegen daß
sie auch ihn geliebt hat, erscheint mir jetzt sehr zwei
felhaft denn Norden war doch entschieden nicht
ein Mann, den man um tints so jungen Lassen
willen, wie Laßmann es ist, in acht Tagen vergißt."
»Sie denki vielleicht an eine Partie Norden
war eine recht gute, aber Laßmann wahrscheinlich
eine noch bessere, die sich sogleich wieder darbietet."
»DaS mag sein. Dennoch glaube ich, daß ihr
Norden'S Tod seht unangenehm gekommen ist, denn
ich weiß es aus Aeußerungen ihrer Zofe, daß die
Sache mit ihm ziemlich reif geresen sein mußte.
Und Frau von Norden es ist doch ein schönes
Ding um die gnädige Frau."
»Du kannst Recht haben," sagte Reyher und gab
dem Freunde die Hand, denn et stand vor dem Ge»
rich'sgebände. »Ich erfahre heute vielleicht noch
Näheres darüber."
Damit sprang er die Stufen hinauf, um sich für
den Besuch bei Angela Nigera vorzubereiten.
Achte« Kapital.
Angela Nigera spielte ein neues Salonstück, daß
die Pianoforteklänge tauschend durch ihre ganze
Wohnung tönten.
Der elegante Flügel, welcher früher fast immer
unberührt gestanden hatte und höchstens einmal ge
öffnet worden war, wenn bei der Tänzerin selbst ein
Geselllchaftsabend stattfand, wurde jetzt gar nicht
mehr geschlossen. Jede Stunde, wenn sie nicht ent
weder Besuch hatte oder Besuch machte, oder auf
Spaziergängen sich befand, brachte sie am Flügel
zu und entlockte demselben heitere, rauschende Wev
sen, daß es immer klang, wie in athemlofer Haft.
In den ersten Tagen hatte sich Jettchen diese Uj
wandlnng ihrer Gebieterin, die es sonst meist liebte,
ihre Zeit im thatloseu Träumen, höchstens mit ei
nem Buche in der Hand, zu verbringen, gat nicht
erkläre» können. Weit diese unmittelbar nach Nor
dens Ermordung eingetreten war, nach welcher An
gela von einer nie tastenden, fieberhaften Ungeduld
vermehrt schien, glaubte die kluge Kamm^zcfe zu»
erst, ihre Herrin wolle den schrecklichen Eindruck,
welchen die Nachricht von der Ermordung des treu»
en Frenndeö auf fie gemacht hatte, mit diesem äu»
ßeni Geräusch übertäuben doch wurde sie bald et»
ncs Bessern belehrt. Hin dieselbe Zeit war ja auch
der junge Laß mann eingetroffen und Jettchen
wurde baid inne, wem diese miiitfalisehen Studien
Angela's galten. Anstatt Norden'S kam jetzt
Laßmann Vormittags zum Besuch anstatt Not*
den's schickte jetzt Laßrnann kostbare Bouquets, die
in eleganten Vasen gepflegt wurden, mit Laßmann
und Hermiue fuhr die Tänzerin aus, mit Laßmaun
ging sie fast allabendlich in Gesellschaft, ftineHuld
igttngen nahm sie willig entgegen und schien den
Augenblick seines Kommens nicht erwarten zu kon
nett für ihn erklangen dann auch alle diese rau
schenden Melodiken wieder, weil er ein leidenschaft
licher Verehrer der Musik war, ohne doch selbst musi
kalisch zu feitt.
Jeltchcn hatte scharf beobachtet und glaubte ge
nug gesehen zu haben. Wenn Adolf Laßmann kam
und mit feurigen Aitgcit schon im Vorzimmer die
Thür deS Salonâ zu durchdringen suchte, tti dem
sie weilte w^nii er der lächelnden Zafe, die ihm
den Mantel abnahm, ein fürstliches Doueeur in
die Hand gleiten ließ und dabei mit leise vidieren
der Stimme nach Angela fragte, so spitzte Jettchen
lächelnd ihr pfiffiges Mtiitbchen und dachte still:
wie sehnsuchtsvoll er ist, aber drinnen steht eine,
die nicht minder sehnsuchtsvoll feiner wartet ....
