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Autorisierte Uebertraguiig aus bet» Norwegischen (2. Fortsetzung.) „Frau Hauptmann Carstens", er widerte Helgesen in entschiedenem Ton. „berichtete, sie habe sich in ihrem Toilettenziinmer aufgeholten, als der Schuß fiel. Zu dieser Zeit hatte her Diebstahl noch nicht stattgefunden. Sic hatte eben einige von den Schmucksachen, die ihren Hals wäh rend des Festes geziert hatten, zurück gelegt, als sie, durch den Schuß auf geschreckt, hinauseilte. Als sie eine halbe Stunde später zurückkehrte, war der Diebstahl eine vollzogene Tatsa che! Darum müssen Sie zugeben, daß sich gegen das junge Kammer mädchen schwer ein Verdacht erheben läßt". »Das alles stimmt ja vollkommen mit meinen eigenen Berechnungen überein", entgegnete Krag. „Sind Sie sicher, daß sMaja noch immer im Dienst des Hauptmanns Carstens steht?" »DaS läßt sich leicht feststellen," sagte Helgesen, das Telephon ergrei send. Einen Augenblick später hatte er den Bescheid: das Kammermädchen Maja war vor wenigen Tagen aus dem Dienst getreten. Helgesen war sichtlich verdutzt. Wohin sie denn gezogen sei? Zum Generalkonsul B. auf dem Dram mensweg. Helgesen klingelte auch den Ge neralkonsul an. Nein, da kannte man gar kein Mädchen dieses Namens. Ueberhaupt hatten Generalkonsuls schon seit lan ger Zeit keine neuen Dienstboten an genommen. „Da sehen Sie'S", sagte Krag. »Maja ist fort. Finden Sie sie, dann haben Sie den einen Faden des Kno tens." Krag rückte näh» an den Tisch heran. »Nun will ich Ihnen erklären, wie das Ganze vor sich gegangen ist. Maja war die Mitschuldige deS Diebes. Sie hat durch ihr Verhalten den Diebstahl ermöglicht. Der Dieb wollte mit beispielloser Dreistigkeit in einem Hause arbeiten, wo es von Gästen wimmelte. Damit der Diebstahl gelingen sollte, mußte er einen kurzen Äugenblick allein und unbeobachtet sein. Und er mußte die Gewähr haben, daß sich niemand im Zimmer der Frau Carstens aufhielt. So rechnete et: wenn er es durch irgendein Manöver so einrichten tonn te, das der Wirt, die Wirtin und alle Gäste nach dem südlichen Flügel des großen Hauses gejagt wurden, so würde er selbst in diesen wenigen Minuten ungestört im nördlichen ar betten können. Darum brauchte er einen Helfer. Wenn Sie sich nun noch einmal te lephonisch erkundigen, werden Sie sicher erfahren, daß die unschuldige Maja nur einen Monat oder so im Dienst des Hauptmanns gestanden Hai. Maja war beauftragt, in dem Eck salon den Revolver abzufeuern und einen Schrei auszustoßen. Ja. seien Sie nicht zu erstaunt! Es war tatsächlich Maja, die ge schössen hat. Sie hatte sechs Schüsse im Re volver der erste, den sie abfeuerte, war blind, die anderen, die noch blie den, waren scharf. So haben Sie auch die Erklärung dafür, daß der Revolver auf dem Teppich lag. Das junge Fräulein hatte ihn fortgeworfen. Ihre phantastische Erzählung von dem fremden Mann war reine Erfin dung. Uebrigens eine plumpe und leicht zu durchschauende Lüge. Aber sie erreichte durch ihren Lärm das eine: alle Menschen herbeizuru sen. Der Dieb nahm den günstigen Au genblick wahr, als die eine Seite des Hauses für einige Minuten leer wurde. Frau Carstens stürzte aus ihrem Zimmer. Der Dieb ging hinein, steck te die Juwelen zu sich und mischte sich dann