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?V' 'f ,..4F-,' -ch. T'. N Jahrgang 74 fen' i,A- m-s üVut- ^lDtfu)Cll Räch dem Nürnberger Urteilsspruch Der große Gerichtstag von Dürn berg ist vorüber. Anderthalb Dutzend Männer, die einige Jahre lang als Herren der Welt sich gebärdend über die Zeitbühne gestampft, harren gebe* mütigt und verzagt der Erfüllung des Urteilsspruches, Verbrecher, we nigstens die schuldigsten unter ihnen, die über die Gesetze Gottes und der Menschen mit einer in der Geschichte kaum je dagewesenen lieber Hebung und Wildheit sich hinweggesetzt haben und nun endlich, wenn nicht Sie Grö ße ihrer Frevel, so doch ihre eigene Nichtigkeit und Ohnmacht erkennen müssen. Nur knappe acht, neun Jahre ift es her, daß sie aus den Parteitagen in dem heute in Trümmern liegenden Nürnberg die Vertreter der Groß mächte huldvoll begrüßen konnten, während viele tausend ihrer Gefolgs männer im Schaugepränge der Pro pagandakunst eines Göbbels und ei ner Riefenstahl die scheinbar unüber windliche Macht des Tritten Reiches gellend in die Welt schrieen. Heber all die künstliche und erlogene Herrlich feit hat sich das Leichentuch der Zer störung und Vernichtung gesenkt. Das große Drama aber ist nicht die 93er= urteilung dieser paar Männer, die un ter der Führung eines dämonischen Narren einige Jahre lang Weltge schichte machten. Ihr düsteres Ende ist nur klägliches Nachspiel der Menschheitstragödie, die ein Jahr zehnt lang die Völker von Katastro phe zu Katastrophe führte und ein begabtes und um die christliche Kul tur des Abendlandes hochverdientes Volk zerschlug und auf lange Jahr zehnte hinaus zur Ohnmacht verur teilte. Schuld heischt Sühne, und niemand wird den Göring und Ribbentrop und Streicher und Frick und Funk und wie sie alle heißen eine Träne nachwei nen, ebenso wenig wie Hitler und Göbbels und Himmler und Ley, die sich, schon vor einem Jahr feig aus der von ihnen zerstörten Welt stahlen. Ihr Tod aber macht die Welt nicht schöner und nicht besser. Tenn die Ver urteilten von Nürnberg waren in all ihrer Scheußlichkeit nur ein Teil der zerstörenden Kraft, die in der vom Naturrecht und Sittengesetz abgewi chenen menschlichen Gesellschaft tätig ist. Es ist gefährliche Selbsttäuschung, wenn man glaubt, weil man ein Exempel statuiert und eine neue menschliche Satzung kollektiver Ver antwortung der Staatenführer ver kündet, werde eine neue Aera anbre chen. Denn man mag es drehen und wenden wie man will, dieser neue Bestandteil des Völkerrechts wenn er je in diesem Aufnahme findet ist und bleibt ein Recht der Starken, solange er nicht allgemeine Anerken nung findet als Ausfluß des göttli chen Gesetzes, lind selbst wenn alle Völker sich zu diesem bekennen, aber die Politik auch fernerhin im Zeichen der Macht und der Habgier steht und mit allen Schikanen und Intrigen ei iter selbstsüchtigen Diplomatie ihre Ziele verfolgt, werden sich immer wie der gewalttätige, herrschsüchtige und verbrecherische Menschen finden, die wie der Verbrecher int Alltagsle ben sich vermessen, alle Schranken niederzubrechen in der Erwartung großer Erfolge, die ihnen als den Starken die Bestrafung der überwun denen Gegner in die Hand geben wer den. Darum überschätze man die Aus Wirkung des Nürnberger Strafge richts nicht! Es macht sich ja jetzt schon ein ernüchtertes Urteil geltend, das in schroffem Gegensatz steht zu dem großen Aufwand des Nürnber ger Prozesses. Abgesehen von der Sühne, die man Göring und Genos sen auferlegt für das der Menschheit angetane schwere Unrecht, ist es gut, daß man durch das Urteil zugleich jenen eine Warnung zuruft, die mit