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»Ncbich !« Charakterbild aus dem jüdifchen Volksleben der Gegenwart Von Rabbiner Ein-entom in Holitz. (S ch lu ß) V. Ueber den Häuptern der Wechsel: nnd Pfandobjeetschwindler in der Gemeinde s hatte sich ein futuchtbaies Gewitter rzusam- « inengezogen; bereit-J hörte nian das feine I Donnerrollen in Form von allerlei Mun- i keleien. Die übers Ohr gehaltenen, von l Dr. Presser in die Schlinge der Geldspe- s enlanten gesagtem besonders von Fritz E Gottliebs glänzendem Anshängeschilde : ,,Bank- nnd TikechselgeschälftH vertraueusselig gemachten Bauern began- i nen bereit-J zu murren; Wechsel aus - gr o sz e Summen zu unteischiei iben, nnd, 1m Verhaltnrh Zu diesen, verschwindendi klei ne Summen dasiir zu bekommen ließens ie sieh im Augenblicke der an sie herangetretenen Noth wohl gefallen, spä ter aber mit kaltem Blute iiber ihre Lage s nachd nkeud, sahen sie erst den Abginud, i der klasfend nnd oerdeiblieh ihnen eutge i gengähntez sie wünschten der im Angst-! schweiße der Nothlage eingegangenen Ber- s bindlichkeiten, wenn schon nicht gnu; ledig ! zu werden, doch dieselben wenigsten-Z miti Beihilfe der Gerichte redneiren zn lassen. — Bei solchen Gelegenheiten, sobald die rauhe, unerbittliche Hand desT Werichtsbeamtem die nur eine diinne » äußere Schichte non G e s e lz lich ke i t. nagenden Geschäftchen etwas nnsanft an- I faßt, muß die w a h re in ne r e Gestalt derselben ans Tages-licht kommen, wenn diese dann dem Betr uge wie ein Ei dem andern ähnlich sind Wac- Wunder, wenn dann die lange vornusgeselz te Cata strophe eintritt, wenn das Oeseiz,111it voller erdriickender Wucht auf die Schul digen niedersäl)rt,i wenn es zurQ ahrheit wird, was in der Khille der einfache, i arme, aber mit gesundem Menschenver staude begabte Flicksrhneider Haikewl Ku o p floch in seinerbiderben humoristi schen Weise zu sagen pflegte: »Wald wird man hören — sagte er, so von dem Bank geschiiste F r i tz G o tt lie b s die Rede war: — Aus ists mit der Herrlichkeit! Das Geschäft steht, die Bank liegt, und der Banner sit3i.« Laß uns, lieber Leser-? zu einem ande ren, sreundlicheren Bilde eilen! Der glück liche, weil zufriedene Jaitewl Knopfloch ist wieder einmal in seinem Elemente, im P la ud e r n , diesmal mit der von ihm besonders hochgesehiitzten H u l d a im kltabbinerhmise; die gute sparsame junge Hanstochter hat ihn eben rufen lassen, sie l bedarf seiner Hilfe, obwohl sie sonst miti Nadel und Scheere gar wohl zu hautiren i versteht; aber bei deu Mann ert l ei - i de r n, besonders wenn das A wiss-! kl ei d des «ii1terg, das schau gar lange « im Dienste stand, etwas brüchia geworden war, da reichte ihre Flickkuust nicht aus, und sie mußte zur ziiuftigeu Nabel heldenknnst ihre Zuflucht nehmen- Eben hatte sie die K u t t e des geliebteu Vaters vor Jaikewls priiseuden Augen ausge breitet und mit dein bewährten Kleiderarzt ein Consilium abgehalten, ob und wie das chrwiitdige alte Amtskleid noch zu erhal ten uud in achtunggebietender Gestalt wieder herzustellen sei. »Nicht so schlimm, Fränl’leben!« sagte der Nieister der Heilkunst, wo es sich um einen schwierigen Fall von F le ck m o r - bu s handelte, »werd’ schon machen, gleich nehm ich sie mit nach Hause, nnr ein Paar Minuten lassen Sie mich noch hier verweilen, ich fühle mich so ein h ei - mi sch Wie so? Nun! weil die Kutte von oben bis hinunter zum Zu knöpfen gemacht ist, da sehe ich nun eine Menge kleiner Knopflöcher ganz wie dal)ei1n.