unter die übrigen Gäste. Ich bebnute, Ihnen das sagen zu müssen, lieber Freund, aber die Lö sung klingt sehr einfach". Helgesen nickte. Der Polizeichef lä chelte froh überrascht. »Und doch hat die Lösung einen äußerst schwachen Punkt aufzuwei sen", sagte Helgesen. .Bitte?" Helgesen reichte Krag die Liste der Gäste des Hauptmanns Carstens. Sie begann mit dem Bischof Mos gaard und endigte mit dem Staats rat a. D. Knold lauter bekannte, an gesehene Namen. .Ich habe gezeigt", sagte Helge sen, »daß keiner von der Dienerschaft der Dieb sein kann. Alle haben ihre Unschuld nachgewiesen. Ich gebe zu, daß das Kammermädchen Maja in einem sonderbaren Lichte dasteht aber wollen Sie wirklich, nachdem Ste diese Liste von angesehenen Männern und Frauen gelesen haben, zu behaup ten wagen, daß der Dieb unter ihnen zu finden sei?" Krag antwortete ausreichend. „Entsinnen Sie sich einer alten Geschichte," sagte er, „von linf-n Diebstahl, der einmal in einer Geitü schaft begangen wurde. Es waren nur dic allerbesten Kreise oemeten. Aber bet Wirt war ein fremder, und als er den Diebnah! eindeckte, nahm er keine Rücksicht, sondern ließ alle seine Gäste unter ihren lebhaften Protesten untersuchen." »Ja, ich entsinne mich. Es war ein Mann, der aus Amerika heimge kehrt war. Diese Leute pflegen ja flicht so seinfühltnb zu fein." „Und bei einer Dame aus der vor nehmten Gesellschaft fand man die gestohlenen Gegenwände. Der Skan dal wurde vertuscht, aber ganz ließ die Sache sich nicht aus der Welt schaffen. Und jetzt weiß ich wirklich nicht, bei welchem Namen ich ha'.t machen soll aber ich kann Ihnen ver sichern, wäre Hauptmann Carstens an jenem Abend ebensowenig feinfühlend gewesen wie der Amerikaner, so hätte er das Geld und die Juwelen gr funden." „Sie äußern da ja einen fürchtet lichen Verdacht." warf der Che» der Kriminalpolizei ein. „Gedenken Sie den Dieb weitet in diesen Spuren zu suchen?" »Allerdings/ »Dann hoffe ich. daß Sie mit der allergrößten Vorsicht zu Werke geben, sonst kann es leicht einen Skandal für uns geben. Wie wollen Sie diese schwierige Sache angreifen?" „Es scheint nichts anderes übrig zu bleiben," etioibcrte it rag, »als die Gäste bet Reihe nach durchzugehen. Ich will mit dem Bischof beginnen." »Und dann den General nehmen?" »Sehr richtig! Und dann den al ten Professor mit dem weltbekannten Namen." »Es klingt wie ein Märchen," be merkte der Chef. »Ich glaube, es ist auch ein Mär eben," ermiberte Krag. „Nun gehe ich. Unternehmen Sie nichts vor 6 Uhr, bann bin ich wieder da." Um sechs Uhr fand sich Asbjörn Krag wieder in der Kriminalabtei Inng ein. Er war in Gesellschafts kleidung und ganz leicht maskiert, so leicht, daß seine Freunde ihn erken nen konnten, seine flüchtigen Bekann ten jedoch ihn für einen Fremden hal ten mußten. „Sie sind schon mehrere Stunden bei der Arbeit," sagte der Poliztiches. ,,Haben Sie eine Spur entdeckt?" „Leider habe ich eine sehr interes sante Untersuchung abbrechen müssen." erwiderte Krag. „Warum?" „Weil ich eine Gesellschaft zu besu chen habe. Wie Sie sehen." „Ah, vermutlich eine wichtige Fa milienzusammenkunft." bemerkte der Polizeichef. „Nein, es ist eine vollkommen gleich giltige Mittagsgesellschaft beim Kon sul Birger. „Ich dachte, Sie machten sich nicht so viel aus