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4 Sie Breul oim Mmrnfjof. (18. Fortsetzung.) letzten Male ahnte tvohlgeschulte Lakai, der vor ihm die Thür aufriß und ihn dabei voll heim licher Neugier ansah, daß er schon heute nur noch zu Unrecht vor ihm stand als sein Herr? Er winkte dem Devoten, zurückbleiben, und ging noch seinem Zimmer, um an sich zu neh men, was er noch an Briefschaften und dergleichen hier verwahrte. Dann war er langsam, ohne sich "bavon Rechenschaft zu geben, noch etn^ mal durch die Flucht der Zimmer geschritten, um Abschied zu nehmen. Sie war ihm nicht zur Heimath ge ,y worden, die reiche Pracht, von ihr fiel das Scheiden leicht. Eine Thür nur Hatte er uneröffnet gelassen, auf die nun doch seine Hand zögernd, scheu sich senkte und er trat ein in Madeleines Zimmer. Der feine Duft, der ihre Person umgab, schwebte noch in dem geschloi senen Raum, und fast schien es. als trete sie selbst ihm entgegen aus dem .dunklen Rahmen des großen Bildes dort an der Wand. Ihre Gestalt in voller Lebensgröße, die eine Hand das schmiegsam herabfallende, matt farbene Gewand hochraffend, die an dere in das Halsband der klug zu ihr aufschauenden Dogge fassend, das Haupt mit dem weichen, üppigen Haarknoten leicht in den Nacken ge bogen, der Blick still verloren in die Weite schweifend. Er wandte sich ab von dem Bilde. Die Stille des Raumes bedrückte ihn, fait schlich es ihm der. Rücken hinab, ein seltsames Empfinden, als habe er unbefugt eine Todtengruft geoff net, als müsse sie durch die Thür dort treten, die hierher gehörte. laut los, geisterhaft, wie sie von ihm ge gangen. Sein Blick suchte dies? Thür, blieb daran hangen und wur de plötzlich weit und stier, indessen sein Kopf sich vorbeugte. Die sckwe ten ©ammtporticren flatten in ihren Ringen sich bewegt, und jetzt ein Rauschen von Frauetigewändern, und auf der Schwelle ihres Zimmers stand Madeleine. Als sei Madeleines Geist vor Hart Ttnit erschienen, so fuhr er zurück, fast hätte er abwehrend die Arme gegen sie gestreckt, die nicht erbebte vor sei nem Anblick, wie er vor dem ihren, die in unnatürlicher Ruhe verharrte, die Augen groß und siil! aus ihn ge heftet, und dann die Lippen öffnete, noch ehe er einen Laut, ein Wort ge funden. „Du hier auf Falkenhagen?" Kaum hatte er gehört, was sie ge sprochen, nur ihrer Worte Klang wehte in chm mit eisigem Hauche. So also ihr Wiedersehen? So! Nach allem! Sein Ton erstickte, als er ihr antworten wollte. Reglos im Thürchen stehend, war teie sie, bis er seine Stimme, seine Haltung beherrschte. „Ich ahnte nichts von von Dei ner Rückkehr," sagte er ruckweise, all mählich gefaßter. „Gestern erhielt ich die Zustellung Deines Notars, daraufhin kam ich, meine letzten Ob liegenheiten zu regeln vom Kran kenlager meines Vaters hierher." „Ich glaubte das sei bereits ge schehen, als Du nach Ulmenhof über siedeltest." „Du wußtest darum?" siel er sto ckend ein. Ihr feiner Kopf hob sich höher. „Sonst wäre ich nicht hier." Damit schritt sie vollends in das Gemach hinein, hin zum Fenster, schob die Vorhänge zurück, daß hell die Wm tetfonne durch die Scheiben sluthete, über sein Antlitz hin, dem ihre Blicke sich jetzt forschend zukehrten. War es dasselbe, das sie gekannt, hatte das Glück fremde Schrift hineingegraben? Das Glück diese diese fremde Schrift? Tiefe Falten um die Mundwinkel eingesunkene Schläfen, brennende. mii