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Eine Erzählnnq von Sucher Muse-in Aus dem verlotterten schmierigen Hause deg« Kaufmanns Markns Jolles dringen weinerlich lustige Stimmen in die ruhige Abendlnft, anf der ein starker Geruch von Himbeeren und Rosen schwer nnd ein schläfernd liegt. Es sind Stimmen von Instrumenten nnd scheinen Menschenstim- f men zn sein, nnd sie erklingen jetzt alles nfammen nnd wieder gegeneinander wiel as tönende Chaos eines galizischen Jahr «1nai«ktes. « · Zwei Geigen schreien sich heiser mit den gellenden Stimmen eines armen Jn den nnd eines noch ärmer-en Bauers, die, ’ verzweifelt wie Engel nnd Teufel nm eine ; arme Seele, um ein armselige-Z Paar « Stiefeln handeln und dabei wie in einer ängstlich zusammengeflickten Britschka auf ’ einer galizischen Landstraße bald hoch em porschncllen, bald tief herabfallen. « Dazwischen grollt die Baszgeige gleich der versoffenen fetten Stimme des alten Polizeiniaiines, nnd zu ihr gesellt sich die silsze klagende eines tleinrnssischen Ban ernmädchens nnd irgendwo greint ein Kind, das sich im Gedränge verloren hat, nein, es ist der Cymbal nnd es ist eine ver-stimmte Flöte, die sich in dieser Weise th·nehmen lassen. « Jn der großen Stube mit der niederen ruzigen Decke, die den Lentenförmlich auf den Köpfen lastet, tanzen langbiirtige Männer in langen Kastnnen nnd Frauen mit perlengestickten Stirnbinden, sie tan zen nicht zusammen, sondern Kaftane mit Kaftanen nnd Stirnbinden mit Stirn binden. Es ist eine jiidische Hoclzeit. Die Braut sitzt unter einer Art T)ron himmel nnd knnppert an einem Gebäck, das nersteinert scheint nnd der Bräutigam im seidenen Talar, die hohe Zobelmiihe auf dem Kopfe, steht dranszen in der schweren Himbeerluft und streitet mit ei nem Manne in einem lilafarbenen Rock. Es handelt sich weder um eine Ehrensache, noch nm ein G-«schäft, es ist nicht einmal » Eifersucht im Spiele und die beiden sind —D·okfkoiiiiiiess ·"t"1iichterni;·"·abe"r " sie ·«st·reiten mit wahrhafter unverfälschter Wirth nnd schreien, als wollte sich ein Jeder einer Volksversammlung verständlich machen. " Sie streiten über eine Frage aus dem Talmnd. " — c Piutschew, der Bräutigam, hat, wie es sich ziemt, vor den Gästen einen schönen talmudischen Vortrag gehalten, alle waren zufrieden mit demselben nnd mit dein Meth, F- sie dabei tranken, nur Mini ZI « « · Most-en er tschew f Id e- nothiggzcnzyzköom noch-im behaupt kee-e1clietoffeiisliche Gebete vorge --l « . » »..—7Fisiwe·ii, dieselben seien spater von den Rabinern eingeführt worden und es be stehe keine Pflicht fiir den frommenJuden, au denselben Theil ·zu nehmen. So entstand der Streit und spann sich fort, von der Tafel in den Tanzfaal und aus dem Tanzsaal anf die Straße hinaus. Jn der Art wie Pintschew und Mintschew stritten,· sprach sich ihr ganzer Charakter aus. Der lan e mager-e Pintschew, dessen farbloses Gesicht, mit Souunersprosfen bedeckt, dem gesprenkelten Ei eines Reb hnhns glich, dessen Nase, klein-, wie ein Schwännnchen in diesem Gesichte stand, dessen hellblaue Augen unablässig zwin kerten, nicht anders, als wären sie von einem starken Lichte geblendet, hatte ein Temperament, das genau so viel vom Feuer an sich hatte, wie sein Haar, das . sich auf dem Kopfe und um das Kinn kränselte, leckenden Flammen ähnlich. Er.war ein Frauenschnetder, aber er . sprach wie ein General, der seine Solda ten laranguirt nnd der gewohnt ist, daß