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Ohio Waisenfreund. [volume] (Pomeroy, O. [Ohio]) 1874-1953, September 14, 1946, Ausgabe der 'Wanderer', Image 6

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(Fortsetzung)
Ter Einrichtung der Stube müssen
wir doch auch einen Blick schenken,
denn sie ist es wert. Sie glich einem
Magazin von lauter Musikinstrumen
ten, denn die Krattenniachersleute
waren geborne Musikanten.
In einer Ecke dehnte sich schatten
hast ein uralter, gewaltiger Flügel,
den der alte Schnäbele, als er noch
jung war, irgendwo „um einen
Spott" aufgegabelt hatte. Er pflegte
gerne zu erzählen, wie es ihm damit
ergangen war. Als er nämlich das Un
getüm auf einem Leiterwagen vor das
Haus führte, wollte seine alte Mut
ter, die damals noch lebte, unter fei
nen Umständen diesen Goliath ins
Haus bringen lassen. Lange setzte er
ihr vergeblich die Großartigkeit der
reuen Erwerbung auseinander, und
ols er sie endlich halb besiegt hatte,
stellte sie, auf dem Rückzüge Begrif
fen, die grausame Bedingung: „Aber
das sag' ich dir, der Schwanz muß
ihm vorher abgesägt werden, sonst
kommt er mir nicht über die Schwel
le." Er hatte, auf dem teuern Gute
sitzend, mehrere Stunden zu tun, um
sie zu überzeugen, daß diese Verstüm
melung den völligen Ruin des Riesen
bedeuten würde, und kopfschüttelnd
gab sie endlich nach, konnte aber den
„Platzver sperrer" nie recht leiden, ob
wohl Schnäbele herzbrechend darauf
spielte.
In der andern Ecke lehnte eine
Gamba (Kniegeige), die auch ihre ei
genartige Geschichte hatte. Das ehr
würdige Instrument hatte vor Zeiten
in der Kirche eine Rolle gespielt und
zwar dann, invalid geworden, auf die
Kirchenbühne gewandert. Dort hatte
es Lois als kleiner Bube aufgestöbert
und nach Hause genommen. Aus dem
Hals, der abgebrochen war, hatte er,
indem er ein Loch hindurch bohrte
und eine Schiene durch dasselbe zog,
sehr sinnreich eine Armbrust verfer
tigt und den Bauch des Instrumentes
Benutzte er zu einem Stall für seine
Kaninchen. Schnäbele, der als Poli
zeidiener gar manches Verborgene
ans Licht brachte, hatte die Trümmer
entdeckt, sie um einen Sechser und ein
Schnappmesser an sich gebracht und
mit großer Kunstfertigkeit wieder zu
sammengefügt. Auf solche Art war
die Gamba wieder in die bürgerlichen
Ehren- und Dienstrechte eingesetzt
worden und feierte nun in ihren alten
Tagen noch manchen Triumph bei
Hochzeiten und bei der Kirchweihe.
Ueber diesem Schmerzenskind hin
gen zwei Violinen, eine Viola, ein
blitzblankes Piston, das Modest mei
sterhaft blies, eine Trompete, ein
Waldhorn, eine Klarinette, eine Flö
te und ein Pikkolo. Auf dem Flügel
lag eine Zither, und über ihr an der
Wand hing eine altersgraue Guitar
re mit einem nagelneuen Veilchen
blauen Bande. Ter alte Schnäbele
nannte sie nur den „Karessierkasten"
und stellte ein altes Hackbrett viel
höher, das unter dem Flügel wie eine
große Nachteule dämmerte, und das
er um einen Groschen, um einen Kri
sikratten und eine Kappe voll Zwetsch
gen an sich gebracht hatte. Er besaß
nämlich in dem kleinen Wurzgärtlein
»eben dem Hause einen Zwetschgen
bäum und nannte dieses sein einziges
Besitztum gerne sein „Landgut".
Krattenmacher waren das unver
fälschteste Künstlervolk, das man sich
denken kann, und alle, vom Kleinsten
bis zum Größten, waren musikalisch,
und die Aelteren bliesen, spielten und
sangen mit einer Fertigkeit, die den
Zigeunern Ehre gemacht hätte.