de Augen, als hätten sie heimliches Weinen gelernt. Ueber ihre Augen senkten sich die dunklen Wimpern, damit sich die Er regung ihrer Seele ihm nicht verriethe. So hörte sie, wie er langsam und lei se ihre Worte wiederholte: „Sonst wärest Du nicht hier" und dann, da Madeleine stumm blieb, ebenso hinzusetzte: „Dennoch sind wir einan der nun begegnet. Es sollte wohl so sein, daß ich Dich um Verzeihung bitten könnte für alles, was ich Dir an Ungerechtem zufügte. Vergiß es? Meine Strafe dafür" er athmete tief und schwer „habe ich durchge kostet." Wieder war ihre Haltung aufrecht und stolz, ihr Blick klar aufgeschla g«n zu ihm. „Ich erfuhr nachträglich, daß Dir die kopflose Art meines Fortgehens von Falkenhagen Unruhe bereitet?. Aber dies alles ist ja jetzt vorüber." Unsicher sah er sie an. Wie ver stand sie ihn? Warum diese Bitterkett in ihrer Stimme? Wozu bedurfte es dieses Tones in dieser Stunde? Und voll klang seine Stimme in ergreu fender Schlichtheit: „Ja, das ist jetzt vorüber und alles andere wird vorüber sein, wenn die Erde meinen armen Vater deckt. „Hartmut!" Sein Name glitt von ihren Lippen sie wußte es nicht, ihr Hand hielt die Lehne eines Stuhles fest. „So krank wäre Dein Va ter?" Er nickte nur, im herben Schmerz d!e Lippen aufeinanderpressend, und hörte ihn wieder, den zitternden Sehnsuchtston des alten Mannes, da er nach Madeleine gefragt: „Nicht mehr lc, Ein Ster bender. an der Pforte des Todes Frieden um sich sehen will. „Madeleine!" Wie ihr sein Name entflohen, so sprach er auch den ihren, hingerissen von einem jähen Empfin den. das über allem stand, was sie heute trennte. „Es würde meines Vaters Sterben erleichtern, wüßte er, Du wärest wieder heimgekehrt und dürfte er Dich sehen. Es ist sein Wunsch." Aus ihrem Antlitz war jede Spur von Weichheit verschwunden. „Ich weiß nicht, wie ich Dich ver stehen soll," sagte sie kalt. Schmerzlich betroffen trat er zu- rück. „Dir darüber eine Erklärung zu geben, steht mir jetzt nicht zu. Aber bedarf es derselben vor dem Wunsche eines Sterbenden nach sanftem Frau enipott, nach »reicher Frauenhand?" Ihre Glieder bebten. Was wollte er denn von ihr? Was muthete er ihr denn zu? Und hart, bis zum Brechen gespannt, klang ihre Stimme: „Die sanfte Frauenhand die kann doch Deinem Vater nicht- feh len." Der Schleier zerriß vor seine,! Augen. Er hatte verstanden, was sie dachte: wen sie mit ihm am La ger seines Vaters glaubte Angeli ka. Hoch richtete er sich auf und wand:? ihr fein ruhig-ernstes Antlitz zu „Frau Reichmann ist eine gute Pflegerin, aber dem Herzen meines Vaters weiß sie nichts zu geben, und sonst ist niemand da, der dies ver möchte." „Niemand „Niemand," klang es laut und fest zurück. „Mein Vater hat auch jetzt nur ei nen Sohn und der ist todt." Und sie, die er Tochter nannte. wo ist sie? Ihre Lippen wollen es rufen, doch sein unentwegt auf ihr haftender BIM gab ihr Beherrschung und aus feinet geheimsten leidvollen Tiefe plötzlich ein Wissen: Auf dem Ulmenhofe war ein Un* glück geschehen. i „Mein Vater hat auch jetzt nut einen Sohn und der ist todt." Diese Worte sie klingen in ihr. reißen an ihrem Herzen, daß es hock ausschlägt, ihre Hände tasten über Stirn und Schläfen, als müsse sie sich besinnen, und dann mit jähem Ruck hat sie die Gestalt gestrafft und sagt entschlossen: „Führe mich zu Deinem Vater!" Stumm neigte er das Haubt tief