Und we»» sie da»» Adolf's jugendlich-elastisches,
stürmisches, feuriges Wesen im Geiste mit dem ruh
igen, gemessenen Norden verglich, der nut seinem
Bouq et in dec Hand immer beinahe steif der
Thüre zugeschritten war, so mußte sie, selbst von
der goldenen Hebertcdiutgsfunst abgesehen, beken
nen, daß derselbe eher der Man» sei, et» Herz zn
erobern, als Norden. Den gediegenen ManneS
werih Norden's hatte die Zofe, welche nur das
Aeitßerliche schätzte, nicht zu beurtheilen vermocht,
und sie gab ihrer Gebietetin im Stilleu ganz Recht,
daß sieben
daß dieses
lich entstandenen Liete der ganze Grund für ihre
innere Umwandlung läge, davon war Jettchen völ»
lig überzeugt.
in
Sie selbst stand sich ganz vortrefflich dabei, denn
außer dem goldenen Lohne, den Adolf ihr gar ver
schwenderisch spendete, hatte auch sie in dessen
seh muck em Diener ein zärtliches Herz entdeckt, dem
das ihrige warm entgegenschlug. Dieser Dienet
mußte täglich Bestellungen und Einladungen übet
Mitteln,
so daß auch für die beiden dienenden We
sen die süßen Stunden regelmäßig abfielen. I»
denselben sprachen sie dann nicht nur von sich selbst,
sondern auch von der Liebe ihrer Herrschaften zu
einander, aus deren Blüthe sie die Blüthe des eig
enen Glückes erhofften und jeder konnte duselve
seines Theils nicht feurig gen.15 ausmalen. Dabei
wußte Irischen freilich nicht, daß Adolf Laßmann
wieder durch feinen Dienet ertiuithtgeiide Winke,
ans Jettchens Mittheilungen geschöpft, erhielt, und
diesen antrieb, Jettchen glühende Schilderungen
von seiner Leidenschaft zu entwerfen, die durch diese
der Herrin zugehen sollten. Ftit das Ziel stellte
Adolf seinem Dienet das Glück ait Jettchens Seite
in seinem Hanse in Aussicht. So sollte ein Keil
den andern treiben, und es gelang dieses auch ge
ttisseruiaßeit, um so mehr, da Jettchen bemerkte,
wie ihrer Gebieterin bei der Toilette tie Lobspiüche
und Plaudereien über Adolf Laßmann durchaus
nicht unangenehm waren.
Heute hatte Angela bereits wieder seit ein paar
Stunden tie Wohnung mir rauschenden Melodieen
erfüllt, als am Votzimmer geläutet wurde. Ei»
Blick auf die Uhr bewies Jettchen, daß es Laßmann
noch nicht feilt könne, also mußte es wohl sein Die
net fein, uud Sonnenschein flog übet ihr Gesicht
Sie hatte richtig vermuthet, und es muß zugc
standen werden, daß die schlanke und elegante Er
schetnnng Heinrichs, tic sich in der dunkelblau und
weißen Livree vortrefflich ausnahm, Jcttchcii's Ge
schmack Ehre machte.
Heinrich machte eine tiefe und eetemoniöse Ver
beugung und sagte: „Man Herr läßt sich dem
Fräulein Nigera gehorsamst empfehlen und ihr die
ses Bouquet zu Fü^eu legen
„Gut," sagte Jetlcheu leichthin und legte das
Bouquet auf de» Tisch, „wir danken schön und las
sen uns wieder empfehle».... Und tum, komm'
mir ordentlich herein, denn meine Dame spielt schon
seit zwei Stunden wie eine Fnrie und Dein Herr
wird auch nicht sogleich kommen."
»Na," sagte Heinrich, „lange wird et heute nicht
ausbleiben es geht etwas Wichtiges vor ..."
.»Was denn, Heinrich, was ist den» geschehen?"
»Meuchen, ich habe heute etwaZ gehoit, etwas
Famoses."
»Liebet Heinrich, rede doch, waS denn? Will sich
Dein Herr erklären?"
„Nichts Geriiigeres, Jettchen, und was das
Schönste ist, mit seines Vaters voller Einwillig
uiig. wie ich heute Morgen durch daS Schlüsselloch
deutlich erlauscht habe. Heute noch wird er ihr seine
Hand anbieten nun, was meinst Du, Jettchen,
wird sie dieselbe annehmen?"
