Newspaper Page Text
Klewna. historischer Roman von GREGOR SAMAROW. (12. Fortsetzung). tiwr näher krachte da» Reuet, schon hörte man den Schlachtruf der Russen, dichter drängten die Türken heran, aber erschrocken wichen sie wie der vor den Bulgaren zurück, weiche dicht geschloffen, die bluttriefenden Waffen in der Hand. wie eine eherne Mauer steh ihnen cntgeqenstemmten 9:cd) einige Schüsse fielen aus dem ungeordneten Haufen heraus, nod) rnige Verzweifelte warfen sich, ge hetzten Raubtieren gleich, auf die Bul oertn, um durch ihre Reihen --in durch einen Ausweg zu erzwingen dann schleuderten die Türken ih re Waffen zu Boden, sanken in die Knie und baten mit emporgehobenen .fänden, die Gesichter von Angst .mb Wut zugleich bev,zerrt, um ©neide. Ueber die Haufen der Toten hin, welche den Weg in seiner ganzen Breite versperrten, rückten die Ruf sen vor. Es war ein Infanterie regiment der Oberst, von einigen Offizieren begleitet, trat vor und befahl, die gefangenen Türken rück marts zu führen da stürmten die Bulgaren auf ihn zu, sie küßten seinen Rock und seinen Degen, sie eilten den russischen Soldaten ent gegen, sie umarmten jeden einzelnen Mann, und alle diese todesmutigen Männer, deren Auge wohl noch nie mals in ihrem Leben eine Träne be netzt hatte, schluchzten laut in der Wonne diese Augenblicks, da ihnen vc.ch fast unabwendbarer Todesgefahr sc plötzlich Leben. Freiheit, Vater land und eine glüdliche Zukunft wie bergab jeder der russischen Soldaten erschien ihnen in diesem Augenblid »nie ein Engel des Himmels, den Gott selbst zu ihrer Erlösung gefeit» bet habe. „Wer seid ihr?" fragte der Obetst. die jungen Leute mit einem gewissen Mißtrauen betrachtend „wie kommt ihr hierher?" Die Bulgaren erzählten alle durch einander, und obgleich ihre Sprache den Russen nur teilweise verständlich war, so begriff der Oberst doch bald, was die Leute ihm sagten und durch lebhafte Gestikulationen zu erläu' tern suchten er begriff vor allem, daß sie Christen und Freunde seien vnd hier in hartem Kampfe mit den Türken gestanden, daß sie den tür kischen Zug festgehalten hätten, und daß ihnen dessen Gefangennehmung ?u verdanken. Er sah die aufge türmten Leichenhaufen, welche die Erzählung ber Bulgaren bestätigten, er klopfte bett Leuten freundlich auf die Schulter, die russischen Soldaten befrachteten sie mit Verwunderung und boten ihnen herzlich ihre Feld flafchen, und alles Leid der Ver gongenheit war von den tapferen, treuen Herzen vergessen, als sie sich endlich inmitten ihrer russischen Vrüder, der Soldaten des großen Zaren, befanden, beren -."lie ihnen von früher Jugenb an von ih ?tn Eltern und von den Priestern ihrer Kirche in Aussicht gestellt war als eine heilige Verheißung zur Erlö sung der christlichen Länder aus der türkischen Sklaverei und zur endlichen Erhöhung des Kreuzes über den Halbmond. Auch die Verwundeten, welche der Oberst rüdwärts schaffen ließ, um sie zu den Verbandplätzen zu führen, vergaßen ihre Schmerzen, und alle priesen selbst die Toten glücklich, die nun eine Ruhestätte fin den würden in der Befreiten Erde des Vaterlandes. Nur ein bitterer Schmerz mischte sich in die Freude der Bulgaren, das war der Gedanke an Pawjel, der nun auf feinem gefahrvollen Wege allein geblieben war. dem es vielleicht nicht gelungen war, Stjepanida von dem entsetzlichen Schicksal, das sie be drohte, zu retten, der vielleicht gefal len war, ohne die Befreiung des Va terlandes zu erleben, und im Glau ben, daß sie ihn treulos verlassen hätten. Sie versuchten