auf feine 93ruft herab. Sie fühlte, wie er ihr dankte, ohne daß er es sagte, und still verließ sie das Zim titer. Nach kurzer Frist kehrte sie, zur Fahrt gekleidet, zu ihm zurück. Draußen harrte ein Schlitten. Hartmut war zu Pferde gekommen. Zögernd blickte er auf Madeleine. „Dein Pferd kann nachgeführt wer den, wenn Du vorzögest, mit mir zu fahren/' sagte sie einfach. Da stieg er zu ihr ein in den Schlitten. Hin ter Fenstern und Thüren stand neu gierig die Dienerschaft und blickte dem leichten Gefährt nach, wie es mit Windeseile die Rampe hinunter und dann hinweg über die glatte Land straße fuhr. Hartmut und Madeleine wechselten kein Wort miteinander. Still blickten beide in die weiße Landschaft hin aus, und beide fühlten auf dem Her* zen die Eiseshand des Winters. e Um den Ulmenhof stand Nebel wie eine Wolkenwand. Mitten hinein fuhr der Schlitten und hielt vor dem Hause. Madeleine war bleich wie draußen der Schnee, als im Halbdunkel des Flurs Hartmuts Blick sie traf. „Wird es Dir so schwer?" sagte er leise, und seine Stimme schwankte. Dunkle, weiche Augen sahen ihn seltsam an. Eine Thür im Erdgeschoß that sich vor ihnen auf. Frau Reichmann war es, die, ihr Verwundern über Madeleines Anwesenheit taktvoll ver bergend, herzutrat. „Gnädige Frau, welche Freude wird Ihr Besuch dem Herrn Rittmei ster bereiten." „Ich hoffe es," erwiderte Madeleine sanft und trat in das geöffnete Zim mer ein, Hut und Pelz abzulegen. „Komm," bat Hartmut und ging ihr voran bis vor die Thür del Krankenzimmers. „Hier," sagte et leise. „Soll ich mit Dir gehen?" Sie nickte nur, drückte die Klint nieder und trat mit ihm ein. „Ich bringe Dir Besuch. Vater." Hartmut war an das Bett des Kranken getreten und hatte sich da tübcrgebeugt. Der alte Mann fuhr aus, wie plötzlich kraftbelebt. „Wo wo ist sie?" stammelte et. und seilt matter, dämmernder Blick hob sich suchend empor. Da trat Madeleine zu ihm, indes sen Hartmut vom Lager zurückwich. „Ich bin es, Vater." Seine Augen öffneten sich weit, seine Hände tasteten nach ihr, dann fiel er zitternd, aufseufzend die Kissen zurück. „Sie Sie sind es Kaum Hörbare Laute, und in sei nem verfallenen Gesicht ein Zug terster Enttäuschung. Sie sah, ver stand ihn und nahm die auf der Decke ruhende, welke Hand des Grei ses, in tiefet Ergriffenheit ihre Lip pen darauf neigend. Die Thür bewegte sich leise in i!j ren Angeln Hartmut hatte das Zimmer verlassen, ehe Madeleine vor dem Krankenlager flüsternd stammet te: „Mein Vater, bin ich nicht auch Ihre Tochter?" Er hielt ihre Hand und legte sein andere darüber. „Haben Sie meinem ©ohne verge* ben, mein Kind?" „Ich habe es gethan". Sie war niedergelitten und hatte die Stirn auf den Bettrand gelegt. „Recht so meine Tochter. Und ver gib uns unsere Schuld wir sind, allzumal Sünder!" „Vater Kein anderes Wort fanden ihre Lippen, die die Thränen tranken, die niemand sah. Als ihr umflorter Blick wieder des alten Mannes Antlitz suchte, war es fahl und reciungslos wie das eines. Todten. Léise berührte fit fein? Stirn, da öffnete er die Augen, und wieder traf sie aus denselben der sehn suätvbange, suchende Blick. Und sie svrach den Namen aus, bett sein Herz rief. „Angelika wird zu Ihnen kommen, mein Vater bald bald!" Ein Lächeln traf sie, wie ein Strahl der Seligkeit. Ein flehender, dan kender Hauch: „Bald!" „Ja, mein Vater, sie kommt bald Lebe wohl." Und noch