sie i)n einfach anhören. Wider-sprach man ihm, so wurde er heftig, er blickte fast moedlustig, obwohl er nicht fähig gewesen wäre, eine Mücke zu tödten, die sich irgendwo auf seinem Körper niederließ und sich von seinem Blute vollsog, und Für Geist und Herz. Von Lielnnnn Adler Opeausiettdeeetn. Aus Ersuchen der verehelichen Reduktion dieses Blatteg, Beiträge zn dessen deuisdein Theile zulieserm überlasse ich derselben den Abdruck von ntik gehaltener Peedigiem Zin deren Etnpsehlnng kann ich nueiagem dast sie keine Predigten sind nnd dann noch, daß sie nichts weniger ind als geledeL Es sind Gedanken, itn Horizonte des Alllagiedens liegend, in möglichst einfacher nnd knaopee Worisomt gesaszt. iills Peediger habe ich bei meinen Leu-tragen zwei Zieie vor An en: Eine vernuttftgecnasie nnd dabei vielen-solle Bibelerklarnng nnd dann Gedan cn nnd Gefühle« die schon in cist nnd herzen jedes Jstnelnen mit gesundem Menschenoeistante nnd aesunder Moral liegen, anznilingen und so en tveeken nnd zn beleben. Ich denke mir : dn hast die gante Woche Zeit, dir die Gedanken zurecht zu legen« deine Zsihdree aber, so intelligent nnd edeigesinnt sie auch sein nibfjesh haben Anderes zn denken nnd ztt thun. Sie haben nne eine halbe Stanke in entbehren, dein Denkergebnist e ner Woche entgegen zu nehmen. - Wer nnn von den verehtien Lesern in diesen Beiträgen hochfliegende Ideen in hochtdnenden Worten vorges iragen sich oersprichc, iviirde n na n ? en e b in getäuscht, lich davon abwenden· Welcher Leser aber kein Freund ist, Peedigten zu lesen-nnd es giebt o cle solche Barbaren-nnd in diesen Lietcragen die« Predigt siireiitet, der wird a n g e ne i) in getanschh in derselben die Predigt vermissen nnd weiter lelcn, nnd n Ende geionnnen, sich sagen : »Das lmde ich schon lange qeionfth due h ite ieh anch sagen konneni Doo ist keine redigt i« Für mich aber tvare ein solches Urtheil gerade d e etstievteste Gestitgthititttg. . Liebt-met Adlers l. Hveak und Zsirlikichkeit. Text: « »Moscl)e stieg auf zu Gott.« (1. B. M. 1«9, 3.) »Mosche stieg hinab zum Volke und sprach zn ihiten.«(19, 25.) Das Fest, das wir heute feiern, heißt in der Bibel ——Der Tag der ersten zeitigen Früchte-: da an diesem Feste die Erstlinge der Weizenernte im Tempel dargebracht wurden. Die Tradition hat noch eine Erinnerungsfeier der « Gefelzaebnnxj am Berg Sinn-i damit verbunden und nennt darum das Fest —ernn auch der sechste Tag in Sinai nicht genau als der Gefetzgcbungs- I tag angenommen werden kann, so ist die Doppelfeier doch gerechtfertigt, indem . es« sich bei dem Einen wie bei dem Anderen nm die erste reife Frucht handeln Bei dem Einen um Erstlinge der Feldfrüchte, bei dem Anderen nin die Erst linge der L·e h r e n einer neuen Religion nnd mn»die ersten G e setz e eines ans z dieser Religion sich anfznbanenden neuen Staatslebeiis. Die ersten ans den Markt : Und von dort ans die Tafel als reif gebrachten Früchte sind aber gewöhnlich nich t ’ reif. Die Hast nnd- der Appetit der Menschen nach dem lang entbehrtenGenusse läßt die Früchte schon bei deren ersten Färbung der Reife als reif erscheinen. Jm Sommer nnd Herbste, wenn die Früchte mehr von dem Lichte nnd der Wärme der· Sonne getrunken nnd an der Brust der Mutter Erde an Saft nnd Wohlgeschmack gewonnen haben, würden die frühen Gaben der Natur nngenossen bleiben. 