so gut als möglich, dem Obersten mitzuteilen, was vorgefallen, sie beschworen ihn, vorzugehen oder ihnen wenigstens eine Abteilung seiner Soldaten mit zugeben, um betn Freunde Hilfe zu bringen aber der Oberst schüttelte be denklich den Kopf, er hatte nur jene versprengte türkische Truppenabtei lung verfolgt und glaubte, sich nicht in unbekannte Bergschluchten vorwa gen zu dürfen. Traurig standen die Bulgaren da. Nach kurzer Beratung waren sie ei nig, auch ohne russischen Beistand und trotz ihrer so sehr zusammengeschmol zenen Zahl Pawjel zu folgen, es schien ihnen unmöglich, den Freund zu verlassen, dessen Führung sie ihre Freiheit verdankten und der stets he reit gewesen, sein Leben für einen jeden von ihnen einzusetzen. Als sie sich anschickten, ihren Weg anzutreten, der sie von neuem einem unsicheren, gefahrvollen Schicksal entgegenführen sollte, hörte man rückwärts das Klir ren präsentierter Gewehre »n* freu digen Hurraruf die russischen Reihen öffneten sich, und in dem schmalen, freien Raum, der sich in der Mitte des Kreises bildete, ritt ein russischer General, von mehreren «Adjutanten gefolgt, heran. „Hurra, Batuschka Jossif Wladi mirowitsch!" riefen die Soldaten, den kühnen General Gurko begrüßend, welcher die Avantgarde kommandiert? und eine Expedition gegen den Bai lein unternommen hatte, um die be kannten Uebergangspässe von Schip ka und die Stärke ihrer Besatzung zu rekognoszieren. Der General, wel cher sich stets an der Spitze ferner Truppen aufhielt, hatte das Feuer ge b'ört und kam nun selbst, von der Halbschwadron der Gardekosaken, welche zu seinem Korps gehörte, be gleitet. herangeritten, um zu sehen, was hier vorgehe. Der General Gurko war neunund vierzig Jahre alt, seine magere Ge stalt zeigte in ihren geschmeidigen, ieh nigen Formen und in ihrer soldatisch festen Haltung die Kraft und Ge wandtheit, welche der unermüdlich pflichteifrige Soldat in seinem mili tärifchen Leben voll ruheloser An strengung sich erworben hatte. Sein kurzes, rückwärts gekämmtes Haar ließ die hohe und breite, fast viereckige Stirn frei, feine dunklen, etwas tief zurüdliegenden Augen blidten scharf, klar und sicher vorwärts man sah diesem Blid die Gewohnheit an, die kleinsten Details ebenso genau zu er fassen, als die ganze Situation aus einem Manöver oder Schlachtfelde bis in die weiteste Ferne bin zu be herrschen. Sein dichter Schnurrbart und sein lang herabhängender Bak kenbart ließen das kräftig vvrfprin gcndt Kinn frei seine gerade, kräftigt Nase mit den weit geöffneten Flügeln gehörte zu denjenigen, welche Napo leon I. als ein physiognoniisches Kennzeichen freien Geistes und kühnen Entschlusses betrachtete und bei den Personen feines unmittelbaren Dien stes vorzugsweise als Bedingung ih rer Auswahl ausstellte. Der General trug einen staubbedeckten Ueberrock mit den Achselstücken seines Ranges und eine von Wind und Wetter zer knitterte Mütze er war auf seinem schwarzen, feurigen Pferde ganz das Bild eines kriegsgehärteten Feldherrn, der keine Rüdsicht noch persönliche Bequemlichkeit kennt, der überall für das Wohl feiner Truppen sorgt und eintritt, und dabei von diesen streng und unnad)sichtlich die rücksichtslose Pflichterfüllung verlangt, die er sich selbst auferlegt. Mit wenigen Worten hatte der Oberst ihm mitgeteilt, daß eine ver sprengte türkische Abteilung, deren Spur er verfolgt, hier von dem klei nett Häuflein der tapferen Bulgaren aufgehalten und gefangen genommen worden fei. Der General sprach herzliche Worte der Anerkennung zu den