Menschen- und Völkerschicksalen fre ventlich spielen. Es gibt deren genug in heutigen Staaten! Daß man mehr erreicht in einer säkularisierten Ge sellschaft, als mit dem Hinweis auf drohende Strafen zeitweilig hemmend und abschreckend auf die Pläne rück sichtsloser Macht- und Beutepolitik zu wirken, darf man nicht erwarten, so lange nicht ein neuG UAkWsewWN sich geltend macht. V (flllio und Frieden Die Aufgabe der Demokratie Wir wollen aber nicht einem un fruchtbaren Pessimismus das Wort reden. Gott hat die Völker heilbar erschaffen, und trotz allem Schlechten und aller Gemeinheit und aller Bru talität lassen sich doch mancherlei An sätze des Guten erkennen. Es wäre ja auch wirklich zum Verzweifeln, wenn der Glaube an die Sieghaftigkeit des Christentums die Fahne senken müß te vor den Mächten der Finsternis, vor dem gottlosen Kommunismus, dem unfähigen Liberalismus und dem gefährlichsten aller Feinde, dem feigen und tatenlosen Jndifserentis mus. Wenn je, dann muß in der heu tigen Weltlage die recht verstandene Demokratie sich bewähren, die wirkliche, taten starke, verantwor tungsbewußte Demokratie. Wenn Demokratie einen Sinn hat, wenn das Volk sich klug und charaktervoll betätigt, dann kann es nicht geschehen, daß in einem Land mit freier Ver fassung eine Hand voll Geldmenschen und Politiker die Geschicke bestimmen, über Krieg und Frieden entscheiden. Es ist da allerdings viel einzuho len, viel gutzumachen. Da ist soeben ein in vieler Hinsicht naives und doch aufschlußreiches Buch erschienen. Es trägt den Titel „As He Saw It", und sein Verfasser ist Elliott Roosevelt, einer der Söhne des verstorbenen Präsidenten. Es bietet einen neuen Beitrag zu dem Wort von Gustav Adolfs Kanzler Oxenftjerna: „Du weißt nicht, mein Sohn, mit wie viel Unverstand die Welt regiert wird." Der junge Roosevelt brachte es im Krieg ohne große Beschwernisse zum Rang eines Brtgadegenerals. Seine bürokratische Tätigkeit wurde oft un terbrochen durch gesellschaftliche Be suche in England und vor allem durch Fahrten zu den verschiedenen großen Konferenzen feines Vaters, wo er und Churchills junger Sohn mit den an dern „Großen" auf Du und Du ver kehrten. Elliott Roosevelt spricht über die hohe Politik, in der es um Länder und Kontinente ging, mit geradezu verblüffender „Sachkenntnis", fast „wie ein Kammerfräulein von Kano nen". Ein Kritiker in der New porter ,Times' stellt fest, daß in den schick salsschweren Zeiten.nicht allein unter schwadronierenden jungen Leuten, sondern auch unter den „Großen" ei ne unglaubliche Ahnungslosigkeit herrschte. Schon Bei der Zusammen kunft im Atlantik drang Churchill auf den Eintritt der Ver. Staaten in den Krieg, und über fo gewaltige Unter nehmungen wie die Landung in Eu ropa wurde schon 1942 allen Ernstes geredet. Churchill wollte immer den Angriff über den Adriatik und den Balkan vorgetragen fehen. Tas war noch Elliott Roosevelt ein Unsinn, ein Stück Tory-Jmperialismns, nur auf die Ausdehnung der britischen Ein flußsphäre berechnet. Aber, schreibt der Kritiker in der ,Times', die Er eignisse haben Churchill in weitem Maße recht gegeben. „Würden ame rikanische und britische Heere mit den Russen in Ungarn und Rumänien zu sammengetroffen sein statt in Deutsch land und Oesterreich, dann wären die Hoffnungen auf europäische Einigkeit und Freiheit wahrscheinlich erheblich günstiger als sie heute sind." lieber Elliott Roosevelt selber schreibt der Kritiker: Seine „recht elementaren Ansichten über internationale Bezieh ungen beschränken sich hauptsächlich auf Mißtrauen England gegenüber und Bewunderung für Rußland. ,Joe Davies hat gezeigt, wie