„Aber zankt die Mutter nicht,"
fragte auf einmal die alte Kratten
macherin, „wenn ihr so spät heim
kommt? Und macht sie nicht böse Au
gen, wenn ihr mit den armen Krat
tenmachersleuten zusammensitzt? Sie
hat auch ein Stölzle wie der Vater."
„Ach was," meinte leichthin die re
solute Bertha, „ich bin eben im ,Heim
garten' bei euch. Und wegen dem
Stölzle? Um das gibt niemand einen
Kreuzer. Ich geh freilich auch nicht
zu jedermann und weiß recht gut, daß
man mir auch ein Stölzle aufmutzt,
aber das alles hat feine zwei Seiten.
Hab' ich recht, Lois?"
„Das geht mich alles nichts an,"
meinte ihr Bruder mit großer See
lenruhe, „ichjeh'_ hin, wo ich mag."
Der alte Schnäbele lenkte ab, in
dem er hinwarf:
„Bleibt es dabei, daß euer Vater
feine silberne Hochzeit so großartig
feiern will?"
„Ich glaub' so," sagte Bertha, in
dem sie die roten Lippen wie unmu
tig schürzte. „Er tut es einmal nicht
Anders. Kirchgehen und ein Essen wär'
Won recht gewesen, aber er will alles
wie bei einer rechten Hochzeit: ein
großes Mahl, Spielleut' und Tanz
bis zum hellen Morgen."
„Dann fällt für Krattenmachers
W» V W W»
Urattenmachers
von Gernhausen
Eiue Dorfgeschichte vou Aug«ft Butsche?
auch ein guter Bissen ab," meinte
Schnäbele schmunzelnd. „Freilich tut
er ein bisse! gar zu großartig. Es
geht mich nichts an, aber ich mein'
eben doch, viele Tropfen höhlen einen
Stein, und wenn man auch steinreich
ist."
„Du kannst doch auch tanzen, Mo
dest?" fragte Bertha mit der Leb
haftigkeit der Jugend.
Ter Angeredete faß schon lange
stille am Tisch und sah sinnend in die
Lampe. Er fuhr zusammen und sagte
dann, trübe lächelnd:
„Ich Hab'5 einmal können, und ich
denke, daß ich auch jetzt noch einen
Walzer oder Polka zusammenbrächte,
wenn meine Füße auch ein bissei steif
sind vom Kampieren im Felde. Und
auch die Lust vergeht einem, wenn
man den Totentanz der Schlacht ge
sehen hat, wo ein grausiger Spiel
mann grausige Weisen spielt."
Bertha sah ihn ein wenig erstaunt
an, versetzte aber dann resolut:
„Also an der silbernen Hochzeit
tanzest du einen Polka mit mir, das
ist abgemacht aber jetzt muß noch ei
nes gesungen und gespielt werden!
Tu, Modest, mußt aber zuerst eines
auf deiner Schmettertrompete blasen,
ich Hab' es noch nie gehört, und dann
machen wir wieder einmal Musik mit
einander, wie die reisenden Tiroler.
Du, Lois, stellst das Publikum vor,
und wenn es dir gefällt, so trampelst
du mit den Füßen und schreist Bra
vo?"
Und man war dem mundfertigen
Mädchen gehorsam wie einer Fürstin.
Modest blies aus dem Piston mei
sterlich sturmfrohe Läufe und Triller,
und Bertha, die mit bewundernden
Blicken ihm zusah, rief am Schlüsse:
„Das schmettert einem ja durch die
ganze Seele!"
Tann setzten sich alle um den Tisch,
und Lois mußte mitten in der Stube
auf einem Stuhle platznehmen und
das Publikum vorstellen. Jedes griff
nach einem Instrument.
Bertha spielte die Zither, die alte
Krattenmacherin schlug das Hackbrett,
und Staute zupfte die Guitarre. Mei
ster Schnäbele spielte seine vielgelieb
te Gamba, Kuß die Violine, Modest
das Piston. Es war ein eigenartiges
Zusammenspiel, aber von dem Alt
meister wohl arrangiert und auf ha
selnußgroße Noten gesetzt.