jungen Leu ten. welche fast alle aus leichten Wun den bluteten fein ganzes offenes, freies Wesen flößte ihnen Vertrauen ein, sie wiederholten ihm die Bitte, welche der Oberst nicht zu erfüllen gewagt hatte, daß er ihnen eine Truppenabteilung mitgeben mögt, um Pawjel zu folgtn und ihm, wtnn es noch möglich sei. Hilfe zu bringen. Der General, welcher die bulgari sche Sprache vollkommen kannte, hör te aufmerksam zu und blidte mit feinen scharfen, klaren Augen über den Weg hin, welcher sich in dem Scharten der Waldschluchten verlor „Dorthin ist eurer Freund gegan gen?" fragte er. „Glaubt ihr, baß es möglich sein wird, ihn aufzu finden und zu erreichen?" „Gewiß." riefen die Bulgaren, „ge wiß werden wir ihn finden, wenn er nicht im Kampf mit dem Baschi-Bo zuk, d«n er verfolgte, getötet ist. Der Weg ist nicht breit, aber vollkommen frei, wir können nicht irren." „Und wohin führt dieser Weg?" fragte der General, indem ein sreudi ger' Gedanke in seilten Augen aufzu blitzen schien. „Nach dem Flecken Chankioi," ant worteten die Bulgaren, .und weiter nach Kasanlik." „Nach Kasanlik." rief der General, indem er in freudiger Ueberrafchuitg zusainmenzudte. so daß sein Pferd eine unruhige Bewegung machte „nach Kasanlik, sagt ihr in das Rosental aus der andern Seite der Berge, rückwärts von Schipka?" ..Ja. ja. dorthin, und von jener Seite ist der Schipkapaß leichter an zugreifen, als von Norden her." Die breite Brust des Generals dehnte sich unter einem tiefen Atem zug aus, seine Augen sprühten Flam men. „Hört ihr's. meine Herren," rief er, sich zu den Offizieren feines Gefolges wendend „hört 'hr's! Ich war ge wiß, daß eint Umgehung möglich fei, nun öffnet sich bicr vor uns. eine so herrliche Aussicht, durch einen küh nen Schlag der Armee die Tore des Balkans zu öffnen." „Ist der Weg überall so breit wie hier?" fragte er. „Ueberall. et wird sogar weiterhin noch breiter." „Und wieviel feindlichen Truppen können wir begegnen?" „Wir sind feit Wochen hier," er. widerten die Bulgaren, „auf der Flucht vor der türkischen Aushebung, es ist nichts auf diesem Wege durch gekommen als ein Trupp rerfpiengter Soldaten und flüchtiger Türken. Was in Chankioi und Kasanlik stehen ma«, wissen wir nicht, aber »kl tan« Ter StMtl'lijtiger, tMi et nicht fein, da die Türken all ihre Truppen nach Schipka gezogen haben, um dort den Paß zu halten." Roch einen Augenblick faß der Ge itetsll stumm und unbeweglich auf feinem Pferde, den Kopf in tiefen Gedanken auf seine Brust gesenkt dann richtete er sich hoch in den Bü geln auf und rief mit seiner ehernen, hellklingenden Stimme: „Wir werden es wagen! Wenn eS so ist, wie ihr sagt, ist der Erfolg sicher. Hört ihr," fuhr er zu den Soldaten gewendet fort, „wir werden über den Balkan gehen, wir werden die ersten fein auf diesem Wege des Ruhmes und der Ehre, ihr werdet euren Brüdern das Tor öffnen zum Herzen des Feindes. Vorwärts mit Gott, für den Zaren und das heilige Rußland!" „Vorwärts mit Gott, für den Za ren und das heilige Rußland!" rie sen die Soldaten jubelnd, indem sie ihre Mutzen in die Luft schwenkten die Nächststehenden drängten sich zu dem General heran und küßten seinen Rock und seinen Degen. „Führe uns." riefen sie, „führe uns, Batuschka Jossif Wladimirowitfch, wir werden dir Ehre machen, und der Zar wird mit uns zufrieden fein!" Der General befahl einem feiner Adjutanten, zurückzureiten und eine berittene Pionierabteilung und die Gebirgsartillerie heranzurufen. Die Soldaten, welche zur Schützenbrigade gehörten, drängten sich