einmal neig ten ihre Lippen sich aus seine Hand hernieder. Dann war Madeleine aus dem Krankenzimmer hinausgefchritten Draußen stand Hartmut, sie erwar tend. Sie trat an ihn heran, wollte spre chen zu ihm, es ihm sagen: „Nicht mich hat Dein Vater zu sehen ver langt. Er sehnt sich nach Angelika Ruft sie berbei!" Dâ wurde ein anderer Gedanke in ihrem Herzen wach: ein großes, be freiendes Gefühl beherrschte sie, es be siegte Bitterkeit und Haß, und ein zig die Liebe triumphirte in ihr sprach es still und fest: „Ich werde selbst Angelika rufen." Ihre Hand streckte sich Hartmu: entgegen. „Lebewohl! Was zwischen uns geschehen muß, wollen wir ruhen las ien, bis alles andere vorüber ist.'" Ihre Stimme hatte sich gesenkt. „Lebe wohl, Hartmut, und ver gib mir. Hier war immer Deine Heimath." Sie war gegangen. Der Schlitten, der Hartmut unu Madeleine nach Ulmenhof gebracht, führte sie nun allein nach Vornstadt hinüber. Bei Konsul ©rebigbaitfen zog sie die Klingel, ernst und ruhig, in der Erwartung,Angelika gegenüber zutreten, es ihr zu sagen: „Gey' ohne Scheu dahin, wo eines Sterben den Liebe nach Dir ruft und eines Lebenden Sehnsucht Deiner denkt." Der Konsul selbst war es, der ihr entgegentrat und seiner freudigen Ueberrajchung, sie zu sehen, Ausdruck gab, während er, seiner Gattin Ab Wesenheit bedauernd, sie in den Sa» Ion geleitete. Vor dem Sessel, den er mit höf licher Beflissenheit ihr zurechtschob, blieb Madeleine stehen ihr feines Ge sicht war blasser noch als gewöhnlich, die Lider gesenkt, so ließ sie noch eine der liebenswürdigsten Phrasen des Konsuls über sich hin hingehen, und dann nannte sie, mit einem tiefen, ha stigen Athemholen, ihm den Zweck ihres Kommens, und bat, Angelika ihr Hiersein zu melden. Und darauf des Konsuls Mitthei lung, daß Angelika verreist und vor aussichtlich den Winter über von Bornstadt fernbleiben werde. Angelifa nicht daheim? Sie würde dieselbe nicht sehen? Als sie hörte daß diese Bitternis ihr erspart bliebe, regte sich für einen Augenblick in Madeleine ein Dankgefllhl. Aber nicht an sich selbst hatte sie denken wollen in dieser Stunde! Ihr Blick hob sich, fest und ruhig sah sie den Konsul an. „So bitte ich Sie, Ihre Tochter auf dem schnellstem Wege zu benach richtigen, daß ich es war, die kam. sie nach dem Ulmenhof zu rufen." Der Konsul gab nicht sogleich Ant wort. Etwas in Madeleines Worten, in ihrem Gesicht, das bei aller Selbst^ beherrschung doch die Spur tieferen Seelenschmerzens trug, als sie voh'. um das Hinscheiden des Greises auf dem Ulmenhofe hätte empfinden kön nen, machte ihn betroffen und ließ Vergangenes, an dem Angelika An theil hatte, wieder vor ihm auferste hen. Unter wortreichem Bedauern suchte et zunächst zu verbergen, wie et zögernd vor der Frage stand, was in dem vorliegenden Falle das Er sprießlichste für ihn zu thun sei. „Ich hatte keine Ahnung von der Krankheit des alten Herrn, und An gelika wird tief betrübt fein, wenn sie hört aber, wer wird denn gleich an das Schlimmste denken wollen „Meines Mannes Vater liegt im Sterben und sehnt sich danach, vor seinem Ende Angelika noch einma: zu sehen. Ich bitte nochmals darum, daß Sie dieselbe schnellstens benach richtigen wollen, denn die Stunden des alten Mannes sind gezählt." Madeleine sagte es in einem Tone, der wie ein selbstverständliches For dern klang daß der Konsul ihr aus' weichen wollte. „Ich