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Ohio Waisenfreund. [volume] (Pomeroy, O. [Ohio]) 1874-1953, December 28, 1946, Ausgabe der 'Wanderer', Image 1

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Jahrgang 74
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Weihnachten!
Vor mir sind Zeitungen und Zeit
schritten und allerhand Ausschnitte
aufgehäuft, wie immer wenn ich in
einsamen Nachtstunden am Pult sitze
und mich bemühe, aus der verwirren
den Menge von Berichten und Mei
nungen ein einigermaßen klares Bild
der Ereignisse der vorausgegangenen
Woche und der voraussichtlichen Ent
Wicklungen zu gewinnen. Gewöhnlich
ist dieser Arbeit die ganze Dienstag
Nacht gewidmet zwischen acht Uhr
abends und acht oder neun Uhr am
Mittwoch-Morgen. Manchmal wird's
sogar noch später, bevor einige Stun
den der Ruhe gewidmet werden ton
nen.
Diese Woche mußte das Arbeits
Ilwgramm geändert werden. Denn am
Dienstag ist heiliger Abend, und die
Zeitung soll vor der Weihnachtsfeier
fertig sein, um am Tonnerstag ge
druckt und versandt zu werden. Ob die
schwierigste Redaktionsarbeit in der
Nacht von Dienstag aus Mittwoch
ober in der Nacht von Montag aus
Dienstag erledigt wird, ist an sich von
keiner Bedeutung. Aber dies ist keine
Nacht wie jede andere! Zu den weni
gen Freuden im Leben des Schriftlei
ters gehört von seinen Jugendtagen
bis heute die rechte Feier des Weih
nachtssestes. Und seine Söhne und
Töchter, wie sehr sie auch das Leben
in die Schule genommen und gereift
hat, feiern heute noch mit Vater und
Mutter das hohe Fest wie in den Ta
gen ihrer Kindheit. Im schönsten
Plätzchen des Hauses steht strahlend
der Baum mit der Krippe darunter.
Die häusliche Feier bildet den Auftakt
zur kirchlichen, der friede und die in
ntge Gemeinschaft am häuslichen Herd
schaffen die rechte Stimmung zum
^Mchversenken in die Geheimnisse der
-.Mebe Gottes zu den Menschenkindern.
Und da sitzt nun der dem Greisen
alter sich nähernde Zeitungsschreiber
am Pult, und wie ernstlich er auch sich
müht, sein gewohntes Arbeitspensum
zu bewältigen, sein Denken schweift
immer wieder in die Vergangenheit
und zum morgigen Fest. Frohe Ge
danken ziehen ihm durch den Sinn
und wenden sich rebellisch ab von der
düstern Gegenwart, und wahrhaftig,
soeben summte er ein altes Weip
nachtslied, als er seiner ersten Christ»
mette in der wie in Sonnenlicht ge
tauchten alten Kirche gedachte.
Es ist eine wunderliche Stimmung,
aber nicht verwunderlich. Hat ihm doch
ein Enkelkind, das in dieser Zeit der
Wohnungsnot mit seinen Eltern im
Hause wohnt, beim Gutenachtkuß ge
eimnisvoll zugeflüstert, daß Christ
kindchen im Garten einen Christbaum
bereit gestellt habe! Und jetzt, da es
um ihn her still geworden ist, dringt
aus den Räumen unter ihm geschäfti
ges Treiben bei leise verwehendem
Sang. Christkindchen ist im Haus.
Wie Frühlingswehen zieht es durch
die Zimmer. Kinderzeit, Jugendzeit,
Frohsinn, Friede. O Welt, wie bist du
s o s ö n O W e w i e w a s
du schön, will es sich schwer aufs Ge
miit legen. Die Zeitungsüberschriften
scheinen den wachen Träumer boshaft
anzugrinsen und höhnisch den Vers
eines halb vergessenen Liedes ihm zu
zuraunen: O wie liegt so weit, was
dein einst war!