an die Seite des Weges, bald kamen die Pioniere heran, zwei leichte Batterien folgten. „Leutnant Rossianow, "befahl der General Gurko einem jungen Küras siieroffizier. der sich als Ordonnanz bei ihm befand, „Sie werden mit den Pionieren Vorausreiten, die Bulgaren werden Sie führen, und Sie werden dafür sorgen, daß alle Hindernisse, welche sich aus dem Wege finden schleunigst beiseite geräumt werden, um den Geschützen den Durchzug zu öffnen. Sie werden Ihr? Probe be stehen," fügte er streng, aber mit ei nem Ausdruck herzlichen Wohlwollens hinzu, „und leinen Augenblick ver gessen. daß der Erfolg des ganzen Feldzugs zum gtoßert Teil von der geschickten und glücklichen Ausführung dieses Marsches abhängt. Marsch!" Der Leutnant Rossianow errötete bot Stolz und Freude er setzte sich an die Spitze der Pioniere, die Bul garen gingen voraus, und der Zug riidte auf dem in die Waldberge aus steigenden Wege vor. „Herr Oberst." befahl der General dem Kommandeur der Schützen, „Sie werden nun der Artillerie unmittel bar folgen wo Sie Terrainschwie rigfeiten begegnen, wird matt die Pferde ausspannen und einzeln vor wärts führen Ihre Leute werden die Kanonen, ziehen oder tragen, wenn eS sein muß. Vergessen Sie nicht, daß wir vorwärts müssen, und wenn der Teufel selbst sich uns entgegenstellte." Der Oberst salutierte mit dem De gen, die Soldaten riefen Hurra, und auch die Artillerie, von dem Schützen regiment gefolgt, setzte sich in Bewe gung. Schnell hintereinander rück ten dann, von den Adjutanten des Generals beordert, die übrigen Schüt zenbataillone. die Dragoner, die Ko feilen und ein Hufarenregiment heran. Die höheren Offiziere des Korps hat ten sich um den General Gurko ver sammelt und hielten mit ihren Ad jutanten am Eingange der Wald schlucht, fast unmittelbar unter der Plattform, auf welcher Pawjel Fjo dorew und die von ihm geführten Flüchtlinge während der letzten Wo chen ihr Lager ausgeschlagen hatten. Der General Gurko schickte den Generalmajor von Rauch, den Korn mandeur der Schützenbrigade, vor aus, um den Befehl über die ganze Vorhut zu übernehmen dann folgte er selbst, sich unmittelbar anschlie ßend mit dem Gros seines Korps, dem er nur einige Bagagewagen fol gen ließ, welche für etwa vier bis fünf Tage Proviant und Fourage mit sich führten. So bewegte sich diese kleine Truppe in lang gedehntem Zuge auf dèm schmalen Wege in säst lautlosem Marsch durch die tiefe Waldeinsamkeit, bald unter düsterem Schatten, bald über sonnige Felsab hänge hinschreitend, voran die Bul garen, ängstlich vorwärts spähend, ob sie keine Spur von Pawjel zu ent deden vermöchten, und mühsam nur ihren Schritt mäßigend, damit die vorsichtig schreitenden Pferde.und die schwer über den Felsboden fortrollen den Kanonen ihnen folgen konnten. Alle Herzen schlugen höher, bangend zwischen Hoffnung und Zweifel, denn jeder fühlte, daß, wenn das tollkühne Unternehmen gelang und der ganzen Armee der Weg durch den Balkan, die natürliche Schutzmauer des türkischen Rtichts, gtöfsntt wurde, jeder von ih nen seinen Teil haben würde an ho her Ehre und unsterblichem Ruhm, welcher noch den des Generals Die bits «h Sabalkanski überstrahlen 13. Kapitel. Pawjel war in fliegendem Lauf vorwärts gestürmt, in die Schatten des Waldes hinein, in welchem ber Türke verschwunden war, kaum be rührten feine Füße den Boden, wie ver gehetzte Hirsch stürmte er dahin, feine Schläfen pochten, sein Herz drohte seine »ruft p» sprengen, der '. «. 