einfach es ist, mit den Russen zusammenzuarbeiten.' Sekretär James F. Byrnes wird sich zweifellos freuen zu hören, wie ein fach die Sache ist!" Es war in den Tagen von Casa blanca, Teheran, Jalta, wo Roosevelt sen. den Vorteil der weisen Ratschläge seines Sohnes hatte und Randolph Churchill der gleiche junge Mann, der später die Sache mit Tito einfä delte fernem Vater, dem britischen Premier, und dem amerikanischen Präsidenten „die Weltlage erklärte". Vom Zuschauerraum her sieht die Weltbühne, auf der die Schicksale der Völker bestimmt werden, ganz anders aus als von den Kulissen aus gese hen! Aber wo liegt die Schuld an diesem Versagen der Demokratie, wenn nicht an dem Volk und denen, die seine Führer fem sollten und die nur um eigene Vorteile und Partei siege Buhlen! Das ist eine der Hauptgefahren der "W' HZ "•'k Wir hegen die Befürchtung, daß es vor den großen Wahlentfcheidungen nicht viel besser werden wird, weder im nationalen noch im internationa len Leben. In die muffige internatio nale Atmosphäre hat zwar Staatsse kretär Byrnes durch seine Stuttgarter Rede und sein energisches Auftreten in Paris einen frischen Luftzug ge bracht. Aber die politische Extratour des früheren Handelssekretärs Wal lace hat, wenigstens vorübergehend, den erreichten Fortschritt wieder zu nichte gemocht und unsere Weltpoli tik wieder auf engstirnige Parteipoli tik eingeschaltet. Tie Befürchtung ist nicht unberechtigt, daß das engherzige Parteistreben in Paris schwerer ins Gewicht fällt, als das die Meldungen über den Verlauf der sogenannten Friedenskonferenz erkennen lassen, und daß die Ergebnisse der Konferenz aus Parteirücksichten günstiger wer den gefärbt werden als sie es verdie nen. Das entspricht auch den Bedürf nissen der Moskau'er Politiker, die wieder einmal allerhand „Säuber ungs"-Manöver notwendig zu habeil scheinen, um Widerstände zu be schwichtigen und zu unterdrücken. Jedenfalls gibt sich in den Pariser Meldungen ein gewisser geschäftiger Optimismus kund, der durch das bis her Erreichte sicherlich nicht gerechtfer tigt ist. Staatssekretär Byrnes und Stalin Wir hoffen aber, daß sich Staats sekretär Byrnes durch keinerlei Ma chenschaften von dem Pfad abdrängen läßt, den er in den letzten Monaten beschritten hat und mit anerkennend werter Energie verfolgt hat. Seiner Stuttgarter Rede vom 0. September, die nicht nur eine verän derte „deutsche Politik", sondern zu gleich unseren Bruch mit der bisher! gen unterwürfigen Nachgiebigkeit Washingtons gegenüber Rußland ankündigte, hat Hr. Byrnes letzte Woche vor dem Amerikanischen Klub in Paris eine weitere bedeutsame Darlegung unserer neuen, energische ren und konsequenteren Außenpolitik folgen lassen. Hatte er es in Stuttgart noch ver mieden, sich ausdrücklich auf die Sow jet-Union als die einer Angriffspolv tik verdächtige fremde Macht oder als eine Gefahr für die amerikanischen Interessen in der Welt zu beziehen, so ist er nun in Paris so deutlich ge worden, wie es die diplomatische Sprache nur erlaubt. Diesmal wand te unser Staatssekretär sich mit unge schminkten Worten direkt an den Tik tator im Kreml und feine Leute, und mit gutem Grunde. Hatte Stalin selber es doch nach tuttgart merkwürdig eilig gehabt, sich den Schuh anzuziehen, also muß er ihm wohl gepaßt haben. Byrnes ist unter diesen Umständen bor der amerikanischen Kolonie in Paris recht daran, sich weniger an die moskowi tischen Agenten Stalins zu halten, als vielmehr an den allmächtigen Bolsche Wikenzaren selber. Das machte in diesem Falle einen gewaltigen Unterschied: Die Wischin sky, Molototo, Gromyko und Foster hatten auf des