Gesellschaften, daß Sie deswegen eine interessante Untersu chung abbrächen," sagte der Polizeichef verdrossen. „Das tu ich auch nicht," war Staigs Antwort. „Wenn man aber Aussicht hat, den Mann aus der Oskarstuiße 54H zu treffen, so muß man sich ge duldig auch in eine solche Gesellschaft finden." „Wissen Sie beim, wer der rätsel hafte Mensch ist?" fragte der Chef. „Nein, aber ich weiß, wo ich ihn zu suchen habe." Z w e i e s K s N e Asbjörn Krag war unter den ersten von Konsul Birgers Gästen. Er wur de dem bekannten Spezialisten für die Schlafkrankheit, Oberarzt Sydow. vorgestellt, und zwar als Freund des Konsuls, der kürzlich aus dem Kongo heimgekehrt sei. Der Oberarzt lief sich sofort mit Krag in ein Gespräch über den Kongo ein, und der Detektiv sah sich gezwungen, ins Blaue hinein unbestimmte Antworten zu geben. Er war froh, als nach unb nach bie an deren Gäste sich einfanden. Es war eine Herrengesellschaft. Krag kannte diese Abende bei Kon sul Birger. Sie begannen mit einem ausgezeichneten Essen. Die Küche in dem Birgerschen Hause war bei allen Feinschmeckern der Stadt berühmt. As'/s war sehr stilvoll. Zum Essen wurde am liebsten nur Champagner getrunken, so daß alle bald in die rich tige Stimmung kamen. Gegen 11 Uhr pflegte das Essen be endet zu sein. Man trank Kaffee und plauderte ein wenig bis gegen halb Zwölf, und dann wurde der Whisky gebracht. Dies war das Zeichen zum Beginn des eigentlichen Festes. Das heißt, ein eigentliches Fest war eS kaum. Die Herren nahmen Platz um die kleinen Tische, und die Kar ten kamen zum Vorschein. Konsul Birger verkehrte nur mit geübien Spielern. Er selbst hatte, ohne ei gentlich reich zu sein, ausgezeichnete Einnahmen, die ihm den Luxus er laubttn, sein« Spielleidenschaft zu pflegen. Er war einer von den besten Spielern der Stadt. Fast alle Spiele waren bei ihm beliebt, am meisten je doch Poker. Diese Schwärmerei fur Poker hatte er aus Amerika mitge bracht, wo er eine Zeitlang gelebt bot» te. und sie nie wieder abgelegt. Diel leicht hatte er's auch nie ernstlich ver sucht. Poker war seine Abwechslung. Die Spannung bei diesem Spiel er frischte ibn nach den ermüdenden Ge tieften. Konsul iöitget spielte durch aus nicht des Geldes, sondern nur der Spannung ivegen. Aber um d:cie Spannung zu erzielen, war es doch nötig, daß der Einsatz eine gewisse Höhe erreichte. Daß Gewinn und Verlust zwischen einigen Tausenden hin und her schwingen konnte, berühr te diese Herren nicht sonderlich. Die Spielregeln waren im übrigen sehr streng. Eine der Hauptregeln war, daß das Spiel um halb Vier zu Ende sein mußte. Punkt halb Vier, und keine Minute später. Buger hatte feinen regelmäßigen Spie.aVtui) in der Woche. Meist Sonnabends. Es kamen nicht immer dieselben Leu te, aber einzelne gehörten doch zu den Stammgästen, das waren seine näch sten Freunde. Gerabe die waren heute abend beisammen. Die Frau Konsul, die sonst bei größeren Festlichkeiten eine so ausgezeichnete Wirtin war, ließ sich an diesen Spielabendcn nicht sehen, sonbern blieb in ihren Zim mern. Der Konsul war hnbetlos, und das war wohl auch der Grund, baß er in feinem Heim von Zeit zu Zeit Zerstreuung im Spiel suchte. Re staurants besuchte er nie. Nach und nach versammelte sich al so bie Spielgesellschaft dieses