12. Z»«i Atem wollt? ihm versagen fn seinem schnellen Lauf aber er achtete es nicht, er hatte nur den einen Ott dan ken. Stjtpanida zu erreichen, sie nu* den Händen des wilden Feindes, der kein Mitleid kannte, zu befreien oder mit ihr zu sterben. Die Angst und Verzweiflung gaben ihm übermensch liche Kräfte, und in immer verdop pelter Schnelligkeit eilte et weiter über die spitzen, schärfen Steine hin. welche oft den Boden bedeckten unb feine Stiesel zerrissen. Endlich, als feine Kraft dennoch zu versagen drohte, als feine Knie zu zittern be gangen und et mit Entsetzen fühlte, daß die menschliche Natur zusammen^ brechen müsse, wenn et nicht bald Ausgang des Kampfes mit dem bis an die Zähne bewaffneten, mut aen und gewandten Feinde ungewiß, uno wenn es dem Türken gelang, ihn zu töten oder nur verwundet niederzu werfen. so war Stjepaniba rettungs los in bet Gewalt des erbitterten Türken. Er mußte also vorsichtig den Au genblid erspähen, in welchem es ihm gelingen könnte, ben Türken plötz lich so schnell und sicher zu Überfall ten, daß bem selben keine Zeit zu blu tiger Rache an feinem Opfer blieb das sicherste Mittel zi Stjepanidas Rettung war, den Türken aus der Entfernung vom Pferde zu schießen, doch mußte dann der Schuß sicher und tödlich treffen, denn wenn er den Feind nur streifte oder leicht verwundete, so wurde die Gefahr für Stjepanida nur vergrößert. Alle diese Gedanken unb Ueberle liutigen durchzudten Pawjel in einem einzigen Augenblid er nahm 'ein Gewehr von ber Schulter, spannte Irise den Hahn, schlich, so gut als möglich sich hinter ben Gebüsche» c.in Rande des Weges verbergtnd. dem immer noch langsam vorwärts reitenden Türken nach, mit feinen funkelnden Süden jeder Bewegung desselben folgend und den Moment erspähend, der ihm zu dem sicheren Schusse Gelegenheit geben würde. Er hatte, auf diese Weise vor wärts schreitend, allmählich die Ent fernung zwischen ihm und seinem Feinde um fast ein Drittel vermin dert, und als der Türke eben den Kamm des Höhenzuges erreicht lat ti, trat Pawjel, schnell noch einige Schritte vorschreitend, neben einen jungen Eichtnstamm, um, den Lauf des Gewehrs daran lehnend, siche ret seine Kugel zu entfenben. Aber als er schon sein Gewehr schußge recht erhoben, ließ er, plötzlich in jähem Schreck zusammenzuckend, den Arm wieder sinken, denn das Pferd des Tütken machte eine unruhige Be loegung, er hörte einen Schrei des Entsetzens und der Angst von Stje vanidas Stimme und sah, wie der Körper des Mädchens, ber bisher zusammengebrochen auf dem Sattel geruht hatte, sich in jäher Bewegung aufrichtete zugleich vernahm et ein helles Hohnlachen dts Türken und sah, wit derselbe Stjepanidas Haar flechten erfaßte und das Haupt des Mäbchens wieder zurückriß. Pawjel war totenbleich, feine Au gen traten fast aus den Höhlen, kal ter Schweiß perlte an Ott Würze, feinet Haare. Er hob fein Gewehr wieder empor, aber fühlte, toi« feine 'Hand zitterte, er mußte seine Wik itniftafi fomauti tu* feiitfto koste Eisen de» Gewehrlaust otgen seine Stirn, um das glühende Blut zu küdlen, dal seine Schläftn fpren aen wollte auch hatte das ..!erd des Türken eine Wendung gemacht und daS mit dem Türken ringende MLdchen sich so vorgebeugt, daß es in möglich war zu schießen, ohne Stjepanida zu gefährden. Pawjel stand, vom Gebüsch gedeckt, hinter dem Stamm der jungen Eiche, et Überlegte, ob et nicht dennoch auf alle Gefahr hin vorwärts eilen und tick) auf den Türken stürzen sollte f'in wallendes Blut drängte ihn vorwärts zum entscheidenden Aiv griff, doch die Vorsicht hielt ihn jU' liick. denn wenn der