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Hinten Beding. Erzählung ans dein Anfang des neunzehnten Jahrhunderts v-:-n s. Kollis. (Fortsetzuug.) Er wandte sein Antlitz empor zu Got tes blanem Himmelsdome und leise ent rangen sich mit heiserer Stimme seiner stiiriuisch unf- nnd niederwogeuden Brust die Worte: ,,Allherr! sei gnädig und barmherzig, lade mir armen Menschen nicht Qualen auf, die ich nicht zu ertragen vern:ag, sieh! allerbarmender Gott! ich habe Dir treu gedient von meiner Jugend an bis jetzt, — ich habe nie gezweifelt an Dir, aled Du mich hart, — nusagbar hart ge prüft ..... Du allgerechter Gott, der-Du ja auch allmiidebistl Du hast mein armes «Lebeu frendlos und diister genmcht, mir Ehre und Glück genommen — und Schmach Und Elend auf mein unschuldige-Z Haupt gehäuft. . . . Du Allwissender, Du Herzensprüfer, der Du in die Tiefen der Nienschenseele blickst, vor dem die Mien schenherzeu aufgeschlagen liegen, wie ein offenes Dnch — Du weißt es, ich habe Alles still ertragen, habe nicht gemurrt, wenn auch ein blödes Menschenauge nicht zu erkennen vermochte, Unerforschlicherl —- warum Du gerade mir so unsaqbar Schweres auferlegtest .. aber nun, da ich heimgekehrt bin, da Du es mich erleben ließest, daß ich den finstern Kerker ver-; lassen —- da, —- wo ich das Ende meiners schweren Leiden zu erblicken glaubte —- da —- steigt nun plötzlich die Zukunft in so grauenhafter Gestalt vor mir auf, daß meine arme Seele verzagt nnd verzweifelt! I —- Mein Miitterlein ist todt — jeder haßt nnd verachtet mich —- und das Mädchen, das ich geliebt — wird mich nicht weniger verachten als es die Andern thnn — und wohl noch weit mehr hassen s— und Dein armes, gebengtes, zu Tod gehetztes Kind, Allvaterl —-- muß verzweifeln, wenn Du Allbarmherziger ihn nicht durch ein Wun der erretten, ihn erlösen willst. . . . Sei hnldvoll, Herr! stärke mich, verleih’ mir Kraft, daß sich meine Seele nicht aufbäumt gegen Dich — gib mir ein kleines Zeichen Deiner endlos großen Vaterhuld, durch die Dn Miriaden Geschöpfe auf Deiner weiten. großen Welt beglückst und erfreust —- gib mir nur ein kleines Zeichen, daß Du mein nicht ganz vergessen, —- der an Dir hingmit ganzer Seele und mit vollem Herzen!« Simon Reding hatte mit steigender Er regung zuletzt ganz lant gesprochen — er hielt inne, als lansche er einer hörbaren Antwort. . . . aber es blieb stille auf dem weiten öden Raum des Friedhofes. Plötzlich ergriff ihn eine wilde verzehrende Ungeduld, —- er mußte etwas thun, die« träge Rnhe des Stehens ward ihm uner- ; träglich, er mußte etwas unternehmenJ sich körperlich bewegen —- und wie von unsichtbarer Macht getrieben, eilte er, als hätte er in kurzer Frist noch ein fernes Ziel zn erreichen, vom Friedhof. . . » Es war noch früher Morgen und von dem Thurme des naheliegendcnjüdischen Rathhaufes schlug es eben drei Uhr, die Straßen waren noch völlig menschenleer; und wieder durchzog Simon ziel- und planlos das Ghetto, dessen gefchlossene Thore ihn verhinderten, dasselbe zu ver lassen. Jn jenem dumpfen, schwer beschreib lichen Zustande, der —- eigenthümlich ge nug — zwischen Gedankcnüberfülle und Gedankenlosigkeit schwankt, das heißt in jenem Zustand, wo sich aus dem verwor renen Chaos nur halb entwickelter, wild gährender, sich gegenseitig kreuzender und widersprechender Gedankenkeime, kein kla res Wollen und Begehren entwickeln kann —- war Reding endlich auch in der engen Hahnpaßgasse angelangt . . . . Plötzlich hörte er den Klang einer Mädchenstimme und erbebte bei dem süßen Ton, den seinl Ohr schon seit mehr als sieben Jahre schmerzlich entbehren mußte, er erzittertei