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ju1 M" 3 $ i i U s v e E n e v o n N a n e s ^Fortsetzung und Schluß. Z 11. In dem Prnnkzimmer des ansehnlichsten Pallastes von Nantes saß am nächsten Morgen Carrier vor einer mit Rapporten ganz bedeckten Tafel, nnd schien mit gro ßer Anfinerksamkeit zu schreiben. Vor ihm lagen 7 geladene Pistolen zwei große engli sche Doggen sprangen einander neckend durch das Ge mach. An einem Seitentische arbeitete Fonqnet, jedes Winkes seines strengen Gebieters gewärtig. "Mit gerechtem Mißvergnügen Hab' ich in diesen Meldungen gefunden," begann Carrier —''daß Ihr mit den Feinden der Republik viel zu mild und förmlich verfahret. Dieser Gang der Gerechtigkeit mag in ge ordneten, ruhigen Staaten zweckmäßig sein, ist jedoch mit den außerordentlich.'« Verhältnissen, worin gegen wärtig Frankreich lebt, durchaus unverträglich. Wer von solchen Personen, die als gute Republikaner noto risch bekannt sind, als Feind der Republik bezeichnet wird, darf künftig nicht mehr verhört, und zum Nach theile des Staatsschatzes in dem Kerker lange Zeit ver pflegt werden. Ihre Erpedition muß längstens in vier und zwanzig Stunden erfolgen. Die Guillotine und das Erschießen sollen.als zeitraubend und für den Bedarf ungenügend, von heute an, aufhören ich Habe in dieser Nacht ein gutes Ersatzmittel gefunden, ein Revolutions bad, worin die Schuldigen von allen Flecken für immer gereinigt werden. Hört mich einmal aufmerksam an, Fonquet, ich will Euch den Entwurf einer neuen Ver Ordnung vorlesen." a n a t- Im Namen der einen nnd nntheilbaren Republik, «lid kraft der mir vom National-Conventc crthciltcn nn te schränkten Vollmachten, befehle ich, Jean Baptist Car tier, Bürger der Republik und Deputirter des National Conventes, wie folgt: Art. 1. Das Blutvergießen durch Hinrichtungen der Feinde der Republik durch die Guillotine und durch die Kugeln der Soldeten, hat vou heute an aufzuhören, mit Vorbehalt außerordentlicher Ausnahmen, die ich ein tretenden Falles näher bestimmen werde. Art. 2. Die Verurtheilteu sind künftig durch das Nevolntionsbad aus der Welt zu erpedireu. Jünglinge und Mädchen, Männer und Weiber, je nach dem Alter, solle» nackt ausgezogen, zusammengebunden, nnd so dann in die Loire geworfen werden. Es ist daher künf tig das Todesnrtheil eines Gefangenen nur mit den Worten zu bezeichnen "Verurtheilt aus der große» Schaale zu trinken." Art. 3. Da ich einerseits aus angebornem Mensch lichkeitsgefühle nicht gesonnen bin, die Vereinigung von Liebenden zu hindern, andererseits aber die Vermehrung der Feinde der Republik nicht dulden kann, so sollen künftighin zwei Liebende uie vou einander getrennt, sondern ganz nackt ausgezogen, zusammengebunden in die Loire gestürzt, littd auf diese Weise die republikani schen Hochzeiten gefeiert werden. Art 4. Es sollen zu meinem besondern Vergnügen, und aus meinen Privatgeldern, zwei große Gondeln mit beweglichem Boden gebaut werden ich werde täglich Nachmittags eiue Spazierfahrt auf der Loire machen. In diesem Falle haben die von mir geladenen Gäste ei Itc solche Gondel zu besteigen, welche mitKetten zwischen zwei gewöhnlichen Schiffen zu befestigen ist. Auf ein Zeichen von mir, theilt sich der Boden, und die Gäste einvfangen zur ewigen Abfahrt die Revolutionstaufe. Art. 5. Bürger Fouquet, außerordentlicher Kom missär und Präsident des Tribmials vou Nantes, ist mit dem Vollzuge dieses Mandates beauftragt. Gegeben zu Nantes, den 9. October 1790. e a n a i s a i e Fsuquet erhob diesen genialen Gedanken seines Herrn und Meisters bis zu den Sternen, und gelobte, das Mandat sogleich drucken, an allen Straßenecken anschlagen, unter Trommelschlag verkünden, und püukt (ich vollziehen zu lasse» und selbst zu vollziehen. In ViesemAugenblicke trat Lamberty, schweißtriefend, in das Gemach. 