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Frf, •v\ fc m: ahrgang 74 Politik als Fortsetzung deS Krieges Vergebens sieht sich der Chronist in diesen sckMülen Sommertagen des von nationalem und internationalem Hader erfüllten Jahres 1946 nach ver heißungsvollen Vorzeichen eines dau ernden Friedens um. Er findet diese nicht in den Konferenzen der Minister in Paris und der Mandatare der United Nations in New York. Und noch weniger findet er sie in den eifri gen Debatten über die Ergebnisse und Lehren der Atomversuche von Bikini und den damit Hand in Hand gehen den Erörterungen über die Rolle che Mischer Zwischen Krieg und Frieden Kampfmittel in künftigen Kriegen. Die Presse spiegelt fortge setzt die Spannungen, deren äußeren Manifestationen solche Debatten sind, und bald im Heiligen Land, bald in Polen, bald in Indien, bald in der Mandschurei, bald in dem alten Sturmzentrum des Balkans, bold sonstwo auf dem Erdenrund leuchten die Flammenzeichen künftiger Kata strophen auf. Und gewissermaßen als letzten Ret tungsanker inmitten der drohenden Sturmflut reichen unter ungeheurem Aufwand von Phrasen leitende Staatsmänner und geschäftige Macher der öffentlichen Meinung den schon so oft und so schmählich betrogenen Völkern den Strohhalm des neuen Weltbundes, der Vereinten Nationen dar. Unter deren Aegide aber ist ein volles Jahr seit der Einstellung des fürchterlichen Waffenkampfes vergeu det worden. Wenn man früher sagte, der Krieg sei „die Fortsetzung der Politik mit andern Mitteln", so kann Man von der Weltlage dieses ersten „Friedens"-Jahres sagen, daß sie sich barstellt als Fortsetzung des Krieges mit den Mitteln der Politik. Die Gefahr, daß. der dauernde Kriegszustand und nicht der dauernde Friede die Zukunft bestimmen wird, ist um so größer, da der zweite Welt krieg direkt in einen Machtkampf zwi schen den ausschlaggebenden Sieger staaten einmündete. Das vor allem ist es, was die Liquidierung des in Europa schon vor vierzehn Monaten abgeschlossenen Krieges verhindert. Die Trümmerstücke der Weltkatastro phe werden ohne Rücksicht auf das Wohl der Völker und auf einen wirk lich friedlichen Ausgleich von denVer tretern der Beute- und Machtpolitik wie Schachfiguren hin und her gefcho ben. Als nach den Stürmen des ersten Weltkrieges Vernunft und Gerechtig keitsfinn wieder die Oberhand beka men über die Leidenschaften und das Geschrei der Propaganda, war es das Urteil der zeitgenössischen politischen Literatur, soweit sie überhaupt An spruch machte auf Ernst und Objekti vität, daß die Leistungen der in Paris versammelten „Großen" klägliches Pfuschwerk war. Das Urteil über das Werk der Männer, denen die Neuord nung nach dem zweiten Weltkrieg ob liegt, wird noch viel vernichtender lau ten. Als sich Präsident Wilson mit den europäischen Staatsmännern am Be ratungstisch niederließ, um, wie er geglaubt hatte, auf der Grundlage seiner Vierzehn Punkte die neue Ord nung zu errichten, stellte sich heraus, daß die Aufgabe durch eine Reihe Geheimverträge ungeheuer kompli ziert geworden war. Die Friedens Beratungen nach dem zweiten Welt krieg sind in noch ungleich größere Schwierigkeiten verstrickt, da ihnen durch die Konferenzen von Teheran und Jalta und deren unglückselige Fortsetzung in Potsdam die Marsch route vorgeschrieben war. Bei diesen Zusammenkünften waren die Atlan tic Charter und andere auf einen ehr lichen