« Hulda lachte, und Jaikewl wäre nicht abgeneigt gewesen, das Gespräch in seiner lustigen Art fortzusetzen, als die Klingel aus dem Zimmer des Rabbiners laut er tönte, und durch diesen ehernen Mahurnf das Gespräch abgebrochen , Hulda ab geruer , nnd J a i ke w l verabschiedet wurde. Vl. Vor dem Tische, an dessen obere-in Ende der gute freundliche R a b b i ne r K oh l -- In a un saß, standen zwei junge liebliche T Wesen, beide von ihren Gefühlen über- i wiiltigt, beide hocherglüht im Antlitze, wie i vorn Purpur einer Piorgensonnenglnth ; übergossen ----- es war der oft genannte,i doch uon uns noch wenig gekannte IS a n - i fr i e d und unsere H n l d a. Die Unter redung mochte bereits recht lange gedanertj haben ; denn der milde, sanfte Iliabbi sagte s soeben: »Seht Euch, Kinder! Jhr dürstet schon müde vom Stehen sein. Also Hulda, I mein Kind !"« fuhr der Rabbi fort, »Du; wärest geneigt, diesem brauen, fonunenl nnd sehr gut unter-richteten jungen Manne, I der bei mir uin Deine Hand angehalten, i Dein Jawort zu geben ? Du willst mit dem allerdings geringen Einkommen, das! eine hier von ihm zu gründende R eli-! gionsschule für Mädchen ab-l werfen kann, Dich bescheiden zufrieden i geben ?« —- , , »Ja, mein qutei Vater, das will ich!« spiach, von jungfiäulichem Schamroth übergossen, die züchtige Hulda ,,Wan. fiied hat ein b I e d e r e" »Verz, nnd ist, ei mags hiei ans meinem Munde verneh men, ein Charakte1, wie ich ihn mir an dem mii von Gott beschieden sein sollen den Gatten Immer gewünscht, ich schwärme für den hohen, edlen, gottgefälligen Be inf, Mädchen zu einstigem echt religiösen, wahrhaft frommen, jii d is ch en H a up E fr a neu hcianz nbilden, ich will ihm ge treulich hiebei zur Seite stehen nnd helfend die Hand bieten.« »Edles, geliebtes, hochherziges We sen!« — unterbrach jetzt Wansried die begeistert nnd tief erregt sprechendc Hulda, »Deine schönen Worte begliicken und er heben mich; wenn Dein ehrwürdiger Va ter uns seine Einwilligung Und seinen Segen giebt, werden wir, für alle Zeiten vereint in Herz und Seele Eins geworden eine jener selt nen Ehen bilden, die im Judenthnme nicht B e r e ch nun g , sondern ein inne re r, h e'i l i g e r Herzenspulsschlag geschlossen.« »So es des Himmels Wille ist, daß Jhr ein Paar werdet, will ich Euch gerne segnen, nnd auch ich will aus allen Kräf ten den Plan, eine Religionsschule für Mädchen hier zu griinden, fördern und selbst noch rüstig mithelfen bei dem schö nen gottgefälligen Werke.« —- » »Vater, edler, hochherzigerMann, den; ich doch nun wohl so nennen darf,« unter brach ihn Wanfriedz »kaum ersonnen, muß ich mit eigener Hand diesen schönen Plan zerstören. Wisset , ehrwürdiger Rabbi ! ich bin kein Leh1·anits-Candidat, ich bin reich e r C· rb e nnd Gesellschaf ter im Geschäfte oder besser in der Fabrik für Baninwollspinnerei meines iiiteren Bruders; —- ein gewissenloser Schadchen hat mir Martha Gottlieb als Braut angetragen; —- ich reiste hierher, logirte mich als mittelloser Reisender ins Hans Gottliebs ein, kam, sah, prüfte und fand, das wir, nämlich Martha und ich, n ich t für einander passen. Verzeihe mir, Hulden edle Seele! daß ich auch Dich auf die Probe gestellt; die bereitwillige L e h re r s f ra n wird wohl auch als F a b r i ta n t e n s g a t t i n an ihrem Platze sein, es wird mir zur Lebensansgabe dienen, .Dich zu beglücken, alle Deine Wünsche inach Möglichkeit zn erfüllen; doch das Martyrinni des jiidischen Lehramts soll und wird, so Gott will, uns Beiden er , spart bleiben.« Was bleibt dem freundlichen Leser nun noch übrig, als vom Herzen »Maseltow !« zu wünschen —- die Wackern verdienen cs.———— Und M arth a ,,ne bich?