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Das Gelübde des Matrosen. Die Fregatte „Psyche" segelte von Toulon nach Afrika ein prächtiges Schiff mit 44 Kanonen vom schwersten Kaliber und 400 Mann, ungerechnet dieOfficiere den Koch und den gefrässigen Suluk. Den Namen Suluk führte ein großes Schwein, das bereits seit einem Jahre sich auf dem Schiffe-befand und der Mannschaft nicht wenig Unterhaltung machte. Eines Tages, während die ganze Mannschaft in Parade auf dem Verdecke stand, wußte Suluk aus seinem Behälter zu entkommen und trieb sich hinter de« Reihen herum. Ein Ofsicier verlas eben einen Tagsbefehl, als sich ein mächtiges Grunzen vernehmen ließ. „Wer brummt da rief der Ofsicier in strengem Tone Niemand rührte sich. Aber die Leute, hinter denen Suluk sich herumtrieb sin gen zu lachen an roth vor Zorn schrie der Ofsicier: „Was, die Kerls machen sich noch über mich lustig? Achtung! Der, welcher vorhin gebrummt hat, trete vor!" Die Reihen öffneten sich und Sn luk erschien, abermals und noch heftiger grunzend, mitten auf dem Verdeck. Da brach nun die ganze Mannschaft in ein brüllendes Gelächter aus, die Ofsiciere und selbst der Capitän, der auf den Lärm herbeigeeilt war, wußten nichts Besseres zu thun, als mitzulachen. v Ein einziger Mann theilte die allge meine Heiterkeit nicht, Palanquin, ein alter Matrose, der mit allen Wassern gewaschen war. Vor nicht langer Zeit hatte er an der afrikanischen Küste Schiff Irnich gelitten, war dann nach Frankreich zurückgekommen und seitdem wie umge wandelt. Früher war er der lustigste Matrose gewesen, den man finden konnte, unerschöpflich an Erzählungen, Schnurren und Liedern auf einmal wurde er schweigsam und zog sich von aller Gesell schaft zurück. Wenn er vom Dienste frei war, faß er zwischen ein paar Kano nen und starrte vor sich hin. Nun war an Bord der Pysche ein Schisfskaplan, einer jener edlen und weisen Priester, die mit den Matrosen so gut umgehen können. Eines Mor gens ging Herr Düfour, so hieß der Geistliche, auf dem Verdeck spazieren da trat Palanquin schüchtern zu ihm hin und drehte verlegen seinen Hut zwischen den Fingern. „Was gibt's mein Lie ber fragte lächelnd Herr Düfour. „Ew. Hochwürden, ich hätte ein paar Worte mit Ihnen zu reden." „Nur zu, mein Lieber." „Sehen Sie, Hochwürden, ich bin traurig, es freut mich nichts mehr, nicht einmal meine alte Pfeife." „Nun so sage mir, was dich drückt vielleicht kann ich dich trösten." „Ja, ich habe etwas Schweres auf dem Gewissen, ich habe, glaube ich, den lieben Gott zum Besten gehabt." Der Geistliche hatte zu thun, um das Lachen zu verbeißen und fragte „Was hast du denn gethan?" „Ja, sehen Sie, Hochwürdeu, das ging so zu. Ich hatte mich schon viele Jahre in allen Meeren herumgetrieben und ich befand mich dabei so wohl wie der Fisch im Wasser. Da lernte ich einen Matro sen kennen, Nusso hieß er, und war ein Bursche, der uns Allen warm machte. Gleichwohl habe ich ihn jetzt so gern wie meinen Bruder, und ich möchte Nieman den rathen, ihm zu nahe zu treten, sonst hätte er es mit mir zu thun. Es ist noch nicht so lange her, da segelten wir im Kanal Mozambique. In einer Nacht brach ein Sturm mit unerhörter Heftig keit los ehe wir uns umsehen sind un l'ere Segel zu Grunde gerichtet, der Ne gen schießt nur so herunter, Donner und Blitz fährt dazwischen, es war ein Höllen spektakel. Die ganze Nacht warf es uns hin und her. Gegen Morgen hieß es: „Klippen!" Die