Abenbs. Der vornehmste Gast war offenbar bei junge Professor Winger, einer der be rühmtesten europäischen Kenner cer alten Sprachen. Eâ war ein vielge reister. sehr liebenswürdiger und leb hafter Herr, der sich mit jedem ange nehm und geschmackvoll zu unterhal tejt wußte. Dann war da der Grund stücksspekulant Direktor Greffen, von dem man den einen Tag sagte, er fei Millionär, und den anderen, er sei arm wie eine Kirchenmaus. Ferner Dr. Phil. Birkelund, ein Sohn des alten Professors Birkelund, Haupt mann Stangenberg, ein flotter, reicher Kavallerieofsizier, der Komponist Bin ge, der einmal in grauer Bo» eit eine Oper komponiert hatte und seitdem von seinem ererbten Vermögen lebte, und endlich Asbjörn Krag und Kon fill Birger selbst. Bevor die Türen zum Speisesaal geöffnet wurden, nahm Birger Ver milassimg, im Fiur ein paar Worte mit Asbjörn Krag zu wechseln, bt? erkennen ließen, daß die beiden alte Bekannte waren. „Ich hoffe, dich öfter bei mir zu sehen," sagte der Konsul. „Ich habe gar nicht gewußt, daß du dich für ein tüchtiges kleines Glücksspiel interes sierst." „Ist auch eine neue Leidenschaft vcn mir," meinte Krag „was in aller Welt soll man in dieser langweiligen Stadt ansangen? Ich muß nun mal ein bißchen Spannung hoben. Sonst werd' ich Morphinist." „Aber warum willst du nicht, daß ich dich unter deinem wirklichen Na men vorstelle?" „Das weißt du doch von früher. Ich wünscye unerkannt zu bleiben." „Gerade unter diesen rechtschaffe nen Menschen," erwiderte Krag mit drolligem Augenfunleln. „Was wür den sie wohl sagen, was meinst du, wenn sie aus einmal erführen, daß du einen Privatdetektiv in deinen Spiel klub eingeführt hättest? Sie würden mindestens Kenten, daß du einen inert würdigen Geschmack haben mußt." „Nein," entgegnete der Konsul eif rig, „sie würden sich sehr dafür in teressieren, dich kennen zu lernen, be sonders wenn ich ihnen von deinem glänzenden Coup erzählen würde, der den Anfang unserer Bekanntschaft bil dete." „Pst," flüsterte Krag. „Da kommt der Oberarzt. Er wird wieder vom Kongo anfangen. Was in aller Welt soll ich ihm vom Kongo berichten, das er nicht schon wüßte. Er glaubt, et muß höflich fein. Hätten wir bloß ein anderes Land gewählt. Aver.." „Gerettet!" tief der Konsul und klatschte in die Hände. In diesem Augenblick wurde bie Tür zum Spei sesaal geöffnet, unb bie kleine Gesell schaft ging in lebhaftem Gespräch hin ein. Schon beim Kaviar kam der Cham pagner, und die Stimmung wurde ge hobener. Zum Glück sprach man jetzt nicht mehr vom Kongo. Auf irgend eine rätselhafte Art war die Unterhalt tung auf das Gesellschaftsieden der Saison gelenkt worden. Asbjörn Krag hatte nur hier und da ein Wort fallen lassen, und doch war er es, der dem Gespräch mit meisterlicher Kunst fertigkeit die gewünschte Richtung ge geben hatte. Er wollte hetousbrim gen, wieviel und wie wenig man von den früheren Diebstählen wußte. »Es kann wohl kein Zweifel dar über bestehen," sagte Dr. Birkelund. „daß bei der letzten Abendgesellschaft bei Carstens etwas vorgekommen ist, worüber man nicht gern spricht." „Jedenfalls war das eine ganz ge künstelte Geschichte, die er da zum besten gab," replizierte der Oberarzt. „Er behauptet, das Mädchen habe mit einem Revolver herumhantiert. Wis sen Sie, was man sich