4 So waren anch die Erstlinge der Gesetze im Frühling des israelitischen Volkslebens; es ieblte noch an ihrer Reife. Die heilige Schrift bringt-in weit.e«i«ezn«'Verl»anfe I reifårs und edkere Früchte. Der Bibelabfchnitt: voll der köstlichsten Per len der Moral, mit der kostbarsten derselben: »Du sollst lieben-deinen Nächsten wie dich selbst«,« erscheint wie um Tausende von Jahren den zehn Geboten voraus« Lunis-doch war es nur ein Zeitraum von 40 Jahren, der die ganze tnosaische Lehre und Gesetzgebung umfaßt, von der untersten Stufe:« ,",Du sollst nicht morden,« bis zur höchsten der Sittlichkeit in Beziehung zu Unserem Nächsten: »Du sollst lieben deinen Nächsten wie dich selbst.« Wie erklärt sich dieser Contrast? Derselbe Ge setzgeber fijr dasselbe Volk in ei n e m Zeitraum gibt Gesetze- del« lmtcksteu Stufe der Civilisation angepaßt, und wiederum Lehren der Sittlichkeit von einer Höhe, nach der wir heute noch st r e b e n-, aber die wir noch nicht e r reich e n! Bei der Gesetzgebung am Berge Sinai ruft Masche dem Volke zu: »Ihr sollt mir sein ein «Ykrz»»xt..«etch;« ein heiliges Volk.« Was kann man Höheres und Edleres fordern als dieses? Nun folgen die Gesetze für ein Priesterreich und für ein heiliges Volk, und wie lauten diese Gesetze? »Du sollst nicht morden! nicht stehlen! kein fal sches Zeugniß geben! nicht falsch schwören!«———Jst der schon ein Heiligei«,-der nicht in solche grobe Sünden verfällt ? Die Erklärung ist aber gegeben mit den Begriffen: Jdeal und Wirklichkeit. Jnx Allem, was wir thun und unternehmen, schwebt uns ein Jdeal vor, wie es gethan; von allen Zuständen, wie sie sein sollten. Seiten aber erreicht die Wirklichkeit das Ideal. Bedenkt nur in den engeren Kreisen des Lebens euere Geschäftsunterneh. l muugen, eneren Ehestand, euer Familienleben, wie ihr es euch gedacht nnd geplant, s nnd dann die Wirklichkeit! Nun, ebenso ist die Bibel zu betrachten. Neben dem Höchsten nnd Hehrsten im Jdeale schleicht und kriechtdie niedere, blasse Wirklichkeit. ——«Mosche stieg-hinauf zu Gott,«-—mit diesen Worten wird i Eier Bericht über den Gesetzgebungsact am Berg Sinai eingeleitet. Masche erhebt sich in seinem göttlichen Berufe zum reinsten Jdeale. Sein Jdeal war, ein Volk zu erziehen zu einem Priesterreiche nnd zur Heiligkeit an Haupt nnd Gliedern. Ällein« d'er Bericht schließt mit.: —- Mosche stieg hinab zum Volke nnd sprach zu ihm. Mit den ersten für den Bildnngsgrad des Volkes und siir das zeitliche Bedürsniß reisen Gesetzen, da mußte Mosche von den· Höhen seines Jdeals tief hinabsteigen in die Ebenen der Wirklichkeit — Die Lehre Mosche’ s muß sich harten Tadel gefallen lassen von Solchen, die m der Ve nrtheilung des göttlichen Buches durchgängig den Maßstab des Göttlichen, Vollen deten, des Jdeals anlegen Allein, es geht 1a dem lebendigen Buche Gottes-, dem Leben, ivie es ist, nicht besser. Es gibt da ja auch Menschen, die in allen Dingen » und Erscheinungen des Lebens nur mit dem Supperlativ des Jdeals zufrieden zu « stellen sind. Und da sie nicht so leicht ihr Jdeal verkörpert finden, weder im Staate ; mit seinen Gesetzen, noch in der Gemeinde mit ihrer Ordnung, nnd ebenso wenig « in der Führung ihres eigenen Hauswesens, so gehen sie verbittert dnrch’s Leben selbst in ewiger Unruhe, auch die Ruhe Anderer störend. die Worte kamen ans seinen Lippen wie Bienenschwaan Mintsehew dagegen sprach selten mit« Menschen, er war nnr gewohnt, mit sei nen Pferden zn sprechen, denn er war ein trefflicher beliebte-r Kutscher, nnd da er seinen