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Der Staats=Anzeiger. (Rugby, N.D.) 1906-current, June 10, 1909, Image 7

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Da Auszeâoßm.
âlomon von Paul Oskar 'Höcker.
(6. 9fortfefcu!taO
„Kind, Ktnd, überall packen sie, und
Bet uns steht noch alles herum. Nimm
Dich doch ein bischen der Sache an.
Ja? Ich würde gern selbst aber
mir ist noch so öde im Magen. Und
ich kann gar nicht den Kopf heben
eine richtige Migräne. Wic das nur
beim Ausbooten werden soll?"
Der Kammersteward stieß dazu,
um beim Packen zu helfen. Zu an
deren als praktischen Erörterungen
war nun keine Gelegenheit. Und als
alles, bis auf das Nacht- und Toilet
tenzeug, verstaut war, verlangte Gu
stob, daß endlich dunkel gemacht
würde, denn das Licht thäte ihm weh.
Sie kramte noch ein Weilchen im
Finsteren weiter, ohne rechten Zweck.
Bis Gustav wieder leise aufstöhnte.
Nun öffnete sie ganz behutsam die
Thür und begab sich noch einmal auf
Deck. Ein paar Minuten wartete sie
an der Stelle, wo sie vorhin gestanden
hatten. Dann stieg sie zur Komman
dobrücke empor.
Fritz von Suceo weilte nicht mehr
hier.
Etwas enttäuscht^ah sie sich überall
um und kehrte jenseits des Kompaß
Häuschens zwischen den RettungSboo
ten wieder zur Treppe zurück.
Plötzlich schrak sie zusammen. Ein
Fremder sprach sie an. Einer der
Deutschen Herren war eS. Sie glaubte
zuerst: Stangenbera. Es war aber
blos der ihr unausstehliche Herr Eber
hard Schneider.
„So allein, Madame, und keine ein
ziqe Dame zur Begleitung?" zitirte er
näselnd, irgendeinen Schauspieler ko
pirend, aus dem Don Carlos.
Sie erwiderte ein paar ganz zusam
menhanglose Worte und verschwand
eiliqst in der Kabine.
hinterher konnte sie sich's nicht ver
zeiht!. daß sie dem zudringlichen jun
gen „Kohlenbaron" gegenüber eine
solche Armsllndermiene aufgesetzt
hatte.
Und sie fragte sich: weshalb war
sie denn überhaupt an Deck zurückge
fehlt? Hatte sie denn wirklich vorge
habt, Fritz von Succo noch einmal zu
sprechen?
DaS Wecken, das überhastete Früh
stück, das Ausbooten, die Landung,
die Droschkenfahrt zur: Zollhaus und
zur Bahnstation das geschah alles
unter Begleitung eine? wüsten, echt
orientalischen DurcheinanderrufenS
und Durcheinanderschreiens.
Ein Dutzend Boote, di: theils Ho
telS, theils Reisebureaux und Fähr
leuten gehörten, schaukelte rund um
das mitten im Hasen von Alexandrien
verankerte Schiff. Auf den Bänken
standen Araber, Syrcr und Nubier,
gestikulirten und kreischten. Sobald
die Fallreepstreppe zu Waffer gelassen
war. stürmte die schwarze und
schwarzbraune Bande an Bord: bar
füßige Kasfeeträger, Ruderer, halb
wüchsige Burschen, die einen mit glatt
rasirtem Schädel, die anderen mit dem
rothen Fes oder mit dem Turban ge
schmückt.
„Taschen zuhalten!" rief Stangen
berg dem Ehepaar Succo zu, das er
in der allgemeinen Aufbruchseile erst
flüchtig hatte begrüßen können.
Die Neberfahrt in dem tanzenden
Ruderboot, dessen eine Hälfte bis zum
Rand mit Gepäck angefüllt war, be
deutete die letzte maritime Prüfung
für Gustav von Succo.
„Go'tlob Land!" sagte er er
leichtert aufathmen^, als sie endlich
festen Boden unter sich hatten.
Er hatte gleich an Bord einen der
Kommissionäre aus Kafro von Shep
heards Hotel angenommen. Der hielt
ihnen nun auch das bakschischhei
schende Hafengesindel, das sie sofort
lLrmend umringte, vom Halse.
Im Eiltempo fuhr der hochbeladene
Wagen vom Zollhaus durch die engen,
volkreichen Vorstadtgassen von Alex
cmdrien. Die Häuser waren ganz
europäisch, fremdartig wirkten nur die
bunten Trachten, das malerische Ne
deneinander aller Hautfarben, die
schwarzverschleierten Frauen.