12. "Nim, wie stehts Habt Ihr keine Spur von Mar got und Vernet?" "Keine! Wir streiften meilenweit die beiden ilfer der Loire entlang, ohne Erfolg. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Beide ertrunken sind." "In diesem Falle sind sie gut anfgehoben.^-Was wacht Eugenie "Nur den unermüdlichen Anstrengung?» der Mili tärärzte gelaug es nach fünf Stunden, sie wieder ins Leben zu rufen. Ich hatte sie in meine Wohnung brin gen, und als Eure künftige Gesellschafterin mit allem Nöthigeu versehen lassen. Die Aerzte geboten ihr Ruhe. Denkt Euch meine Ueberraschung, Burger Carrier, als Morgens sechs Uhr gemeldet wurde, sie sei verschwun den "Ihr habt sie doch wieder in Eurer Gewalt 1" '•Nicht in meiner Gewalt ist sie aber doch wohl ver wahrt. Der Oberarzt des Spitals der Unheilbaren, das eine halbe Stunde vou hier am Ufer der Loire liegt, und worin jene Soldaten verpflegt werden, welche von der pestartigen Seuche der Lagerpockeu angesteckt sind, sen dete mir so eben den Rapport: daß Eugenie schon vor *ter Uhr Morgens an der Pforte erschienen sei, und Einlaß begehrt Habe. Die Wache gab ihr die gehörige Warnung, daß sie zwar eintreten aber nicht mehr zu rückkehren dürfe. Auf ihre bestimmte Versicherung, daß jben bieg ihr fester Wille, und sie nur gekommen sei, die ^Unglücklichen zu pflegen, unbekümmert um ihre person Ab liche Gefahr, wurde sie eingelassen, und Hat nun bereits tior ihr wohlthätiges Amt begonnen." rimm "Ich sehe wohl, daß Eugenie zwischen mir und dem nt 50 Tode gewählt, und diesem den Vorzug gegeben hat. gese Gleichviel Ihr Kopf saß ohnehin nicht mehr fest sie mill fahre hin Was gibt cs Neues bei der republikaui "tiufj! che« Armee?" Freit. «Die vom National Convente ausgesendeten zwölf itol-' republikanischen Colonnen, die "höllischen Colonnen' S e genannt, bestimmt, die Veitbeer "anfeine republikanische Art auszufegen/' bnrchziehen unter dem Oberbefehls ~!r Haber Türreau und dem Generale Cordetire bereits das Land von einem Ende znm andern unter Feuer und Schwert." "Eine herrliche Nachricht! Das ist Himmlische Mu sik, over teuflische, für meine Ohren "Dagegen werden die Vendeer immer verwegener sie streifen bis auf zwei Meilen in die Nähe von Nan tes. Heute früh will man bei den Vorposten derselben eine auffallende Bewegung bemerkt Haben. Wenn sie nur in ihrer Verwegenheit keinen Handstreich gegen un sere Stadt versuchen, die jetzt von den Republikanern nur schwach vertheidigt werden könnte." "Das wäre ein verdammter Streich Sendet doch sogleich einen Cnrier an Türreau um Verstärkung. Eilt, sag' ich Euch, damit der Teufel nicht seilt Spiel mit inte treibe!' Lamberti) verließ das Zimmer, und Carrier streckte lauschend den langen dürren .Hals, den Kopf seitswärts wendend, gleichsam «m mit den Ohren Lanibertys Schritte zu zählen, und darnach die Haft im Vollzuge des dringenden Befehles zu bemessen. "Fouquet,"—begann er hierauf—"beeilt den Vollzug des Mandats, damit wir uns heute wenigstens noch tan send Ruhestörer von Halse schaffen können." Der Dienfertige säumte nicht. 13. Eilt Kriegskamerad Vernets, Namens Thonvin, des sen linker Fuß in Folge eines^Flintenschusses etwas ge lähmt war, hatte sich als Schiffer außerhalb Nantes ansäßig gemacht. Im Einverständnisse mit Veritet, da Beide schon als Knaben ans dem Chore des Klosters gesungen, nnd alle Winkel desselben kennen gelernt hat teil, wie es denn solchen mitthwilligen Jungen cigcitjst, Alles ansznstöbern, war schon manche Rettung zum To de Verurteilter aus der Niederlage, dem ehemaligen Kloster, gelungen. Thoitrüt wußte von Vernet, daß am 8ten Oktober die Niederlage ausgefegt werde er sollte zu einer bestimm teil Stunde au der Hmterthüre die Flüchtlinge erwar ten, welche— wußte ja am Vorabende des 8. Oktobers selbst Veritet noch