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diesseitige Leben der That in ein finsteres, trübes Traumlebeu der Beschaulichkeit und des Wahnes verfalle, wie das ja nicht bloß vielfach das Heidenthum, selbst der: Buddhismus , sonderen auch das Christen thum gethan. Der Geisternachen des Spi ritualismus, das Reich der Schatten und des Todes, sollte den Jsraeliten nicht vom Gotte des Lebens entfernen. Darum weilt die jüdische Lehre nicht wie andere bei der Ausmalung des Jenseits mit so lockendem Lohn und abschreckenden Foltern. Nichis desto weniger ist Und bleibt Leugnung der Unsterblichkeit des Menschengeistes unver einbar mit dem Bekenntniß des Juden thums, das in der Menschenseele einen Odem Gottes, einen Funken des-ewigen Gottesgeistes anschauen lehrt. Wohl zeigt auch die Unsterblichkeitslehre des Juden thums allerlei Wandlungen und Umge staltungen im Laufe der Zeit. Von Mos es, dem Amramsohne bis zu Moses ben Mai mon und von da bis Moses Mendelsohn ward von jedem Denker in verschiedener Wei e dieses dunkle Problem beleuchtet, aber durch alle Wolken, die das Geheim niß umschleiern, strahlet dem Gläubigen Gottes-Majestät als dieSonne desLebens, und wer von ihr zweifelnd sich abwendet, für den giebt es nur Nacht und Schrecken. Und bedürfen wir bessere Zeugnisse und Bekräftigungen für den Glauben an un sere Unsterblichkeit als das Himmels-Echo in der Menschenbrust durch die Jahrtau sende? Es hat noch kein Volk gegeben. das dieses beseligenden Glaubens an ein Jenseits hätte entbehren können, so wenig wie eines Gottes, zu dem es aufblickte in der Noth. Und jeder Vaterlandsfreund, jeder Edle, der fein Leben für eine hohe Idee, für seinen Glauben an Gott, die Wahrheit und die Menschheit hingab, hat mit seinem Blute das Bewußtsein in uns besiegelt, daß der Erdensohn für eine hö here Welt geboren nnd gebildet ist, die fortbesteht,·wenn auch der Lehinbau des Körpers, wenn auch Sonnen und Welten ringsum in Trümmer fallen. Ja wohl, das dreifache Band, das das Menschenleben an Gott und die Ewigkeit kettet, ist von Zeit und Menschenhand nicht zu zerreißen: Ein Gott für Alle, Eine Sittenlehre für Alle, Eine Glück seligkeit für Alle ohne Unterschied von Race und Religion. Und wir Jsraeliten haben es für die Menschheit gewahrt, ge hütet, gepflegt und entwickelt durch die Jahrtausende. Viele Kultur-Epochen und Völker sind wie des Meeres Wogen über Jsrael und s eine Lehre-hinweggeflutet und im Zeiteumeere untergegangem das Ju deuthum ist geblieben. Religions- und Denksysteme nnd abwechselnd mit Pomp nnd stolzen Ansprüchen aufgetreten; Js raels Gott hat sie alle überdauert. Sein Religionsgebäude ist geränmig genug, um eine Welt zu umfassen, seine leuchtende Klippel hoch genug, um alle Kultursysteme zu überstrahlen. Seine Säulen fest und gewaltig genug, um dem Riesenarm un serer Alles unterwühlenden Zeit so gewiß zu trotzen, wie es allen voransgegangenen Jahrhunderten Trotz geboten. Denn der Gott von Sinai ist unser Fels, und nur wann die Menschheit erst auf ihre Fahne die Worte schreibt: lmunu El »Mit uns ist der Gott Jsraels,« ist unsere Mission vollendet, unser Priester-ruf erfüllt! Und was an Leiden und Eutbel)rungeu, an Satzungen und Sitten hinter uns liegt und was uns noch heute als Gottesvolk, als besondere religiöse Nationalität abson dernd zusammen kettet, -— das war Vor bereitung, ist Mittel für unser messiani sches Weltverbrüdernngsideal. — Segen und Preis denn der Tempel Emannel-Gemeinde, die mit Ehre diesen stolzen Namen sühret, die durch ihr auf munterndes Beispiel von Opferfähigkeit und Hingebung für die Sache Gottes das amerikanische Judenthum stets auf der Höhe seiner Mission zu erhalten bemüht ist und es so herrlich in der Metropole re präsentirt! Segen und Preis ihrem edlen Führer, der namentlich durch seinen uner müdlichen, regen Eifer für die Bechern lichung des Judenthums und die Erziehung der Jugend in der Gotteslehre so muster gültig wirkt. Gebet und Segen. Berichtigung Jm z!v-«iten Theil meiner Prcdegt: Manasse und Ephraim No. U, S. 7, Columne 2, Muse-, iststatt: un seren veraltcten Priesteravel zu lesen: unseren alten PriesteradeL , Bu d a p est ,,Zu überzeugen fällt kei nem Ueber-zeugten schwer.