« Nun ihr Vater lebt von feinem kleinen ersparten Capitale, Rothfeld hat den Heirathsplan aufgegeben, weil sein Wuchergeschäft, das auf thönernen Füßen stand, bereits auch ihn aufgegeben. Martha ist als Gouvernante bedienstet »n e bi eh !« Und Fritz, der NankiersZ mit kein gings, wie Jaikew l Kn op f l och essi prophezeit, er ist als Jiingfter nnd Un e1·f.;l)1«enster des Schwindel-Co«sortiums der Sündenbock geworden Und in der Gemeinde eireulirt das Wort des lustigen Flickschneiders: Das Geschäft steht, die B a nk liegt und der B a n k i er sitzt — s—— ne bich!« ,,n e b e ch!« Die Lage des Sie-ai. Wo liegt der Berg Sinai? Die ge wöhnliche Antwort ist : Auf der Halbinsel, welche im Osten nnd Westen durch die beiden nach Norden hin sich erstreckenden Meerbnsen des rothen Meere-J begrenzt ist. Auf dieser Halbinsel sind es verschie dene Berge, für die man von verschiedenen Seiten den Anspruch erhebt, der eigent-; liche Berg der Offenbarung zu sein. Nach I Einigen ist es der Diebel Musa, nach An deren der Djebel Katarin, nach Anderen der weiter westlich gelegene Serbal Ic. So allgemein es nnn auch geworden ist. den Sinai anf der sogenannten Sinaihalbinsel zu lociren, so muß man doch-gestehen, daß schweilich Jemand ans den Gedanken gekommen wäre, ihn daselbst zu suchen, wenn wir blos die hebräische Bibel hätten und den Angaben derselben folgen wür den. Nun hat Professor Grätz neuerdings die Frage nach der Lage des Siuai aus genommen, und im neuesten Heft seiner Monatsschrist, in einemArtikel, in wel chem er die Frage gründlich nach allen Seiten hin beleuchtet, kommt er zudem Schlusse, daß die landläufige Annahme ans Mönchslegenden beruhe, deren Alter nicht über das dritte christliche Jahrhundert znriickreiche, daß diese Legenden aber durch aus irrig und mit der Bibel in vielfachem Widerspruche seien. Der Berg Siuai sei vielmehr uordöstlich von Suez iu der Wüste, die südlich von Palästina sich aus breitet, und unweit der Westgrenze von Edom zu suchen. Grätz vermuthet als den wahren Sinai sogar einen bestimmten Berg in dieser Gegend, den DjebelAraif, der vor wenigen Jahren von dein engli schen PalästiiIa-zZ-orscher Palme-r besucht und beschrieben worden ist. — Jedenfalls ist der Artikel des Prof. Grä·tz aller Be achtung werth. Uno unsere Geographen, die Herren Petermann, Kiepert n. A., insbesondere diejenigen Gelehrten, welche die Geographie Paliistiua’s und der Nach barläuder sich zum Spezialstndium ge macht haben, werden nicht umhin können, die Frage nach der wahren Lage des Si nai aufs Neue in Erwägung zu ziehen. — Der vor wenigen Jahren verstorbene englische Gelehrte Charles Beke war un seres Wissens der Erste, der es bestritt, dass der wahre Hinni auf der heute soge nannten chai.Hulbinsel sich befände. Grätz bezieht sich auch ans eine bereits 1834 erschiene-ne Schrift desselben. Aber noch im Jahre 1874 schrieb der große Geograph eine Broschüre («·Moum Omcu a Vuicunu«), worin er seine eigentliche Ansicht des Näheren darlegte und zu be gründen suchte Diese Schrift scheint je doch Herrn Grätz nicht bekannt geworden zu sein. Nach Beke lag übrigens der Gottesberg viel östlicher, als Grätz es annimmt, und zwar östlich von der Nord spitze des Mecrbusens von Akabah. Der " Sinai sei, so meint B., zur Zeit der Of fenbarung ein noch thätiger Vulkan ge wesen, jetzt aber gehöre er zu den ausge brannten Vulkanen, die sich in dem Land striche zwischen dem Hauran und dem Bab-el-:Uiandeb befänden. kNach »Yakqu Geographischem Lericon kunnten die Ara ber 28 verschiedene Vulkane in diesem Gebiete.) Ein Wochenblatt, wie das gegenwärtige ist, ist gewiß der Ort nicht, eine solche Frage zum Austrage zu brin gen« Aber es dürfte