Türke $hn be merkte unb mit Stjepanida davon jagte, so war es fast mtmöalicf), daß er nach dem erschöpfenden Lauf zum zweitenmal das schnelle Berberpierd einholen könne. fein Ziel erreiche, als et mit bebenden Lippen ein Gebet stammelte, um vom Himmel die Erhaltung feiner schwin denden Kräfte zu erfleben, entdeckte er bei der Wendung um ein dichtes Ge büfch. etwa hundert Schritte vor sich, den Türken welcher langsam den zur Höbe des Gebirgstammes emporftei» gen den Weg hinaustritt. Das Pferd mochte die schnelle Gangart auf dem felsigen, beraansteigenden Wege nicht haben fortsetzen können oder der Tür ke sich weit genug von den unberit tenen Bulgaren entfernt glauben, um sich einige Ruhe in der Einsamkeit des Gebiraes zu gönnen, in der er keine Gefahr von dem Feinde mehr befürchtete. Stjepanida lag vor ihm übet den Sattel gebeugt, sie wat regungslos, Pawjel konnte deutlich die Flechten ihres Haares an der Seite des Pfev des herabhängen sehen sie mußt: noch von dem Sturze betäubt fein. Pawjel sank einen Augenblid in die Knie, er richtete aus feinen unnatur ltd) erweiterten und blutunterlaufen lien Augen einen freudig dankbaren Blid zum Himmel und suchte durch einige tiefe und lange Atemzüge die Ruhe in feiner schmerzhaft ange strengten Brust wieder herzustellen dann sprang er auf und wollte feinen eiligen Lauf aufs neue beginnen, um der. Türken zu erreichen. Aber mit jener blitzartigen Erkenntnis, welche 'n den Augenblicken der höchsten Ge fahr und der höchsten Erregung den Geist durchleuchtet, begriff er. daß er mit Gewalt nichts erreichen könne, sondern daß er List und Vorsicht an wenden müsse. Stjepanida war in der Gewalt seines Feindes, und er kannte den wilden, tückischen Sinn der furchtbaren Bafchi Bozuks genug, um überzeugt zu sein daß ber Rau bet gewiß das Mädchen eher töten, als sich feine Beute entreißen lassen werde er war gewiß, daß der Türke ihm, wenn er auf das äußerste ge trieben werde, die blutige Leiche fei ner Geliebten hohnlachend entgeaen schleudern werbe außerdem war der Während er noch knirschend die Zähne iibeteimuiderbifo, um feinem Blick die Schärfe und feiner Hand oie Festigkeit wiederzugeben, stieß der Türke, welcher fein Pferd wieder vorwärts gewendet hatte, um feinen Weg fortzusetzen, einen Wutschre! (lue und Pawjel sah, wie die blanke Dolchklinge, von (Stjepanidas Hand geschwungen, im Sonnenstrahl blitzte. Das mutige Mädchen hotte den Hanjar aus ihrem Gürtel gezogen, um die Brust de« Räubers zu durch bohren. Der scharfe Blick des Türken abet hatte die Bewegung bemerkt, schnell die Hand zurückschlagend, hatte er den kräftig geführten Stoß abgelenkt {o baß nur die Spitze der zweisch'iei digen Klinge seine Schulter streifte und das Blut unter dein Aermtl fetner Weste hervorquellen ließ. Vor Schmerz unb Wut schrie er laut aus. doch wenn auch der Stoß fehlgegan gen war, so war doch Stjepanida da durch von de», festem Griff des Tür ken befreit sie ließ sich vom Pferde herabsinken, einen Moment sank sie vom Fall nieber, dann aber erhob |ie sich, um sich zur Flucht rückwärts „u wenden aber schon war der Türke aus dem Sattel gesprungen, ehe sie noch einen Schritt tun konnte, hatte er sie umschlungen, mit sicherem Griff ihr Handgelenk fassend, entwand er ihr die Waffe, die sie abermals ge gen ihn erhob. Sie stieß einen lau ten, verzweiflungsvollen Hilferuf aus, den ber Türke mit einem gel* Ifitbert Hohngelächter beantwortete, unb nun begann ein furchtbares Ritt gen, in welchem Stjepanida mit der Kraft ber Verzweiflung