vor Schrecken und Wonne. . . . . er blieb wie veisteinert stehen, seine Füße wollten ihn nicht weitei tiagen — nnd hätte er es auch veimocht und hätte man ihm auch eine Welt dafür geboten, —- er hätte sich nicht von der Stelle bewegen mögen . . . es war V ilhelminens schöne Alt stimme! — er wagte es nicht, seinen Blick nach der Nichtng zn wenden, ans der ihm vertraut die süßen: aiite ziiströmten, er glaubte, es sei ein Traum —- ihn täusche sein Gehör -—— die Gestalt , der diese Etimuie angehöre, würde vor seinen Augen ;ei«flieszen, wie ein schönes Licht bild, wie eine zanbeiiseh herrliche Farn moi«gana — oder —- das , das wäie noch weiteutsetzlicher gewesen — das M öd chen, an das sein trenes Herz gehangen mit iinfchildeibaier Macht iviiide sich -——o! furchtbar folternder Gedanke — mit naß, » Veiachtung, E kel von ihm abwenden nein! ei« durfte nicht aufblicken, durfte nicht von Wilheliuine erkannt werden — erschlng den brennenden Blick zn Boden, nnd legte seine ganze Seele in sein Ohr, um den Klang dei« süßen Stimme ganz nnd voll einzuschlürsen. »Ich danke Jhnen herzlich, Herr Dok tor,« sprach die Mädchenstimme »und bitte Sie recht sehr um Entschuldigung dafür, daß ich auch Jontownacht Ihren Schlaf gestört, aber sie sahen es ja, Herr Doktor-, Sie erschienen meiner alten ar men, verlassenen Muhme, wie der heilige Erzengel Rafael! Sie haben sie rasch von ihrem Krampfanfall hergestellt, daß sie heute die Shnagoge wird besuchen können Gott lohne es Ihnen, « »Sie überschätzen meine geringen Dienste,« entgegnete die Mätmerstiinme, »ich erfülle nur meine Pflicht, es ist ja mein Beruf den Leideuden, Kranken bei zustehen — Sie aber, Fräulein Wilhel mine, Sie sind ein Engel an Güte, Frömmigkeit und —- ich bin ein alter Mann, ich darf es mir zu sagen gestatten — auch an Schönheit; was Sie anIhret alten, launischen Muhme thun, kann Ih nen nur der Allmächtige lohnen. . . . Sie müssen noch recht glücklich werden, — hier auf Erden glücklich werden. —- Sie müssen einen braven, tüchtigen Gatten bekommen ..... aber Kind! ich habe es Ihnen schon gesagt, es war unnöthig mich mit der Lampe über die dunkle Stiege hinunter zu begleiten, ich hätte mich die bekannte Treppe schon heruntergetastet — und Sie haben die halbe E)"tachtdurchwacht, schonen Sie Ihre schönen Augen, die Sie auch sonst übermäßig anstrengen, —- der alten Frau geht es gut, legen Sie sich nieder und schlafen Sie sich ganz gehörig aus-, Sie haben es nöthig, liebe Wilhelminel — und guten Iontow ! « Ein Moment, ein einziger unendlich kleiner Theil des endlos großen Zeiten rades kann, wenn es Gott so beliebt, in ein Menschenherz in wunderbarer Weise Trost und Glück bringen. Eines hatte Reding jetzt — gerade jetzt, wo er allge waltigcr, übermächtiger Verzweiflung zu erliegen drohte, —- erfahren, was ihm — er wußte im ersten Augenblicke nicht wes halb, unendlich wohl that. Wilhelmine Erdmann war frei, und als der Arzt davon gesprochen, daß sie einen Gatten finden würde, da kam es ihm vor —- ob er sich nicht getäuscht hatte? — als wenn ihrem Busen ein tiefer hör barer Seufzer entstiegen wäre, ol kühne, undenkbare Vorstellung ! sollte Wilhelmine ihn — wenn auch nicht lieben —- der Ge danke schien ihm unter den bestehenden Verhältnissen heller Wahnsinn, — aber doch beinitleiden, nicht verabscheue11?! Er blieb einige Sekunden gedankenschwer, von seltsamen Gefühlen übermannt, noch immer den Blick zu Boden gesenkt, stehen. Die Tritte des Arztes verhallten in dem öden Gäßchen, nun dachte Reding, wäre Wilhelmine wohl in ihr Haus, zu ihrer alten Muhme zurückgekehrt, er wollte jetzt zaghaft den Blick erheben, um wenigstens