Frieden gerichtete Programme noch weit rücksichtsloser preisgegeben und vereitelt worden als das mit den Bierzehn Punkten Wilsons geschehen war. Was Roosevelt und Churchill dem russischen Diktator zugesagt hat ten, verschob nicht nur die Machtver Hältnisse in Europa, wie das durch die Diktate von Versailles, St. Ger main usw. geschah, sondern legte das Schicksal Europas und der Welt in die Hände einer halbasiatischen Macht, in die Hände einer Diktatur, die noch totalitärer und anspruchsvoller ist als das System, das erst nach sechs Jah ren des fürchterlichsten Krieges aller Zeiten niedergerungen werden konnte. Die Willkürkichkeiten der Pariser Konferenz, deren verderbliche Wir kungen zugestanden wurden, noch be vor sie in Kraft traten, glaubte Wil son ausgleichen zu können durch den Völkerbund. Seine Hoffnungen er füllten sich nicht, nicht, wie eine einseitige Propaganda es heute dar zustellen sucht, weil die Volksvertre tung der Ver. Staaten Präsident Wil son die Gefolgschaft versagte und den Eintritt Amerikas in den Völkerbund verhinderte, sondern weil dieser auf ungerechten und undurchführbaren Verträgen aufgebaut war und a rum, wie Wilson in den Pariser Tagen ahnungsvoll voraussah, der Kraft und Dauer ermangelte, eine vernünftige und heilsame Ordnung durchzuführen. Der nach dem zweiten Weltkrieg in San Francisco gegründete Weltbund wird an seiner Aufgabe noch verhäng nisvoller scheitern. Denn er soll eine neue Ordnung errichten und erhalten, die noch viel mehr auf Willkür und Gewalt begründet ist als die nach dem ersten Weltkrieg vorübergehend zu stande gekommene, eine neue „Ord nung", deren Chaos das erste „Frie dens"-Jahr zur Genüge erwiesen hat und über deren endgültige Gestaltung die Welt heute nicht viel mehr weiß als vor einem Jahr. Eines aber hat die Welt aus allen Tagungen der verschiedenen beratenden Körper des Bundes gelernt: daß ihn Rußland als seine ureigene Domäne betrachtet und als Instrument zur Verwirklichung der russischen Weltherrschaftsträume! Das verhängmSvolleEntwede»— Eine großzügige und zielbewußte Staatskunst könnte dem trotz des weiten Vorsprungs, den Teheran, Jalta und Potsdam den Russen gege ben haben, kraftvoll entgegenarbeiten. Aber anstatt daß die politischen FÜH rer der Westmächte die Völker um ein klares und festes Programm scharen ein wirkliches Friedensprogramm, begründet auf der Solidarität der Menschheit und einem gerechten Aus gleich zwischen den Ansprüchen der einzelnen Völker nach Maßgabe ihrer natürlichen und sittlichen Rechte, jonglieren sie nun schon seit Jahr und Tag mit einem defaitistifchen Entweder—Oder: Entweder der Weltbund der Vereinten („friedlieben den") Nationen unter Ausschaltung nicht allein der verfemten besiegten Staaten, sondern auch einer Reihe Länder, die wegen ihrer Neutralität oder sonstiger Schönheitsfehler als unwürdig hingestellt werden oder neue Kriege unter voller Entfaltung der furchtbaren Atomkraft. Man könnte dieses Entweder— Oder noch gelten lassen, wenn es modifiziert würde: Wollen wir eine Wiederholung der Katastrophen der zwei Weltkriege verhüten, dann brau chen wir einen Bund der Völker der Erde. Ist der jetzige Völkerbund un zureichend wie die Erfahrungen des ersten Jahres zu erweisen schei nen, dann müssen wir eben, so schwierig auch das Werk ist und so entmutigend die Erfahrungen von ^an Francisco waren, von neuem be ginnen. Denn