erzählt?" Allgemeines Schweigen folgte die ser Frage. Alle Anwesenden schienen sehr gut zu wissen, waS man sich er zählte. .Man erzählt." fuhr der Kurzfich- tiae unbeirrt fort, „daß ein Einbrecher in dem Eckzimmer war." .Und daß das Dienstmädchen auf ihn ^schössen hat fragte Dr. Bit« keluiib mit geheimnisvollem Lächeln. »Jedenfalls," warf Direktor Gref sen ein, „sieht das eine fest: Es 'Jt an dem ttbenb Lei Hauptmann Car liens gestohlen werben. Ich hade eS von der Polizei selbst." „Diese mtr!ivii:tige Polizei," fa.it« der Oberarzt, „die nie waS raus kriegt!" Zu Asbjörn Krag gewandt, setzte et hinzu: „Sie sind wohl ein schnelleres und festeres Auftreten gewohnt, mein Herr, da Sie ja so viel in den gio ßen Ländern umherreifen!" Krag nickte. „Unzweifelhaft," sagte er. Direltor Greffen, den es nach Sen sation verlangte, wollte das Thema des Diebstahls nicht fallen lassen. „Ich habe später mit Carstens ge fprochen," sagte er, „unb der Haupt mann ist ganz verschlossen unb son derbar. Et hat sich oerändert. Er sieht so aus, als hätte er plötzlich et was erlebt. Und et leugnet auf das bestimmteste, daß ein Diebstahl statt gefunden Hai. Dieses Leugnen gibt der ganzen Sache einen so geheimes vollen Anstrich. Es ist ja denkbar.." »Pst," sagte man von verschiedenen Seiten, »lassen Sie uns lieber von etwas anderem sprechen!" »Ich meine," fuhr Greffen ein we nig unsicher fort, „es ist ja denkbar, daß Carstens den Dieb entdeckt hat, und daß diese Entdeckung ihn so be drückt. Er will keinen Skandal. Aber wer kann der Dieb fein? Ja, wer, meine Herren? Die Gefellschaft an dem Abend war sehr groß. Ich kann te gar nicht alle." Doch nun wurde dem geschwätzigen unb neugierigen Direktor Einhalt ge boten, unb der Wirt schlug ein ande res Gesprächsthema an. Gegen Elf versammelten sich die Herren im Rauchzimmer zum Kaiser. Der Wirt, Konsul Birger, stand in einer Ecke und unterhielt sich mit Asb jörn Krag. Et sprach über die Takt losigkeit des Spekulanten. „Er hat eine zu lebhafte Phantasie," sagte er, „aber sonst ist er ein kluger Mensch. Es kommt bloß darauf an. ihn ba zeiten zu unterbrechen, sonst kann et bie ärgsten Geschmacklosigkeiten bege hen." Asbjörn gab nur einffcbige Ant Worten. Seine Augen waren Sie ganze Zeit anderswo. Plötzlich bemerkte der Konsul seine Geistesabwesenheit. Er betrachtete ihn unb schwieg. „Was ist benn?" fragte er nach ei net Weile. „Nichts," war Krags Entgegnung. Eine leichte Blässe bebeckte bas Ge ficht des Konsuls. „Du großer Gott," sagte et, »mit kommt ein entsetzlicher Verdacht." „Verdacht? Wieso?" „Du bist gar nicht Spieler?" »Da hast du recht." »Du bist nicht hetgefominia, um zu spielen?" »Doch, das bin ich. Ich bin ge kommen, um an einem Spiel teilzu nehmen, birtS lue it interessanter ist als alle Pokerpartien der Welt. Wenig ftens für mich." Eine Bewegung verriet die Ueber rafchung bes Konsuls. „Sei still," sagte Krag. .ES ist nichts zu befürchten." „Aber warum bist du denn hetge kommen?" »Um zu spielen wie gesagt." „Gedenkst du wirklich mitzuspie len?" „Natürlich." „Aber es wird hoch gespielt." Krag lächelte. „Doch nicht so hoch, daß du mich deshalb nervös sehen sollst." Der Konsul war trotzdem unruhig geworden. Er warf scheue Blicke nach der lebhaft plaudernden Gesellschaft, die