Es gibt Stunden, in denen solche
Einflüsterungen einen nicht loslassen
wollen, sich einkrallen wie lästige Klet
ten. Aber in den Weihnachtstagen
fällt es nicht allzu schwer, sich freizu
machen von solchen Regungen. Denn
Ms immer das Leben uns genommen,
was groß und wirklich besitzens
wert ist, das blieb, wenn wir uns den
Glauben bewahrt haben. Dann tönt
über alles Erdenleid die frohe Zuver
ficht: Christ, der Retter ist da! Er ist
da für jeden aus uns, ist da für die
Völker, wie schweres sie auch erfahren
haben und noch erdulden, ist da für
die ganze menschliche Gesellschaft,
wenn sie nur erkennen will, was ihr
zum Heile dient.
Zwischen Arieg und Frieden
Am Scheideweg
Eine der Zeitschriften vor mir ent
Hit ein packendes Bild, ernst und doch
humorvoll gezeichnet. Die drei Wei
fen stehen, von ihren Kamelen gestie
gen, am Scheideweg. Die drei Weisen
sind Staatssekretär Byrnes, Außen
Minister Bevin und Außenminister
Molotow. Byrnes hält in der Hand
*bre Karte, auf der der Weg zum
Frieden eingezeichnet ist. Aber die mo
dernen drei Weisen sind sich nicht einig

über die Wegrichtung, die zum Frie
den führt, jeder von ihnen weist in
eine andere Richtung, keiner in die
rechte, der sie den Rücken zukehren.
Dort steht strahlend über dem Dunkel
der Stern von Bethlehem!
Das Bild spricht eindrucksvoller als
ein langer Leitartikel. Es faßt den
ganzen großen Irrtum unserer Tage
zusammen die Abkehr derer, die
im Namen der Völker der Erde spre
chen, von dem Licht, das da leuchtet
in der Finsternis. Man macht gera
dezu verzweifelte Anstrengungen, Op
timismus zur Schau zu stellen ob der
Errungenschaften der New Iorker
Konferenzen. Unsere amerikanischen
Vertreter haben in dieser Hinsicht eine
bemerkenswerte Zurückhaltung an den
Tag gelegt wohl schon deshalb,
weil die amerikanische Öffentlichkeit
den zeitweilig geradezu hoffnungslo
sen New Aorker Vorgängen viel näher
stand. Ebenso bemerkenswert war die
überschäumende Begeisterung der
Moskau'er Presse. Und den gleichen
Ton schlägt jetzt der britische Außen
minister an. Als er am Donnerstag
von Amerika zurückkehrte, floß er nach
einer Londoner Meldung der New
Yorker /Times' förmlich über von
„Optimismus und Weihnachtsstim
rnimg" nnd redete in hohen Tönen
vom „Frieden auf Erden". Mit der
gleichen übersprudelnden Zuversicht
redete er am Sonntag über den Rund
funk. Mit großer Anerkennung sprach
er von Rußlands Bereitwilligkeit, am
Friedenswerk mitzuarbeiten, und es
klang durch seine Worte sogar ein
Unterton, als ob England nähere
Fühlung mit Rußland suche, statt der
allzu engen Fühlung mit den Ver.
Staaten, die der Arbeiterregierung
von dem linken Flügel ihrer Partei
vorgeworfen wurde. Hr. Bevin war
augenscheinlich bestrebt, den Eindruck
auf besagtem linken Flügel zu verwi
schen, als sei die Regierung zu sehr
Bourgeoisie, um mit der fortschreiten
den Radikalisierung Schritt halten zu
können. Aber was immer die Beweg
gründe für seine optimistische Darstel
lung gewesen sein mögen, der wah
ren Lage tragen sie schwerlich Rech
nung.
Was P. Stephen I. Meany, S.J.,
von der Fordham University jüngst in
einer Rede sagte, ist zweifellos vielen
zuwider, aber verdient nichtsdestowe
niger gegenüber dem Phrasenschwall,
der die Vertagung in New Uork be
gleitete, ernste Beachtung. „Tie Ver
einten Nationen," sagte er u. a., „ste
hen da als die größte antikatholische
Organisation auf Gottes Erdboden.
Sie verweigerten dem katholischen
Spanien, dem katholischen Portugal,
dem katholischen Irland den Beitritt,
da diese dem katholikenfeindlichen
Rußland nicht genehm waren. Sie
verweigerten der katholischen Kirche,
obgleich deren Erziehungsanstalten
über die ganze Welt hin zerstreut sind,
eine Vertretung in dem Ausschuß für
Erziehungswesen. Die Vereinten Na
tionen schauten müßig zu, als ein
katholischer Erzbischof wie ein gemei
ner Verbrecher prozessiert und verur
teilt wurde in einem Prozeß, der ein
Musterbeispiel der Verfolgung der
Kirche in dem vom Kommunismus
beherrschten Europa war. Katholische
Länder werden entweder von Rußland
oder den Vereinten Nationen zerstört.