nicht. Allein Thonvin wartete fast eine Stunde, nnd Niemand erschien. Plötzlich sah er von weitem den Kerkermeister (Baret mit den Knechten und Hunden eilig herbeilaufen, nud Lamberty zu Pferde im Trabe folgen. Wenn hier Verrath im Spiele wäre!" dachte er, nnd zog sich unbemerkt in seine nahe Hütte zurück, die gleich in der Nahe au einem Arm der Loire lag, stieg unter das Dach hinauf, nnd blieb dort ein unbemerkter Zeuge des Thuns nnd Treibens der Verfolger. Hier unter diesem wilden Gestrüppe muß ein heimli cher Ausgang sein,"—sagte Sarot zn Lamberty— "zur Zeit des Klosters haben die Mönche hier allerlei Lebens bedürfnisse ill ihrKlcster bezogen, so viel ich noch mich er iiuicrii kann. Der Teufel soll, Gott verdamm' mich, die Oekonomie-Commission holen, die ich fünfmal vergebens auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht habe, den Gang zu verschütten, nnd die Eingänge zn vermauern Die Vögel scheinen noch nicht ausgeflogen zn sein," fügte er lächelnd hinzu— "denn ich bemerke keine Spur eines menschlichen Fußtritts." Während er dies sprach, bahnte er mit dem scharfen Hieber an seiner Seite den Weg zur Gitterthüre, und schrie plötzlich "Da sind sie ja und zugleich horte man etite weibliche Stimme rufen "Gott, wir sind ver lorcn Die Knechte holten in der Hütte des Thonvin, der sich Über ihre Erscheinung verwundert und theilnehmend stellte, eine Art, und hieben die Thüre des geheimen Ganges in Stücke. Thonvin mußte einen Wagen mit zwei Pferden be spannen die Gefangenen wurden gebunden nnd anfge laden, und rasch durchaus ging es, der Loire-Brücke zn. Thonvin verspeerte seine Hütte, und schlich auf Sei tenwegen au das mit Silfrohr bedeckte Ufer der Loire, nm von dort ans unbemerkt Carriers feierlichen Emp fang zu sehen. Gerate an der Stelle, wo Thonvin hielt, macht die Loire eine raschströmmende Krümmung, innerhalb wel cher tu einer kleiueu Bucht seilt flaches Fischerboot an dem überhängenden Stamme einer Weide befestigt war. Thonvin sah, wie ein Mann in den Strom gestürzt winde, und wie ein zweiter schnell dem ersten folgte. Einige Zeit blieben Beide unter dem Wasser, doch nach und nach wurde ein kräftiger Nacken sichtbar, und ein starker Arm schien die Haupthaare eines Mannes zn fassen. Die beiden Menschen schwammen näher zn sei nein mit Freude gemischten Schrecken erkannte er Ver net, und rief dem Ermattenden zit: "Muth gefaßt, Ver net, nur bis um die Ecke, ich weife Dir ein Seil zu Sprachs, und sprang rasch seitswärts auf jeinen Kahn zn, wickelte das Bootseil aus seinen Ringen, und da es vom Wasser fortgerissen wurde, schlang er den Haken desselben nm den Meidenstamm und das andere Ende nm den eigenen Leib und stürzte sich in die Wellen, den Heranschwimmenden gerade entgegen. Dieser Rettungsanker der Freundschaft beseelte Ler net mit neuer Kraft, und alle gewannen wohlbehalten das Ufer. "Jetzt nickt gesäumt,"—riefVernet athemlos—«'felge uns denn Du bist mit uns verloren, wenn die Verfol ger uns treffen Wir legen uns alle drei ans den Boden des Bootes, bedecken ims mit den doppelten Fischnetzen, und lassen dem Boote steiterlos seinen Lauf. Bevor ei ite Stunde vergeht, sind wir bei den Vorposten der Veit deer-"' Das Seil wurde gelöst, und die reißenden Wellen der Loire trieben den Kahn stromabwärts. In einer halben Viertelstunde sprengten schon mehr als zwanzig Hnsaren, Lamberty an ihrer Spitze, am Ufer hinab da sie aber int Kahne nichts Lebendes bemerkten, begnügten sie sich, ihre Pistolen darauf abzufeuern. Eine einzige Kugel streifte Vernet leicht an der linken Schulter, dann kehr ten die Nachsetzenden uitmiithig zurück, die Geretteten aber wurde» von den Vorposten der Vendeer brüderlich aufgenommen. Ii. Die Lagerpocken waren damals eine sehr gefährliche Seuche unter den Heere« der Republikaner, besonders