doch für manche Leser von Interesse sein, von der neu sich erhe benden Streitfrage ini Gebiete der bibli schen Geographie eine Kunde vernommen zu haben. « V i Zuber die Wahrnehmung I des Anendkichew i — - I s Von F. Max Müller. (F01«tsctz11ng.s » Sie behaupten, daß der Mensch nichts Höheres kennt als den Menschen, und daß der Mensch also der höchste und ein zig wahre Gegenstand religiöser Wahr nehmung und Verehrung sein könne, nur nicht der einzelne Mensch, sondern die Menschheit. Der artliche Begriff des Menschen wird hypostafirt —- maw nennt dies wohl Genius der Menschheit -— und dann wird der einzelne Mensch zum Priester, die Menschheit aber zum Gotte. Man kann nicht leugnen, daß man zu weilen nicht nur beredte, sondern auch er greifende nnd erhebende Stellen tu Com te’s Schriften findet, in denen er nnd « seine Schüler die Religion der Menschheit predigen Viel tiefsinniges findet sich auch bei den Samt-Simonisten Feuer bach aber zerstört seblst dieses letzte Götzenbild, den Menschen. Er kennt den Menschen zu gut, um Vertrauen in seine Hingebung an die Menschheit zu haben. Er kennt die Priester der Mensch heit nnd er entlarnt sie als Heuchler ge gen sich oder gegen die Welt. So sehe-n wir also, wie jede Definition der Religion, sobald sie in den Vorder grund des philosophischen Kampfes tritt, augenblicklich eine gegnerische. Definition hervorruft, die verneint, wo jene bejaht, und bejaht, wo jene verneint. Man möchte sagen, daß es fast so viele Defini tionen von Religion gibt als Religionen, und die Feindschaft zwifchen denen, welche sich zu der einen oder der anderen Definition bekannt haben, ist oft so groß, als zwischen denen, die sich zu verschiede UCU Rcligionen bekennen. « Was ist also zu thun? Jst es denn Wirklich unmöglich, eine Definition zu fornnlliren, die auf Alles, was jemals Religion genannt worden ist, auwendbar wäre? Jch glaube es ist so, nnd die Gründe liegen in dem, was wir fkühek dargelegt haben. Religion ist etwas, was sich historisch entwickelt hat und noch ent wickelt. Sie kann daher nur bis zu ihrem Ursprung historisch verfolgt, und dann in ihren Entfaltungen begriffen werden. Man wird Religion so wenig definiren können als Civilisation, Sittlichkeit oder Freiheit. Aber wenn auch eine Definition, ja selbst eine erschöpfende Darstellung von dem, was irgendwo Religion genannt worden ist, unmöglich ist, möglich ist es, ein specifisches Merkmal zu findcn, wel ches die Gegenstände des religiösen Be wußtseins von allen anderen Gegenstän den trennt, und welches zu gleicher Zeit nnser Bewußtsein wie es gegen diese Ie tigiösen Gegenstände reagirt, von unserem Bei wich tsein unterscheidet, wie es sich in Be ug ans Dinge verhält, welche die Sinne und der Verstand uns entgegen bringen. Nur hüte man sich vor Mißverständ nissen! Es kann kein abgesondertes Be wußtsein für Religion geben. Es giebt nur ein Selbst, nur ein Bewußtsein, aber dieses Bewusstsein ändert sich je nach den Gegenständen, mit denen es zu thun hat. Wir unterscheiden ja auch zwischen Sinn lichkeit und Verstand, und sprechen von ihnen, als ob sie in zwei verschiedenen Hemisphären wohnten. Und doch sind beide nur verschiedene anctionen oder Bethätigungen eines nnd desselben Be wußtseins. Wenn wir also von unserem Bewußtsein in Bezug auf religiöse Ge genstände, als von einer besonderen An lage oder txiculkas sprechen, oder es mit Tdem Worte Glauben, in seiner ursprüng lichen Bedeutung, bezeichnen, so meinen wir damit nur wieder unser Bewußtsein, in der Form nnd Entfaltung, die es an nimmt, wenn es mit religiösen Gegen ständen zu thun hat« Es ist kein neuer