von felbft bessert sich eine mangelhafte Institution nicht, und nach den Erlebnissen mit dem Veto scheint eine Reform des jungen Bundes ausgeschlossen zu sein. Aber es ist halt viel leichter (und parteipolitischen und ehrgeizigen Plä nen förderlicher!), bei dem Entwe der—Oder zu verharren: Entweder dieser Völkerbund trotz seiner er wiesenen schweren Mängel oder Atom krieg Es waren verhängnisvolle Ta ge, als vor elf Monaten die Atom bomben auf Hiroshima und Naga saki niedergingen. Damit wurde eine Kriegswaffe eingeführt, die man nicht los werden wird. Selbstverständlich wird früher oder später der Gebrauch dieser Waffe völkerrechtlich mit dem Bann belegt werden bis sich ein Staat stark genug dünkt, sich über diesen Bann hinwegsetzen zu können! Es mag aber auch sein, daß die Völ ker um ihrer eigenen Sicherheit wil len auf ihren Gebrauch verzichten, wie sie im letzten Krieg aus dem glei chen Grund auf die Anwendung von Gasen verzichtet haben. Jedenfalls aber wird ein so fragwürdiges Gebil de wie der Weltbund in seiner heuti I m- v Jif En Familienblatt fur Wahrheit und Recht zur Belehrung und Unterhaltung Altsgabe es,Wanderer' gen Gestalt, dem bei jeder beliebigen Gelegenheit ein Gromyko eine Nase drehen kann, den Atomkrieg nicht ver hüten, ebenso wenig wie all t)ie un zähligen Konferenzen der letzten fünf zehn Jahre es verhüten konnten, daß der zweite Weltkrieg in so wilden Formen sich vollzog und Verheerun gen angerichtet hat wie noch kein Krieg in der Geschichte. Mit Druck und Gewalt mag es eine Zeitlang gelingen, eine von der Machtpolitik bestimmte und von ei nem Machtbund gestützte Neurege lung der Welt in Gang zu halten. Aber gerade die Geschichte der zwei Weltkriege zeigt, *wie bald sich die Verschiebung der Machtgruppen voll ziehen kann. So war das im ersten Weltkrieg mit den Alliierten verbün bete Italien im zweiten Weltkrieg im Lager der Gegner, und die dritte der drei Achsenmächte war ein Viertel jahrhundert zuvor Deutschlands Feind. Und wie viel hätte gefehlt, daß die Alliierten im zweiten Welt krieg auch mit Rußland als einer Achsenmacht stch hätten auseinander setzen müssen? Der Kampf um die Macht Solche Verschiebungen werden sich auch in der Zukunft vollziehen, wenn man bei dem bisherigen defaitistifchen und kurzsichtigen Entweder—Oder verharrt, statt auf einen wirklichen Friedensbund hinzuarbeiten. Aber ist die Weltpolitik wirklich auf den Frie den eingestellt? Will man tatsäch lich Eine Welt? Wie bereits im vorausgehenden betont wurde, ist der Machtkampf, der Kampf um Weltgeltung, um Märkte, um geopolitifche und wirtschafte und mtlitärstrategii'che Positionen schon längst im Gang. Er begann in Tehe ran und wird in den Beratungen der Außenminister zäh fortgesetzt. Es ist nicht lediglich Molotows Halsstarrig', feit, wenn in Paris tagelang z. B. über Trieft debattiert wird. Es geht dabei um Stellungen in künftigen Auseinandersetzungen, um w e i e e vorteilhafte Stellungen, die Rußland seinen bereits gesicherten Positionen hinzuzufügen trachtet. Am Sonntag veröffentlichte die New Aorker ,Times' eine Karte, die mit eindringlicher Deutlichkeit dar tut, wie schwer sich Rußland bereits verschanzt hat. Es zwang Polen über die Curzon-Linie zurück und entschä digte das ihm hörige Polen auf Ko sten der deutschen Ostprovinzen, von denen es sich selber einen weiteren Teil zulegte. Finnland im Norden mußte auf