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(Fortsetzung) Claude erkannte unmittelbar, daß um ihn Heruni sich die Vedhältnisse zum Schlimmern wandten. Wohl schrieben ihm Paula und die Kinder regelmäßig jede Woche aber sie konn- ten natürlich nicht über die Angele genheiten der Fabrik mit ihm spre chen, die gegenwärtig doch seine Hauptsorge bildeten, und sonst besaß der junge Mann unter der namenlo sen Menge dieses gewaltigen Paris keinen einzigen Freund, bei dem er sich hätte Rats erholen können. 23 er* lassen von seinem Vater und den ehe maligen Kameraden von Val d'Api, verfolgt von dem selbstsüchtigen Has se des Ingenieurs und Sandrins, war er sogar versichert, selbst von seinen offiziellen Arbeitgebern so ziemlich vergessen zu seilt denn Bruno und Alberte waren durch ihre künftige Heirat und durch die Verdrießlichkei ten der Erbschaft zu sehr in Anspruch genommen, um sich irgendwie unt das innere Leben und die moralischen Leiden ihres Werkführers zu küm mern. Das Ereignis ist jetzt unter den Leuten fast cht öffentliches geworden: Bruno de Saint-Agilbert wird sich nächstens mit Alberte verheiraten. Tie Nachricht erregte unter den alten Pariser Bekannten der Baronin ein bißchen Aufsehen, und das war alles. In den Werkstätten fand sie kaum Beachtung. Ter Arbeiter bezahlt mit derselben Münze, die er empfängt. Hr. de Saint-Agilbert gibt sich nicht mit den von ihm beschäftigten Leuten ab, und folgerichtig ist er seinem gan zen Personal mehr oder weniger gleichgültig geworden. So sehr in ge wissen Geschäften der Arbeitgeber und die Arbeiter durch herzliches Wohl wollen vereint sind und die Glieder einer großen Familie bilden, eben so sehr herrscht hier Trennung und Vergessenheit Mag er sich mit dent Monde verheiraten, wenn es ihm beliebt, dieser kleine Stutzer, die Ar beiter werden deshalb keine fünfzig Centimes mehr in der Tasche haben! ... Eher noch einen Franken weniger denn o närrische Welt! man wird wahrscheinlich dem Fräulein ein Hochzeitsgefchenk machen müssen, ein natürlich ganz freiwilliges Geschenk ., wenn man nicht schleunigst zum Tempel hinausfliegen will! In Fleurines aber regen sich die Dorfbewohner weit mehr auf. .. Ein Teil der Gegend spricht unzweifelhaft jetzt eine andere Sprache und holt sich seine Geistesnahrung bei neuen Män nern, da ja der alte Herrensitz, der vormals für den geistigen Zustand der Umgebung allein maßgebend war, keine Anregung mehr bietet. Trotzdem erschüttert die gar zu schnell aus die Beerdigung der Baronin folgende Ankündigung dieser Heirat die allge meine Gleichgültigkeit, die man hin sichtlich des Schlosses im gegnerischen Lager zur Schau trägt mit unver hehlter Schadenfreude stellt man den augenscheinlichen Niedergang fest man verhöhnt die enttäuschten Bau ersleute und macht sich in allen Schenken über ihre zerstörten Hoff nungen lustig. Denn jetzt ist's aus damit. .. aus für immer! Bis zur letzten Stunde hatten sich im Dorf etliche Alte, die weniger unversöhnlich waren als Ma thurin, mit der Hoffnung geschmei chelt, daß der Tod der Mutter den flatterhaften Vogel ins Nest zurück führen werde. Fortan muß man auf diese Illusion verzichten. Und nicht ohne tiefen Schmerz erinnern sich die Alten, wie die Saint-Agilbert mit solcher Liebe an dem Boden hingen, der sie erzeugt hatte, und wie sie so stolz auf ihre Abstammung und den Ursprung ihres Wohlstandes waren wie die alte Baronin bei ihren Lebzeiten keinem dunkeln