Steuerleute arbeiteten aus Leibeskräften, aber was half's? Der Sturm warf uns auf die Klippen, Alles ging drunter nnd drüber, ich lag, ehe ich's mir versah, im Wasser, ent wischte aber glücklich eine Segelstange, klammerte mich daran und eine mächtige Welle rollte mich an's Land. Schnell raffte ich mich auf, und wer steht mir ge genüber Nusso, der sich allein von der ganzen übrigen Mannschaft gerettet hatte sonst war Alles ertrunken. Nun waren Russo und ich allein auf einem uubekaunten Lande, ohne Waffen, ohne Lebensmittel und wir hatten weiter keine Aussicht als die. Hungers zu ster ben. Russo, der doch sonst ein tüchtiger Kerl ist, zeigte nicht übel Lust zu weinen ich aber sagte: Geh, beten wir, am Ende läßt uns der liebe Gott doch in die sem Hundeland nicht umkommen." Russo nahm sich zusammen, und wir, die wir bis dahin nicht besonders gut mit einander gestanden waren, verspra chc'O uns, nach Kräften beizustehen. Mir warmes in diesem Augenblick gerade, als ob der Andere mein Bruder wäre. „Aber," sagte ich, „mein Magen ist leer wie eine Trommel, und ich hätte nichts dagegen, wenn ich etwas zu essen hätte." .Während ich dies sagte, sah ich ein Fäßchen von ziemlichem Umfang auf die Küste zutrei ben. „Da," schrie ich, „gibt's was zu essen!" „Ach!" sagte Russo, „wenn es das wäre! Mag es sein, was es will, aber ich schwöre wenn ich wieder nach Hause komme, ich lege es in meine Schuhe und wallfahre damit zur Kapelle Unserer Lie ben Frau vom Schutz." Ich machte das nämliche Gelübde wie Russo. Das mag Ihnen ein wenig dumm vorkommen, aber Ew. Hochwürden müssen bedenken, daß wir damals einigermnßen den Kopf ver loren hatten. Mit unfern Messern bra chen wir das Fäßchen auf und fanden Erbsen darin. Wir machten Feuer an und kochten die Dinger das half doch wenigstens gegen den ärgsten Hunger. Nach zwei Tagen nahm uns ein vorüber fahrendes Schiff auf und brachte uns wieder ziiach Frankreich. Das mar eine Freude als wir die Heimuth wieder sa hen Wir weinten wir umarmten alle Leute, kurz wir wußten nicht, was wir th fttvn „Das glaube ich gern, mein Freund. Aber wie ging es mit eurem Gelübde?' „Ja so. Eines Morgens kam Russo zu mir als ich noch im Bette lag. Er hatte sich ganz hübsch herausgeputzt und machte ein ungeheuer feierliches Gesicht. „Kamerad," sagte er „ich hole dich zur Kapelle Unserer Lieben Frau ab. Da in meinem Sacktuche habe ich die Erbsen, auf denen wir gehen müssen. Da hast du die Hälfte davon, mache dich fertig, in einer Stunde hole ich dich ab." Ich sagte zu mir selbst: Sein Wort muß der Mensch halten. Ich stopfe also das Ge müse in meine Schuhe und gehe einige Schritte. Ach, Hochwürden, wenn Sie jemals ein Gelübde machen versprechen Sie nur nicht auf Erbsen zu gehen das ist schrecklich! Ich überlegte bei mir, daß ich mit den trockenen Erbsen in meinen Schuhen in meinem Leben nicht zur Ka pelle käme. Da kam mir ein Gedanke, den mir, glaube ich, der Teufel eingege ben hat. Ich nehme einen Tiegel und koche die Erbfen. Dann that ich's in die Schuhe und marfchirte ganz leicht, es war wie ein Umschlag. Russo kam und ging mit mir. Der brave Mensch hatte die trockenen Erbsen in den Schuhen er schnitt zwar fürchterliche Gesichter, aber er maschirte heldenmüthig vorwärts. Endlich sagte er: „Kamerad ruhen wir ein wenig aus, meine Füße tragen mich nicht mehr. Wie machst es denn nur du daß du gar nichts spürst? Ich für meinen Theil möchte lieber auf allen Vieren