Kardien usw. verzichten. Rumänien mußte Bessarabien und die nördliche Bukowina an Rußland und die südliche Dobrudscha an Bulgarien abtreten. Rumänien wurde entschä digt durch das von neuem von Un garn abgetrennte Transylvanien. In Jugoslawien ist der Kommunist Tito weiter nichts als ein russischer „Gau leiter". Hier geht es vor allem um Rußlands Zugang zum Adriatischen Meer. Der Balkan vom Schwarzen Meer das ganze Donau-Tal hinauf ist fest in Rußlands Hand, und wenn es hier die Errichtung neuer Sowjet Staaten für zweckmäßig halt, wird es schon einen „Zwischenfall" zu schaf fen wissen, um seine Absicht durchzu führen. In Oesterreich, dem die Al liierten schon auf der Moskau'er Be sprechung Freiheit und Unabhängig keit bestimmt in Aussicht stelletn, Han sen die Russen ganz nach Willkür. In den letzten Tagen haben sie allen angeblich deutschest Besitz beschlag nahmt. Dem folgte eine neue Tragö die, die Ausweisung von Tausen den von Deutschen, auch jener, die vor dem „Anschluß" eingewandert waren. Das Verfahren folgt der übli chen Schablone: Innerhalb weniger Stunden werden die Ausgewiesenen, die von all ihrer Habe nur dreißig Pfund mitnehmen dürfen, auf den Schub gebracht. Sie sollen in der französischen Besetzungszone ein Un terkommen finden. Wie es scheint, ha ben sich auch in diesem Fall die Ruf sen um die Wünsche der andern Ok kupationsmächte nicht im geringsten gekümmert. Rußland hat das erste „Friedens" Jahr gründlich ausgebeutet. Es hat einen mächtigen Wall von der Ostsee bis zur Abritt und zur griechischen Grenze errichtet, und das ganze Do nau-Tal von Wien bis zum Schwar zen Meer gehört zu seiner „Interes sensphäre". Nur Griechenland ver mochte England bisher den Pranken des Bären zu entziehen. Es vermochte ihm sogar den Dodekanes, die der Türkei im Südwesten vorgelagerte 1 Her«»»srqede» MM PSpstliche» Megissi Z»ie Phi»»« tain Beste« der PriesterzAglisge. PreiS für eis I»h? i» de» 8er. Staates $2, is ftsstfcc und alles osberes ®teste» G2^v. Samstag den 13. JuU 1946 Inselgruppe, zu entziehen. Das ge schah ohne allzu heftigen Widerstand wohl weil man im Kreml hoffte, daß Griechenland trotz britischen Schutzes auf die Dauer dem russischen Druck nicht widerstehen kann und dann samt dem Dodekanes als Stützpunkt und Sprungbrett weiterer russischer Expansion in den Mittelmeer-Raum hinein und gegen die Türkei dienen kann. Die Friedenskonferenz Rußland kann mit den Ergebnis sen des verflossenen Jahres wäh rend sich die andern Besetzungsmächte der Entnazifizierung und Entindu strialisierung und Chaotisierung Teutschlands widmeten, durchaus zufrieden sein. Molotows Obstruk tion auf der Pariser Ministerkonfe renz gegen die von Staatssekretär Byrnes geforderte allgemeine Frie denskonferenz war darum höchst über flüssig. Tie geplante Konferenz die auf den 29. Juli einberufen wurde, nachdem Molototo feinen Widerstand ausgegeben hatte wird beraten über die von den „Großen Vier" vor bereiteten Friedensverträge mit Ita lien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland und kann Vorschläge machen. Insgesamt sind einundzwanzig Staaten an der Konferenz beteiligt. Allzu viel werden sie nicht zu sagen haben, und wenn sie den Verträgen Bestimmungen einverleiben wollen, die Rußland nicht behagen, kann man sich aus das berühmte russische Veto gefaßt machen. Rußland hat also von der Konferenz keinerlei Störung sei ner