Ehren mann, und wäre es auch ein Millio när gewesen, in ihrem Hause Zutritt gestattete, und wie sie gleichwohl auf ihren einsamen Spaziergängen durch die Wälder den Holzhauern die Hand drückte und deren Kinderchen liebko ste. Nein, von nun an darf man sich darüber keine Illusion mehr machen, es ist wirklich das Ende, der Zusam menbruch in der Schande, der Unfall, von dem man sich nicht mehr aufrich e Die Bauern kennen die Braut sehr gut, „die Alberte", wie sie sagen diejenige, die nun bald im Galawa gen durch das geschichtlich merkwürdi ge Gittertor fahren wird, an dem die verschlungenen Wappen der edeln Ge schlechter Saint-Agilbert, Valmont und La Ferlandiere glänzen Sie haben dieselbe in Val d'Api an der Arbeit gesehen und wissen, daß sie der Sozialer Roman toon Pierre V 61 11 e Uebersetzung von F. MerSmaan böse Geist der Talschaft war und Bankrott, Unehre und Blut hinter sich zurückließ Sie, die Fallitin ... die von Hrn. Jacques Verachtete ist also von Bruno in diesem Hexenkessel von Pa ris aufgefischt worden, wo sie gestran det ist, wie alle diejenigen, die etwas zu verbergen haben! Sie wird eines schönen Morgens am Arme des Grasen stolz und siegesgewiß ihren Einzug in eine Gegend halten, wo man sie einst mit Steinen beworfen hat! Sie wird vom Grafen in das von Trauer erfüllte Gemach der Baronin geleitet werden! Sie wird, wie vormals, einem überall begegnen, auf allen Wegen und Ste gen ... ja, vielleicht fogar in der Kirche! So dachten und sprachen die Bau ersleute. Was hätten sie aber erst ge sagt, wenn ihnen die volle Wahrheit bekannt gewesen wäre, daß nämlich die Verlobte des jungen Grafen fast die einzige Ursache des plötzlichen To des der alten Baronin war Bruno empfängt deshalb Tag für Tag aus Val d'Api teils bittende, teils zornschnaubende Briefe, aber er schreitet über all diese Betrübnis und Entrüstung mit Verachtung hinweg und hält es nicht einmal der Mühe wert, die Gefühle seiner Landsleute in nähere Erwägung zu ziehen. Er, der abgefeimte Egoist, will nun ein mal keine andere als Alberte heira ten er heiratet sie, selbst wenn ihm ganz Fleurines den Rücken kehren sollte. Er will überhaupt gar nicht wissen, was man in der Oeffentlich feit über ihn oder über sie sagt Wozu das? Die Sache läßt ihn völlig kühl! Wo sein Vergnügen aufhört, da hört für ihn auch die Welt auf Dabei nimmt er nicht einmal auf sein materielles Interesse Rück ficht, da er sich für reich genug hält, um sich diese unnütze Mühe ersparen zu dürfen. Er verlangt von all die sent Lumpengesindel nur dies eine: daß sie sich nicht mehr um ihn küm mern möchten, als er sich um sie küm mert ja, er verlangt, offen gestan den, im Grunde seiner Gedanken von ihnen nicht einmal dies allergeringste Maß von Teilnahme Mögen sie seilt Verhalten bekritteln, falls sie ih re Zeit damit vertrödeln wollen! Er setzt sich darüber hinweg! Ganz anders aber verhält es sich mit Alberte. Seit dem Tode der Ba ronin wird sie ihres T-aseins nicht mehr froh. Schon einmal hat sie in ihrem Leben eine ganz ähnliche Kri sis durchgemacht Sie glaubte schon dett Sieg errungen zu haben, als sie durch die Ereignisse weniger Stunden über die sprichwörtliche Ent fernung belehrt wurde, die den vol len Becher von den verlangenden Lippen trennt. Tie Aussicht auf diese Heirat hält ihren^ Geist buchstäblich im Banne! Sie, Alberte Harmster, die Aben teuerin der Lederfabrik, die Besiegte des Bois-Roux, kehrt als Gräfin de Saint-Agilbert