Jutta iOQt wieder gan, Auge und
Ohr. Sie wollte nichts von all den
neuen Eindrücken verlieren. Und eS
war eine wahre Sehnsucht über sie qe
kommen, nach der langen Entfrem
dung an Bord, sich mit ihrem Gatten
über alles, was sie sah und was sie
bewegte, auszusprechen.
Schmerzlich wa: ihr's daraum, daß
sie für die dreistündige Eisenbahnfahrt
nach Kairo nicht ein Coups allein be
kamen,sondern sich wieder mitten unter
Schiffsbekannten befanden.
Gustav vo.i Succo thaute rasch auf
seine Migräne war bereits auf der
ersten Droschkenfahrt an Land wie
weggeblasen er brachte eS sogar
über sich, der humoristischen Schilde
rung zuzuhören, die der Rittmeister
an der Coupöthür von ein paar tragi
komischen Seekrankheitsepisoden ent
warf.
Der Zug war überfüllt. In dem
Coup6, worin Jutta mit ihren. Mann
Platz genommen hatte, kam nicht ein
mal Stangenberg unter. Außer
fchafterin
jsrau von Druhsen und ihrer Gefells
hatte noch ein Engländer*
paar Plätze darin belegt: die Lady
GstlMM mit ihrem Verwandten.
yrau von Druhsen gab vein Aus
druck ihrer Unlust über die Engigkeit
im Coups eine politische Spitze gegen
das britische Jnselvolk, was Jutta
veranlaßte, ihr zuzuflüstern, die Mit»
lis -*sc »erstünde Deutsch.
„Die Lady muß sehr befreundet
sein mit diesem Herrn von Succo aus
Kairo," setzte die Gesellschafterin dar
auf in scharfem Flüsterten hinzu, „ich
hab' sie an Bord oft zusammen ge
sehen."
Flüchtig musterte jetzt die Englän
derin, dis bisher mit dem Verstauen
ihres Handgepäcks beschäftigt gewesen
war. die CoupSgenossen. Als sie
Jutta bemerkte, n'.ckte si? ihr freund
lich zu.
Jutta stellte fest, daß die Fremde
doch jünger war, als sie an Bord an
genommen hatte. Die unvertheilhafte
Schiffsmütze, unter die sie ihr schönes,
goldblondes Haar gezwäng! hatte,
war an der falschen Einschätzung
schuld gewesen. Sie fand sogar, daß
die Lady den vollendeten Typ der
schönen Engländerin darstellte: außer
dem prächtigen Haar besaß sie einen
zarten, durchsichtigen Teint, schöne,
ausdrucksvolle, blaue Augen, elegante
Gestalt, stolze Haltung, tadellose
Zähne und eine sehr hübsche, ange
nehme Stimme.
„Ob das ihr Mann ist?" fragte die
Baronin halblaut. „Einen Ring
trägt er nicht. Ihr Vater ist es doch
auch nicht."
Jutta 'uckte die Achsel. „Warum
zerbrechen Sie sich darüber den
Kopf?"
„Ich sehe auf Reisen gern klar."
Daß die Baronin noch irgendeine
kleine Malice in Vorbereitung hatte,
stand hiernach bei Jutta fest. Sie
täuschte sich nicht. Frau von Druh
sen beugte sich nämlich mit stark be
tonter Diskretion zu ihr herüber und
sagte mütterlich: „Da die Dame noch
offenbar Beziehungen hat zu diesem
diesem Kattens
er Succo. Sie wis
sen würde ich mich an Ihrer Stelle
gar nicht erst auf den Grüßfuß mit
ihr stellen."
Succo verzog die Miene nur ganz
leicht, aber Jutta merkte sofort: daß
ihr Mann die Taktlosigkeit der Baro
mit ebenso schmerzhaft empfand.
Beide ignorirten die Bemerkung und
vertieften sich gemeinsam in den Reise
führer. Jutta hatte es deutlich genug
herausgefühlt: die Bosheit war mehr
gegen sie als gegen die Reisegenossin
gerichtet.
Die Lady Salmour nahm übrigens
auf der ganzen Fahrt von den Anwe
senden keine Notiz mehr.
Draußen jagte im dicken Staube,
den der Zug aufwirbelte, eine fremd
artige Landschaft an ihnen vorüber.