»Ob, Heinrich! Sie liebt ihn wie närrisch, das
kann ein Kind begrei en pass' auf, wir werden
bald Hochzeit erleben ...."
»Unddaim?" frug Heinrich mit erhöhter Stimme.
»Dann könnten wir am Ente auch welche mach
en," sagte sie leise und blickte wie verlegen auf ihre
Z
Schürze. Et aber umarmte#u»t küßte sie stürmisch
und hätte sie wohl auch so *ald nicht losgelassen,
wenn nicht die Wanduhr schnarrend dazwischen ge
schlagen hätte.
»Och muß fort," rief er jetzt, »sonst trifft mich
mein Herr noch hier und es gut ein Donnerwettet.
Gté nur gleich das Bouquet hinein."
Mit schnellem Abschied entfernte sich der glück*
liche Liebhaber, um seinem tm Platz zu machen,
Plötz-fc(ci(,c
der ein solcher werden wollte, und Jettchen trug das
Bouquet zu ihrer Gebieterin.
Heinrich's Befürchtung wäre beinahe eingetroffen,
denn schon nach wenigen Minuten erschien Herr
Laßmann selbst mit strahlendem Gesicht gleich da
rauf trat et in den Salon, wo Angela sich bei sei
ner Meldnng'vom Flügel erhoben hatte. Sie kam
ihm lächelnd entgegen, und während et mit Lei»
denschaft ihre Hand küßte, sagte sie: „Ihre Grüße
eilte» Ihnen schon voraus und erfreuten meine
Seele durch Duft und Farben^chmelz wie soll
ich Ihnen für so viel Aufmerksamkeit jemals danken
können?"
»O thun Sie es sogleich, indem Sie mir gestat
ten, für immer uud allezeit Ihr Diener zu bleiben,
und indem Sie mir das Recht geben, Ihr ganzes
Leben zu verschönern."
So benutzte et sogleich ihre ersten GtußeSwotte,
um ein Gestandniß anzubringen, das ihm wie Feuer
im Herzen brannte.
Angela blickte ihn verwundert an sie begriff
wohl diese Plötzlichkeit nicht sogleich.
»Wie soll ich Sie verstehen, Hett Laßmann
sagte sie stockend.
»Dag Lie mir das Recht gewähren, Ihnen meine
hettfe, unbändige Liebe zu weihen, Sie meine.holde,
theure Braut zu nennen l"
»Hm Laßmann .... Sie erschrecken mich
„Äch hoffe, nicht im schlimmen Sinne. Dder
hätte ich mich so schwer geirrt, dürfte ich nicht da
rauf rechnen, ein wenig Theilnahme, ein wenig
Liebe bei Ihnen zu finden? O schon längst, jeden
Tag, wenn die Töne unter Ihren Händen.auf
tauschten und Alles mir wie Seele und Empfind,
nng entgegeuklaug, freundliche Geister mir aus ih
nen wie glückgewährend zu winken schienen hätte
ich Ihnen zn Füßen stürzen und anbetend rufen
mögen: Jeh liebe Dich! Bei mein, 0 fei mein, An
gela, holdseliger Enget meines Lebens!"
Wahrheit des Empfindens leuchtete aus seinen
strahlenden Augen, ans tiefe» wie verklärten Zn
gen, als er unwillkürlich vor ihr niedersank und die
Arme flehend nach ihr ausstreckte auch ihre Au
gen wurden feucht, ihre Gedanken waten trunken
von dem süpen, betauschenden Tone, und im ersten
Augenblicke des Selbstvergessens nach trüben, stürm#
bewegten Tagen sank eS wie eine Centn erlast von
ihrem Herzen, ja des Glückâ hochseliges Empfinden,
das sie so laiige nicht mehr gekannt hatte, durchbebte
sie mit seinen Wontieschanern ... Ein Augenblick
des Glückes, in dem sie fast unbewußt sich ihm zu
neigte, in seilte Atme sank, die sie umschlangen, an
feine Brust sich lehnte, wie ein gehetztes Wild, und,
seine Küsse erwiedernd, einen Moment des Lebens
feierte, der sie über die Erde in überirdische Welten
erhob ....