nach Val d'Api zu rück! Welch ein Traum! Diese Vorstellung beherrscht sie dermaßen, daß sie ihre ganze Willenskraft und ihre ganze weibliche Erfahrung auf bieten muß, um nicht zu frohinütig und zu aufgeregt zu erscheinen und keine allzugroße Eile kundzugeben, die Angelegenheit schließlich unwider ruflich unterzeichnet und besiegelt zu sehen Während sich Bruno notgedrungen in Fleurines aufhält, ist sie in Paris allein und bleibt da oft ganze Tage lang eingeschlossen in ihrer Wohnung, die ihr jetzt nur noch den Eindruck ei nes provisorisch hergerichteten Gast Hofzimmers macht. Und es jagt da hinter ihrer glühenden Stirne ein Traum den andern, ein Schreckge spenst das andere Alberte wird jetzt zu einer tragischen Pierette, die in fieberhafter Aufregung ihren Milchtopf trägt, da sie aus Erfah rung weiß, daß er ihr jeden Augen blick entgleiten und ihre teuersten Hoffnungen zu ihren Füßen wie Was ser zerrinnen lassen kann aber trotz alledem baut sie unermüdlich Luft schlösser und es will ihr nicht gelin gen, den Gedankensturm dieses Ge Hirns zu beschwichtigen, das Tietsch nicht für schwer genug hielt, und das doch eine ganze Welt in sich birgt ... Und so sind denn die Pläne der weiblichen Strategie im besten Zuge. ... Soll sie sich ein wenig von Bruno zurückziehen, sich seltener zeigen zurückhaltender sein. sich mehr in der Entfernung halten Soll sie die Rolle einer Zartfühlenden spie len, wodurch jene Männer, die ein bißchen Gemüt habe», sich so leicht fangen lassen m.i Jetzt, mein Herr, sind Sie reich mtb haben niemand mehr nötig. Ich fürchte nur, Sie könnten ihr ge gebenes Wort bereuen Wäre es also nicht besser für Sie, mich in mei ne Einsamkeit, in meine stille Trauer zurückkehren zu lassen Ach, vielleicht hätte ich mich nie daraus entfernen sollen .!" in entgegengesetzter Richtung betäti gen Soll sie den jungen Mann mit ihrem Einfluß umgeben, ihn da mit umhüllen und durchdringen, ihn eifersüchtig jedem anderen Einfluß entziehen Freilich steigt in die sem Falle die Gefahr auf, daß das Joch zu augenscheinlich auf ihm lasten könnte Und wenn er gar in Ver suchung käme, es von sich abzuschüt teln Es bleibt ihr also nur der goldene Mittelweg: ein beständiges Erspähen des richtigen Augenblicks. Sie wird zur Stelle sein, wenn man nach ihr Verlangen trägt, und sie wird sich eine Minute vor dem Zeitpunkte zu rückziehen, wo man ihrer überdrüssig werden könnte .. Ihre überreizte Phantasie wird von allen erdenklichen Fragen be stürmt Welch endgültige Rich tung wird Bruno nun einschlagen? Hat er sich das Verschwinden sei ner Mutter tiefer zu Herzen genom men Ist der hejlige Funke her ausgesprungen, der mit seinem Licht jede andere Helle überstrahlt? Oder wird in dieser alltäglichen See le der Eindruck dieses Todesfalles nur der flüchtigen Furche gleichen, die an der leichtbeweglichen Oberfläche des Wassers durch den Flügelschlag eines Vogels erzeugt wird und die sich im nächsten Augenblicke wieder schließt? Doch vor allem beun ruhigt sie Lude, diese Lucie, die sie nicht kennt... Man sagt, sie sei hübsch und habe üppiges kastanienbraunes Haar und träumerische Augen Sie ist zum voraus ihre Feindin, die se junge Dame Und wer weiß, ob sie nicht die schmerzliche Stunde, in der die Seelen ihrer selbst nicht mehr mächtig sind, benutzt hat, um ihren Vetter zurückzuerobern und ihn auss neue in jenen albernen Zauberkreis des Idealen hineinzuschleppen, der dazu bestimmt ist, alle