krie- chcit, wenn ich nicht fürchtete, den lieben Gott zu beleidigen." Bei diesen Worten meines Kameraden empfand ich schreckliche Gewissensbisse. Ich sagte aber keine Sylbe. Wir kamen in die Kapelle und wohnten der heiligen Messe bei. Dann zog Russo seine Schuhe aus und streute seine Erbsen in den Wind ich zog mich still in einen Winkel zurück. Russo ging fröhlich pfeifend nach Haufe ich schlich mich beschämt und är gerlich davon. Zuw ersten Male in sei nem Leben hatte Franz Palanquin sein Wort gebrochen!" Der Matrose schwieg eine Thräne rollte über seine gefurchte Wange. Herr Düfour reichte ihm die Hand. „Du bist ein braver Mnnn," sagte er, „und ein guter Christ. Gott ist der liebevollste Vater, er verzeiht Jedem, der bereut. Komm mit mir in meine Kajüte!" Niemand weiß, was der Priester, und der Matrose da besprachen aber am Abend dieses Tages rauchte Palanquin wieder seine Pfeife und saug lustig zum Erstaunen der ganzen Mannschaft. Wer ihn aber in der Folgezeit beobachtete, konnte wahrnehmen, daß Franz Palan quin drei Jahre lang nichts als Wasser trank und wer die Matrosen kennt, weiß, was das heißen will. Der preußische Culturkampf. Der „El. Volkrennd" berichtet: Wieder einen neue» Akt in dem Drama des Eul tnrkampfes haben wir zu regiftriren, der gestern spielte auf dem großen Markte, der alten Residenzstadt Eleve an derselben Stelle, wo die Schaubuden pflegen auf gestellt zu werden. Die Wichtigkeit der Vorstelluu'g sprang sofort in die Augen Es fuhr vor ein deutscher Extrapostwa gen, bespannt mit drei Postpferden, der Postillon auf seinem Sitze, mit dem Horn an der Seite, im Wagen der Executor W. mit seinem Sohne und hoch oben auf dem Postwagen die Möbel der gesperrten Pfarrer von Donsbrüggen und Bimmen. Eine zahlreiche Menschenmenge war ver sammelt. Kein Wunder denn was hier zu sehen war, hatte noch keiner gesehen. Siamesische Zwillinge, „allerlei Sorten von gezähmten und ungezähmten Thie ren, equilibristische Künste in den ver schiedenen Circiissen hatte man schon wohl gesehen nud angestaunt aber eine deutsche Reichspost als Frachtkarre zum Dienste des Steucrexecutors hatte noch Niemand zu sehen Gelegenheit gehabt. Was kein Fuhrmann 'in Cleve und ei ner Meile Umgebung thun wollte, das that die deutsche Reichspost, sie fand sich berufen eine Lücke in den Maigesetzen auszufüllen. Man hatte angefragt bei allen Fuhrleuten, ob sie nicht erbötig sei en, die Möbel der gesperrten Pfarrer von Donsbrüggen und Bümmen nach dem Auctionslocale in Cleve fahren zu wollen, und ihnen eine große Summe dafür ge boten. Aber Alle lehnten es ab. Der, bei welchem zuerst angefragt wurde, er klärte: Ich verdiene gerne Geld, aber wenn Ihr mir auch 1000 Thlr. bietet, diese Möbel fahre ich nicht und in die sem Sinne sprachen sich alle andern aus. Jedoch als Retter in der Roth erschien der hiesige Postdirector Obcrstlieutenant v. Wighmann. Er commandirte: der Postwalter müsse i vor acht am 20. d. M. zu seiner Verfügung Pferde anf dem Posthofe stellen es solle ein zehnsitziger Wagen befördert werden, um den Post director selber nach Bimmen zn fahren uud um dort Güter aufzuladen. Zur genannten Zeit stiegen nun drei Personen in deu Postwagen, der mit drei Pferden bespann war, nämlich der Herr Postdirec tor Oberstlientenant v. Wighmann der Steuer-Executor W. und sein Sohn und sie fuhren zusammen gen Bimmen. Dort wurden nun die Mötel des Pfarrers auf geladen, dann wurde nach Donsbrüggen Ohio Waiseusreund. 