werde selbstverständlich so fort an Angelika depeschiren und ihr auch mittheilen, daß Sie, meint gnä^ digste Frau, sich selbst bemühten, in des" eine sekundenlange Pause, dann fuhr er ebenso verbindlich, dock, etwas strafferen Tones fort: „indes sen möchte ich wünschen, es bliebe AnV gelika diese neue Trübsal erspart, und ich kann nichts anders als an nehmen, daß sie den gleichen Wunsch haben wird." Ein großer Blick traf den Konsul aus Madeleines Augen. „Sie könnten daran denken, daß Ihre Tochter vielleicht es ablehnen möchte, eines Sterbenden Bitte zu erfüllen?" „Ich würde es nicht für ausge schlossen halten und ja ich möchte beinahe annehmen, daß sie es thun wird. Der Ulmcnhof hat mei ner Tochter, so viel Unglück gebracht, sie hat kaum begonnen, davon ein wenig wieder aufzuleben, und es müß te auch Ihnen begreiflich fein, meine allerg nädiafte Frau, trenn sie den Wunsch hätte, neuen schmerzlichen Er eignissen fern zu bleiben." Starr hingen Madeleines Blicke an feinen Zügen. Wußte er denn nichts, ahnte er nichts von alledem, was An gelika Hartmut war was er ihr war. Oder wollte er nicht, daß sie einander wiedersahen bevor er völlig frei war? Sollte sie's dem glat ten Manne da sagen, daß er frei war frei! Und der alte Mann, dessen Todessehnsucht nach ihr rief Ein Wirbeln der Gedanken, der Empfin dungen war in ihr, von ihren Lip pen kam ein Stammeln. „Sie glauben könnten glau ben „Ich werde meiner Tochter um gehend depeschiren und ihre Entschei dung in keiner Weise beeinflussen, doch ja, ich glaube, daß diese eine verneinende sein wird. Und vielleicht würde Ihnen diese Absage in einem freundlicheren Lichte erscheinen, wenn ich Ihnen andeuten dürfte, daß sieh in Angelikas Leben vermuthlich bin nen kurzem eine bedeutsame Aende rung vollziehen wirb." In Madeleine stürmte es empor wie eine wilde Woge. Welche Unmöglich keit, welchen Wahnsinn wollte dieser Mann sie glauben lassen! „Ihre Tochter könnte würde wie soll ich Sie verstehen?" Ein diskretes Lächeln spielte um des .Konsuls Lippen. „Ich darf wohl eigentlich den Er eignissen nicht vorgreifen, indenen ein junger Mann der quasi ihr Le bensretter geworden ist und sich zur zeit gleichfalls in der Residenz auf hält, bewirbt sich angelegentlichst um sie und die beiden passen vortreff lich zueinander." Fort heim! Kaum, daß sie es vermochte, ein Abschiedswort über her Lippen zu pressen, dann stieg sie, schwer die Füße schleifend, die Trep- pe hinab, in den sie erwartender. Schlitten hinein. Lustig klingelten die silbernen Schellen, tanzten die feurigen Pferd? über die fchneeglatte Chaussee dahin rechts und links flogen die Bäume vorüber und Madeleine, in die kost bare Bärendecke eingehüllt, saß aus recht und starr auf ihrem Sitze. „Angelika wird sich vermählen mit einem, der zu ihr paßt mit ihrem Lebensretter!" Das eine, immer nur das eine, das sie hört, und sieht vor sich ihres Mannes Züge sieht, weiß, was diese Linien tiefen Grams hineinge graben fragt nicht, wie alles ge schehen, will nicht wissen, wie es ge kommen, weiß nur, fühlt nur, da? Aergste hat ihn getroffen da? Aergfte hat sie ihm angethan, ihi Götzenbild zertrümmernd von feinen: Thron gestoßen und mit den Scher ben sein eigenes Herz erschlagen. „Angelika wird sich vermählen mit einem, der zu ihr paßt mit ihrem Lebensretter." „Heim!" hatte sie dem Kutscher gesagt und sie ruft ihn noch einma' an, wie