diejenigen glücklich zu machen, die mit einer star ken Einbildungskraft ausgerüstet sind oder die kein anderes Glück zu erlan gen vermögen Auch Tietsch wird abermals auf der Bildfläche erscheinen! Wie viele Feinde stehen ihr gegenüber!... Von dem direkten Angriff eines Ma thurin an bis zu dem intimen Reiz, der von den uralten Häusern und den moosbedeckten Gräbern ausgeht, kann ihr alles ihren Verlobten entreißen. ... Tenn er ist wirklich ihr Verlobter er selbst hat eines Tages das verhäng nisvolle bindende Wort ausgespro chen, und sie ließ es sich angelegen sein, dasselbe in alle vier Winde aus zustreuen, auf daß man überall wisse, daß der Graf ihr angehört, daß er ihr Eigentum ist und niemand mehr ein Recht hat, daran zu rühren O wenn er doch einmal endgültig hier in Paris wäre, fem von den schein heiligen Einflüssen und den fröm melnden Freunden der Provinz fern von jenem alten Pfarrer, den sie ganz bergessen hatte jenem Bau ern pastor, der gewiß sich das Vergnü gen nicht versagen kann, seine kleine Tragödie an den Mann zu bringen und seinem ehemaligen Schäfchen die Hölle recht heiß zu machen! Auf ihrem Diwan hingestreckt, mit den Augen die Wände anstarrend und mit den erregten Händen kurze Sturmmärsche trommelnd, verfolgt Alberte nacheinander alle möglichen Voraussetzungen, baut sie aus, ver gleicht sie untereinander und sucht herauszufühlen, welche von ihnen triumphieren muß in der schlaffen Seele dieses Menschen, den sie ver achtet, der aber den Vorzug hat, eine Million zu besitzen, die sie braucht und die sie nicht erobern kann, ohne ihn mit in Kauf zu nehmen Ein solcher Geisteszustand erklärt leicht die aufgeregte Art, in der Al berte ben unglücklichen Claude emp fing, als er sich eines Abends gegen fünf Uhr in seiner schlichten Haltung und mit seinem ehrlichen Gesicht in ihrer Privatwohnung einfand, da er nicht wußte, aus welchen Gründen die junge Dame seit mehr als acht Tagen nicht mehr im Büro erschien. Alberte war so sehr in ihre Träu merei versunken, daß Claude gewis sermaßen ihr das Dasein der Fabrik ins Gedächtnis zurückrief: „Ja, mettt armer Freund, es ist wahr, ich vergaß unsere Waggons! ... Ich habe Sie recht allein gelas sen!" »So sehr allein, baß ich mich ge fragt habe, ob Mademoiselle vielleicht krank fei Nun fährt Alberte mit der Hand über die Stirne: Krank Ja und nein." „Wovon denn ... fragt Claude. „Von allem, was sich jüngst zuge tragen hat Ist es nicht etwas Schreckliches, dieser Tod der Frau de Saint-Agilbert und alle die ver wickelten Angelegenheiten, die sie hin terläßt? Ihr Sohn fährt nur zwischen Paris- und Fleurines hin und her ... OHIO WAISEN FKEWfP Oder soll sie ihre Kriegskunst iäf .M Er hält es nicht mehr aus, er ist ganz e s ö „Kannten Sie die Frau Baronin?" „Oh nur sehr wenig ... Was hätte ich auch mit ihr anfangen sollen? Hrn. de Saint-Agilbert kenne ich na türlich besser, und die Verwandten unserer Freunde sind ja auch unsere Freunde Geht alles gut in der Fabrik?" „Gut Nein! Ich habe Ihnen allerlei mitzuteilen ." Hoffentlich nicht gar zu viel .!" S i e a e n i e K o e s o n e n z zu unterzeichnen ." „Es ist wahr, ich werde nächstens hinkommen Bis dahin haben Sie unbeschränkte Vollmacht." „Was Sie betrifft, fo zweifle ich nicht daran aber wegen des Perso nals wäre es mir sehr erwünscht, daß Sie täglich hinkämen, und wäre es auch nur eine Stunde lang. Denn ich fühle mich nicht genügend unterstützt Meine Stellung wird wegen ein