Aber auch der schönste Traum 'endet, und mit
dem Erwachen tritt die Wirklichkeit wieder in ihre
Rechte. So auch hier. Angela Nigera befand sich
nicht mehr in jenen schwärmerischen Falterjahren,
wo man das Leben noch für einen einzigen Traum
halt, ans dem es an der Brust des Geliebten kein
Erwachen gibt, sie kannte Welt und Menschen.
Mit dem Rufe: „O mein Gott I" riß sie sich von
dem seligen Junglinge loa und zog sich vor ihm zu
rück, der sie erschrocken anblickte.
»Was ist Dir, Geliebte frug et voll Sorge,
»was erschreckte Dich?"
„Was habe ich gethan! Adels,1* Sie überrasch
ten mich, ein schwaches Weib, daS ich Ihren Wor
ten Gehör gab, Ihren Wünsche» mich nicht ver
schloß. Hernimc, Ihr Vater, Sie werden mich
für eine Undankbare halten, die, daS Gastrecht ver»
letzend, den Sohn des Hanfes in ihr Netz zog...."
Aber Adolf lachte und zog sie nur auf's Neue in
feine Arme, indem er rief: »Mein Vater keimt und
billigt meine Ltebe er weiß es, daß und warum
ich hier bin und meine Schwester? Hermine ge
rade war es, deren Wort und Zustimmung nur den
Muth gegeben, dem kühnen Ziele zuzustreben, wel
ches ich in meinen Annen halte."
Da gab sich denn mit einem freudigen: »Ist's
möglich O dann ist Alles gut," auch Angela's
sorgliches Bedenke» zufrieden, und sie wehrte dem
ungestümen Liebhabet nicht länget, der nicht müde
wurde, fie im Arm zu halte» uud abwechselnd ihre
Lippen, Augen und Hände zu küssen.
Jettchen unterbrach dieses süße Kosen seht unan
genehm mit der Meldung des Assessors Reyher.
Dennoch, so allein mit Laßmann, wagte es Angela
doch nicht, Jenen abweisen zu lassen, um nicht ihr
holdes Geheimniß im ersten Augenblicke der Die
nerin preiszugeben, die neugierig genug umher
blickte.
»Was kann Der' wolle« 7" frug Angel«, von
plötzlicher Unruhe befallen.
Rcyher ist ja wohl der Anbeter HermiuenS
er wird um Deine Protection ihr bitten wollen,
I«»gn lud.man „„j wi-Dich Hnmi: u,b. 9i,m,
der «all set, und daß i'^dufer so
Dir, sei's zur H.
V
ft,
sei's zum
Schutze."
Aber Angela's Unruhe wurde durch -se Erklär
ung nicht beseitigt ja sie begann eben Adolf zu
bitten, doch liebet in das Nebenzimmer zu treten
und sie mit Rcyher allein zn lassen eine drohende
Aengstigung vor etwas längst Gcfütchtetcui, aber
nuu beseitigt Geglaubtem, hatte sie ergriffen da
war Reyher schon da und verbeugte sich höflich.
Laßmann ging ihm en gegen und reichte dem
wohlbekannten jungen Manne die Hand, gegen
dessen Schwägerschaft er in tiefe Augenblicke am
wenigsten etwas einzuwenden hatte Angela ver
mochte es kaum, sich zn erheben und doch fühlte,
erkannte sie ganz genau, daß von ihrer Haltung in
diesem Augenblicke nicht nur ihr nettes, glänzendes
Glück, sondern Alles, bis auf Freiheit und Leben,
abhing ....
„Ich komme mit einem Micaten Auftrage zu
Ihnen, Fräulein, als Mitglied des Kriminalge»
richte, lttit Sie in einer Angelegenheit zn befragen,
die Sie nicht ohne Erschütterung gelassen habe»
wird. Sie ziehe» doch wohl diese Befragung in
fctaeetteftae Weise vor?"
(Fortsetzung
folgt.)