er mit Zungenschnalzen tote Pferde geradeaus leiten will, an der seitabliegenden Straße vorbei. „Nach Ulmenhof!" Zu ihm! Sein Kamerad! Jetzt durfte, jetzt mußte sie es fein! In dem Zimmer, wo vor wenig Stunden Madeleine von ihm gegan gen, saß Hartmut. und hier sah er sie noch einmal über die Schwelle schreiten, sah sie vor sich stehen. „Du, Du! Du kommst zurück!" „Ich komme noch einmal zu Dir zu Deinem Vater, frage nicht nach oem Warum. Laß uns ein letztes Mal zusammenstehen in der Stunde seines Scheidens." „Madeleine Ein gepreßter Laut tief hatte er ferne Stirn über ihre Hand geneigt. „Hartmut Aus dem Nebenzim mer kam Frau Reichmann herbeige stürzt, der erschütterte Ausdruck ihres Gesichtes vollendete ihre Worte. Noch vor Hartmut her war Made leine zu dem Kranken hineingetastet Ein Sterbender, int bangen Todes kampfe, die Hände weit von sich ge streckt. im zuckenden Ringen nach Er lösung. „Vater r-v Ein sattster Hauch, wie von Engel? kippen, und die gebrochenen Augen die schon das irdische Schauen ver lernt hatten, öffneten sich weit» um die Lippen trat ein Lächeln erfüllter Sehnsucht, die erstarrenden Finget tasteten nach dem gebeugten Frauen« Haupte. „Du bist Du gekommen, mein Kind Angelika Wie gefällt war Hartmut neben Madeleine niedergestürzt und schlug beide Hände über das Gesicht. Da wandte sich auch gegen ihn der umflorte Blick. „Oswald mein Sohn Ein letzter Seufzer verzitterte und über dem zurückgesunkenen Haupt* leuchtete der Frieden der Ewigkeit. Lautlos erhob sich Madeleine, legte sanft die in der ihren erkaltete Hand auf des Dahingeschiedenen Brust und drückte ihm die Augen zu. Starren Blickes sah Hartmut zu ihr auf, wie sie an feinem Vater das letzteLiebeswerk vollbrachte, und Plötz lich brach es über ihm zusammen, was dieser Vater ihm gewesen, wie er allzeit vor seines Herzens verschloss sener Pforte gestanden, die sich ihm auch in allerletzter Stunde nicht ge öffnet und er weinte laut. Kein Trost kam von Madeleines Lippen, aber sie sah auf ihn Hernie der. als bräche ihr das Herz. Durch das schwarze Psörtchen hat ten sie ihn hingetragen zur letzten Ruhestätte an seines Sohnes Seite. Aus Hartmuts Händen fielen die et* ften Schollen hernieder auf den Sarg, ihm folgte Madeleine. Und sie standen Seite Ott Seit? und blickten hinunter in die Gruft, und in beider Augen leuchtete es grell hinauf aus dunkler Tiefe: ..Ruhe sanft! Angelika." Goldene Buchstaben auf einesKtan zes breiter Schleife. Sie hatten ihn oben aufgelegt, den prachtvollen Lot« beerkranz. den Angelika aus der Fer ne gesandt. Von dem Grabe trat Hartmui zu rück. daß er die goldenen Lettern nicht mehr sah, sie selber nicht mehr sah in ihrem Grabe, die holdseligeTraum gestalt, den todten Irrwahn seiner Liebe. Ruhe sanft, Angelika! Gemeinsam mit Madeleine verließ er den Friedhof. Sie hatten beiein ander gestanden in diesen letzten Ta gen in aller Selbstverständlichkeit, wie zwei gute Kameraden. Nun, da die letzten Trauergäste sich entfernt hatten und sie mit Hartmut allein war, trai sie ruhig vor diesen hin und sagte festen, klaren Tones: „Ich habe in diesen schweren Ta gen Deinem Hause vorgestanden, wie ich das Dir, der Welt gegenüber, trotz allem noch schuldig zu sein glaubte. Diese Pflicht hier ist beendet und ich sage Dir Lebewohl." „Du gehst zurück nach Faltern Hägen?" Seine Stimme schwankte, seilt Blick zuckte über