sich des roil ben. von Ger und Rachedurst ent flammten Barbaren zu erwehren ver suchte. Pawjel stand wie in den Boden gewurzelt, jeder Ruf, jeder Serfuch, sich ben Ringenben zu nähern, mußte ©tjepanlbn bem sicheren Verberden weihen, benn ber wilb ergrimmte Türke würbe sie erwürgt ober erbricht haben, bevor er den Kampf mit ih rem Befreiet aufgenommen hätte. Pawjel hatte fein Gewehr erhoben, feine ganze Seele, all fein Leben trat in fein Auge, die Züge feines Gesichts waren kalt, hart unb unbe weglich, wie aus Marmor gemeißelt er fühlte, baß all seine Hoffnung auf Erben, alles, was ihn an das Dasein band, in der Sidjerheit seines Blickes und der Festigkeit feiner Hand ruhte, der Lauf seines Gewehrs schien "in Teil seines Körpers geworden zu sein und drohte jeder Bewegung des Türken, der bald sich ihm zuwendete, bald von betn Körper Stjepanidas wiebet gebeckt wu:be. Die erschöpften Kräfte des Mad chens hicé'en den ungleichen Kamps nicht lange aus, mit einem ersterben den Schrei, der wie ein Todesruf der Verzweiflung 'lang, sank sie zusam men. Laut aufjubelnd in höhni schem Triumph beugte sich der Türke übet sie hin, um sie vollends nieder zu werfen da krachte der Schuß, in hundertfachem Widerhall durch die Felsen donnernd. Die Augen des Türken öffneten sich weit, feine star ren Blicke schienen den Feinb zu fu chen, ber ihm seine Beute entreißen wollte eine Verwünschung klang oon feinen Lippen aber schon bt zann fein brechender Blick sich zu trüben, er griff mit ben weitausge streckten Hänben krampfhaft in die Luft, drehte sich um sich selbst und stürzte zuckend zu Boden, während fein Pfetb, burch den Knall erschreckt, auf dem Wege fortstürmte. Stjepanida tag auf ihren Knien, brückte die gefalteten Hände vor die Brust unb blickte in stummem Dank zebet zum Himmel auf. Sie suchte keine Erklärung für bie plötzliche, kaum noch gehoffte Errettung aus ber entsetzlichen Gefahr, sie fühlte nur die unendlich berauschende Wohltat dieser Rettung, unb ohne baß ihr Seift irgendeinen klaren Gebnnken soffen konnte, zweifelte bennoch ihr Herz keinen Augenblick, baß es Paw jel fei, bem sie ihre Rettung vet danke. Pawjel hatte sein Gewehr zu den fallen lassen unb stand zitternd, •nit niebergesenkten Augen an ben Ei chenstamm gelehnt ba. es schien, eis jf seine ganze Lebenskraft, welche •t auf den verhängnisvollen Schuß (ufammfltbtSngt. aus feinen Glie dern entwichen sei et schwankt« wie xtäubt, er hatte ein Gefühl, aIS ob ti$ SBiumi jjflfe die gtitw hch t» Stjepanida 7. wirbelndem Kreise um ihn drehten endlich schlug er dennoch zögernd die Augen auf. als zittere er, ein furcht bare« Schreckni« zu erblicken oll et jedoch nun den Türken am Boden liegen sah. als er Stjepanida erblick' te. die mit ftiablenben Augen und leise bewegten 'Nvpen zum Himmel aufblickte, da verklärten sich seine sah ten. verzerrten Züge in stimmende« Entzücken „Stjepanida. meine Stjepanida'" rief er mit einer Stimme, welche die möchtige innere Bewegung fast r fticktr, und weit die Anne üiisbreitrnd. eilte er zu der Geliebten hin. fab ihn mit lieblitf-m, glückseligem Lächeln an, keine Si-ur von Verwunderung über fein plötz liches Erscheinen lag auf ihrem Ge sicht: er mußte ja da fein, er mußte es fein, der sie errettet und ihr das Leben wiedergegeben hotte. Das war ja so natürlich, do« konnte nicht an ders fein, jedes Gluck, jede« Gnaden gefchenk bei Himmels mußte ihr aus feiner Hand kommen, der ihr olles auf Erden war. den, ihre ganze Seele aehörte. Sie stand auf, schlang ihre Vir ine um