Pläne zu befürchten. Daß Molo tow trotzdem allerlei Manöver an stellte, um die Konferenz zu verschlep pen, wenn nicht überhaupt in Frage zu stellen, entspricht ganz der bisheri nen russischen Taktik, der Welt die Unabhängigkeit und Ueberlegenheit Moskaus vor Augen zu führen und Zeit zu gewinnen für irgend einen Winkelzug. Tie Konferenz ist schon längst über fällig. Im September, Dezember, April und jetzt im Juni versuchten die Minister die Friedensverträge für eine Konferenz fertigzustellen, aber konnten in wichtigen Fragen zu kei ner Entscheidung kommen, da die Rus sen unter Berufung auf Potsdam im mer wieder darauf bestanden, daß Entscheidungen einstimmig sein müß ten, und dann durch eigenen Ein spruch die einstimmige Annahme von Beschlüssen vereitelten. Setzte Woche aber durchbrachen die Briten und Amerikaner die russische Obstruktionstaktik mit der Drohung, daß sie Sonderverträge abschließen könnten, wenn das Verhandlungen Po nicht beschleunigt würde. Man kam endlich aus dem Redesumpf heraus, und Kompromisse wurden abgeschlos sen. Das wichtigste dieser Kompromisse betraf den künftigen Status von Trieft und Venczia Giulia, den Ge bietsstreifen zwischen Triest und der jugoslawischen Grenze von 1939. Mit aller Zähigkeit hatten die Russen da rauf bestanden, daß Triest und Vene zia Giulia ihrem Funktionär Tito zu gesprochen werden müsse, während Amerika und England für Italiens Anspruch auf Triest eintraten. Letzte Woche aber akzeptierte Molototo den französischen Kompromißvorschlag, nach welchem etwa dreitausend Qua dratmeilen mit dem größten Teil des Jsonzo-Tals und fast der ganzen Halbinsel Jstrien Jugoslawien zuge sprachen, Triest aber samt etwa drei hundert Quadratmeilen als „Freies Territorium Triest" unter die Ober ausficht des Sicherheitsrats gestellt wird. Es mag sich aus der von Ita lienern und Jugoslawen bekämpften Entscheidung ein neuer Fall Tanzig ergeben, aber eine andere Entschei dung war augenscheinlich nicht zu er zielen. Italien, da? sich allerdings auch an seiner Westgrenze eine Am putation zu Gunsten Frankreichs ge fallen lassen mußte, erhielt eine Ent schädigung, indem das Unrecht an Südtirol erneuert und das Land Andreas Hofers von neuem den Ita lienern zugesprochen wurde. Weitere Opfer wurden Italien auferlegt durch die Überweisung des Dodekanes an Griechenland. Ferner muß es auf sein afrikanisches Kolonialreich verzichten, das einstweilen unter britischer Ver waltung bleiben soll, bis die „Gro ßen Vier" über sein Schicksal endgül tig entscheiden. An Rußland muß Italien hundert Millionen Dollars Reparationen zahlen, lieber die Ge- bletsveränderungen auf dem Balkan die Rußland größtenteils von sich aus bereits vollzogen hatte war oben bereits die Rede. Obwohl, abgesehen von Triest, Rußland fast in allem seinen Willen durchgesetzt hat und unter Berufung auf die Einstimmigkeit der Beschlüsse irgendwelche Revision der Verträge durch die bevorstehende Konferenz ver eiteln kann, verfiel Molotow von neuem in feine Obstruktionstaktiken, indem er den ganzen Verhandlungs modus festzulegen suchte. Wahlen in Pole» Zum ersten Mal seit 1935 fand in Polen am vorletzten Sonntag eine Volksabstimmung statt. Tie nach Moskau orientierte Regierung hatte sich verpflichtet, für eine „freie" Ab stimmung Sorge zu tragen. Aber zahlreiche Mitglieder der oppositionel len Bauernpartei wurden verhaftet, und der