ja nur aus seinen Freunden be stand. Asbjörn Krag stand nach wie vor da und betrachtete die Herten, ei nen nach dem andern. Birger konnte sich dieses Interesse durchaus nicht er klären, wenn nichts vorgefallen war. Wie seltsam war überhaupt Krags plötzliches Austreten in diesem streife! Die ganze Sache war wirtlich äußerst merkwürdig. Vorläufig hatte er Angst davor, daß Krag sich verriet, so daß bekannt wurde, daß der Konsul einen Detektiv in die Gesellschaft einge schmuggelt hatte. Welches Aufleben würde das in Christiania geben! Wie viel Stoff zum Skandal würde das geben Krag schien Birgers Gedanken erroten zu haben. Denn im Vorbei gehen flüsterte er dem Gastgeber ins Ohr: »Sei ganz ruhig! Ich werd« es zu nichts kommen lassen." Aber diese Aeußerung des Detek tivs überzeugte den Konsul von zwei erlei: Erstens war etwas nicht in Ordnung. Und zweitens wußte er nun, daß Krag alles daran setzen wollte, um einen Skandal zu vermei den, und daß er sich in dieser Bezie hung auf ihn verlassen konnte. Dann dachte er darüber nach, wer wohl das Interesse des ausgezeichne ten Detektivs erregt habe. Er ließ in Gedanken seine Gäste, einen nach dem andern, an sich vor iiberwandern. Und eS begann ihm kalt über den Rücken zu laufen. Hie? waren ja ausschließlich bekannte Leu te versammelt. Mannet mit Verminen und einem angesehenen Namen. Leu te in guten Stellungen, eiufußreiche Geschäftsleute. Wenn irgend etw.is geschehen war. um Geld konnte es sich dabei nicht bandeln. Vielleicht handelte es sich überhaupt nicht um die Gaste, sondern um die Dienerschaft! Aber Kr.igS Aufmerksamkeit schien nicht im geringsten den Dienern zu gelten. Sondern einzig und allein den Gästen. Das waren die Gedanken BitgetS. während er dastand unb daraus war tete, daß bie Herten bad Zeichen zum Beginn des Svieles geleit würden. Der alte Diener des Kon,1s letzte in diesem Augenblicke die Svieitische in dem großen Herrenzimmer zurecht. Die Gesellschaft sollte sich in zwei Spiclparteien teilen. Allmählich schlenderten die Herren hinüber. Whisky wurde gebracht, und iron wurde immer animiertet und fuuie sich auf die bevorstehende Spannung. Niemand ahnte, daß diese Span nung auf eine Weife ausgelöst wer den sollte, wie eS noch in feinem Spielklub von Christiania je vorge kommen war. Es ist notwendig, zu bemerken. 'oß bei Konsul Bieger. wie in den l^fien ausländischen Klubs, nicht mit '•tufin Gelbe gespielt wurde, sondern mit Jetons. Die Jctonü wurden bei Bk' ginn des Spieles gekauft. Der alte Diener des Konsuls er hielt das Geld für die JctonS im voraus und zahlte den Gewinn an die Herren, die gelvonnen hatten. Et war der Croupier der Gesellschaft. Nun stellte et sich an den großen, buntfarbigen Jetonkasten und rief: „'Meine Herren! Das Spiel be ginnt!" Der alte Diener hatte an den Spielabenden bloß zwei einfache Aeu ßerungen zu tun. Die eine betraf feti Beginn des Spiels. Die andere lau tete folgendermaßen: „Meine Herren! Zur Auszahlung der Gewinne!" Der Großkaufmanii Gref im war der eifrigste unter den Spielern, drum war er als erster ort dem Je tonkasten. Er griff in feinem Rock nrch der Brieftasche und bestellte vier zu hundert, drei zu fünfzig und das übrige klein. Auf einmal wurde er N'rkwütdig lebendig und begann, in fiinen Ta schen zu