Tann sangen sie allein zur Zither
mit Chor und Solo eine Menge Lie
der. Es war schon spät, als die Schul
zenkinder sagten:
„Aber jetzt gute Nacht allzusam
men, ein andermal wieder!"
Lois angelte seine Gabel mit dem
Körbchen und er war vielleicht der
einzige Freier auf der ganzen weiten
Erde, der so seelenvergnügt das ihm
geflochtene Körblein nach Hause trug.
2. I« der Patrontasche
Nach Gernhausen war vor etlichen
Jahren aus der Bezirksstadt ein
Mann hereingezogen, der dort eine
gewisse Rolle gespielt hatte. Er war
nämlich Hauptmann der Bürgerwehr
gewesen, hatte nebenbei eine Schänk
wirtschaft betrieben und zugleich als
Unterhändler und Winkeladvokat in
allen möglichen offenen und geheimen
Tingen feine Finger gehabt und auch
mehrmals verbrannt. Deswegen fand
er es für ratsam, die Stadt zu ver
lassen. Er kam nach Gernhausen, hing
dort eine Patrontasche an einem gro
ßen eisernen Nagel über der Türe
eines Häuschens auf und gründete
kurzweg mit Hilfe des Schultheißen,
den er gut kannte und den er schon
oft mit seiner Weisheit unterstützt
hatte, das Wirtshaus zur „Patron
lasche" und setzte sich breit und beute
gierig hinein, wie die Kreuzspinne in
ihr Netz.
Die Gernhauser fanden diese Idee
sehr unterhaltsam und den dicken Wirt
auch, und so kam es, besonders da der
Schultheiß mit „gutem" Beispiele
voranging, daß der Patrontasche wirk
lich die Gäste zufielen wie die Mücken
der Spinne. Das Hauptwirtshaus
zum „Pfauen" verödete allmählich,
und der stolze Vogel schlug umsonst
sein Rad über der breiten Eichentüre.
Die „Patrontasche" war aber auch ein
heimeliges Häusle, alles klein und
niedlich, blank und zierlich. Es stand
ein wenig abseits in einem schattigen
Obstgarten, in den ein kiesbestreuter
Weg führte, und war von Reben um
rankt, und blaue Trauben lugten jetzt
ins Gastzimmer.
Es ging gegen Abend.
Einzelne Bauern, die daheim un
ter der Fuchtel ihrer Weiber standen,
hatten sich auf der Rückseite des Hau
ses hineingeschlichen und saßen nun,
froh über die glücklich überstanden«
Gefahr., hinter den großen Stein trü
gen mit schäumendem Bier. Der Ju
denboldi war auch da sein kleines
Fuhrwerk stand in einem Schuppen
neben dem Hause. Mit dem Patronen-
Jetzt eben schob er es vom linken
Ohr auf das rechte, und jedermann
wußte, daß er sinniere.
„Heut amtet er aber lang," sagte
er über die Schulter zurück.
»Ja, ja. Würde bringt Bürde,"
meinte der Judenboldi und schmun
zelte dazu.
„Doch, doch," rief jetzt der Wirt,
und fein altes Gesicht schien um einige
Jahre jünger zu werden, „da kom
men sie im Gänsemarsch daher!"
Damit schob er das Käppchen wie
der aufs linke Ohr.
Eine der beiden Gestalten, die auf
dem Kieswege daher schritten, ist uns
schon ^vorteilhaft bekannt, nämlich der
alte Schnäbele, der heute in Uniform
und mit dem in der Scheide eingero
steten Schwert an der Seite fünf
Schritte hinter seinem Herrn einher
ging. Tiefen Abstand mußte er stets
genau einhalten. Heute trug er, wie
schon oft, die Stiefel des Schulthei
ßen in der Hand, während dieser in
Hausschuhen mit gestickten, grellroten
Rosen daherkam. Schnäbele hinkte
auf dem linken und der Schultheiß
auf dem rechten Fuße, was sich sehr
sonderbar ausnahm.