sie hin. Sie senkt? den Blick. „Ja, vorläufig. Später werde ich reifen wie früher Die Wiederaufnah me des Scheidungsverfahrens zu be antragen überlasse ich Dir, wenn Die der Zeitpunkt gekommen scheint, daß die damit verbundenen Formalitäten die Trauer um Deinen Vater nicht mehr verletzen." Wie einen Riß fühlte er ihre Wor te durch sich hingehen. Es war ihm als müsse er es hinausschreien in diese stillen Räume, durch die sie einen ge tragen, der auch in seines Herzens trügerischem Wahne blind gewesen: „Wir sind ja wahnsinnig, wahnsinnig alle beide!" Da bot sie ihm die Hand. „Lebewohl. Uns beiden thut wohi jetzt das Alleinsein noth." „Madeleine, mir thut noth vor al lem, daß ich Dir danke! Dir danke für alle Deine Güte, Deine Groß muth! Und bevor Du von mir schei dest, sage mir eines: Kannst Du mir je im Leben verzeihen, was ich Dir that?" „Ich Dir Sie lächelte in Schmerz und Güte. „Wir waren beide irrende Thoren das ist vor über." Das ist vorüber. Es hatte hin eingeschlagen in ihn, und fein Blut ward kalt, indessen sein Mund die Worte wiederholte „vorüber" Und dieser zuckende Mund preßte sich plötzlich auf ihre Hand „Mein Kamerad Sie stand ergriffen und bongte botb vor ihm. Die Brücke zwischen ihnen war zerbrochen, keine neue wieder schlagen wollen, vom leichten Gebälk der Stimmung gezimmert. Sie trü ge keinen von ihnen beiden! Und ha stig entzog sie ihm ihre Hand. „Kamerad, ja! Es wäre schön, wenn wir es lernten, uns dereinst wieder zu finden in Freundschaft." Dann war sie hinausgeschritten, und ein Einsamer blieb zurück auf dem Ulmenhofe. (Schluß folgt.) erzählt ihrem Brüderchen, sie habe einen wunderschönen Traum gehabt. „Wa£ hast Du oenn geträumt?" fragt der Kleine begierig. „Wir waren in der Konditorei, da habe ich Apfelku chen mit Schlagfahne gegessen!" „Und ich, was hab' ich denn geges sen?" fragt das Brüderchen hastig. „Du warst nicht dabei, nur Mama I und ich." Da zieht der Kleine sein I Taschentuch und fängt hiUerlich, W I zu weinen. Die Fischsuppe. L»n Hanns Rettmer. „Herrein! Ach, Sie sind et Frau Zille! Juten Tach ooch! Nee^ bet is aber nett von Sie, bet Se mal ett bissen bet uns tin kieken. Nee» so wat. „Wat? Keene Zeit? Ach Unsinn, deß jibt's ja janich. Nee nee, Frau Zil len, lejen Se man en bissen ab unb machen Se't sich bequem un sein Se vajnicht. Na ja, hangen Sie öf Mantilje man da hin, da is ja Platz n' Hut wolln Se nich abnehm'? Na jut, denn behalten Se'n uf. Steht Ihn jrostcirtig zu Jesichte. So. Frau Zillen, nu nehm' Se't mich nich ibel, un kommen Se'n bis* ken mit riber in de Kicke. Ick bin jrade bei de Fischsuppe zurechtezuma chen. Da missen denn nachher ooch en Teller von kosten. Drt is wat Feines, kann ick Ihn sajett. So 'itc Fischsuppe, die eßt mein Olle? nu zu jerne. Ick mach se ihn denn so manchetmal, wenn er man bloß lauter sone kleenen Fische mitjebracht hat. Is en proppret Essen. Wenn Se von jekost haben, wern Se't fei» bet fajen missen. Ach, det wissen Se nich mal, det mein Oller immer angeln jeht? Na. Frau Zillen, det weeß doch aba jeda von seine Freinde. Na, un heite hat er son Psunder fümtoe mitjebracht. Aba man bloß kleene un aliens durch* enander. Barsche un Plötzen un Bleiflinken un Rothomren na, un ick will nich lüjen, so fseenér dre^ viertelpfündjer Aal w*t ooch mit mang. So, nu setzen Se sich man 'n biß ken auf den Stuhl da, Frau Zillen. So ist fcheeneken. Sehn