wühlen. Er machte ein sehr nachdenkliches Gesicht. „Wie ärgerlich!" murmelte er. „Ich muß sie wieder auf den Spiegel ge legt haben!" Er sah den zunächststehenden Äast an, den Oberarzt. »Haben Sie Ihre Brieftasche ver gessen, mein Lieber? Dann müssen Sie mir erlauben ..." „Vielen Dank!" erwiderte Greffen. „Ich muß die Briestasch? aus dein Spiegeltisch vergessen haben. Hassent lieh habe ich sie nicht tvriomi. Es waren fast fiinfmujend Kronen dein „Nur zerstreute Damât o rlieren ihr Gelb," bemerkte bet Oberarzt fcherzettb. „Ich werbe Sie mit J^unä versorgen. Ich will das gleiche hi den wie Sie, bann brauche ich bloß hop pelt zu verlangen. Na, mein lietnr Jean, also acht zu hundert, sechs zu fünfzig und den Nest klein." Jean begann, die roten, blauen und gelben Jetonstück? aufzuzählen, und der Oberarzt griff tn die Tasche. Aber er behielt sie darin, und dann schnupperte et in die Lust, als hätte er etwas höchst Merkwürdiges beobachtet. Als et seine Hand herauszog, war sie leer. „Nein, wie ärgerlich!" tief er. »So etwas Sonderbares ist mir doch in meinem langen Leben noch nicht pas siert. Ich habe meine Brieftasche auch vergessen." „Das ist doch gar nicht möglich!" wurde zu ihm gesagt. „Suchen Sit boch in den anderen Taschen, lieber Freunb!" Der Oberarzt durchsuchte auch die anderen Taschen eifrig, doch o'.nr jeg liches Resultat. Die Situation fing an, komisch zu werben, unb bie anderen Herren lä chelten. Der Wirt drängte sich vor und sagte, er stelle natürlich jede beliebige Summe zur Verfügung der Herten. „Wieviel?"fragte er, lächelnd in die Tasche greifend. „Wieviel darf ich ." Aber der Rest des Satzes gefror ihm im Halse, und et wurde Plötz lich blaß. »Jean," sagte et zu dem Diei.er, „geh in mein Zimmer und steh tuch, ob ich die Brieftasche habe auf fre.n Tisch liegen lassen." Eine schallende Lachsalve begrüßte diese Worte. »Du lügst, Birget!" tief man ihm zu. »DaS ist Effekthascherei! Du hast Deine Brieftasche!" Aber der Konsul schüttelte b?oß den Kopf und beteuerte, daß daè nicht zutreffe. Und fein Gesichtsat s druck mußte wohl die Ungläubigsten davon überzeugen, daß er die Wahr» hett sprach. Der Dienet, der schweigsame alte Diener, kam zurück und schüttelte den ernsten, weißen Kopf. Er habe keine Brieftasche gefunden. Run wurde die Situation traf!, und die Heiterkeit hörte auf. Plötzlich sagte eine Stimme: »Meine Herren, lassen Sie unS alle unsere Taschen untersuchen!" Es war Asljörn KragS Stimme. Die Aufforderung wäre nicht not wendig gewesen, da alle anderen Her ten bereits in ihre Taschen faßten. Im nächsten Augenblick bot die vorher so heitere und animierte Ge« sellschast ein eigentümliches *'ild von Sikiteck und Ueberr.ischung dar. Ein paar von den Herren standen zaudernd da. die Hände in den Ta schen. Andere wühlten wie verrückt in th* ten Kleidern. Man borte Flüche und Autr ise von Aerget und Btrblüffung. Und auS allen Ecken de« Zimmers hieß ei: „Auch ich? Auch ich! Hak man je so was erlebt! Auch ich!" Aber dann schnitt eine Stimm« in das Gewirr hinein: „Ich nicht!" Asbjörn Krag war es. Er ztlglt seine Brieftasche vor. nachdem et d«n Inhalt untersucht hatte. Sie war un berührt. Selbst für Asbjörn Krag war d'«s eine gewaltige Uebettafchung, und er konnte feine Verblüffung nicht «t» bergen. Der