Ter Ortsvorstand war ein kleiner
brauner Mann mit kohlschwarzen
Haaren und mit einem Gesicht, das
etwas Verkniffenes hatte, weil er es
bei Amtshandlungen stets in Falten
legte, um sich den Anschein tiefen
Nachdenkens zu geben. Erst im Wirts
hause glättete sich eine Falte nach der
andern, und er wurde dann wieder
jünger, wie der Patronenwirt bei der
Aufheiterung. Er ging stets ohne
Kopfbedeckung und hatte eine gewal
tige Kielfeder Hinter dem Ohre. Aus
der Seitentafche feines „städtischen"
Rockes ragte immer irgend ein großes
Aktenstück, und die stets mit Tinte be
spritzten Hände trug er auf dein Rük
ken zusammengelegt.
Ter Schultheiß wurde von den
Bauern gleichgültig, von dem Juden
boldi sehr vertraulich und vom Pa
tronenwirt mit dem ganzen Aufwand
feiner Höflichkeit begrüßt. Ten Schnä
bele beachtete weiter niemand, und er
stellte ruhig die Stiefel unter den
Ofen und setzte sich an den Hinter
wie es seiner gesellschaftlichen
Stellung zukam die Scheidung nach
Hoch und Nieder war eben auch in
Gernhausen daheim.
„Tie Berthe! ist grab dagewesen,"
sagte der Patronenwirt, „und hat
Bier geholt für die Mutter. Tu
brauchst nicht zu eilen mit dem Heim
kommen mit der Kuh sei es besser,
sagte sie. Ein blitzsauberes Mädel!
An Freiern wird's da nicht fehlen."
„Gott der Gerechte, da hast du
recht!" bestätigte der Judenboldi. „Es
kann auch gar nicht anders sein: du
bist ein reicher Mann und ein geschei
ter Mann!"
Eine oder zwei Falten im Gesichte
des Schultheißen ebneten sich, und er
OHIO WAISENFREUND
wirt war er von jeher „dick" Freund
gewesen, ebenso mit dem Schulthei
ßen, und die Verhältnisse der meisten
Gäste kannte er so gut wie seine Ho
sentasche.
Er und der Wirt glichen sich ein
wenig, von außen und von innen.
Beide waren fettleibig, schwammig,
hatten schlaue, blinzelnde Augen und
taten, als ob sie kein Wässerlein zu
trüben vermöchten. Nur hatte der Ju
denboldi als besondere Auszeichnung
eine gewaltige Hakennase, und seine
Fettleibigkeit kam vom vielen Essen
her, während sie bei dem Patronen
Wirt auf vieles Trinken zurückgeführt
werden konnte.
Der Wirt Hatte eben mit einigen
Bauern einen Häringssalat ausge
würfelt und stellte sich jetzt ans Fen
ster, indem er die weiße Schürze mit
einem Zipfel in das Schürzenband
steckte. Er setzte sein fettiges schwarzes
Käppchen stets auf das rechte Ohr,
wenn er nachdenklich war, und auf das
linke, wenn er lustig war oder im
Spiel gewann.
OR.
days, but I
sagte geschmeichelt mit einer gewissen
Nachlässigkeit:
„Das ist ein altes Lied, das mir
oft genug vorgesungen wird. Aber
wir wollen das weglassen, solche Sa?
chen finden sich ganz von selber, und
ich kann bei meinem schweren Amt
nicht an alles denken."
»Ja, ja," bemerkte der Patronen
wirt, „man plagt jetzt die Schulthei
ßen vom Amt aus, daß sie schwarz
werden, seitdem der preußische Wind
weht."
„Kommt vielleicht auch wieder an
ders," meinte einer der Bauern.
»Vielleicht greift der Oesterreicher
wieder an, oder der Franzos."