Staatssekretärs Kund gebung noch mit dem abgeklapperten Alarmruf reagiert, der „anglo-ame rikanische Kapitalismus" drohe uns in einen .Krieg mit dem siebenmal „demokratischen" Rußland zu stür zen. Die „(j/'s" in China und die „Tommies" in Athen gefährdeten den Weltfrieden, jammerten die Stalini sten noch, als Stalin selber schon eine „neue Linie" gefunden hatte und fei nen Myrmidonen das Konzept ver darb mit der Feststellung, er vermöge „zur Zeit" keine Kriegswolken am politischen Himmel zu entdecken und glaube an keinen Versuch der „Ein kreisung" Rußlands. (Beiläufig war "PKWf. An Familienblatt für Wahrheit und Recht zur Belehrung und Unterhaltung Ausgabe des,Manderer' CcnutSgegrftn »om PSvstliche» «»llegmm Aosephionm z»m Beste» der Priefterzöglioge. Preis fur ein J»hr in den Set. Stalten $2, in Kanada rnib allen anderen Staaten $2.50. Samstag den 12. Oktober 1946 augenblicklichen Lage, daß das Volk wieder einmal hintergangen wird von berechnenden Politikern, die selbst an gesichts des furchtbaren Ernstes der' Tinge an erster Stelle von partei politischen Erwägungen sich leiten lassen. Schon in den Tagen von San Francisco iinb in dem Kampf um die als Sieger- und Beutebund aufgezo geite neue Völkerliga schielten Politi ker beider Parteien auf die Wahl chancen im November 1946 und 1948, statt ernst und gewissenhaft und selbstlos an der Wiederherstellung un seres aus den Fugen gegangenen Wirtschaftslebens zu arbeiten und am Wiederaufbau der zerrütteten Welt zu planen und zu bauen. Das ift eine der Ursachen, weshalb wir aus den Wirt schaftskämpfen nicht herauskommen und keine Lösung sich findet für die Wohnungsnot und das Chaos im ProduktionSwefen, und daß wir im internationalen Leben immer tiefer in den Sumpf geraten. mmnireuM. dies derselbe Stalin, der noch ant 1. •Wat seine alte These wiederholt hat te, der „anglo-anterikanische Mono polkapitalismus" mache einen Krieg des plutokratischen Westens mit dem sowjetischen Osten „unvermeidlich"!) Nun, Byrnes hat Stalins offenes Ge ständnis der Lügenhaftigkeit des stän digen Moskau'er Kriegsalarms prompt angenagelt, und zwar in diplomatisch recht geschickter Weise: ..Aufs herzlichste pflichte ich," sagte Byrnes, „der kürzlich von dem Gene ralissimus Stalin zum Ausdruck ge brachten Ueberzeugung bei, daß von einer unmittelbaren Kriegsgefahr nicht die Rede sein kann. Ich hoffe, das wird die unbegründete Anschuldi |flintg, irgendein Staat oder eine ^Sraatengruppe gehe auf Einkreisung fdiT Sowjet-Union aus, zum Verstum nteit bringen. Wir wissen nun, die verantwortlichen Führer Rußlands selber glauben an feine solche Ein kreisung. Es ist wohl auch zu hoffen, daß den Ver. Staaten nun nicht mehr der ungerechtfertigte Vorwurf ge macht wird, sie gedächten, von der ptomifchen Bombe im Sinne einer Bedrohung der Sowjet-Union Ge brauch zu machen." Während Byrnes feinen Zweifel "»aran ließ, daß uns selber aggressive Absichten fern liegen, erinnerte er sich edoch, daß den jüngsten Aeußerungen 2talinv. die so friedlich waren wie die letzte Hitler-Rede vor dem Ein marsch in Polen, eine plötzliche Ver schärfung der russischen Pressionspo litit" gegen die Türkei, die Entfesse lung des Bürgerkrieges an der grie chischen Grenze und gewisse Gefahr wmptome in der Triester Zone auf dem Fuße gefolgt waren. Aus diesen Erfahrungen zog der Kabinettsches in Parts die gebotenen Konsequenzen. Statt über die überraschenden pazifi stischen Anwandlungen des Diktators mit einem rhetorischen Seufzer der Erleichterung zu quittieren, unterließ et es in Paris nicht, zu betonen, daß mu'ere Mußenpolitik, wenn auch ge friedliebend, fo