« Längst schon sind alle denkenden Männer darüber einig, daß klassische Bildung mit genauer, tat mudischer und biblischer Kenntniß und jüdischer Wissenschaft überhaupt sich ver einigen lasse. Allein die denkenden Män ner sind noch immer nicht in der Mehrzahl, und eine ganze Reihe jüdischer Erdenpilger zumal in Ungarn konnte oder wollte die Wahrheit obiger Behauptung nicht ein sehen. Soll man Gewalt anwenden, da mit sie von ihrem Wahne geheilt werden? Dies wäre wahrlich keine Lösung der Auf gabe. Denn welcher Mensch wollte wohl Geioaltthätigkeit als ein Mittel brauchen, die geometrischen Wahrheiten beispiels weise zu beweisen? Das beste Mittel ist die Ueberführung durch Thatsachen, und solche sprachen bei den am 30. und 31. Juli und am l. Augustd. J. abgehaltenen Jahresprüfungen an der Unterabtheiluug der Landes - Rabbinerschule mit lauter Stimme für die Möglichkeit jener harmo nischen Vereinigung. Jn allen Discipli nen, den jüdisch-theologischen sowohl, als den humanistischen, zeigten sich die Schüler vollkommen bewundert. Es war daher um so erfreulicher-, daß Se. Excelenz, der Herr Minister für Cultus und Unterricht, Aug. Trefort, persönlich Zeuge der Leistungen der Schüler war. Jn Begleitung eines Mi nisterialsecretärs erschien er gleich zu An fang der Prüfung und hörte eine Stunde lang ein Examen aus der Bibel au, sodann ging er auf das Professoren-Collegium zu und sagte ungefähr Folgendes: »Ich bin nur gekommen, um Jhnen meine Theilnahme für Jhre Anstalt zu b ez e i g e n. Die Wissenschaft, aus der soeben geprüft wurde, ist die Grundlage aller Theologie, nicht blos der jüdischen. Sie steht mir sehr hoch, und ich bedaure, sie nicht zu verstehen. Die großen Früchte der Anstalt wird man, wie ich hoffe, nach Jah-! ren erblicken.« Bald darauf erschien der Ministerialrath v.Gömöryi, der das Refe rat über jüdische Cultusangelegenheiten hat, und hörte zwei Stunden lang mit nn geschwiichter Aufmerksamkeit die Prüfung an. Einige vornehme Vorstandsmitglieder der hiesigen Gemeinde waren von den Re sultaten der Prüfung so befriedigt, daß sie für die tüchtigsten Schüler 20 Ducaten spendeten. Jn einigen Tagen erscheint das iJahresprogramm der Anstalt mit einer Jgrößeren gelehrten Arbeit aus der Feder des Herrn Dr. Bacher. iDie Neu»,eit.) 000 Lessitig’s Fabel von den drei Ringen. Am 22. Mai 1879 wird die gebildete Menschheit den hundertjährigen Geburts tag des Lessing’schen ,,Nathan«, des »Ho henliedes« religiöser Duldnng und edler Atenschlichkeit, feiern. Schon in frühen Jahren fühlte sich der Dichter, der wie Keiner seine sehneidige Feder dem heiligen Kampf gegen Vorurtheile geweiht hatte, zum Anwalt der verkannten Juden beru fen. Sein im Jahre 1749 entstandenes Lustspiel »Die Juden« nennt er selbst »das Resultat einer sehr ernsthaften Be trachtung über die schimpfliche Unterdrük kung, in welcher ein Volk seufzen muß, Hdas ein Christ, sollte ich meinen, nicht ! ohne eine Art von Ehrerbietung betrachten jkann". Wie mußte erst seine Achtung und Anerkennung der Juden sich steigern, Hals er in Moses Mendelsohn’s edles, iweises Herz mit Freunde-sangen hinein blicken konnte! Dieser stand ihm für seinen Nathan zum Model. als er, wie er sagte, »von seiner alten Kanzel herab«, dem Theater aus, wahre gegenseitige Duldung und Anerkennung