feinen Hals, und lange standen sie beide in stummer Umar mung. bas höchste Gluck nach so namenloser Pein umfing sie wie ein dumpfer, aber unbeschreiblich feiiget Rausch Stjepanida schluchzte leise, und auch PawjklS Augen füllten sich mit ungewohnten Tränen. Dann ober fuhr er erschrocken zu« saniinen unb blickte nach dem feit» marts am Boden liegenden Türken hin doch feine Besorgnis war über flüssig, feine Kugel hatte sicher den Weg zum Herzen gefunden, der wll» de Bafchi Boznk war tot, feine Au» gen waren gebrochen, auf feinen ver« zerrten Lippen fchitn ein letzter Fluch zu schweben, feine geballten Hände waren noch im Todeskampf drohend erhuben. „Fort," tief Pmojel, „fort von die sem Ort des Entsetzens, laß uns zu rückfliehen zu ben Unfrigen! Oh." sagte er bitter, „sie haben mich feige verlassen, sie haben nicht gewagt, mit zu folgen, aber ich verzeihe ihnen, da mich Gott so gnädig beschützte. Wir müssen zu ihnen, wir müssen sie erreichen, es tonnten neue türkische Flüchtlinge auf diesem Wege kommen, und zum zweitenmal würde lein Wunbet zu unserer Rettung gesche hen." „Was haben wir zu fürchten," sag« te Stiepaniba mit glücklichem fiä» chtln, „wir sind vereint was ist bet Tob, wenn wir initeinanber sterben?!" „Rein," titf Pawjtl. „ntin, wir wollen nicht sterben, in bem Schrecken dieser Stunde habe ich den Wert bes Lebens empfunben, alle Fasern mei ne» Wesens klammern sich an dal Leben und das Glück. Laß uns flie» hen, Stjepanida. schnell fliehen, ich bin feige geworden, feige für dich unb fiir unsere Liebe." Schnell zog er sie mit sich fort auf dein Wege, den er vorhin in so gren zenloser Qiml unb Angst durchmesst:! hatte, und mit jedem Atemzug glaub» te er die Wonne neuen Lebens einzu saugen. AIs sie stumm nebeneinanber her» schreitend, die Arme verschlungen, die Hänbe ineinander ruhend, eine Strecke auf dem gekrümmten Wege weiterge gangen waren, tönte ihnen der Schall eines lebhaft fortgesetzten Gewehr seuers, burch die Schluchten gedämpft und von den Felsen widerhallend, ent» gegen erfchrodet. loufchtnb blieb Pawjel stehen. „O mein Gott," sagte er, „ich tat meinen Freunben unrecht, sie find an gegriffen worden, burum konnten fit mir nicht folgen bort kämpfen sie. hörst du's das ist tin starkes Feuer, sollte der Himmel uns verlas» sen, sollten wir bennoch verloren fein Stjepaniba schmiegte sich zittetnb an ihn. Einen Augenblick noch stan den fit lauschend still, bann sagte Pawjel mit kältet, festet Entschlossen» heit: „Unb bennoch müssen wir dortbin. Stjepaniba, so schnell als möglich auf der andern Seite ist das feinbli» che Lanb, unb wir würden in jebent Fall verloren fein, wir müssen unsere Freunbe erreichen, um mit ihnen zu siegen ober zu sterben. „Oh." rief er, sich hoch aufrichtend, währtnb das Feuer sich heftiger hören liefe, „wenn ich bei ihnen wäre, ich würde ihnen Mut unb Vertrauen bringen fort, fort, daß wit fie erreichen Gott ist mit uns, mit uns wirb bet Sieg sein!" In eiligem Lauf stürmte er weiter. Stjepaniba mit sich fortreißenb. Nach einiger Zeit aber blieb sie zitternd, mit schmerzlichem Seufzer stehen. „Ich kann nicht mehr, mein Gelieb» ter," flüsterte sie atemlos, „meine Rrcift geht zu Enbe. Geh allem." ?ogte sie traurig, „wohin bttnt Pflicht »ich ruft, du bist deia Leben dem öaterlanbe fchulbig und beineit reunben. Laß mich hier, wenn ihr ztsiegt habt, werdet ihr mich hole» iber gib mit ben Dolch, bamit ich licht in bie Hände der Feinde falle and euch im Tobe folge, wenn &ott 'yren Untergang beschlossen hat." iokfib