7. gefahren uud nachdem auch hier die Mö bel hoch oben auf den Wagen gehoben waren, langte der Postwagen gegen 6 Uhr ans dem großen Markt in hiesiger Stadt an. Die Post hatte ihre Schuldigkeit ge* than jetzt begannen die Leiden des Exe cutors. Alle Auctionslokale am großen Markt versagten nicht einmal das Trot toir wollte man hergeben als Aufstet* lungs ort der Möbel. An Hülfe für den arbeitenden, schwitzenden, keuchende» Executor war nicht zu denken, das ganze Collegium der Eckensteher verweigerte trotz glänzender Anerbietung den Dienst. Lieber, daß mir die Knochen vom Leibe fallen, sprach der Senior derselben, als daß ich meine Hand an diese Möbel lege. Ali Schutz war jedoch kein Mangel so* sort als det Postwagen in die Stadt ein fuhr, wurde Militär requirirt, 12 Mann Soldaten nebst einem Unterofficier stau den anf dem großen Markt unter dem Gewehre und vier Gensd'armen beweg ten sich auf dem Platze. Ein eigcnthüm- liches Bild bot das Abladen der MobeL Hoch auf dem Postwagen stand der Exe cutor, einen Strick in der Hand, diesen, band er anf jedes einzelne Stück unfr ließ es so von der Höhe aus den Bodew herab. Das zahlreich anwesende Publi- kutn, welches dem Schauspiele zusah, machte seinen Gefühlen Luft durch die Rufe: der heilige Vater lebe hoch, hur rah trotz des Unwillens der Wehrmän un er, die mit gewichtiger Miene das Volk zum Schweigen aufforderten. Endlich konnte die Versteigerung die schon auf 11 Uhr Vormittags angesetzt war, vor sich gehen. Einige Pfarrkinder des Hrn. Küppers ans Donsbrüggen kauften die Möbel an in der Höhe der Summe, wozu der Pfarrer verurtheilt war. Jetzt wa ren sogleich hundert Hände bereit, die Gegenstände auf eine bereit gehaltene' Karre zu laden. Einigesprangen anf die Karre, andere stritten sich fast um die Ehre, irgend Etwas darauf heben zu hel fen. So waren im Nu die Möbel auf geladen, und min ging es unter den jauch zenden Rufen: Hoch! Hurrah! fort. Hunderte von Menschen folgten der Karre um sich diesem Triumphzuge anznschlie- ßen. Die Begeisterung stieg immer hö her, je weiter man kam. Erst im Thier- garten verließen die Meisten den Zug, während doch noch Zahlreiche dem Rufe „Mit nach Donsbrüggen" unter Hoch und Hurrahgefchrei Folge leisteten. An ßerhalb der Stadt wurde die Karre mit belaubten Zweigen geziert. Lieder wie: Das ist der Tag des Herrn, Großer Gott wir loben Dich! :c. wurden gesungen. Da ertönt der Ruf: Das Pferd ausge spannt! Wir wollen ziehen Und gleich sind wohl dreißig bereit, dem Rufe zu folgen Doch der Fuhrmann gab das nicht zu, uud so brachte trotz des häufig wiederholten Rufes das Pferd die Möbel bis nach Donsbrüggen. An der Woh nung des Herrn Pfarrers angekommen stimmte man wieder die oben erwähnten Lieder an, dem dann die Rufe Der Herr Pastor lebe hoch! Hoch! Hoch! folgten. Darauf entstand ein förmlicher Wettstreit, wer die Möbel des Herrn Pastors in's Haus tragen sollte indem jeder Hand mit ans Werk legen wollte^ Unterdessen erscheint auf allgemeines Verlangen der Pastor und spricht mit ei ner Rührung, die ihm das Sprechen fast unmöglich macht, folgende für Manchen unvergeßliche Worte: Ich danke JI)ncnr meine Freunde, für diesen Beweis Ihrer Theilnahme, den Sie mir heute gegeben haben. Bewahren Sie stets diese Gesin nungen, die Sie heute an den Tag legten. Daraus wird dem Herrn Pastor ein drei faches, kräftig widerhallendes Hoch ge- bracht, worauf sich die Menge verlief.