Der Schienenstrang näherte sich dem
Nil. Das Land war hier zerrissen
von Hunderten von Kanälen. Auf
den lehmigen Dämmen zogen ganze
Karawanen von hochbeladenen Käme
len in feierlichem Tempo. Flink
trabten Araber auf Eseln ein Stück
chen neben dem Zuge her. Schwarz
gekleidete Frauen, die hohe Dellrüge
auf den Schultern trugen, wirkten wie
Ausschnitte aus der' bibliscken Ge
schichte. Im Sumpf standen Büffel
heerden und starrten den vorbeisau
senden Zug an. Man fuhr durch einen
lichten Palmenwald. Dann tauchten
über dem Gestrüpp verkrüppelter
Sykomoren hohe, weiße, kreuzweis
ausladende Segel aus: die ersten Da
habjen. die auf dem Nil dahinglitten.
Unpoetische Ziegelbauten mit hohen
Schornsteinen mischen sich da und dort
in# das Bild: die Zuckerfabriken, die
Färbereien und Webereien. Dann
wieder kam man an Fellachendörfern
vorüber. Niedrige, lehmbraune Hüt
ten. aus getrocknetem Nilschlamm er
richtet in der Nähe gewöhnlich der
alles übertragende weiße Kuppelbau
eines Scheichgrabes. Weiterhin am
östlichen Horizont ein braungelber
Strich: das Mokattamgebirge. die
libysche Wüste. Und schließlich, schon
meilenweit dem Ziel, drüben im
Westen im zitternden Sonnenglast:
die Umrisse der drei Pyramiden von
Gizeh.
Der stärkste Eindruck, den Jutta
nach der Ankunft in Kairo auf der
Fahrt zum Hotel empfing, wOt der
auf ihre Geruchsnerven. Die scharfe,
durchdringende Ausdünstung der Ka
mele beherrschte die Straße dahinein
mengten sich die Zwiebel- und Knob
lauchdüfte der Kutscher und Gepäck
träger.
Geschrei, unentwirrbares Geschrei
auch hier. Bloßfüßige, arabische Bet
teljungen rannten eine Strecke weit
neben dem Wagen her und schlugen
Räder mitten im Gewühl, Immer wie
der die Hand nach einem „Bakschisch"
ausstreckend. Wie in einem Kaleido
skop wechselten die Bilder, die Farben,
die Formen, die Gestalten. Es war
Mittagszeit, die helle, weiße Sonne
schien, ägyptisches Militär in rothem
Fes und weißen Gamaschen kam mit
klingendem Spiel durch einen der mit
Platan?n bepflanzten Boulevards
ganz Kairo schien auf den Beinen.
Plötzlich hielt der Wagen in einer
breiten, stark belebten Hauptstraße.
Sie befanden sich vor der berühmten
Terrasse von Shepheard- Hotel.
Araber in blutrothen Jacken, wahre
Hünen, stürzten herzu und nahmen
das Gepäck in Empfang.
Im Hotelvestibül herrschte ein Le
ben wie in einem Taubenschlag. Viele
Schiffsgäste standen hier berütè in
Unterhandlung mit tem Hoteldirektor
und seinen Sekretären. Auch Stan
genberg traf soeben ein. Er hatte
einem der Vort.«r». fociti iu bei
V I
V.' taisT*
fthür etn paai exfltutngc tr vtt yano
gedrückt. Eilfeitig bemühte bet sich
nun es wai ein Deutschet wie fast
alle Hotelangestellten die Nummei
des für ihn resetvirten Zimmers in
Erfahrung zu bringe,».
„Und das Quartier für Mt.
SUCCO!"
rief de: Rittmeister dem
Portier nach, die Bekannten erblickend
und begrüßend.
„Mr. Succo ist bereits oben." gab
der Portier sofort zurück, „hat No. 37
second floor wie immer."
Gustav zuckte zusammen. „Das ist
nun doch geradezu scheußlich," stieß er
aus, halb zu Stange.lberg, halb zu
seiner Frau gewendet, „schon wieder
diese leidige Verwechslung!"
Stangenberg ließ den Po tier noch
einmal zurückkommen. „Sie täuschen
sich. Mr. und Mrs. Succo das
sind diese Herrschaften hier."
„Zimmer ist von Marseille aus vor
aus bestellt!" setzte Gustav von Succo
hinzu.
Es dauerte eine gehörige- Weile.
Endlich kam in der Begleitung des
Portiers ein eleganter junge«. Herr
mit einer großen flatternden Zimmer
liste auf sie zu.
„Pardon, da schei.lt ein Irrthum
vorzuliegen. Ein Mr. Succo, Mar
seille, ist nicht vorgemerkt. Bloß Mr.