„Das versteht ihr nicht," fiel ihm
der Schultheiß ins Wort. „Da seid ihr
noch viel zu jung. Die ganze Geschieh
te fällt wieder zusammen wie ein Kar
tenhaus, und es gibt wieder eine Völ
kerwanderung wie vor alten Zeiten, so
um die Sündflut herum. Ihr wollet
es mir nicht glauben, aber ich sag' es
noch einmal: der Türk wirft noch al
les über den Haufen. Ter kommt ei
nes schönen Tages mit fünfmalhun
derttaufend Mann und schmeißt alles
durcheinander wie die Schüsseln und
Häfen in der Küche. Ich Hab' in der
Sibyllen-Weissagung gelesen, daß der
Türk noch sein Rößlein im Bodensee
tränken wird, und das trifft so gut
ein als alles andere, das schon ein
getroffen ist. Noch ist Polen nicht Ver
loren!"
Sein Lieblingsthema war der
„Türk", und davon rührte auch sein
schon erwähnter „Uebernamen" her.
Die Bauern lächelten hinter ihren
Tabakswolken, aber der Wirt und der
Judenboldi hörten mit großer, wenn
auch erheuchelter Aufmerksamkeit zu.
Nur der alte Schnäbele warf vom
Hintertische aus ein:
„Es geht mich nichts an, aber ich
mein' eben doch, daß unser Deutsch
land noch einig wird."
„Freilich geht es dich nichts an,"
fuhr ihn sein Herr barsch an, „und
du solltest über solche Sachen das
Maul halten. Ich sag' eben, daß der
Türk noch kommt mit fünfmalhun
derttausend Mann, und daß dann
alles drunter und drüber geht."
„Dann wird es das Beste sein,"
meinte halb scherzhaft der Patronen
wirt. indem er fein Käppchen ganz
auf das linke Ohr schob, „wenn wir
unser Sächle vorher vertun. Es steht
auch irgendwo aufgeschrieben: Lasset
uns essen und trinken, denn morgen
sind wir tot!"
Mit diesen Worten langte er den
Würfelbecher vom Brett und ließ die
Würfel rasseln.
„Alte, schenk du derweil ein!" rief
er seiner Frau zu. „Ich denke, wir
machen noch ein Spiel."
Seine Frau, ein altes gedrücktes
Weiblein, das sonst immer in einem
Winkel saß und strickte, erhob sich
langsam und wischte den Tisch ab.
während sich alle am Tische näher
zusammensetzten, ausgenommen den
alten Schnäbele, der kein Geld zu
verlieren hatte.
ie
Die „Patrontasch" war schon seit
längerer Zeit eine Spielhölle im Klei
nen, und der Wirt mit seinem „Spe
zel", dem Judenboldi, machte dabei
ganz ausgezeichnete Geschäfte. Der
Letztere ließ sich zuerst lange nötigen
und gab sich den Anschein, als ob er
nur ungern mittue, aber endlich fügte
er sich doch.
„Was gilt's?" fragte der Wirt, in
dem er immer den Becher schwenkte.
„Eine Flasche vom Besten?"
„Freilich," sagte der Schultheiß:
„wir lassen uns nicht lumpen. Auf
drei Würfe, und her Mindeste be
zahlt."
Er sah jetzt um mehrere Jahre
jünger aus, denn die Falten waren
wie durch Zauberei aus seinem Ge
sichte verschwunden.
Eine Flasche folgte der andern die
Gesichter begannen bald im Lampen
schein zu glühen, und nur der Wirt
und der Judenboldi blieben nüchtern,
wenn sie sich auch den Anschein gaben,
als tränken sie wacker.
Der Schultheiß verlor unmäßig
viel, wenn er auch immer wieder rief:
„Noch ist Polen nicht verloren!"
Kopfschüttelnd sah der alte Schnä
bele zu und er fühlte eine Art von
schauerlichem Vergnügen bei dem An
blick der Gulden- und Talerstücke, die
der Wirt nachlässig in seine Hosen
tasche gleiten ließ.
Etwa gegen zehn Uhr machten die
Spieler eine Pause, um eine Schüssel
voll saure Eier zu verzehren, die sie
auch herausgewürfelt hatten und die
wieder der Schultheiß bezahlen muß
te. Da hörte man draußen die wohl
klingende Stimme Modests, der für
seinen Vater die Runde machte:
»Ihr Herren und Frauen, laßt euch
sagen.