in den Morästen der Vendeer. Unerhörte Strapazen, Mangel an gesunder Nahrung, nicht zn vermeidende Unreinlichkeit, da sie häufig nur auf die Plünderung der Royalisten angewiesen waren, erzengten die Pest, deren Namen man scheute, obgleich dieses Uebel alle Kennzei chen dieser Geißel der Menschheit an sich trug. Das Spital der Unheilbaren,-so hieß das halb ver- Canton, Stark County, Ohio, gedruckt und herausgegeben von H. I» Nothnagel und Comp. fallen? Klostergebäudc an der Loire, nnr durch eine mit Heidekraut bewachsene Wiese vom Ufer derselben ge trennt, —worin die Pestkranken im wahren Sinne des Wortes untergebracht wurden denn unter fünfzig Krau gen wurden gewiß acht nnd vierzig unter die Erde ge bracht. Die behandelnden Aerzte, durch das Loos iit die ses Hans des Todes berufe», wo sie bis auf den letzten Pockenkranken ansdanent mußten, verwahrten sich durch eine den Kopf und den ganzen Leib verhüllende Pestkut tc, neben andern Vorsichtsmaßregeln, gegen die Ansteck ung. Vor dem Gesichte war eine runde Glasscheibe an gebracht. Da sich Niemand hervorgethan hatte, der aus Men schenliebe oder gegen hohen Sold die Pflege der Kran ken übernehmen wollte, so wählte das gesetzlose Tribunal das letzte Mittel, das Spitalverpflegepersonal ans dem Wege der Vernrtheilten zn rekriitireit Madonen, ari stokratischer Gesinnungen verdächtig, oder derselben auch mir angeklagt, wurden als Wärterinnen in das Spi tat der Unheilbaren auf die Zeit der Daner der Seuche traiiportirt, von welchen die meisten schon am siebenten oder achten Tage vom Tode weggerafft wurden. Dicht unter den Fenstern, die auf diese Weis" gingen, war ein ungeheures Viereck in die Erde gegraben, in welches die Todten, bisweilen anchKranke in den letzten Ziigcit, Hin abgeworfen und mit Kalk bedeckt wurden. Eugenie Hielt ihren Vater und Vernet für verloren, und zog darum etilen schnellen Tod, mitten im Berttfe der Menschenliebe, der Entehrung durch den Lüstling Carrier vor diese Verhältnisse beschleunigten ihren Ent schluß, und so finden wir sie als unermüdliche Pflegerin der Lagerpockenkranken in jenem furchtbaren Absteige quartier des Todes. W ein Engel des Himmels wandelte sie unter den Leidenden umher nicht bloß die Dualen des Körpers suchte sie durch ihre sorgfältige Pflege zu mildern, auch dem gebeugten und fast verzweifelnden Genutthe der Un glücklichen flößte sie Enunthtigung ein durch die herzer hebenden Tröstungen der Religion, wofür jene in den Gräueln der Revolution verwilderten Beelen nur mehr in den letzten Stunden des Lebens empfänglich wurden, in welchen alle Täuschungen eines vergänglichen Lebene vor der mahnenden Nähe einer lätbselhaften Zukunft vcrfichiiuiiben. Vor Eugenieus Ankunft im Spitale waren Selbst morde nichts Seltenes die rohen Gemüther kannten nnr die WiHl zwischen einem schnellen freiwilligen, und zwischen einem laugsamen nothweudigen Tode ein ret tender Mittelweg schien ihnen zu zweifelhaft. Eugenieits sanfte, tröstende Worte, ja schon ihre Gegenwart und ihr Anblick genügten, jene wilden Herzen mit edleren Gesin innigen vertraut zu machen. Aber auch diesen Engel verschonte die tödtliche Seuche nicht. Eines Morgens trat sie zur gewöhnlichen Stunde n icl in den Hauptsaal von ihrer Pünktlichkeit überzeugt, zweifelte Keiner von den Kranken, daß ein persönliches Uebel sie zurückhalten müsse. Eine von den Wärterinnen lief znm Oberärzte, und als dieser in Engeniens Zimmer trat, fand er schon alle Zeichen der Lagerpocken. Sogleich schickte er, unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln des Räucherns,Dttrchstechens nnd der Befeuchtung mit schar fem Efsig, durch eine hundert Schritte vor dem Spitale postirte Ordonanz, den Rapport an Carrier mit der Ver sicherung „Daß er aus unbegräuzter Ergebenheit für seine Person Alles aufbieten