zelner Ränkemacher immer schwieri ger." „Wer sind diese „Sandrin und seine Rotte." „Sandrin! Hm, Sie wissen doch, das ist ein harter Bissen! Passen Sie auf! .. Mit dem Manne muß man behutsam umgehen! Er ist ein Hitzkopf und könnte uns im Nu einen Streik anzetteln Bemühen Sie sich also, die Kanten ein wenig abzuschleifen. Mit Bedauern habe ich schon bemerkt, daß Sie beide einander nicht sehr gut verstehen." „Wer aber ist schuld daran?" „Er, ohne Zweifel! Da Sie aber, mein armer Claude, ein braver, ge scheiter und verständiger Bursche sind, so können und sollen Sie es unter diesen Umständen dadurch beweisen, daß eie die Sache nicht zum Aeußer sten treiben. Denken Sie an den Satz des Hrn. Dietsch: ,Man fängt mehr Fliegen mit einem Löffel Honig als mit einem Faß Essig!' Seien Sie der Löffel Honig! Sandrin ist zu nächst ein krankhaft verbitterter Mensch er ist eifersüchtig, eitel und vor allem starrköpfig feine Gedan ken sind gleichfam versteinerte Rach sucht und Mißgunst in seinem haß erfüllten Gehirn. Ich kenne ihn. Ma cheit Sie nur keinen Versuch, diesen Charakter umzuwandeln es würde Ihnen nie gelingen!... Er ist meiner Ansicht nach schlauer als eie, und da wir den Mann in der Fabrik nicht entbehren können, so müssen Sie sich eben mit ihm zu vertragen suchen." „Glauben Sie wirklich, datz er so unentbehrlich ist?" „Gewiß! Alo keine Geschichten, be sonders nicht in diesem Augenblick! Trauer Ich selbst leide unter sei nem Kummer Sie fühlen doch, daß der Augenblick schlecht gewählt wäre Also Friede! Wir ha ben Frieden nötig! Besonders ich! Quälen Sie uns also nicht mit Ihren kleinlichen persönlichen Reibereien!" Während Alberte dies sagt, streicht sie sich die Haare wieder in die Hohe, steckt ihre Kämmchen ein, spricht ha stig, nur um etwas zu sagen, und läßt so unverkennbar den Wunsch durchblicken, Claude mochte sich mög lichst bald entfernen und sie ungestört ihren Sorgen überlassen. Obschon sich der junge Mcfmt des sen klar bewußt ist, beharrt er auf feinem Anliegen: „Aber die Postsachen Ich kann doch nicht die Bestellungen un terzeichnen und ganz allein die Ver antwortlichkeit für die abgehenden und die einlaufenden Sendungen auf mich nehmen!" „Warum denn nicht, wenigstens vorübergehend Sie sind klug und ehrlich, ich schenke Ihnen mein volles Vertrauen ... Nehmen Sie in meinem Büro meinen Stempel und unterzeichnen Sie alles, was notwen dig ist?" Nachdenklich und in gedrückter Stimmung entfernt sich nun Claude. Denn er fühlt wohl, daß Alberte überreizt ist daß die Fabrik ihren geringsten Kummer bildet und andere Dinge in ihrem Herzen vorherrschen daß es ein vergeblicher Versuch wäre, in dem Wirrwarr ihrer Seele eine geschäftliche Besorgnis zu wek fett, so gerechtfertigt diese auch sein möchte kurz, daß diese Person jetzt nur auf den Widerhall ihrer eigenen Gedanken lauscht und für alles Ue brige unempfänglich ist. Als der junge Mann bis Treppe des Haufes hinabsteigt, fragt er sich, was wohl der morgige Tag der Fa brik von La Chapelle vorbehält. Au genscheinlich geht es mit diesem Ge schäfte rasch abwärts und das Ver hängnis mag nicht mehr fern sein. Ist es das Gefühl dieses Nieder gangs, das Alberte so sehr den Kopf verwirrt? Das ist kaum wahr scheinlich Claude glaubt eher des Gegenteils gewiß zu sein, wenn er die Beobachtungen, die er im Lau fe der Unterredung gemacht hat, nach einander in Erwägung zieht. Für Alberte ist der psygologische Augen blick gekommen, wo