Se, da bc6 ick schonst de jekochten Fische, un hier in de Schissel sind die Sticken, die noch en bißken jrößer warn, von'n Ricken un so. wissen Se. Un hier det ibrije Zeuchs mit de Jräten itn aliens, bet reib ich fetzt durch'n Durch» schlachtet kommt so im Suppentovy jleicft rin unb kocht mit. Wissen Se. von Marjarine, da halt ick nischt bort. Nee, da nehm ick en Sticksken Butter, un denn, mein Oller, der is oolj zu kiesätich, der merkt sowat immer jlcich, da derf ick'n nicht mit kommen. Kucken Se mal. da det Brett da oben, det langen Se mal runter, ja? Un denn hacken Se man jleich de P?» tersilje. Ach herrjeh! Hern Se matt bloß mein'n Ollen da nebenan! Der sä cht orrentlich en Baumaft durch. Da licht er immer uff'n Ricken, wenn er so schnarcht: wenn er in't Bette licht, denn puff ick'n immer son bißken, un denn schnarcht er jleich nick mehr. Ihrer schnarcht ooch? Na sehn Si, det is ehent de Männer nich abzuj? wehnen. Na, er hat ja ooch man zwee Stunden jeschlasen die Nacht, mein Karle. Je stern is er schon um fiitnwe nach Spandau rausjemacht, jleich von de Arbeet wech. Da an gelt er immer uff de Floßhölzer. Ich ieh nicht mehr mit, mir is det langweilig. Ihn macht's doch nu aber mal Spaß, un da laß ick ihm denn ooch fein Willen. Besser, wie wenn er den Wochenlohn verjuebhett, wie de andern. Nee, so is mein Karle nich, bet is en juter Mann. Un benn, nich wahr? bei's Angeln, ba sann eener nich schlecht wer'n. Ja, wat wollt' ick man noch fajen richtich, det war's, also zweeStun* bett hat er man bloß jeschlasen. un benn is er in alle Herrjottsfrihe wid« der raus bei's Angeln, un mittags is a denn quietfchvajniecht zu Hauff iekommen jeden Se man riber. de Peterfilje mit fein Netz voll Fi sche. Nee, Mutter, facht er, son Sonnen« uffgang aba ooch, bet is wirklich wat Forschet! Da hat er nämlich wat vor iebrich, vor so wat. Un wie er je» jeffen hat, benn hat er sich jleich in de Klapp« jelecht. Jott doch nee, nu man nich de Milch vajeffen in be Fifchbriehe. So. banse ftibeen, Frau Zillen. Sehn Se. nu lern'n Se ooch noch Fischsuppe kochen. Een bißken Salbei, un cn bißken Thymian, un Pfeffer, un ne kleene Ecke vons Lorbeerblatt i? schonst dran vastehn Se. det dürfen Se nich versessen, det jibt denn mit de Peterfilje den juten Geschmack Sckade. det Ihr Mann nich ooch kann hier sind. Na, sein Se man jut, Frau Zillen, rejen Se sich nich uff, Se kennen je meine Meinung. Un da kennen Se Jift druff nehm. Frau Zillen, bei de Angelei, da nbt't nischt aus Vasehn mit de Iummi knippcl. Hechstens, bett eener von de Strompollezei kommt un nach be An gelkarte stacht. Na un wat meen-n Se woll, wenn se nu Karin so inj locht hätten wie Ihren jestern benken Se, da würde er noch mal tte Angelkarte jriejen? Keen Jebanke. Na, nu fein Se man jut. Ick hab't ja heite von be Schulzen ne benan schon geheert ach Jott, Frau Zillen, rihren Se mal en biß ken mit den Quirl, so lange, wie ick,, bie Fischsticke in de Suppe reinthue ick meene wan, so schlimm wirb die beschichte ja nich wer'n immer tihertt Se man wenn bie vier zehn Daje tum sin, benn kann Karle mitnehm uff de Angelei, bet et uff attbre Jedanken kommt. So, nu ist sertich! Nu kosten Se mal. Ne Staatssuppe is et jewor». den, wat? Nu fartn't losjehn. Karl! Härtel! UMâ Karl, die FischsujM.Üi fertich^Vii'. \n\n Woman von H. v. Erlt». 3 2. K a i a l. K i n e u e E i s e n