werte, Eugeuicn wieder her zustellen er wolle bis zn ihrer Genesung ihr Zimmer nicht mehr verlassen." Dieser Beisatz war jedoch nnr ein Vorwand, um sich dem furchtbaren Manne nicht verdächtig zu machen in dem Busen des Oberarztes schlug ein menschlichfühlendes Herz ein anderer Grund bestimmte ihn, sein eigenes Leben für Engeniens Rettung zu wagen. Doch das Uebel verschlimmerte sich bei Engenien schon am zweiten Tage in einem hoffnungslosen Grade, und sie empfahl ihren Geist der Barmherzigkeit G.'ttes. 15. Da trat ein Manu in das Zimmer, der sich am Por tale fur einen Priester ausgegeben und erklärt hatte, er müßte Eugcnicu vor ihrem nahen Ende noch spreche«, um ihr für zahllose Wohlthaten zu danken, die sie seiner Mut ter erwiesen habe. Der Oberarzt ließ sie allein. „Ich kenne Euch nicht!' sprach Eugenie leise, fast schon mit gebrochenen Augen. „Ick, bin ein Bote des Glückes"—begann der Fremde —„doch darf ich Euch nicht überraschen die Freude möchte Euch tödtcii." Eilt wehmiithiges Lächeln streifte über die dnnkelrothen Lippen. „Für mich lliihet keine Freude mehr, als da oben, wo mein Vater, Ivo mein Vernet ist „Verbannet diese schwermüthigen Gedanken faßt Mnth zum Leben, itm Lebende zu beglücken. Was würdet Ihr sagen, wenn icl? Euch die frohe Kunde brächte, daß Euer Vater und Vernet noch am Leben sind, und sich nach Euch sehnen Unmöglich! Unmöglich O täuscht eine Sterbende nicht mit so eiteln Hoffnungen denn lebten sie anch, ich würde sie ja doch nie wiedersehen meine Stunden sind gezählt!" „Sprecht nicht so viel, Ihr erschöpft Eure Kräfte. En er gottvertraueudes Gemiith ist groß im Glücke wie im Unglücke darum ertraget jetzt mit frommer Demuth die Last des Glückes: Euer Vater und Vernet leben „Wo?'' rief mit sichtbarer Anstrengung, mühsam sich emporraffend, Eugenie. Ein Lichtstrahl des Himmels schien ihre schwindenden Kräfte zu beseelen ihr seeien volles Auge leuchtete wie in scheidender Verklärung. „Bei den Vendeern, kämpfend für das Hans Bour bon. Ich bin Thonvin, Vmiet's Freund, dem das iß geschick nicht vergönnte. Euch an der Gitterthüre der Niederlage zu retten. Fliehet in meine Hütte, wenn Ihr genesen seid einen Tag zuvor befestigt ein weißes Tuch vor dem Fenster Eures Zimmers Vernet selbst wird Euch zu den Vendeern führen." Kaum hatte Thouviu die letzten Worte gesprochen, als Eugenie, flint' dt^t'rcudf—• ??fccf"r.ft erschüttert, ohnmächtig in ihr Kissen zur tirttcvlrtiibsfrcuiiö. auf die Wiese hinaus, und erklimmte burch ben Stein tzeu die hohe Mauer in diesem Augenblicke brachen die Strahlen des Mondes zwischen den Wolken hervor, und beleuchteten seine Gestalt. „Wer da donnerte eine Wache, und mehr als zwanzig Stimmen der Patrouille wiederholten den dro henden Ruf Vorwärts erwartete ihn der Tod, rückwärts Ver haftung. Mit schneller Fassung rief er ihnen zu „Sä het Ihr Niemand auf dieser Seite über die Mauer hi nauSsteigen Ein verdächtiger Mensch hat sich iit'6 Spital geschlichen, und ist pUtzlich verschwunden „Ni mand '—erwiderten einige barsche Stimmen- Während Thonvin zurückkletterte, hörte er die Sol baten Hilter sich äußern „Ohne Zweifel ist er selbst der verdächtige Mensch, und wollte mit dieser falschen An zeige den vereitelten Versuch bes Entkommens bemän teln. Laßt uitu den Hauptlasten am Portale mit zwei Mann verstärken, und die Lännglecke zi'hen Flüchtig, wie ein gejaqrer Hirsch eilte Thonvin über die Wiese in das Gebäude zurück, zündete sein Halstuch an der Laterne im Corridor an, schlenderte es in eine Strohkammer, wo die Strohsäcke der Kranken geleert und gefüllt würden, und sprang die Treppe hinauf in Eugenieits Gemach. Dort traf er am Lager der Kranken d:n Oberarzt, sorgs.rm deu Puls Engeni.ms ful lend. „Sie wird nicht sterben rief er dem eintretenden Thonvin entgegen. „Wenn nicht in den