doch nicht passiv ist. Auch daran hat Byrnes sicherlich recht getan. Wenn Stalin und feine Regierung wirflich überzeugt werden sollen, daß der Frieden lohnender ist als ein noch so beutereicher Krieg, und daß die Ver. Staaten nötigenfalls im eignen Interesse gewillt sind, für das Recht der Völker Europas und Asiens mit aller Kraft gegen den roten Totalitarismus sich einzusetzen, so bedarf es einer ganz flareit und entschiedenen Sprache von antenkani scher Seite. Diese Sprache ist unser Staatssekretär an der Seine nicht schuldig geblieben. In der deutschen Frage hat Byrnes in der Hauptsache nur wiederholt, was er schon in Stuttgart gesagt hat te, und dazu seilt Angebot eines vier zigjährigen Schutzbündnisses erneuert. Wenn er dabei von unserem Entschluß spricht, nicht zuzugeben, daß das Ruhr-Gebiet im besonderen und Deutschland im allgemeinen wieder ein „Arsenal" werde, so ist zu hoffen, daß er weniger französische Befürch tungen beschwichtigen, als vielmehr gewisse gemeingefährliche Absichten der russischen Okkupationspolitik in Ost- und Mittel-Deutschtaud entmuti gen wollte. Diese Absichten, auf die in diesen Spalten schon seit Jahr und Tag nachdrücklich hingewiesen wird, hat nun auch Drew Pearson entdeckt und als hochbedeutsame „Enthüllung" seinen Lesern serviert! Bor dem Ende der Friedenskonferenz Mit solchen erleuchteten Zeitge nossen, die die Welt von der Schlüs selloch-Perspektive betrachten, bat es Rußland nicht allzu schwer. Schon beginnt unter der russischen Propa gandasonne die in den letzten Wochen in unserer Politik und Presse auf hohem Kothurn einherschreitende Ent schlossenheit zu ermatten und wieder fänftiglich den Elliotts und den Ran dolphs zu vertrauen und die Welt int allgemeinen und Rußland im beson dern zu sehen „as they sazv it" mit den erstaunten Augen von Scho koladesoldaten und im Treibhaus diplomatischer Cocktail Parties un heimlich rasch herangereiften Exper ten. Man muß sich in den nächsten Wochen auf allerhand Ueberraschnn geit gefaßt machen. Wer das bezwei felt, lasse nur gar manche Kommen tare zu der Pariser Rede unseres Staatssekretärs auf sich wirken zu lassen, die Hrn. Byrnes in'der Rolle jenes Pfälzer Dorfbürgermeisters er scheinen lassen, der pfiffig erklärt: „Ich sag' net so und net so, net daß es nochert heeßt, ich hett' so g'sagt oder so g'sagt." Die Moskau'er Pro paganda spielt wieder Forte und Pia no, Allegro, Scherzo und was immer aus dem Wunschzettel der Welt steht, die nicht beunruhigt werden will, die nicht gestört sein will in ihrem Ver gnügnngs- und Genußtuutntel, die nicht denken will, die unterhalten und behumbuggt werden will. DaS Pari ser Auftreten unseres Staatssekretärs, erzählt Moskau und erzählt unsere Presse beschwichtigend weiter, hat weiter keinen Zweck gehabt, als die Pariser zu. beruhigen, die sich gar sehr über seine Stuttgarter Rede aus geregt und befürchtet hatten, er wolle dem deutschen Volk eine Möglichkeit geben, den Rückweg zu einem men schenwürdigen Dasein ztt beschreiten. Aber, schmeichelt Moskau, Hr. Byrnes ist keiit Trottel, kein gesühlsduseliger Schwärmer, sondern ein stahlharter Realpolitiker. Und darum, so hauen die amerikanischen Macher der öffent lichen Meinung in die Moskau'er Kerbe, wird er es den Russen, die Europa kennen und verstehen, über lassen, in Europa Ordnung ztt schaf fen. Es gehört da nur Vertrauen da zu, und es ist doch am Ende so leicht, mit den Mosfowitern fertig zu wer den, sagt Elliott. So liegen über der sich zur Verta gung anschickenden Pariser Konferenz die Schatten der Tatsachen und das Licht der Propaganda in eigenartiger Mischung, in