Succo aus Bedrilchein, der immer hier
wohnt und stets No. 37 hat, wenn
das Zimmer frei ist."
„Aber ich habe doch selbst aus Mar
seille telegraphirt ..."
„Gewiß hat der Sekretär im
Bureau die Bestellung nicht kopirt,
weil der Name doppelt vorgekommen
ist. Ich bedauere unendlich. Gedul
den Sie sich einen Augenblick, wenn
noch etwas frei ist, werde ich J'hnm
sofort..."
Und weg war er.
Stangenberg mußte seinem Gepäck
folgen. So blieb das Ehepaar allein
in dem Gewühl zurück.
„Unerhört! Dieser hergelaufene
Mensch drängt sich dt. ein. Ueberall...
Es ist nicht zu sagen!"
Gustav von Succo vertrug tech
nische Störungen auf der Reise durch
aus nicht. Er war zumeist sehr
cholerisch. Sein Auftreten den Hotel
angestellten gegenüber war in solchen
Fällen Hciniich und unduldsam.
Jutta suchte ihn zu beschwichtigen,
aber er sagte kurz: „Ich habe diese
Komödie nun satt. Zum Kuckuck, ich
werde mir die ganze Erholungsreise
doch nicht durch diesen diesen Tau
schen stören lassen."
„Wie ungerecht du bist. Gustl. Eine
Verwechslung. Mein Himmel, das ist
doch kein solches Unglück."
„Der sitzt nun oben in unserem
Zimmer und unsereiner steht hier
eine Dame läßt man in der zugi
ten Halle stehen ..."
„Du hörst doch, daß er imme. hier
wohnt. Das direkt gesucht, Gustl,
sich darüber aufzuregen, sich deswegen
die Reiselaune stören zu lassen."
Das Gewühl lichtete sich. Grup
penweise zogen die Ankömmlinge, vom
Empfangspersonal geleita, zum Lift.
„Ich bedanke nvch überhaupt da
für, hier zu bleiben dem Burschen
womöglich alle Augenblicke zu begeg
nen."
Jutta wußte, daß er sich nun im
mer mehr in Zorn reden würde. Bis
her hatte fit's in solchen Fällen kleiner
Störungen immer versucht, ihm mit
drolligem Schalk eine freundlichere
Miene aufzuschmeicheln. Aber jettt
verdroß sie seine unlogische Gereizt
heit gegen den abwesenoeit Unschuld!
gen derart, daß sie achselzuckend in die
Thür trat und ihre Blicke über die
menschengefüllte Tettasse schweifen
ließ. An unzähligen Tischen saß da
eine bunte Gesellschaft in der Sonne,
elegante Welt in höchstem Promena
densiaat, salopp gekleidete Touristen,
flirtende Spottsleute beiderlei Ge
schlechts, engliche Offiziere, ge
schminkte Halbwelt. Von der Straße
her tönte das Wqgengerassel, das Ge
schrei der Vorläufer, der Eseltreiber,
das scharf rhythmische Händeklatschen
der unter eintönigem Gesang auf dem
Fahrdamm marschirenden Lastträger.
Jutta hörte hinter sich einen ziem
lich scharfen Wortwechsel. Ihr Mann
setzte den sich höflich entschuldigenden
Hoteldirektor zur Rede. „Aber wir
wünschen doch irgendwo unterzukom
men!"
„Selbstverständlich. Nur ein wenig
müssen Sie sich gedulden. Mittags
werden immer ein paar Zimmer frei.
Dann sollen Sie Vorhand haben."
„Aber ich will sie sehen. Zeigen
Sie sie mir."
„Das geht jebt noch nicht. Ich
sage Ihnen ja: augenblicklich ist nicht
ein einziges Zimmer unbesetzt. Ader
in längstens einer Stunde können wir
Ihnen Bescheid geben."
„Na. das ist lieblich."
„Vielleicht nehmen die Herrschaften
inzwischen den Lunch. Ihr Gepäck
kann ja hier stehen bleiben. Sie
brauchen sich darum nicht zu küm
mern."
Jutta suchte der Aufgeregtheit ihres
Gatten eine größtmögliche Ruhe ent
gegenzusetzen.
„Nun, Gustl, wir warten eben noch
ein Weilchen Oder machen einen klei
nen Spaziergang. Das ist doch w'i
ter kein Unglück."
„Für ^icf nicht. Nein, das weiß
ich. Dir ist es ja an Bord vorzüglich
ergangen. Aber ich will endlich ein
Unterkommen haben und mein Bad.
ich will endlich in Behaglichkeit aus
packen können ... Und blos wegen
dieses dieses..."