Flammen" erwiederte dieser, mit einem be^e chnenden, aber beruhigenden Blicke auf die Leidende ,de!n so eben—" Der laute Schall der Lärmglecke unterbrach seine Worte der Wi ber schein des Feuers röthete schon die Fenster, und die Nothschlisse der Wachen vermischten sich mit dem wilden Geschrei der Hülfebringenden. ,,^5orgt für die Kranke bit der Oberarzt, und eilte zu seiner Pflicht. „Jetzt stärke mich, Vater im Himmel"—flehte Thou vin—..daß ich sie rette Diaich warf er seinen Mantel über Eugenie, hüllte sie dicht ein, lud sie auf seine (Schultern, und eilte dem Por tale zu, von einem erstickenden Rauche umqualntt. Schon war er rlucklich mit die Ecke des Gebäudes, als ein Selbat ihn mit den Worten an der Brust pack tc „Wohin mit dein Gepäcke ,-Es geh ort dem Oberarzte. Hilf mir doch, es in (Si cherheit zu bringen. Die Last dieses Teufelszeugs drückt mich zu Boden." Indem der Soldat sich bückte, daß Gewehr abzulegen, streckte ihn THouvin's kräftiger Fanstschlag besinnungs los zn Boden, und rasch eilte er durch Nacht und Nebel, den Engel von Nantes in Sicherheit zu bringen. 16. Carrier hatte inzwischen mit höllischer Thätigkeit sein schreckliches Mandat vollziehen lassen. Das menschli che Herz bebt bei der Erinnerung au die Gränelthaten zurück, die damals in Nantes verübt wurden. Da täg lich eine Menge neuer Rekruten der Republik herbei strömten, so befahl er, daß sie im Schießen geübt wer den sollten, und erlaubte zu diesem Zwecke wieder die Metzeleien itt den Steinbrüchen von Gigan, wo täglich mehr als 500 Gefangene erschossen, und die nur Ver wundeten auf eine gräßliche Weise dann unter sinnrei chen Martern verstümmelt wurden. Carriers Wütben vertilgte in Zeit von einem Monate mehr als 15,000 Menschen die Ufer der Loire bis zur Einmündung in das Meer, waren mit Leichen bedeett, und das Wisser des Flusses so verdorben, daß ein eigenes Verbot erlas sen winde, es nicht zu trinken. Zu diesen Schrecknissen gesellten sich Hungersnot!) und ansteckende Seuchen in der Stadt der Tyraau zog Hunderttausende von den gewissenlosen Lieferanten der Armee, tie ait den nöthig sten Bedürfnissen des.Lehens Mangel litt. Carrier's Wittb Überstieg alles Maaß, seitdem er vernommen hatte, daß eine cninze hoÜischeKoloiitte durch Die Vendeer zusammengehalten, unb der General Cor delier von dem Oberhaupt der Vendeer mit eigener Hand mitten im Kampfe gerottet wurde. „Seit eint jcr Zeit''—hie$ es int Berichte an den De p'.itiitcn des National Convents „scheint ein eben so einsichtsvoller als muthiger Mann die Operationen zu leiten. Vermuthlich ist's der nämliche, den wir fast in jedem Treffen in der ersten Schlachtlinie erblicken. Er trägt hie Uniform eines realistischen Generals, und ist ein junger Mai n von 24 *7 Iahren Seine Haare sind lüttbra.in eine hohe ccwelbre Stinte, große blaue Augen, eine fei gebogene Adletitaie, machen ihn kennt lich. Jede G.fibr thcilr er mit deu Genieinen, die ihn wie einen Halbgott zu meh.en scheinen in der Schlacht ist er ein verheerender Wetterstrahl,und wo seinSchwert einbaut, weichen die Tapfersten." ..Vernet's lb sprach Carrier zu Lamberly,— „laßt durch einen Tagsbefehl demjenigen ein Haupt mannspatent und 5'),000 Franken zusichern, der ihn lebendig in uteiue Hände liefert!" Die unbegreifliche Vorsehung begünstigt oft die Pläne der Rnchlofen, und vereitelt die gerechten Hoffnungen der Tugend doch die Geschich e lehrt, daß die Stunde der Ausghichuug dennoch schlägt, früher oder später. Eines Tages, nur von einer Escadron begleitet, ge rteth Vernet in einen Hinterhalt ein ganzes Regiment umzingelte ihn und seine Tapfern. Mit Löweumutb schlugen sie sich durch schon hatten sie das UV cite -,e wennen, als Vcrnct's Pftrd stürzte, und mit seinem Lei be den ful) ten Verfechter de5 jtbnt uhiintj bedeckte. Die Republikaner