Bauernführer Mikolajczyk führte Klage über Wahlterror und Wahlschwindel. Es war darum selbst verständlich, daß die kommunistische Regierung eine starke Mehrheit er hielt. Thye und Doungdahl waren die von dem früheren Gouverneur Staf fen erkorenen Kandidaten. Unerwartet ist der Ausgang der Vorwahl nicht, wenn auch manche An zeichen Senator Shipstead ein gün stigeres Ergebnis in Aussicht stellten. Daß er unterlag, ist auf eine Kombi nation von Ursachen zurückzuführen, die sich zum Teil ans der Minnefota'er Parteigeschichte ergaben, wie wir sie letzte Woche darlegten. Eine unserer Tageszeitungen behauptet wohl verärgert über die große Stimmen zahl, die Senator Shipstead trotz al lern erhielt mit verletzender Schär fe, seine merkwürdig gemischte Gefolg schaft setze sich aus Radikalen (lies Kommunisten!) und verknöcherten Hy perkonservativen zusammen. Mit viel größerem Recht kann man fagen, daß die gemischte Gegnerschaft Hrn. Ship steads noch viel merkwürdiger ist. Sie umfaßt Vertreter der Hochfinanz und des Großgeschäfts nicht minder als Radikale aller Schattierungen. Die republikanische Parteimaschine und die Parteimaschine der Farmer—La bor Party bekämpften ihn auf das bitterste. Tie Tageszeitungen von St. Paul, Minneapolis und Tuluth lie ßen alle Register der Verunglimpfung und des Hasses spielen. Ganze Bat terien von Wahlrednern bearbeiteten die Wähler in Versammlungen und im Rundfunk. Tie Wahlagitation des Senators, der im übrigen bis in die allersüngste Zeit auf feinem Posten in Washington geblieben war, war dem gegenüber da er über keine politi sche Maschine und über nur geringe Geldmittel verfügte äußerst schwach. Daß trotzdem viele tausend Wähler, mit denen er keine Fühlung herzustellen vermochte, ihm ihre Stim me gaben, läßt erwarten, daß Senator Shipstead trotz dieser Niederlage und entgegen den heißen Wünschen seiner erbitterten Gegner in der Hochfinanz und im Großgeschäft und gleichzeitig vieler Radikalinskis noch nicht ausge schaltet ist aus dem öffentlichen Leben Minnesotas. Die Entscheidung in der Primär wahl war weder ein glatter Sieg des starken alten Flügels der repnblika nischen Partei noch der sogenannten Fortschrittlichen und der „Internatio nalists" in der Partei, als deren Ban nerträger der frühere Gouverneur und jetzige Präsidentschaftskandidat i •--, w i ?.V ,- •, *"$••- Nr. 10 Abgestimmt wurde über drei Wahl Vorschläge: ein Parlament bestehend aus einer Kammer Nationalisierung der Hauptindustrien und Landreform: Festsetzung der Westgrenze an Neisse und Oder. Tie Bauernpartei war ge gen die eine Parlamentskammer, da sie eine Terrorisierung der Volks mehrheit durch die kommunistische Minderheit befürchtet. Aber, wfe ge sagt, die Regierung „siegte". Der Antisemitismus hat augen scheinlich das Nazitum überlebt. Die Juden führten wiederholt Klage über Mißhandlung ihrer Glaubens- und Rassegenossen in Polen. Letzte Woche kam es in Kielce zu einem Pogrom, dem vierzig Menschenleben zum Opfer fielen. Unabhängigkeit der Philippinen &taftvr AhipÜeads Niederlage Was wir im geheimen befürchte* hatten, ist am Montag in den Min nesota'er Vorwahlen eingetreten. Se nator Shipstead ist der Uefcermacht der Wahlmaschinen der Republikaner und der Farmer—Labor Party unter legen. Soweit die Stimmenzählung beim Niederschreiben dieser Zeilen vollendet ist. erhielt sein Gegentandi dat auf dem republikanischen Wahl