»Gustl —1 Uber nun höre doch end*
Hey mit dem zwecklosen Zanken auf.
Was kann denn schließlich Dein Vet
ter für die Verwechslung? Du mußt
doch ein Einsehen haben."
„Nein, daS hab' ich eben nicht.
Punktum. Basta."
Stangenberg stieß dazu. Er hatte
nur flüchtig Toilette gemacht, denn
den Lunch nahm man hier allgemein
im gewöhnlichen Straßenanzug.
„Noch immer obdachlos? ... Leider
würde mir der beste Wille zur christ
lichen Nächstenliebe nichts nützen: für
mein Quartier würden Sie sich schön
stens bedanken, es liegt fünf Treppen
hoch, hinten hinaus, eine winzige
Bude. Uebrigens billiger als ich
dachte. Aber eine Aussicht gera
dezu himmlisch. Hinten ist nämlich
ein wunderbarer Park mit Palmen.
Und darüber hinweg sieht man Mo
scheen mit Minaretts und den Nil
und die Pyramiden."
e
Jutta hängte burschikos bei ihm
ein. „Sie müssen mich hier ein bis
chen spazieren führen. Mein Mann
will sich zunächst noch ein Viertel
stündchen ärgern und dabe' sind
Zeugen überflüssig."
Stangenberg lachte. ,.Sie sind
allerliebst, gnädige Frau. Also. Herr
von Succo. es hilft Ihnen kein Gott:
auf allerhöchsten Befehl geh' ich mit
Ihrer Frau Gemahlt: durch. Unter
Palmen! Romantisch, was?"
Es war Succo anscheinend nicht
möglich, in den scherzhaften Ton ein
zustimmen. „Bitte sehr," erwiderte
er kurz und wandte sich wieder dem
Bureau zu.
„Brummbär!" sagte Jutta.
Sie zog in flottem Tempo mit dem
Rittmeister ab.
Stangenberg spielte den Galanten.
Es war aber nicht mehr jene gefetzte
Ritterlichkeit in seinem Wesen wie in
Marseille, hatte zuweilen ein
listiges Auyenblinzeln. Sie that, als
ob sie's nicht bemerkte, entzog ihm
aber ihren Arm unte dem Vorwand,
die Jacke auszuziehen. Sommersonne
lag übet dem wunderbar gepflegten
tropischen Garten. Sie legte ein paar
Schritt Abstand zwischen sich und den
Rittmeister. Unbefangen plauderte sie
weiter. Aber als sie an einer zelt
artigen, von herrlichem Gr^natgebüsch
umrankten Laube stehen blieb und sich
vorbeugte, um eine der großen, bren
nendrothen Blüthen genauer zu be
trachten. merkte sie, daß er ihren Wor
ten gar nicht folgte. Und sie fühlte
gleichzeitig instinktiv und dabei
doch fast körperlich daß et sie mit
einem heißen Ausdruck betrachtete.
Sie richtete sich sofort auf und sah
ihn groß an über dieAbschätzung.
die in seiner Miene lag, höchst ver
wirrt.
„Wirklich .ganz allerliebst!"
sagte er nur zwischen den Zähnen, in
einem Schwerenötherton, den sie bis
her noch nicht von ihm gehört hatte.
„Sie meinten, Herr von Stangen
berg?"
Sein indiskret lächelnder Blick war
gewandert et brannte nun in ihrem
stark erschroäenen. „Die Granatblü
the meine ich."
Mit feinem Spott suchte sie über
seine unartige Entgleisung am besten
hinwegzukommen. „Das ist ja eine
furchtbar feurige botanische Huldi
gung."
„Tja tote soll man seiner Sinne
Meister bleiben solch süßem Ding
im fremden Gatten gegenüber?"
Sie merkte, daß er fortgesetzt feinen
Worten einen Doppelsinn unterlegte.
„Was ist nur in Sie gefahren?"
Er wippte sich auf den Zehen leicht
auf und nieder und lächelte sie übet
legen an. Dabei summte et: „Was
nützt mit denn ein schöner Garten,
wenn andere drin spazieren gehen?"
„Alles die Nähe des Aequators?"
sagte sie erheitert, noch immer besirel!,
den Anlaß zu einer wirklichen Ver
stimmung auszuschalten.
Nun lachte er ebenfalls. „Daß Sie
eine sehr verführerische kleine Frau
sind, hab' ich schon in Europa drüben
festgestellt. Hier in dem heißeren
Afrika ist's aber doch wohl erlaubt,
den Ausdruck der Bewunderung zu
steigern."