harten ihn auf der Stelle .qetodtet: allem der leckende Preis mäßigte ihre Wurb. Gefess lt wurde er auf einem Wagen unter starker Beocckciig nach Nantes gebracht. Carrier war anß\r sich vor Freude, als er den glück lichen Fang erfuhr er gab zur Feier dieses Tage's nn ter einem viävlu/icn Zelte, das am User der Loire aufge schlagen war, seinen.getreuen Anhängern ein glätten des Festmahl: mehr als 700 Angeklagte, Greise, Män ner, Jünglinge Weiler, Mädcl e i un iltÄcnutgcn t7tt d^M-d-r« ^.vt^ierelen waren. die sc» Seufzer ihre Augen auf Mit gefälltem Bajonette verwehrte die' Wache"de1.?)aMe von unserer ^ekannnA,^^ Thoum» be,, Austritt aus Dem Spital. er mußte fei nem Freunde Vernet Nachricht bringe». Int dunkelsten wir legt ..och threnl Winkel eines halbverfallenen Kellergewölbes erwartete er die Nacht dann schlich er sich Hinter den Männern, welche Kalk auf die am Tage Gestorbenen schütteten, 1 wir jetzt noch o Zweck erreicht ist Dieß hörte eilt Husarcntvachtnteti^ Detaschement, da ein leichter Zugwind die Ecke Kinder, wurden während des Mal (es über die Brrck: geworfen, „ein Schauspiel fitr Götter," und ein reich er Fischzug des Teufels," wie sich das Ungeheuer ausdntck e. Die Mu llkchöre von zwei Regimentern suchten vergebens das Wehgeheul jener Todesopfer zu überrauschen. „Lieutenant Grenil also"—sagte Carrier zu Lamber ty „trägt den versprochenen Preis fur SöenietY Ge fauaennehmuuq davon 1 it mtfl lind ihre u' U' m":i" (Nummer Z? tes lüftete, an welcher Jener postirt war. jn i er näch sten Stunde wußte Grenil schon das ihn bedrohende Loos, und als nach dem Ende des Festmahls Warner unter starker Bedeckung nach Nantes zurückkehrte, ritt Grenil hinter den Mauern der Stadt auf Settenpfa den zu den Feinden der Republik hinüber. Als Carrier gefragt wurde, was mit Vernet gesche hen solle, befahl er daß man mitten auf dem Markt Platze einen L0 Fuß hohen Pfahl errichte, und oben ei nen eisernen Käfig befestige in diesem solle Vernet 43 Stunden lang ausgestellt, und dann in semer Umsorm lebendig gespießt werden. 17. Als Sarot am andern Morgen in Vernet's Kerker trat, empfing ihn dieser mit heiterm Muthc. 2)ein har re» Sarot trat znm erstenmal? eine Thräne des Mit leids in's Auge. „Armer Vernet"—begann er „müssen wir so uns wieder treffen Ich kann Euch nicht retten, obgleich ich Euch wie mein eigenes Kinb liebe. Eine ganze Co catroit hat alle Zugänge besetzt mit Euch ist's gejcheyn. „Jedem schlägt seine Stunde"—erwiederte Vernet —„grämt Euch nicht, Sarot nehmt vielmehr meinen Dank für alles Gute, was Ihr mir von Jugend auf er wiesen habt. Wisset, ich bin ein rechtmäßiger Neben» zweig des königlichen Hauses Bourboit, der Sohn des Herzogs vou N *, dem ich als Kind von 3 Iahren ge raubt wurde. Mein Vater ist bei den Vendeern, nud erkannte mick', als meine Wunde verbunden wurde, an einer Rose auf der linken Schulter, die eine Mitgabe der Geburt war. Wo ist Eugenie Lebt sie noch Ich erfuhr ihren Aufenthalt im spitale der Unheilba ren, u. sendete meinen Freund Thonvin ihr zum Schutz. „Gnädiger Herr, Sie—" „Nenne mich Vernet, wie sonst, bald nur noch eine Hand voll Staub!" „Sie wurde vou den Lagerpocken befallen» Eines A beuds meldete sich ein Priester bei ihr." „Das war mein Thouviu bald darauf brach ein heftiges Feuer aus, das den linken Flügel des Spitals verheerte, den sie be wohnte man berinuthet, daß Beide in den Flammen ihren Tod fanden." „Arme Eugenie, Du starbst als ein Opfer DoineS edelmütbigeit'Herzens, und der Engel von Nantes ist jetzt eilt Eugel des Himmels Lamberti) trat, umgeben von sechs Rathen des Tri bunals, in den Kerker der Aktuar verlas Vernets To besurtheil, das ant kommenden Morgen vollzogeniwer den sollte. Mit ruhiger Fassung hörte es Vernet und sprach „Euch, Lamberti), verdanke ich mein schmähliches Ende, boch ich verzeihe Euch „Jeder handelt nach seiner Pflicht"—erwiederte mit gefühlloser Kälte der blutige Gefährte des Tyrannen, und entfernte sich mit seinen Genossen. 