einem rätselhaften Halb dunkel. Und in ähnliche Dämmerung ist der Völkerbundsrat in New Dork gehüllt. In wenigen Tagen wird die Pariser Konferenz auseinandergehen, und am 23. Oftober wird die Ta gung des Generalrats des Völker bunds anheben, in der wohl der diplo matische HerenfabbatH seine Fortset zung finden und der große Gegensatz zwischen Ost und Weit weiter spuken wird bis es schließlich zur Kata strophe kommt. Die Debatten in Paris und New ?)ork haben zu wirklichen Ergebnissen nicht geführt. Die Probleme und Kon flikte bestehen fort Trieft, Balkan Probleme. Dardanellen, Atombombe, das Zentralproblem Deutschland, al les, wie es vordem war. Nun wird die Vollversammlung des Völkerbundes in neuen Variationen die KafopHo ttieit der internationalen verstimmten Orchester aufnehmen. Damit diese ja keinen Anlauf ju einem harmonischen Zusammenspiet nehmen, hat Gromyko Sorge getragen, daß die vom Sicher Heitsrat abgelehnte Untersuchung über die militärische Stärke der Großmächte in den besetzten Ländern auf die Agende gesetzt wird. Wie ein schlechter Witz liest sich eine lleberfchrift über einem Bericht aus Lake Succeß in der New Yorker ,Times': United Nations legen Plä ne für den Wiederaufbau Europas zu den Akten („Shchr plans"). Dazu war kein formeller Beschluß notweit dig, eine positive Leistung ist bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Siegerbundes nicht zu erwarten! In Europa nicht, im Nahen Osten nicht, nirgends. Soeben ist auch die Palä stina-Konferenz in London ergebnis los auseinandergegangen, und Hr. Truman hat sich wieder einmal in die Nesseln gesetzt mit einem wohlgemein ten Vorschlag, der nur den Fehler Hat, daß er weder den Briten, noch den Arabern, wohl nicht einmal allen Ju den gefällt. Nachklänge Aber was schadet's der Nürn berger Prozeß ist äußerlich verlaufen, wie selbst Hollywooder Filmdirektorett ihn nicht besser Hätten stellen können. Aber die geglaubt Hatten, ihn zu einer Art Konkurrenzstück zu dem schrek kensvollen Gemälde Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle gstalten zu können, überschätzten ihr Können. Michelangelo war ein gewaltiger Künstler, der in seinem Altarbild im Schicksal der Einzelnen das Schicksal der Menschheit, ihr Weh und ihre Glorie darstellte. In Nürnberg Hat man nicht begriffen, daß nicht nur ein paar elende Verbrecher, sondern hinter diesen die ganze moderne Ge sellschaft, ihr Ucberinenschenitmt, ihr hohler Machtwahn, ihre Bestialität vor den Schrott fett standen. So ver puffte die große Wirkung. Denn das Interesse an diesem anderthalb Tut zend Verbrecher war schnell erschöpft, und es trat fo etwas wie eine Ent täuschung ein, als der ganze lang wierige Prozeß vorüber war. Sicher lich, es wird in diesem Zeitalter der Souvenirjägerei Leute von sadisti schem Geschmack geben, die wenigstens einige Hanf fasern aus den Stricken für ihre Sammlungen haben wollen. Aber mit dem großen Eindruck auf das Weltgewiffen ist's vorbei. Achsel zuckend steht die große Masse der Zeit genossen vor dem Schaustück, von dem naive Seelen wähnten, es werde ei nen der Höhepunkte der Weltgeschich te bilden und eine neue Aera einlei ten. Und es gibt sogar Leute, die bei aller Achtung vor der menschlichen Tragödie denn es handelt sich trotz' allem um Menschen? ganz despe^ tierlich von dem Schaustück als ge» schichtlichem Ereignis reden. Wir könnten eine lange Reihe solcher Stimmen zusammenstellen, von Paul Mall on und George Sokolsky bis zu Tr. Harold C. Teutsch von der Mimtefota'er Universität und Sena tor Taft, einem der republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Und selbst