Der Hammer hat zehn Uhr g'fchla
gen."
„Nein, wir lassen uns nichts sa
gen," schrie mit stolzem Lächeln der
Schultheiß „in der ,Patrontasche'
gibt es heute keine Polizeistunde!"
Nach einer Weile trat auch Modest
ein, um als Soldat noch eine Patrone
einen Schoppen zu nehmen. Er
stellte Laterne und Hellebarde in eine
Ecke und setzte sich ohne Umstände an
den Tisch der Großmächte, und zwar
grade an die Seite des Schultheißen,
der mit zusammengekniffenen Augen
seitwärts rückte. Er konnte den jun
gen, selbstbewußten und wortscharfen
Mann nicht sonderlich gut leiden.
Dessen ruhiges, sicheres und beinahe
träumerisches Wesen war auch seinen
Altersgenossen zuwider, denn jede Be
sonderheit wird auf dem Lande mei
stens als Stolz ausgelegt, und dem
armen Krattenmacher und Musikan
ten stand ja ein „Stölzle" ein für
allemal nicht an.
Dem alten Schnäbele aber, der im
mer noch im Hintergrunde von den
Brosamen lebte, die von dem Tische
der Torfpotentaten fielen, behagte
dieses gar wenig unterwürfige We
sen seines Sohnes überaus, und er
prophezeite in angeregten Stunden,
daß sein Modest noch den Schultheiß
und den ganzen Gemeinderat verkau
fen werde, wenn jemand darnach be
gehrte. Er hörte mit stillem Vergnü
gen,- wie sein Modest auf alles so
knapp und sicher Bescheid wußte und
wie 'derselbe schließlich das Gefecht
von Tauberbischofsheim so anschau
lich schilderte, daß die roten Nasen
der Bauern weiß wurden vor Schrek
ken. Modest redete sonst nicht viel und
wußte selbst nicht recht, wie er dazu
kam, heute so gründlich zu sein. Sein
Vater meinte, entweder wolle er dem
Schultheißen imponieren oder sich ihm
in einem günstigen. Lichte zeigen.
Ter Letztere rieb die Nase mit dem
Zeigefinger und sagte dann nach einer
Weile mit schlauem Blinzeln seiner
weinroten Augen:
„Das kann ja alles sein, und du
bist kein unebener Bursche, sonst hät
test du das Metall nicht bekommen
aber du kannst es vielleicht noch erle
ben, daß der Türk die ganze geleimte
Geschichte wieder auseinander reißt.
Wenn's nach der Sibyllen-Weissa
gung geht und es ist seit Menschen
gedenken alles eingetroffen —, so
kommt eben einmo* der Türk mit
fünfmalhunderttausend Mann, sackt
die ganze Geschichte ein und tränkt
sein Rößlein im Bodensee da kannst
du Gift darauf nehmen,"
Modest lächelte, und die andern
lachten.
„Nun, das können wir, denk' ich,
ruhig abwarten," antwortete Modest
gemütlich, denn er schien gewillt zu
sein, der Ortsobrigkeit nicht direkt zu
widersprechen, was seinen Vater ein
wenig wunderte.
Den Schultheißen aber freute of
senbar diese sehr zweifelhafte Zustim
mung, und er fagte sehr gnädig:
Read
"Ol WORLD II CHARITY"
14. Baptcinlwi'
„Ja, ja, abwarten muß man im
mer auf der Welt, und ein gescheiter
Mann macht es nicht anders aber für
alle Fälle ist es gut, wenn man in den
Schriften ein wenig beschlagen ist.
Den Türken Hab' ich immer am gern
sten studiert, weil er ein auffallender
Kerl ist. Er nimmt z. B. hundert Wei
ber, und einer deinesgleichen bekommt
oft nicht einmal ein einziges."
„Ist kein großer Schaden!" warf
der Patronenwirt höchst ungalant ein.