Pferden nicht viel zn sagen hatte nnd sie ans dieses Wenige nnr mit einem Niederlegen oder Ansrichten der Ohren, mit einem Schlag des Schmeises oder höchstens mit einein kurzen Wiehcrn Ant wort gaben, so hatte er sich eine ruhige, gemessene Art der Rede angeeignet, es war, als geize er mit den Worten, als habe jedes derselben einen nnschähbaren Werth in seinen Angen. Erwar indes; nicht nur in seiner Rede, sondern in allem nnd jedem gelassen. Er sprach mit Händen und Füssen eben so weni» als mit den Lippen, am meisten sprac) er noch mit den Angen, die unter - der vorspringenden Stirn nnd in dem lederbrannen, gleichsam gegerbten Ge sichte, zn beiden Seiten der starken Nase mit dem einem tiirkischeu Sattel gleichen-· den Buckel, groß nnd schwarz ergliinzten, sich zuweilen schwärmerisch öffneten oder spöttisch zusannnenzogen, oder fast traurig vor sich hinblickten, immer aber einen ge Xnnenden Ausdruck behielten, der aus em Herzen zn kommen schien, vollends dann, wenn er lächelte und er lächelte nicht allzuselten. Man sah nur eine Be wegung häufig an ihm. Er strich gerne sein schwarzes Haar zurück. Ju seinem Wesen war nichts von siidischerDemuth . oder Znthnlichkeit, man konnte ihn stolz nennen, ohne daß er irgendwie fühlen. ließ, dasz er sich fiir etwas Besseres halte, dieser Stolz lag nur in seiner Haltung, - die seiner kleinen, nntersetztem kräftigen Gestalt etwas Soldatisches verlieh, ob swohl er niemals den Kalbselltornister fgetragen hatte nnd Schieszgewehre mit demselben Absehen betrachtete, wie der fröminste nnd ängstlichste seiner Glan bensaenossen. Wie die Beiden so stritten, oder eigent lich wie Pintschew stritt ttiid·!l)iiiitschew nichts weiter that, als etwa Einer, der ab nnd zu das Feuer mit dem Haken schürt, so daß von Neuem die Flammen empor- A .flackern,.ersghigtt...d.cx HELMH- .?!ZIE:E— Schwelle des Hauses, sah sie erstanntan, schüttelte den Kopf nnd verschwand wieder. Die Beiden bemerkten ihn nicht. ,,Kennst Du den Tomde schrie eben Pintschew, »Du kennst ihn nicht, wie es scheint, also ist es iniißig, mit Dir, einem Amharez’t), zn sprechen, aber ich will Dich dennoch belehren nm Deines Seelenheils willen. Der Talmnd beweist, daß es unsere Pflicht ist zn beten, der Talmnd beweist das nn Traktat Thaanith, er weist — anf Moses hin, der Talmnd, der da sagt, der Moses-, 2 Moses 23. 25., der da sagt: Jhr sollt dem Ewigen, Eurem Gotte, dienen. Und er sagt zn sagen der Moses, · 5 Moses 11. 3., thnt er-sagen: ihm —«I nämlich Gott —— mit ganzem Herzen die nen; es fragt sich also, wie kann der Mensch Gott in seiiieiii·Het«zeii dienen? Antwort: dnrch Gebet, also ist der von Moses eingesetzte Gottcsdienst das Gebet.« I’ Mintschew lächelte. »Wir sprachen « nicht vom Gebet, sondern vom Gebet in i der Schule, aber ich will Dir so antwor -ten, wie Dn fragst. Moses hat das Gebet nicht eingesetzt.« »Nicht eingesetzt!« Pintschew erhob die Hände nnd sprang wie ein Böckchen umher, er ticherte vor Wirth. -»Und das Gebet kann überhaupt kein Gottesdienst sein,« schloß Mintschew ruhig. »Mein Gottesdienst ?« »Nein, kein Gottesdienst,« fnhr Min tschew lächelnd fort, ,,es ist ein Unsinn, das Gebet Gottes-dienst«) zu nennen. Jemand einen Dienst leisten, heißt so viel, als Etwas fiir ihn verrichten was er selbst nicht verrichten kann ode- ill. Jst das richtigW , Pintschew nickte heftig. « «; Unwissender la religiösen Dingen. « Abedah, Dienst, schwere Nebeln \n\n quhem.