selbst die stärkste Frau unter dem Eindruck einer hef tigen Leidenschaft urplötzlich zum Kinde wird und eine gegebene Lage nicht mehr vernünftig zu beurteilen vermag, weil sie die Sklavin einer fixen Idee ist, die ihr die Wahrneh ntung alles dessen, was nicht diese Idee selbst ist, verunmöglicht und sie mit unwiderstehlichem Ungestüm nach einem Trugbilde hintreibt. Unstreitig wird durch Albertes Fernbleiben Claudes Stellung von Tag zu Tag schwieriger ohne sein Ansehen in den Werkstätten dadurch befestigen zu können, übernimmt er eine Verantwortung, die in Anbe tracht der Umstände so viele Gefah ren in sich birgt. Es dauerte auch nicht lange, bis er dies feststellen konnte. Wer beschreibt Sandrins Erstaunen, als er gleich am folgenden Morgen mit eigenen Augen sah, wie Claude Routier die Blätter der offiziellen Bestellungen zu unterschreiben begann! Durch die se Unterschrift wurde nämlich erklärt, daß eine bestimmte Arbeit sofort in Angriff zu nehmen fei. Zu gewöhn lichen Zeiten hatte der Werkführer nur einen Vorschlag einzureichen, und dieser wurde dann durch die Unter schrift eines Teilhabers oder des In genieurs genehmigt. Fortan ist dieser kleine Claude alles ... das Gesetz und die Propheten! Vierundzwanzig Stunden nach die ser unliebsamen Entdeckung hat sich Sandrin von seiner Ueberraschung noch nicht erholt er ist, wie er glaubt, dadurch unbedingt von einem persön lichen Feind abhängig geworden, und er sieht darin das Ergebnis eines ge schickten Anschlages, einer Gegenmaß regel Claudes gegen einen Werkmei ster, der sich weigert, dessen Sklave zu sein Nun erwacht in ihm ein Ge fühl des Hasses, das bei einem vier zigjährigen, intelligenten, kräftigen Manne, der sich zudem noch von An hängern umgeben weiß, einer fürch terlichen Steigerung fähig ist Durch Claudes Ehrgeiz also ist der Krieg entbrannt ... Er hat ihn ge wollt, dieser Ochsentreiber, und er soll ihn haben, und zwar in einem Maße, daß er vielleicht eines Tages auf bei den Knien um Gnade flehen wird! Und tatsächlich ließ die Wiederver geltung nicht lange auf sich warten. Gleich in der folgenden Woche hat Claude gelegentlich seiner dienstlichen Rundgänge das Gefühl, daß die Au gen des Werkmeisters fortwährend mit einem herausfordernden Aus druck der Verachtung auf ihn geheftet sind So oft er vorbeigeht, erhascht er im Fluge Bruchstücke der Unterhai tung, in denen er deutlich bezeichnet und lächerlich gemacht wird. San drin gibt ihm beinahe laut den Spitz namen „Paftate" und erwartet einen Auftritt denn er möchte ein für allemal sehen, ob sein Feind wirklich rotes Blut in den Adern habe und ob er sich nicht umkehren werde, um ihm zu antworten. Doch Mathurins Sohn hat schon zu viel unter seines Vaters Heftigkeit und unter feiner eigenen angebornen Empfindlichkeit gelitten, als daß er in die Falle gegangen wäre mehr instinktmäßig als durch Ueberlegung errät er seinen Weg und legt sich eine Zurückhaltung auf, die zu gewissen Stunden große Anforderungen an seine Willenskraft stellt und wahrhaft heldenhafte Opfer von feiner Eigen liebe verlangt Sandrin mag sa gen, was er will, und eine Herausfor derung auf die andere häufen, der arme Claude bemüht sich unausgesetzt, seinen Entschluß, keine Antwort zu geben, zu erneuern. Aber die Tage folgen sich, ohne daß Alberte sich blicken läßt. ohne daß ein Brief des Grafen feine endgültige Rückkehr ankündigt. Man sagt sogar, er sei noch einen ganzen Monat lang