Modest war rot geworden, sagte
aber dann ruhig:
„Ich Hab auch noch kerne darum
gefragt."
,,O, wenn's auf das ankäme,"
meinte der Judenboldi schmunzelnd,
„da könnte ich aushelfen: zehn für
eine, wenn es fein muß. Nur müßte
eben der Schnäbele sein Sächle abtre
ten."
„Da ist nicht viel abzutreten," er
widerte der Alte lächelnd. „Da hinkt
es überall wie beim Schnäbele sel
ber. Ja, wenn ich die Feibewiese hin
ter meinem Häusle hätte, könnte man
vielleicht für die Hacke einen Stiel
finden aber der Herr Schultheiß wird
sie wohl nicht herfchenken wollen."
«Nicht im Handumdrehen," rief
dieser lachend „aber wenn ich einmal
ein Metall bekomme wie dein Modest,
so schenke ich sie dir, auf Ehre!"
„Da können wir alt werden," lau
tete die respektwidrige Antwort, die
der Schulhteiß aber beim Anstoßen
der vollen Gläser überhörte.
„Wie ist es denn mit deinem zimp
feren Berthele?" fragte der Juden
boldi. „Willst du sie nicht bald gehen
lassen, denn der Lois bekommt doch
den Hof? Ich wüßt' dir,- bei meiner
See!', einen guten Anstand."
«Das hat Zeit," sagte der Schult
heiß grob, „und ich brauch' wohl kei
nen Juden dazu nichts für ungut.
Ich bin der Fürst von Gernhaufen,
und mein Weib ist die Fürstin, und
«Und.dein Gaisle die Prinzessin,"
warf der dicke Stiftungspfleger spöt
tisch ein.
Maul halten!" gebot der Schult
heiß. «Das sind Angelegenheiten für
das geheime Kabinett, da leidet es das
Schnaufen nicht. Aber weil wir grad
beim geheimen Kabinett sind, so mein'
ich, wir bilden heut auch noch eins."
„Bravo!" rief der Patronenwirt,
der schon längst mißmutig sein Käpp
chen auf das rechte Ohr gedrückt hatte.
Jetzt flog es mit einem Ruck auf das
linke, und er griff eilfertig nach dem
Würfelbecher.
Die Männer begaben sich leise in
ein Nebenzimmerchen, wo der Wirt
die Läden schloß, eine Lampe anzün
dete und ein dickes Tuch über dem
runden Tisch breitete. Erstaunt folg
ten die Blicke Modests, während der
alte Schnäbele mit dem Kopfe schüt
telte.
Der Schultheiß sagte gnädig zu
dem jungen stellvertretenden Nacht
wächter:
„Nur hereinspaziert! Du kannst
auch einmal zusehen, wie man die
Sechser in Kronentaler verwandelt
aber das Maul halten, es leidet das
Schnaufen nicht. Du Schnäbele bleibst
vorerst in der Stube, löschest die Lam
pe aus und schließest die Haustüre ab.
Es scheint, glaub' ich der Mond, aber
du kannst deinen Schoppen auch im
Dunkeln finden das Maul ist groj$
genug. Und dann gibst du Achtung,
daß nichts Unreines ans Haus
schleicht dein Modest kann dich hie
und da ablösen, wenn du schläfrig
wirst!"
Die Türe des Nebenzimmers schloß
sich, und draußen flutete nur daK
Mondlicht herein und bestrahlte den
alten Schnäbele, der immer noch mit
dem Kopfe schüttelte.
(Fortsetzung folgt)

This Modern Ag|
fnoio fcTrüTi',
"The Doe said to take these bandages off after five
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By the MOST REV. ALOISIUS J. MUENCH. Bishop of Fargo.
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This slender pamphlet is "mmf reading for all who are
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peace.
25 pages, single copies, 20c postpaid.
10 to 100 copies, 15c per copy.
101 to 500 copies, 12c per copy
501 to 1000 copies, 10c per copy.
Over 1000 copies. 8c per copy.
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WANDERER PRINTING COMPANY
128 E. 10th STREET
ST. PAUL 1, MINNESOTA

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