Humoristisches.
ffrieflShumot. Aus dem Laznreth zu Gera
erzählt man folgende Geschichte: Ein gefangener
Franzose hat Unterricht in der deutschen Sprache
genommen und ziemliche Fortschritte gemacht, so dab
cc bereits zur Lektüre klassischer deutscher Dicktet
uberge.iun^eit i|t. Der £chrer wählte für den litt»
tenicht den Chor der batmyerzigen Bruder im,.Tell"
„Nasch tritt der Tod den Menschen an, es ist ihm
leine Frist ge^ebenr."
e e Berstehen Sie die erste Zeile dieses
Chors?
a n z o s e a i k v e s e e e e n s s i
oftmals bald.
e e U n i e z w e i e Z e i e
a n z o s e I k v e s e e Man hat ihm »ixzu
frefe 'gegeben.
I n e u s a n a s i k e i n e A n i i n o n
Gesellschaft «ebilbet, welche jetzt schon über fünfzig
tausend Frauen und Jungfrauen zu Mitgliedern
zahlt. IfèS ist nickt metjr als recht und billig, bay.
nachdem der deutsche Zopf gefallen, der französtjche
Haarbeutel nachfolgt.
Der Bursche eines Offiziers brachte seinem
Herrn eines Morgensein Paar Stiefel in's Zimmer,
von denen der eine einen langen Schaft, der anbete
über einen furzen hatte.
Zum Teufel, Kferl, was machst Du denn? Du
bringst mir ja zweierlei Stiefel zum Anziehen!
Ja. weife der Kuckuck. Herr Lieutenant, erwiderte
ruhig der Vuriche, its babe mit auch schon gewundert,
aber was dos ollertuflfte ist, das ist, daß draußen noch
ein solches Paar steht!
u e o s A s e i n a e i k a n i s e e i s t
licher jungst seinen Gemtmdemttgliebern den Bot«
st,lag machte. Dampfheizung in der Kirche einzu«
führen, bemerkte eine alte Dame:
Aber mein Gott, der DamvNessel wird doch nicht
unter unsern Sitzen angebracht rotrde 11
Gott wahre, antwortete der Geistliche, unter der
Kanzel wird Platz für ihn fein.
Nun, tröstete sich die fromme Dame, einen unbe
schreiblichen Üjlick christlicher Nächstenliebe auf ihren
Seelsorger werfend, nun, dann werden wir minde
stens den Trost haben, dafe ein guter Mann vor uns
gen Htmmel stiegt.
Ein Correspondent au8 Stockholm schreibt,
bnfo nicht weniger als 50 Personen in dem Verdacht
stehen, den Röntg von Schweden, der trank darnie
der liegt, vergiftet zu haben. Man sann indessen
bis jetzt Niemand der Schuld übe« fuhren. Die Kü
iiigin starb dekantUUch eist vor kaum zwei Wochen.
Ro. 35.
Die Situation in uud vor Paris
hat stch in den letzten Tagen nicht wesentlich verfa*
bert. Die Regierung in Versailles ist immer noch
geneigt, ferneres Blutvergießen zu vermeiden, trifft
aber zu gleicher Zeit die umfassendsten Vorbereitun
gen für den bevorstehenden Angriff auf Ports. Mar
schall McMahon hat das Obercommando über die
auf 80,000 Mann geschätzte Armee übernommen
Gen. L'Ädmirault bestätigt die Belagerungstruppen
auf der Westseite, Cessey diejenigen auf der Süd
feite, und Gen. Vinoy ein Reservecorps, welches zu
einem Handstreich gegen die Porte Maillot bestimmt
sein soll. Thiers hatte dies in einer offiziellen an
die Präfecten der Departements gerichteten Prokla
mation betn Lande mitgetheilt und gleichzeitig ver
sichert, dafe zwischen der Regierung und der Natio
nalversammlung daS vollständigste Einvernehmen
herrsche und alle nöthigen Maßregeln zur raschen
Unterdrückung der Pariser Insurrektion getroffen
worden seien.
Die Insurgenten stehen jetzt unter.dem Oberbe
fehl eines polnischen Flüchtlings, des Grasen Dom
browski, welcher ungemeine Energie an den Tag legt
und deshalb auch seht populär ist. Unter seiner
Leitung haben sie das von den Kanonen des Mont
Valerien eingeschossene Thor Maillot wieder gesperrt,
Kanonen zur Vertheidigung desselben aufgefahren
und Barrikaden in allen von diesem Thore in daß
Innere der Stadt führenden Straßen errichtet, auch
den Seineübergang bei ASnieres behauptet und ei
nen Theil des Dorfes Neuilly wieder in Befitz ge
nommen.