genötigt, fortwährend zwischen Pa ris und Fleurines hin und her zu fahren. Claude ist allein iy einem f&tnn K e A e s s e Stadt Staat.... Kampfe, -der sich jeden Augenblick et* neuert, und er fühlt, daß trotz allem seine moralische Kraft abnimmt und» seine Geduld sich erschöpft, gleichwie eine von allen Seiten angegriffene Mauer mehr und mehr zerbröckelt und plötzlich nachgibt, ohne daß sich die Folgen ihres Einsturzes voraussehen lassen Vor allen Dingen jedoch ist er sich bewußt, daß trotz feines guten Willens seine unfreiwillige Herrschaft für das Gedeihen des Geschäftes ver hängnisvoll ist daß die Arbei ter demselben weit mehr zu schaden vermögen, als er ihm zu nützen ver» mag ., daß ungeachtet seiner An strengungen, der allgemeinen Zerrüt tung Einhalt zu tun, ein jeder nur auf feinen persönlichen Vorteil he* dacht ist, und daß jede Abteilung, gleichsam stromabwärts dem unver meidlichen Zerfalle zugleitet! Da in dieser erbitterten Lage der Charakter eines jeden erchlaffen muh te, fo fehlte eines Tages nicht viel, datz Claude der Versuchung erlegen wäre und die Dinge einen ganz tragischen Verlauf genommen hätten. Die Werk meister der einzelnen Abteilungen hatten ein gemeinsames Büro, wo Dietsch sie vormals zu versammeln pflegte, um ihnen den eigentümlichen Bau dieses oder jenes Waggons zu erklären, je nachdem derselbe für ein besonderes Land oder für einen be sondern Gebrauch bestimmt war. Ungern genug, aber durch eine spe zielle Bestellung der Nordbahn dazu gezwungen, ruft Claude eines Mor gens die Werkmeister zusammen und unterrichtet sie mit kurzen und kla ren Worten über die gewünschten Ab änderungen der gewöhnlichen Pläne Alle hören zu, verstehen und begeben sich, wie gewöhnlich, an ihre betreff senden Posten, wo die Arbeit ausge» führt werden foll. Sandrin jedoch den diese Fügsam keit der übrigen Werkmeister höchlich ärgert, beginnt im Gemache auf und ab zu schlendern, bricht in ein höh nendes und spottendes Gelächter auS und sucht offenbar eine Bemerkung, herauszufordern. Claude sitzt an seinem Pulte und vergleicht die soeben von ihm erklär ten Dokumente. Er ist äußerlich ganz, ruhig und scheint nichts zu bemerken in Wirklichkeit aber sieht er alles und seine zitternde Hand verrät, wie schwer es ihm ankommt, sich selbst zu überwinden. Sandrin macht auf sein ganzes Wesen den Eindruck einer gif tigen Schlange, und diese körperliche Empfindung wird ihm so unerträg lich, daß er, um ihr zu entgehen, sich in die Prüfung der vor ihm liegenden Pläne zu vertiefen sucht. Aber trotz seiner angespannten Willenskraft kann Claude nicht umhin den Kopf zu erheben und in der spiegelnden Fensterscheibe den Werkmeister anzu schauen, so oft dieser, beide Hände auf seinem dicken Rücken, mit seinem be leidigenden Hohnlächeln hin und her wandelt und jedesmal versetzt der Anblick dieses Menschen seiner Seele gleichsam einen Bogenstrich des Has ses, der den Kampf, die mit einem: S a e e i e i e a e e s i n k (Fortsetzung folg») A V A N! du, lieber Leser, dieser Tage vielleicht eine Rechnung für deine Zeitung erhalten hast, und eS dir nicht möglich ist, jetzt deinen JahreSbetraM einzusenden, .so bestelle nicht ab, sondern warte ruhig, bis due den Betrag teil weise oder ganz bezahlen kannst. Wir senden deine Zeitu»g weiter. Abbestellung bedeutet den Verlust eine» guten, alten Freundes ist einen Schaden für die katholische Presse. 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