General Eisenhower äußerte sich in Schottland nichts weniger als über zeugt. Er sei „amazed" darüber, daß man sich in Nürnberg so leicht mit dent Problem der Schuldfrage hoher Offiziere abgefunden habe. Sicherlich .der Nürnberger Prozeß war ein wichtiger Präzedenzfall. Zu nächst aber hinterläßt er trotz allem Getue und trotz des von dein russischen schlechten Gewissen mobilisierten deut schen Volksunwillen über die Milde des Gerichts ein Gefühl der Ernüch terung und des 'Zweifels. Es saßen halt mehr als die Ein undzwanzig auf der Anklagebank in Nürnberg, und all die, gegen die kein feierliches Urteil verkündet wurde, werden als drohende Scheinen durch die Geschichte wandern, bis man den Begriff der Kollektivschuld auf die gesamte Gesellschaft ausdehnt und diefc den Rückweg zu Recht und Ge sittung findet. PkAser „KLderstwn' A us Mainz wird unterm 30. Sep tember berichtet: Die Pfälzer haben es mit Genug tuung aufgenommen, daß der Ouai d'Orsay in einer seit Bekanntgabe der Bildung des neuen deutschen Landes „RheinPfalz" durch den französischen Zonenchef General Koenig (31. Au gust) ausgegebenen Erklärung aus drücklich Bezug nimmt auf eine ,.fö- deralistische Gestaltung" Deutschlands und zu erkennen gibt, daß der neuge gründete deutsche Staat, dessen Hauptstadt Mainz wird, als Glied staat des künftigen deutschen Bundes gedacht ist. Der General hatte in feiner Pro klamation lediglich von einem „neuen Lande" gesprochen, und die Formu lierung des Dokuments insbeson dere der PassuS, in dem es heißt, da mit werde der Bevölkerung Gelegen heit gegeben, ihr staatliches Dasein „in Freiheit zu entwickeln", hatte dem Verdacht französischer Pläne für ei nen selbständigen Staat Raum gege ben. Es kam die auffällige Tatsache hinzu, daß die Organisierung dieses „Landes" und das einer beratenden Versammlung übertragene Versas sungswerk nach Koenigs Worten an scheinend ohne Rücksicht auf die spä tere Regelung der gesamtdeutschen Verhältnisse vor sich gehen soll. Die Franzosen verfolgten, wie er innerlich, schon in der vorigen Nach kriegszeit im Bunde mit dem Se paratistenführer Orbis und seiner fa mosen „Pfälzischen Republik" daS Projekt der Losreißung der Pfalz vom Reiche und ihrer Vereinigung mit dem Saar-Gebiet. Tatsächlich wurden solche wichtigen Orte wie St. Jng bert, Homburg und Blieskastel mit fünfundfünfzig anderen pfälzischen Gemeinden, damals schon durch den Versailler Vertrag zum Saar-Gebiet geschlagen und so auf fünfzehn Jahre der Verwaltung durch Bayern und des Deutsche Reich entzogen. Ein se paratistischer Aufstand in der Pfalz wurde im November 1923 niederge schlagen, Orbis wurde in Speyer nie dergeschossen, und deutsche Bürger setz ten das von den Separatisten besetzte Pirmasenser Bezirksamt in ©rand. Im Januar 1930 wurde die Pfalz von den Franzosen geräumt, von de nen die deutsche Bevölkerung nun an nimmt, daß sie das Begünstigung eines rheinischen Sepa ratismus, das damals ein fo schlech tes Ende nahm, nicht wiederholen werden. Es wird anerkannt, daß General Koenig es bisher vermieden hat, sich der schroffen Methoden des Generals Gerard in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu bedienen. Man zweifelt aber auch nicht daran, daß die Hal tung der deutschen politischen Par teien der Pfalz, so stark die föderali stische Strömung zumal in den Reihen der Christlich-Demokratischen Union zur Zeit auch sein mag, doch von einer Art sein wird, den Franzo sen keine Hoffnung zu lassen, daß eine neue „Bewegung Freie Pfalz" dies mal erfolgreicher sein würde, als dies in den ersten zwanziger Jahren der Fall war. -'i Nr. 23 \n\n Experiment der