zettel, Gouverneur Zhtye, über fünf undsiebzigtausend Stimmen mehr als Shipstead. Dieser dürste insgesamt etwa hundertundftinfzigtauseud Stim men erhalten haben. Mit etwa der gleichen Stimmenzahl siegte der frü here Richter Aonngdahl über Hjalmar Petersen als republikanischer Gou verneurskandidat. Einen lichten Punkt in dem allge mein düstern Weltbild bildete die Ver leihung der vollen Unabhängigkeit an die Philippinen. Tie Einlösung des amerikanischen Versprechens zeigt, daß Völker auch ohne Hader und Revo lution und Krieg miteinander aus kommen können, wenn auf beiden Seiten guter Wille vorhanden ist. Staffen vor dem Lande steht. Es war ein Konjunktursieg, der an erster Stelle durch schlaue Ausnützung der Mimiefota'er Parteiverhältnisse her beigeführt wurde. Es wurden rund etwa vierhundertundfünfzigtausend Stimmen abgegeben. Davon erhielt Gouverneur Thye etwa die Hälfte, vielleicht weniger, Senator Shipstead ungefähr hundertsünfundzwanzigtau. send, die Gouverneurskandiaten der Farmer—Labor Party rund hundert tausend. (Die vollständigen Wahl ergebnisse liegen, wie bereits betont, noch nicht vor.) Es ist ohne weiteres anzunehmen, daß viele taufend Stimmgeber durch rein parteipoliti sche Erwägungen sich leiten ließen und nicht durch Hrn. Stassens Ausland Politik und Präsidentschaftsambitio nen. Das gilt vor allem von der Hal tung der Wähler der Farmer—Labor Party, von denen in früheren Wahlen sicherlich viele für Shipstead gestimmt haben, denen es aber unter den heu tigen Verhältnissen vor allem um die e a i i i e u n i e a e i z u tun war. Wäre es um eine glatte Entscheidung zwischen StassenThye und Shipstead gegangen, dann wür de sich das Wahlergebnis sehr wahr scheinlich ganz anders darstellen und erstere müßten sich bestenfalls mit ei ner knappen Mehrheit begnügen. Es ist darum etwas verfrüht, weit gehende Schlüsse zu ziehen und die Primärwahl als überragenden Sieg Hrn. Stassens hinzustellen. Das hin dert allerdings Hrn. Staffen nicht, wie ein Triumphator und „Führer" die Pressevertreter um sich zu versam meln und ihnen die Bedeutung der Wahl von seinem Standpunkt und für feine Politik darzutun. Mit dieser propagandistischen Aus beutung der Vorwahl sind augen scheinlich einflußreiche unabhängige Blätter außerhalbs Minnesotas nicht einverstanden soweit sie einen kla ren Einblick in die politischen Ver hältnisse des Staates haben. Sie bu chen die Niederlage Hrn. Shipsteads als Sieg Hrn. Stassens nur insofern, als sie die schwere Schlappe ausgleicht, die der Präsidentschaftskandidat neu lich in Nebraska erlitten hat. Dieser Auffassung sind wir beizupflichten ge neigt, und wir glauben nicht, daß der 8. Juli ein ausschlaggebendes Datum in der politischen Karriere Hrn. Staf fens gewesen ist. Was Senator Shipstead anbelmzM so tritt er ohne Makel, am wenigsten irgendwie mit dem Odium Tammany Halls oder Pendergasts befleckt, von dem Posten ab, auf dem er vierund zwanzig Jahre lang mit Ehren ge standen hat. Nicht weil er ein Scher bengericht verdiente, wurde er Besiegt sondern weil er stets aufrecht und ohne Rücksicht auf Parteibosse gehan delt hat, unterlag er Gegnern, die eine Parteikonjunktur schlau auszu beuten verstanden haben. Minnesota kann stolz darauf fein, daß es diesen Mann viermal in den Bundessenat entsandt hat, und die Tau sende, die ihm am Montag von neuem ihr Ver trauen ausdrückten, haben nichts bereuen.