18. Kaum graute der Morgen, als schon Tausende de« Marktplatz füllten, auf welchem bereits der Pfahl mit dem eisernen Käfig stand. Starke Abteilungen beritte ner Geusdarmeu waren beschäftigt, den wilden Pöbel mit Säbelhieben wegzutreiben, um den Zugang offen zu halten. Zahlreiche Patrouillen streiften durch alle Straßen. Dem Pfahle gegenüber war an einem eiser nen Gestelle der lange, blitzende Spieß befestigt, welcher Vernets Leib durchbohren, und sein Leben unter gräßli chen Schmerzen enbeu sollte. In der Nähe stand Car rier auf einem Balkoue, mitten unter feilten Blutbri't berit. Er gab das Zeichen, nud Vernet wurde aus sei» nent Kerker zum Richtplatze geholt. In diesem Momente sprengten Husaren Vedetten der Republikaner mit verhängten Zügeln die lauge Hauptstraße herauf, mit lauter Stimme rufend: „3u den Waffen ?u den Waffen Die Vendeer kommen!" Augenblicklich wurde der Generalmarsch geschlagen und Sturm geläutet ängstlich floh das Volk nach al len Enden und Carrier entwich mit seinen Gefährten durch eiue Hinterpforte, warf sich auf das nächste Pferd und eilte auf der entgegengesetzten Straße unaufhalt sam zu deu Korps des Generals Türreau, das zwei Meilen von Nantes kampirre. Er war kaum über das Weichbild der Stadt hinaus, als bereits von der andern Seite vier Batterien reiten der Artillerie ititb bas Regiment ber englischen grünen Husaren wie von einer Winbsbraut gejagt, heran stoben an ihrer Spitze itt reicher Auiazonentrachr, hoch schwin gend, die mit beu brei Lilien geschmückte Fahne Eu genie, Vicomlesse von Margot, bicht hinter ihr Thonvin. Durch eine Bewegung bes Regiments wurde Thon vin von Sem spähendes Auge er blickte Vernet Seite, vou Soldaten umge ben, die ihn eilig in seinen Kerker schleppen wollten. „Foiijt mir!"--schrie er den Tapfern zu „dort ist euer General!" Die Soibner des Tyrannen wurden zusammenge hauen, Vernet wer frei. „Em Schwert,"—rief bieser—„ihr nach „General, Ihr müßt auf ber Stelle tu das Lager der Vendeer mein Kopf haftet fur Euer Leben eie ho ben ihn mit Gewalt auf ein Pferd, und jagten im Ga loppe mit ihm davon. Ein Offizier meldete Eugcitieit die Rettung des Ge liebten, und das Streifkorps der Vendeer zog sich, nach dem es alle Gefangenen aus der Niederlage befreit, u. tu einem ich tge schlosse nett Quarre mit sich fortgenom men hatte, vor deu nachsetzenden Republikanern, in de Mt Reihen die Kartätschen verheerend schlugen, in größ ter Ordnung uitd mit heldenmürhiger Haltung zurnck. Die ganze Armee der Vendeer war in voller Schlacht linie aufgestellt ein bonnernber Iubelrus empfing belt als verloren bebauerten Vernet, ber sogleich wieder das Kommando übernahm. Eine Stunde später kehrte das Regiment der grünen Husaren zurück, mit ihnen Vernets Retterin—Eu.gcnt» Der Parademar ch wurde geschlagen die Miisifchöre spielten das Kdnigslied das Vivalrusen qltch einem Sturme. Vernet sprengte der Geliebten aus590 schrit te entgegen sie lagen einander sprachlos in den Ar men Vernet's und Engeniens Väter legten die Hände der Liebenden segnend in einander, während eine drei malige Freudensalve der Armee die Seligkeit der Wie dervereintcu feierte. Thouviu wurde zum Hauptmann ernannt. Seiner Hingebung verdankte Eugeuie ihr Leben, die er der Pfleqe eines englischen Öher^^s'^tttt'"'" ävunujitw Ämternberg k'"" voriges Jahr in rni Bcr- nMr fr i" Louisriilc Vuimi.ty, »vciji»ei«, da«- -r v 'ja hntt" n jcmeY ''W jtifclßc N'tcdcr nart) efften »ritte- N» ~-"r' "b" fr^viUc in einen, ~t dC}|tlVCtt, ,:arhc ber Vendeer hoffnungslos serloren war, begaben sich die Liebenden mit ihren Vä \n\n I ttter Jahrgang.) Freitag, den Mteit Mär ISIS.