„Im Gegentheil. Die Muhamme
daner bestrafen so etwas äußerst em
pfindlich."
Et 'niff wieder ein Auge zusam
men. „Hm. Die Muhammedanet."
„Ja. Der Attentäter wird hier mit
einer Katze, einem Hund und einer
Viper in einen Sack gebunden und in
der Wüste ausgesetzt. Sie wissen
doch?"
„Keine sehr lockende Aussicht. Je
der Attentäter, meine Gnädigste?"
..Selbstverständlich
Er antwortete nicht, drohte ihr aber
mit den Augen. Und wieder trat der
seltsame Ausdruck in seine Miene, det
sie beunruhigte.
Sie zuckte die Achsel und brach die
Unterredung ab. „Uebrigens hab' ich
jetzt Hunger. Und ich hoffe: mein
Schatz 'uch."
Er neckte sie damit, daß sie so ehr
pußlich-spießbiirgerlich „mein Schatz
gesagt hatte. Ihr fiel es gleichfalls
auf. Denn es war sonst dritten ge
genüber nicht ihre Gewohnheit.
Bei Tisch entwickelte Stangenberg
eine so glänzende Laune wie nie zu
vor. Er verführte Juttas zunächst
noch recht verstimmten Gatten sogar
zu einer gemeinsamenFlasche Heidsick.
Aber Jutta verhielt sich reservirt. Je
mehr sie der kleinen Scene im Gar
ten nachhing, desto mehr fühlte sie sich
gegen den Rittmeister eingenommen.
Man saß in dem prunkvollen Ober­
A
7
lichtsaal, det trotz det Matinotwände
und Mairnoisäulen dutch die vielen
Blumen, die echten Teppiche und auch
die mit dem Tageslicht tingenden elek
ttischen Lampen, deren Schirme aus
bunter Seide bestanden, doch einen
ganz behaglichen Eindruck machte.
Flinke Araber bedienten.
In Marseille hatte Stangenberg
dem Oberstaatsanwalt die Zusage ge
macht, daß er ihn auf der mehrtägi
gen Fahrt in's Fajum begleiten wolle.
Die Tour versprach eine schöne Jagd,
war aber sehr anstrengend und für
Damen nicht lohnend. Succo hatte
vorgehabt, die Partie zu unternehmen,
wenn Juttas Vater hier in Kairo ein
getroffen war. Er "am während der
Mahlzeit mehrmals auf diese Verab
redung zurück. Aber Stangenberg
hielt ihm entgegen: „Erlauben Sie.
ist es nicht eigentlich eine Grâusam
keit, daß Sie mich da in die Wüste
mitschleppen wollen? Offen gestanden
hab' ich so ziemlich alle Lus' verloren.
Ich möchte viel lieber unserer jungen
Gnädigen als Führer hier in Kairo
dienen."
„Bis zur Abfahrt meines Mannes
habe ich die Hauptsehenswürdigkeiten
von Kairo wohl schon hinter mir,"
sagte Jutta, „und ich werde Papa
dann wohl kaum allein lassen."
„Schade."
Succo trommelt: leicht auf den
Tisch. „Uebrigens hab' ich mich ent
schlossen, Jutta, für die nächsten paar
Tage nicht in Kairo zu bleiben."
„Wieso nicht?"
„Wir werden hier gar nicht erst
auspacken."
„Sondern?"
„Ich hab' vorhin vom Bureau aus
alles bestellt. Der Wagen fährt um
drei Uhr vor. Telephonisch hab' ich
auch schon übet Zimmer und Pension
akkordirt. Wir siedeln nach Gizeh
Über."
Beide sahen ihn überrascht an.
„Gizeh
„Sie meinen wohl das Hotel Mena
house am Fuß der Pyramiden?"
fragte der Rittmeister.
„Ja. Wo ja auch verschiedene der
Herrschaften von Bord hingegangen
sind. Es soll dort vorzügliche Ver
pflegung geben. Und es ist doch höchst
interessant: so dicht bei den Pyrami
den."
Stangenberg hatte sich kopffchüt
telnd zurückgelehnt. „Nehmen Sie
ntir's nicht Übel, das ist 'ne komische
Idee. Sie fahren doch nach Kairo,
um in Kairo zu fein. Die Umgebung
nimmt man wohl gelegentlich so mit,
aber Kairo ist toch die Hauptsache."
„Das sehen wir uns dann später
an."