predigen wollte. Zu wiederholten Malen erklärt er die dritte Novelle des ersten Tages im Decameron des Boccaccio als den Keim seines Dramas, das er viele Jahre vor her bereits entworfen und drei Jahre vor der Veröffentlichung — so schreibt er sei nem Bruder am 7. November 1778 — schon ,,aus’s Reine bringen und drucken lassen« wollte. Hatte er am 11. August die Jdee der Vollendung und Veröffentli- - chung desselben seinem Bruder wie seinem Freunde Moses Mendelsohn mit der Be merkung mitgetheilt, daß- er durch eine ineuerfundenh sehr interessante Episode »den Theologen einen ärgeren Possen spielen will als noch mit zehn Fragmen ten«, so sagt er zwei Monate später: »Mein Stück hat mit unseren jetzigen Schwarzröcken nichts zu thun, nnd ich will ihm den Weg nicht selbst verhauen, endlich doch einmal aus’s Theater zu kommen, wenn es auch erst na ch hu n dert Jahren wäre. Die Theologen aller geosfenbarten Religionen werden freilich innerlich darauf schimpfen, doch dawider sich öffentlich zu erklären, werden sie wohl bleiben lassen.« Auch sonst erklärt er seinen Nathan als den Herold seiner, allen positiven Religionen abholden, Gesinnung. Wie alle Denker seiner Zeit, Kant und Men delsohn nicht ausgenommen, entbehrte auch Lessing das wahre Verständniß für die geschichtlichen Bedingungen und Vor gänge des Geisteswaltens in seinen volks thümlichen Tiefen. Jhnen war jede Re ligion nur in so weit wahr und berechtigt, als sie ein unmündiges Volk für die all gemeinen Vernunftswahrheiten, die ohne alle Offenbarung klar und erreichbar er schienen, erzog und heranbildete. So blickte Mendelsohn auf das Judenthum als eine vom göttlichen Gesetzgeber für alle Zeiten eingerichtete Erziehungsanstalt des jüdischen Volkes; so war Lefsing das Christenthum ein Erziehungsmittel des Menschengeschlechts für erhabenere Ver nunftswahrheiten. Für geschichtliche » Entwickelung und Fortbildung hatte eben der Rationalismus des vorigen Jahrhun derts noch keinen Sinn. So nahm denn Lessing die Boccaccio’ sche Fabel von den drei Ringen und ver arbeitete sie in seinem Geiste. Bei Boc caccio ist es ein reicher, geiziger Jude zu Aleraudrien, Namens Melchizedek, der dem durch Kriege an Geldmitteln er schöpften Sultan Saladin ein Darlehen zu machen gezwungen werden soll, indem ihm die verfängliche Frage vorgelegt wird, welche der drei Religionen die beste sei. Darauf erzählt der Jude die Fabel von dem Vater, der seinen kostbaren Erb ring nur an einen seiner drei Söhne über geben, aber doch keinen beleidigen will und deshalb noch zwei andere ganz gleiche Ringe verfertigen läßt, um so jedem der Söhne, aber stets ohne Wissen des ande ren, einen zu geben und in Jedem den Gedanken wachzurnfen, er sei der recht mäßige Erbe·. So fährt der Jude fort, meint auch jede der drei geoffenbarten Religionen, daß sie die wahre Gottes erbin sei, und die Frage sei bis heute un entschieden. Der sinnreiche Einfall des Juden erwirbt ihm die Gunst des Sul tan, der nun auf bessere Weise seinen Zweck erreicht. Bei Lessing besitzt der Ring die Wunderkraft, vor Gott und Welt angenehm zu machen. Da aber von den Brüdern Jeder nur Eigenliebe verspürt, so schließt der Richter, daß alle drei Ringe nicht echt, —daß der echte Ring verloren gegangen oder vom Vater, der aus Liebe für alle seine Söhne der Ty rannei des einen Ringes ein Ende machen wollte, absichtlich durch die drei Ringe verdrängt worden sei. Das Beste daher sei, Jeder strebe um die Wette, die Kraft seines Ringes durch Verträglichkeit, Sanstinuth nnd Wohlwollen zu erproben, bis nach vielen. tausend Jahren ein Wei serer auf dem Richterstuhle sitzet. Na türlich ist hier keiner der drei Religionen Echtheit, allen aber die Möglichkeit, zur höchsten Wunderkraft der Tugend aufzu