Die deutschen Behörden sehen diesem Treiben im
mernoch mit stoischer Ruhe zu und scheinen keine Lust
zu haben, sich in den häuslichen Zwist der Franzosen
zu mischen, so lange die Friedensstipulationen nicht
gefährdet stnd.
Am Dienstag traf in Versailles eine Deputation
aus Paris ein, um sich über die Bedingungen zu er
kundigen, unter welchen Thiers geneigt wäre, mit
den Insurgenten Frieden zu machen. Thiers soll
alS unerläßliche Vorbedingung aller Unterhandlun
gen das Niederlegen der Waffen seitens der Pariser
genannt, zugleich aber angedeutet haben, daß im
Falle der unbedingten Unterwerfung Gnade geübt
und daS Recht der Pariser Bevölkerung zur selbst
ständigen Verwaltung der Stadt anerkannt werden
würd'. Die Deputation ist nach der Stadt zurück
gekehrt, ein Resultat der Sendung hat sich indeß«
noch nicht gezeigt. V
Weiteren Aufschluß geben nachfolgende
Telegraphische Berichte.
Paris. 11. April, Abends. Gestern «Gntn
bete ein Sergeant der Nationalgarde in St. Denis
einen deutschen Soldaten. Ein Konflikt zwischen
Fratuofen und Deutschen erfolgte und einige Mit»
fllieöer der Commune erschienen bald mit einer Par*
iamentätflaage, die Deutschen erkannten dieselbe aber
nicht an. Der Confltkt wurde aber doch bald beige
legt.
Versailles, 11. Ävril. Die Insurgenten ha
den verlangt, daß die Kirche ihnen 1 Million Franks
zahle und drohen, den Erzbischof von Parti zu er
morden, wenn die Zahlung nicht erfolgt.
Favre sagte in einer Rede, die er in der National
versammlung hielt, sämmtliche auswärtigen Mächte
hätten ihrer Sympathie mit der Versailles als der
einzig rechtmätzl^en Regierung Frankreichs Ausdruck
verliehen. Ebenso babe der deutsche Aewaltungs
beamte in Frankreich, Gen. Fabrici, die ihm von
Seiten der Commune gemachten Anerbietungen aus
geschlagen, da er überzeugt sei. daß dieselbe fich in
Kurzem der Macht der Regierung werde fugen müs
sen. Die Insurgenten haben das Silbergeschirr
aus dem Departement des Auswärtigen fortgenom
men.
London. 12. April. Das Echo meldet au6
Köln, daß die französischen Gefangenen in Abthei
lungen zu 1000 Mann täglich aus Deutschland nach
Frankreich abreisen und fugt hinzu, daß nur solche
Truppen, die für die Versailler Regierung günstig
gestimmt sind, entlassen werden.
Berlin, 12. April. Die offijielle Zeitung von
heute sagt, daß Deutschland nur tn dem Falle in die
innern Anaelea^ngeiten Frankreichs eingreifen wird,
wenn die Kt'i-gskosten nicht ordentlich bezahlt ntt»
den.
Paris, 12. April. D?r Pfarrer von Ntitre
Dame, der Lore und Abbe Miguel. Vikar von St.
Ph'lltppe. wurden arretirt, der letztere, während er
dem Bischof einen Besuch abstattete.
Die Verbindung zwischen St. Denis und PgriS
ist noch ni*t unterbrochen.
Das offizielle Journal von Versailles sagt, daß
DombrowSky während der Pariser Belagerung als
deutscher Spion fun girt hade.
Paris, 13 April. Der Theil der Versailler
Truppen, weichet die südlichen Forts angriff und zu
rückaeschlagen wurde, hat ganz bedeutende Verlufte
an Todten und Verwundeten erlitten.
V er sailles, 13. April. Gestern Morgen ver
ließen die Garnisonen von St. Omer nnd ArraS ih
re Standquartiere, um sich nach Versailles zu bege
ben. Die Nationalversammlung ist sehr erbittert
über die Unthätigkeit der Truppen bei Valerien. Bei
Chatillon stnt) zwei neue Batterien zur Beschießung
von Isst) errichtet.