Jutta war sehr enttäuscht. „Spä
ter? Aber mar. ist noch in solch einet
Spannung ... Und nun kommst Du
und sagst ... Wesbalb d'nn nur?'
„Ich habe meine Gründe."
„Gusta) Etwa wirklich bloß
wegen der dummen Zimmergeschichte
hier?"
„Zum Theil. Ja. Und noch aus
anderen Gründen."
„Wenn Du unser ganzes schönes
Programm wegen solcher Lappalien
stören willst ..."
„Es bleibt bei dem. was ich gesagt
habe."
Auf Stangenbergs vom Wein und
vom Plaudern etwas erhitztem Gesicht
war noch ein steifes Lächeln stehen ge
blieben. Abei die vorherige Laune
war doch erloschen. Er musterte das
Paar, die Augen ein wenig zusam
men kneifend. Es herrschten da Un
klarheiten und Unstimmigkeiten.
Offenbar Eifersucht. Er besaß Er
fahrung.
Beim Dessert versuchte Stangenberg
noch einmal auf den verärgerten Ehe
mann einzuwirken. Er nahm an,
daß er sich von Frau Jutta einen
Dank damit verdiente. Es war doch
geradezu absurd, dies? glänzende,
lockende Großstadt, die man das afri
kanische Paris nannte, zu verlassen,
noch bevor man sich auch nur ein paar
Stunden darin umgesehen hatte.
SUCCO saß lcissia im Stuhl zurück
gelehnt. Siine Lippen matten sich
ganz schmal verzogen. Es lag :in fro
stiger Ausdruck in feinet Miene und
in seinem Ton. „Ich habe im gan
zen wenig Prinzipien," sagte er leicht
obenhin, um dem Tafelgenossen eine
weitere Einmischung abzuschneiden,
„aber
Die
paar sind um so unantast­
barer. Und das erste davon lautet:
meine Entschlüsse werfe ich nicht wie
der um."
„Brechen wir also auf," sagte
Jutta, sich erhebend.
Im Restaurant war es schon leer
geworden, auf der Terrasse und in
der großen mautische- Halle, die sich
an's Hotelvestibül anschloß, wogte das
bunte, internationale Treiben um so
lebhafter. Man nahm den türkischen
Kaffee im Umherstehen. Von den
Tischen aus am Rand der Terrasse
wurde von Amerikanern eine drollige
Unterhaltung mit den i nten auf der
Straße ihre Perlketten, NUpferdpeit
sehen, Ansichtskarten und Palmen
fächer feilbietenden Händlern geführt.
Jutia empfand ein? geradezu kind
lich stürmische Lust sich auch gleich
mit in das Gewühl zu stürzen. Aber
die ganz eisig gewordene Miene ihres
Gatten, der auf die Vorstellungen
Stangenbergs immer kürzer, apathi
scher antwortete, raubte ihr die Stirn
mung. Sie sah nach der Uhr und
sagte, mit einem gezwungenen gleich,
gültigen Blick das noch immer in der
Halle stehende Gepäck streifend: „Al"
um drei Uhr hier, Gustav."
Damit wandte sie sich dem Lesesaal
zu.
Sie bemerkte noch, daß Stangen»
berg Miene machte, ihr zu folgen. Un
schlüssig blieb er dann aber doch bei
Succo zurück.
Im Lesesaal befanden sich nur Her»
ren. Sie lagen mit übergeschlagenen
Beinen weit zurückgelehnt in den tie
fen Clubsesseln, die mächtigen Zeitun
gen über sich haltend. Von der Reihe
am Fenster sah man nur die leicht
wippenden Stiefelsohlen unter dem
knisternden Zeitungspapier. Jutta
kramte zwecklos auf einem Tisch mit
Hotelführern, Vonn ging sie in's an
stoßende Schreibezimmer. Ein gro
ßes Bureau stand hier in der Mitte
die einzelnen Pulte waren durch
Milchglasfenster voneinander getrennt.
Sie wollte d' Zeit benutzen, um ein
paar Grüße an Pensionsfreundinnen
und Verwandte ihres Mannes abzu
schicken. Es war nur noch ein einzi
ger Pultplatz frei. Indem sie aber
auf ihn zuging, bemerkte sie, daß den
Nachbarsttz Fritz von Succo inne
hatte.
Noch war es möglich, auf das Feit
stertischchen zuzuhalten, wo die Kurs
bücher lagen. Sie konnte eines davon
an sich nehmen und den Raum dann
wieder verlassen.
Aber in ihre augenblickliche Stim
mung paßte es ganz gut, etwas zu
thun, wovon sie wußte, daß es ihren
Mann ärgern würde."