das Hans zu sehen, in dem das einzige Wesen, das ihm theuer war auf Erden, lebte, als er plötzlich einen lauten Ausruf hörte, sich plötzlich von zwei Armen um fehlnnqen fühlte» .Wilhelinine Erdinann binq fchlnchzend an feinem Halse, — das scheue schiichteIne, reine Mädchen das ihn, ihrenVeilobten, fiiIueinnreIIöthend anaeblickt, fchaInhaft erzitteit war, wenn er zufällig the Hand streifte, hing auf offenei·, wenn auch jetzt inenfchenleerer Sstiaße an feineIn Halse! Ein Gefühl des höchsten Glückes dnichstömte init einem Male erfiifchend nnd befeiigend fein Oeizz er war nicht von Allen verachtet nnd veiftoßen —- es gab noch einen Menschen, del an ihm Init tIeueI, inniger, uneIfchiit teI lichei Liebe hing, und dieser eine Mensch war — Wilhelmine Erdmann, das Mäd chen, dein ei in 1einei, inniger Neigung zugethan waI! Simon Reding war fromm und gläubig bis in deu Urgrund seiner Seele, und als er sich plötzlich in ein e m Momente von endlos tiefem Elend zur höchsten Wonne seligteit emporgehoben fühlte, war trotz der hochauflodernden Lebhaftigkeit feines Empfinde1163, doch der erste Gedanke, daß Alles von Gott komme, daß jedes Unge mach und jedes Glück, das der Mensch empfängl, vom Allvater stamme — daß der allerbarmende Gott, der auch ein all mächtiger Gott ist, seiner nicht vergessen daß sein allschauendes Vaterauge auch gnadeuvoll auf ihn herabgeblickt hatte! . . . . Einige Minuten lang war er sprach los vor Entiückeiy und blickte nur in das Antlitz des schönen Mädchens, an dessen langen Wimpern Thränen zitterten, wäh rend ein glückliches, wehmüthig süßes Lächeln ihre Lippen umspielte. ,,Simon, mein armer, armer Freund !« rief das Mädchen, »ich habe mich unend lich nach Dir gesehnt —- und nun seh’ ich Dich wieder, habe Dich wieder.... ich fürchtete schon.... ich würde Dich nie mehr auf Erden wiedersehen! ich fürchtete-, Du wärst dem unverdienteu, namenlosen Elende erlegen. . . . o ! Gott im Hitiilnel wie kann ich Dir danken!« Jetzt erst fand Reding das Wort nnd in wild iiberschänmendem Gefühle rief er: ,,Wilhelmine, ists wahr? Jst es nicht eine Täuschung, nicht ein schönes Traum bild, das meine armen Sinne blendet, nnd plötzlich in Nichts zerrinnt? — o! nein, nein! das kann nicht sein, d a s wäre, nach dem was ich erlitten, zu hart! ..... nein! nein! es istgoldne, herrliche Wahr heit! . . .. Also Wilhelmine! Du holde, süsze Wunderblume ! . . . . Du haßest mich nicht, Du verachtest mich nicht? Du sagst, ich habe un v erd i ent gelitten. . . .Du glaubst nicht, daß ich ein Berbrecher, ein Dieb bin! und —- und — Du liebst. . » den armen entlassenen Kettensträfling noch? . . . . o! ich les’ das Alles in Deinen schönen, lieben, schwarzen Augensternen, — aber ich fürchte fast, meine armen Sinne sind in langer, schwerer Kerkerhaft stumpf geworden. . . . laß mich’s auch hö ren, mit Deiner schönen Stimme silber hellem Klang!« »Ich Dich verachten? ich glauben, daß Du ein. . . . ah !« Wilhelmine fnhr mit einer krampfhaften Bewegung an’s Herz, als würde der Gedanke ihr einen stechen den Schmerz verursachen . . . »Du bist mein Höchstes auf der irdischen Welt, mein Alles. . . . Du bist der Einzige auf Erden, der mir geblieben. . .. . meine Mutter starb früh, mein Vater ist todt. . .« »Du hattest einen Bruder, einen wacke- » ren jungen Mann,« frug Reding er schrocken, ,,er stand in der Blüthe seiner Kraft und Jahre als ich. . .. als ich. . .. von hier scheiden mußte — er lebt doch . er wird doch nicht....