Thiers sägt in einem vom 12. d. M. datirten Cir
kular, die Situation habe stch nicht wesentlich geän
dert. Die Regierung werde zur geeigneten Zeit han
deln und tue SiegcS-Nachrichten der tzommnnisten
feien einfach erlogen. „Die Kommunisten haben gar
keine Grundsätze, sagt Thiers weiter, und es wird
uns gelingen, sie ohne Blutvergießen zu überwälti
gen. Es sind Delegaten von Paris hier angekom
men und wir haben sie empfangen, nicht als Commu
nisten, sondern als Republikaner. Wir haben den
selben auf ihre Fragen geantwortet, daß Niemand
die Republik bedrohe, als Meuchelmörder. DaS Le
ben der Insurgenten wird verschont werden, aber die
jetzt von der Commune in Paris unterhaltenen Ar
beiter müssen an ihre Arbeit zurückkehren und die
Secession muß unterdrückt weroeti. gerade wie dièS
in Amerika der Fall war.-
u
Unser Büchertifch»
.Home and Health." Unter diesem Titel
erscheint bei W. R. DePuy und Bruder, 805 Broad
way. N. A eine populär gehaltene, der Gesund
hettët)siege gewidmete Monatsschrift, die wir Den
jenigen unserer Leser, welche englisch lesen können,
angelegentlichst empfehlen. Das vor uns liegende
Avrilheft weift folgenden Inhalt auf: „Ueber die
Pflege der Zähne," „Die Gesundheit im Haufe,"
„Baden und Ääder," „Ueber das Aufziehen der Kin
de-r," „Festes Schnüren" (illuftnrt) „Bright'S Krank
heit," „Was haben wir im Krankenzimmer zu tlzun?"
Dabei enthält jedes Heft noch eine Anzahl einfacher
und praktischer Recepte. Der SubscripttondpreiS
deträgt blos $i.5o per Jahr.
Jllusttirte Welt. Da« 8te Heft dieser Be
liebten Zeitschrift und die neuesten Nummern de«
Berliner Benar erhielten wir durch die Theo
da Id'scke Buchhandlung in Cincinnati.
Vom Leipziger Daheim erhielten wir die neue
ste Nummer durch die General-Agenten Stemon
Brothers in Fort Wayne.
Zwei Personen erfroren. Omaha»
April Letzten Montag wurde eine Gesellschaft Leu
te, welche auf einer Rundreise waren, um Liinöereien
in Augenschein zu nehmen. 120 Meilen westlich von
hier, von einem Sturme ubersallen.
Drei der Leute suchten Zuflucht in einer Hütte,
während die beiden anderen mich einer Meile ent
fernten Scheune aufbrachen, um daselbst ihre Pferde
unterzustellen.
Der ihnen entgegenwehende Sturm zwang fie je
doch fast fortwährend die Augen geschlossen zu hat
ten und Beide verloren den Weg. Der Eine ge
langte schließlich nach langer Irrfahrt nach einem
Haufe. Den Anderen fand man am nächsten Mor
gen erfroren. Sein Name war Henry Bennett.
In derselben Nacht erfror auch eine Indianerin.
Die Kohlenardeiter in Pennsylva»
nien. WilkeSbarre, Pa., 12 April. Jn Sctan
ton ist alles ruhig, zum Theil wohl deshalb, weil die
Arbeiter gestern von ihren Führern den Rath erhiel
ten, zu Hause zu bleiben. Die Miliz ist noch am
Orte und wird wohl noch bis zur Wiederaufnahme
der Arbeit bort bleiben. Zwei bei den Krawallen
beteiligte Personen wurden verhaftet und unter
Burgschaft gestellt. Haftbefehle fur eine Anzahl Ru
berer wurden ausgefertigt. Die Arbeiter Haben be
schlossen, nicht eher an die Arbeit zu gehen, als bis
die Lohnfrage erledigt ist. Die Einsetzung eines
Schiedsgerichts findet unter den Kohlenarbeuern die
ser Gegend lerne besondere BlUiguNt!. ahrscheut
lich wird man sich bald über den üohn verstaubten,
und die Arbeit dürfte in vier bis fünf Tagen wieder
ausgenommen werden.
St.
Lovelle von Julius Mühl
»er. Columbus» O., Donnerstag, SO. April 1871.