Sie zog also den Stuhl des leere»
Platzes zurück und setzte sich. Aller
dings ohne sich umzusehen.
Die übrigen elf eifrig schreibenden
Hotelgäste blickten auch kaum auf.
Dennoch fühlte sie: ihr Nachbar zur
Rechten hatte sie schon bei ihrem Ein
tritt erkannt und beobachtete sie
nun. Et hatte nach Beendigung sei
neS Briefes seinen Stuhl ein wenig
zurückgeschoben.
Sie that, als ob sie'L nicht be
merkte, und beschrieb einige der hübsch
ausgestatteten Hotelpostkarten. Dar
auf legte sie die Karten mit der
Adresse nach oben rechts neben sich,
dicht an den Rand der Jsolierscheiben.
Sie wußte, daß der Blick ihre? Nach
bars die Adressen streifte.
Und da reizte sie's nun sie fragte
sich hernach noch oft, war's nur Oppo
sition gegen ihren Gatten, war's eine
Regung von Mitleid oder war es eine
grausame Herausforderung gewesen
einen der Kartengrüße zu adrefsi
ien an: „Frau Eveline von Succo,
geb. von Zabell, hochwohlgeboren,
Königsberg i. Pr. Auf den Hufen
10 a. (German' .)"
Plötzlich gab's neben ihr einen
Ruck. Ihr Nachbar hatte feine
Schreibarbeit heftig zurückgeschoben.
Den Kops in die Rechte stützend,
lehnte er sich mit dem Ellbogen ganz
vorn auf's Pult, wandte ihr das Ge
sicht "u und sah sie mit großen Au
gen an.
Nun mußte sie sich nach ihm um
kehren. Und sie that's ohne die klein
sie Komödie: sie spielte durchaus nicht
die Erschrockene. Im Gegentheil,
ihre Blicke redeten: „Sprich doch, sag',
wie Du das findest." Es zitterte nur
wenig Angst in ihr.
Nach einer kurzen Weile Schwei
gens, in der sie beide Aug'
:n
Aug'
fast unbeweglich verharrt hatten
hinterher erschienen ihnen beiden die
paar Sekunden wie eine kleine Ewig
keit warf et einen flüchtig prüfen
den Blick über die Reihe der andern.
Keiner der Schreibenden am Tische
sah auf. Leise sagte er nun endlich:
„Sie geben mir ein großes Räthsel
auf, gnädige Frau."
Sie hielt feinen forschenden Blick
ruhig aus. „Nein, vor dem Räthsel
stehe ich, und ich will uns muß es er
gründen. Wenn ich ljeim!?&re, geb'
ich mich nicht eher zufrieden, als bis
ich Tante Eveline gesprochen habe."
Ein fast mitleidiges Lächeln huschte
übet feine Miene. „Das Friedenstif
tenwollen ist ja wohl eine gute weib
liche Eigenschaft. Aber es ist selten
dankbar."
„Dank will ich nicht. Es ist mit
nur um der Sache willen. Ich muß
erfahren, auf welcher Ceite die grö
ßere Schuld iegt."
„Hat Vetter Gustav Ge nicht dar
über unterrichtet?"
„Sie sollen mit's jetzt sagen."
„Ich bin Partei, gnädige au."
„Et auch."
Da soeben einer der Herren auf der
anderen Seite sich ungeduldig räu»
fperte, stand sie auf und ging durch
die offene breite Flügelthür auf den
Flut, der die große ?*aÖe querte.
Et folgte ihr.
Sie wunderte sich selbst über ihre
Verwegenheit. Wenn ihr Gat!e oder
wenn Stangenberg sie nun suchte?
Es war ja fast sicher, daß einet der
Herren ihr nachkam. Und was ge
fchah dann?
Inmitten des breiten, mit Koâ
fesseln und Rauchtifchchen ausgestatte
ten Korridors standen sie ein paar
Augenblicke schweigend nebeneinander.
Fritz von SJCCO traute ihr noch nicht
recht. Er witterte noch immer einen
Auftrag bei ihr. Und do hatte die
Erinnerung an feine Mutier ihn tie
fer bewegt als er verrathen wollte,
„Wettn man Ihnen unrecht gethM
hat," begann sie wieder, „warum spre
chen Sie nicht mit meinem Mann?
Jetzt, wo so viele Jahre vergangen
sind? Ist es denr so nicht ganz un
natürlich, dies Ausweiche» Md
me Grollen?*
(Fortsetzung folgt.)

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