steigen, zuerkannt. Genug, der Jude Nathan bezugt diese durch seinen Glau ben, durch sein Denken und Handeln. Woher hatte aber Baccaccio die Fabel von den drei Ringen? Nach einem im jüngsten »Westen« abgedruckten Artikel ans der Frankfurter Zeitung hat der Mainzer »Jsraelit« »die für die litera rifche Welt gewiß sehr interessante« Ent deckung gemacht, daß die ursprüngliche Fabel im Buche ichs-her Jchuda., verfaßt vom Arzt salomn de Virgo (solI heißen TIEng (sp(111isch ——— sich findet : Daselbst wird nämlich erzählt: Pedro der Aeltere von Aragonien (1094—1104) habe, gegen die Juden aufgehetzt, dem Juden Ephraim Sancho die verhängniß » drohende Frage vorgelegt, ob die jüdische ; oder die christliche Religion die wahre sei, worauf dieser, nach dreitägiger Bedenk zeit, dem König klagte, er sei von den zwei Söhnen eines Nachbars, der vor seiner Wegreise jedem von ihnen einen kostbaren Edelstein zurückgelassen habe, gefragt worden, welcher der beiden Edel steine den Vorng verdiene? Da habe er ihnen gerathen, sie sollten sich lieber an ihren Vater wenden, der als Kenner der Steine es am besten wüßte nnd sei des halb von den Söhnen beschimpft worden. So nun, meinte er schließlich, müsse auch die Frage nach dem Vorzug der Religio nen dein himmlischen Vater überlassen bleiben. Es thut uns nun leid, zu sehen, daß der Mainzer «Jsraelit«, der sonst gewiß der Welt »die Erlösung« zu bringen be müht ist, hier sich jo gar nicht um den Namen derer kümmert, die diese Entdek kung längst vor ihm gemacht haben. Schon der Schotte John Dunlop in sei nem 1814 erschienenen und von Felix Lieb recht 1851 in deutscher Uebersetzung her ausgegebenen History of Fiction hat auf die Erzählung in dem schon früh in’s Lateinische übersetzten Buche Schebet Je huda als Quelle für die Boccaceio’sche Fabel hingewiesen und dabei bemerkt, daß die Geschichte wohl schon früher unter den Christen von Juden in Umlauf ge bracht worden war, da der Deeamerone über einJahrhundert älter als das jüdische Geschicht-Werk sei. Ohne wohl von Duulop etwas zu wissen, hat Dr. Wiener im Jahrbuch für Jsraeliten vom Jahre 5617 (1857) auf die jüdische Quelle des Märcheug von den drei Ringen aufmerksam gemacht. Am Gründlichsten hat der Biograph Boccaccio’s, Marcus Landau, in seinen 1869 erschienenen ,,Quellen des Decame rone« die Geschichte der Fabel beleuchtet. Dieselbe findet sich zuerst in schlichter Kürze in den etwa 13«. 0 erschienenen italie nischen »Hundert alte Novellen«. Daselbst hat weder der Jude noch der Sultan einen Namen, und die Frage lautet blos, ob die mohamedanifche oder die jüdische Re ligion die beste sei, worauf der Jude auch die christliche als die dritte nennt. sMehr ausgedehnt erscheint die Fabel bei Busone, dem Freunde Dante-US und des auch mit Dante befreundetea jüdischen Dichters Jmanuel (Manoello) aus Rom. Ja seinem »Sieilianisrt)en Abenteuer«—, er schienen 1311, führt derJude den Namen Absalon, der Sultan heißt Saladin, zeigt aber keinen Zug von Freundlichkeit Bei Boccaceio wird der Jude zum geizigen Wucherer Melchixedeh nnd dami Sala diu’s Verfahren entschuldigt Erfinder dieser Parabel, gleichviel ob sie in dem zu Ende des 15. Jahrhunderts erschienenen Jbu Verga’ schen Schebcr Jchnuci in ihrer ursprüng lichen Fassung vorliegt oder nicht, kann, bemerkt Landau mit Recht, nur e i n Jude gewesen sein. Denn nur ein Jude fühlte im Trulk unter den beiden herrschenden Religionen seinen Witz ange stachelt, um seinem Glauben wenigstens die Möglichkeit der Echtheit zugestanden zu sehen. ,,Christeu und Mohamedaner hatten keine Ursache, ihre Meinung zu verheimlichen.« Schwerlich auch hätte ein jüdischer Bearbeiter der Erzählung den Sultan in einen christlichen Fürsten knmgewandelh wäre Ersterer ursprünglich \n\n (שבט