Wirt sah erschrocken von «t» nein zum andern. Am längsten ver weilten feine Augen auf Krag. Dann ergriff der Professor fÜt die Dialekte des Altertum! das Wort: „Meine Herren, lassen Sie uns nur lieber gleich die Tatsache eilige« stehen: Wir sind bestohlen worden." Erstaunte Zurufe. „Bestohlen! Aber von wem? Und wo? Wann?" Die Rufe kreuzten sich. Man sprach durcheinander. Krag griff ein: „Unb da ich ber einzige bin, der nicht bestohlen worden ist, so erlaube ich mir, vorzuschlagen, daß wir die Türen verschließen." Doch gerade in diesem Augenblick brachte einer von den jüngeren Die nern einen Brief auf einem Tablett herein. „Hier ist ein Brief an Herrn AS bjönt Krag. Er soll sich hier in bet Gesellschaft befinden." „Asbjörn JlragT murmelte malt erstaunt. „Der Detektiv? Der ist doch nicht hier!" Aber da ging der maskierte Detek tiv hin und erbrach den Brief. „Ich bin es," sagte er. Der Brief enthielt einen Hundert kronenfchein und eine Karte. Auf i*r Karte stand: „Damit es den Herren nicht an Kleingeld zum Auto fehlt, übeclende ich anbei hundert Kronen. Hochachtungsvoll Der Mann aus der Villa Rosenhain.*' Die letzten Minuten waten über raschend genug geweint. Nun trat Schweigen ein, und alle Gäste starr ten verblüfft auf Asbjörn Krag, der ganz ruhig dastand und die sonder bare Mitteilung las. Man sah den Hunberilroneiifrliein in feiner Hund. Nachdem Krag die Karte genau studiert hatte, wandte et sich an Oen Wirt: „Ruf den Dienn!* Der Wirt zögest«. Tägl. Geschichte I Nun begannen die anbeten Gäste, sich vorzudrängen. Man verlangte eine Erklärung. „Ein Detektiv im Hause!" sagte der Oberarzt. „DaS ist ja ein Skan dal!" Konsul Birger trat der Angst schweiß auf die Stirn. Er war ganz bleich vor Erregung. „Ich wußte es," murmelte er, »ich wußte ei. Nun haben wir bett Skan dal!" „Ruf den Diener!" wiederholte Asbjörn Krag unbeirrt. Der Konsul klingelte. Dann wandle er sich zu feinen Gä sten und sagte: „Meine Herren! Ich hoffe, wir sind nur einer Mystifika tion zum Opfer gefallen, einem schlechten Scherz." „Haben Sie vielleicht auch einen Taschenspieler im Hause?" fragte der Spekulant mit starrem Blick. „Nicht daß ich wüßte." erwiderte Birger, „ober ich trage nichts mehr zu bestreiten. Denn es hat cen An schein, als wäre heute alles möglich.* Der Diener fatn herein. Ein jun ger Bursch, der seit einigen Monaten im Dienst des Konsuls stand. Sehr aufgeweckt sah er jetzt nicht aus. „Wer hat diesen Brief gebracht?* fragte Krag. »Eine junge Dame," war die Ant« wort des Dieners. »Sprach sie norwegisch?* »Ja." »Was hat sie gesagt?" „Sie hat gesagt, ich möchte diesen Brief an den Adressaten abliefern. Hier wohnt niemand mit diesem Na« men. sagte ich. Da meinte sie: Doch, gehen Sie nur zu der Gesellschaft hinein. Der Herr ist im Hause. Da« mit ging sie wieder fort." Krag betrachtete den Burschen. Dann fragte et: »War sie hübsch?* »Ste war jung und sehr hübsch.* „(88 ist gut. Sie können gehen,* sagte Krag. Der Diener ging. AIS er verschwunden war, wandte ASbjötn Krag sich der Gesellschaft zu: »Ich bin den Herren eine Erklä rung schuldig." (Soitfefcung felft^ i \n\n Per Mem. let lit Steil pin tin roollif. Roman von Sven Elvestich. von Hermann Äiu. Der StaatS-Haatifler, fHlmettf, N. D., Dienstag, den 21. Zezembet