« , (Fortsetzung folgt.) Juden in Griechenland wäyrend des f Mittelalters. Jn dem trefflichen Werke von G. H. H e r tz b e r g , »Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Cultur lebens bis zur Gegenwart« (3 Bde. Gotha 1876-—1878) wird aus dem zwölften Jahrhunderte , wo Griechenland bereits von zahlreichen fremden Völkerschaften, den Aoaren, Bnlgaren und anderen Slaven, von den Normanen, Franken und Ita lienern überschwemmt und durchsetzt wor den war, auch berichtet: »Außer diesem neuen ethnographischen Elemente machten sich im 12. Jahrhunderte noch zwei andere Bestandtheile Griechenlands geltend, wel che schon früher vorhanden, aber minder bedeutend waren. Den einen bilden die Judenschaften, welche zu Naupaktos und Pataä, in dem reichen Theben und Ne proponte (Eubäa), sowie auf den Inseln an der makedonischen und asiatischen Küste besonders zahlreich waren, als Acker baner und Jndustiielle zn gro ßem Wohlstande gelangten und selbst namhafte Talmnd- Uelehrte aufzuweisen hatten Als der andere der oben erwähn ten Bestandtheile erscheinen die Wlachen, die ans romanisirten Volkstheilen in Thra kien und Makedonien, im Pindosgebirge und in Epirus erwachsen ff. — Gegen wärtig finden sich Juden am zahlreichsten auf den Jonischeanseln nnd in der Stadt Theben, dem jetzigen Thiva, einer freilich unbedeutenden Stadt, die jedoch bei ihrer Lage in einer fruchtbaren Landschaft eine Zukunft hat. . (All. Z. .d. J.) Jst das Wochcufcst der Gesetz gebuugstag? ll. Die Fixirung des Gesetzgebungstags auf den sechsten Tag im Siwan beruht auf zwei Bormcsfetzungem I. der Bibelvers (2. V. M, 19, 1,) wärc zu über setzen: »Am dritten N e um o n d S t a g e »nach dem Auszugc Jsraels aus Egyp »ten, an diesem Tage langten sie in der ,,Wüste Sinai an.« heißt nicht: im dritten Monat, sondern: am dritten Neumondstag. 2. müsse man mit demThalmudD au nehmen, am ersten Tage der Ankunft waren Mosche und Jsrael zu ermüdet und abgemattet, was Ernstliches vorzuneh men, am zweiten Tage habe er diese An ordnung getroffen, am dritten jene ec. bis zum sechsten. Was nun die erstere Vor aussetzung betrifft, so läßt sich darüber streiten. Cs handelt sich da um die rich tige Uebersetzung eines Wortes. Die zweite Voraussetzung aber-ist die reine Hypothese. Eine Rechnung von sechs Tagen war erwünscht. Das Papier ist geduldig ; es ließ sechs Tage auf sich schrei ben; es hätte auch gegen zehn und mehr nichts eingewendet. Jn der That, wenn man das betreffende Kapitel unbefangen liest, und bemerkt, wie oft es da heißt: Mosche ging hinauf, Ptosche ging hinab, Mosche hatte Das und Jenes zu sprechen, anzuordnen, Reden hin- und herzutragen, bergauf, bergab, daß eine Annahme von zehn und mehr Tagen größere Wahrschein lichkeit für sich hätte als deren sechs. Doch dagegen läßt sich nicht streiten. Es kann ja möglich sein, daß man mit der Annahme von sechs Tagen zufällig das Rechte ge troffen hat, sonst wäre es ja nicht einmal eine Hypothese; allein jede andere Zahl wäre nicht minder möglich. Wir beschrän ken uns darum auf Prüfung der ersten Voraussetzung Prüer wir zuerst die thalmudische Quelle. R a b a meint an oben bemerkter Stelle, wenn man auch über das Datum des Gesetzgebungstags, ob am sechsten oder siebenten Tag im Silvan, getheilter Meinung sei, darüber sei man aber einig, daß . jZHII .dritte«n Neu mondstag bezeichnet. Allein mit dieser Einstimmigkeit täuscht sich Raba. (S. Pesachim p. 6.) Auch bedient sich Raba dabei einer Hermeneutik, tdie gut thalmu disch ist (.-nw msw ; aber gerade damit zu erkennen giebt, daß auch ihm die Deu tung des als Neumonds tag als einfache Worterklärung dem ge sunden Menschenverstande fern lag. ne) Tractat Schabbath p. 87. \n\n בחדש השלישי י 1צאת בני ישרא מארץ ביום הזה באו מדבר סיני בחרש השלישי בחדש השלישי בחדש השלישי