Man mag mir entgegnen, daß für all
das Rußland verantwortlich fei und
daß auch Rußlands Zeit kommen
werde. Ich aber sage, die Schuld liegt
an den Vereinten Nationen und es ist
an der Zeit, daß wir uns darüber klar
werden, daß Rußland nur mit der
offenen und verkappten Zustimmung
der Vereinten Nationen sein Treiben
fortsetzen kann. Rußland wird katho
lische Kirchen zu Ställen machen, so
lange es die Vereinten Nationen ge
statten Rußland wird katholische
Priester morden oder in die Verban
nung treiben, solange es die Verein
ten Nationen gestatten Rußland wird
katholische Evzbischöfe prozessieren und
verurteilen, so lange die Völker es
ihm gestatten und dastehen wie die
Pharisäer unter dem Kreuze Christi
und sich weiden an dem Schauspiel."
Die Revolution am Werk
Das klingt störend in die von Zu
friedenheit triefenden Lobgesänge auf
die Errungenschaften der letzten Wo
chen. Wem die bitteren Worte des Je
suitenpaters allzu absprechend dünken,
der halte sie doch einmal in ernster
Prüfung neben Ereignisse und Er
scheinungen, über welche die Presse
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ONo aisfnfttund
Dn Familienblatt für Wahrheit und Recht zur Belehrung und Unterhaltung
Ausgabe des,Wankerer'
Herausgegeben vom Päpstliche» Kollegium Josephinnm zum Beste» der Priesterzöglmge. Preis für ei» Jahr i» den Ber. Staate» $2, i» Kanada und allen anderen Staaten $2.50,
Samstag den 28. Dezember 1946
tagtäglich berichtet. Er wird dann fin
den, daß sie das Bild der gegenwärti
gen Lage durchaus nicht zu dunkel
zeichnen. Das gilt von den Ergebnis
sen der wochenlangen Debatten in
New Vork ebenso wie von den gleich
zeitigen Entwicklungen im nationalen
und internationalen Leben. Ein Zy
niSmns und Radikalismus macht sich
breit, daß jeder ernste Beobachter sich
sagen muß, all das revolutionäre Ge
schehen der letzten Jahre ist erst die
Einleitung der großen Umwälzung,
die am Werk ist. In Italien geht der
krasse Antiklerikalismus um, dessen
Träger die Linksparteien vom Sozia
lismus bis zum extremsten Kommu
nismus sind. Die Hetze gegen die Kir
che hat einen Umfang angenommen,
daß die Kurienkardinäle in einer
feierlichen Adresse dem Hl. Vater ihre
Treue und Anhänglichkeit ausgespro
chen haben, und daß am Sonntag das
gläubige Rom auf dem Peters-Platz
in einer gewaltigen Demonstration
Protest erhob gegiti die maßlose Hetze.
Ter Hl. Vater selber erschien unter
der Niesenschar und beklagte die Kund
gedungen des Kirchen- und Gotteshas
ses. Römische Meldungen zitieren
Aeußerungen von kirchlicher Seite, die
eine große Aehnlichkeit feststellen zwi
schen den heutigen Vorgängen in Ita
lic» und dem Treiben der Kirchenfein
de in Spaniep unmittelbar vor der
Revolution.
Wie Italien, so wird auch Frank
reich vom Fieber geschüttelt, und nie
mand vermag zu sagen, wie sich der
Konflikt der Parteien, der zu dem
Provisorium einer sozialistischen Re
gierung unter dem alten Volksfront
Führer Leon Blum führte, weiter
entwickeln wird. Zwar mußte sich letz
te Woche die italienische Regierung
verdemütigen und um Entschuldigung
bitten wegen eines vertraulichen
Rundschreibens der Polizeibehörden,
in dem Beschwerde geführt wurde über
umstürzlensclie Wühlereien unter ruf
si'cher Aegide. Aber die Abbitte schafft
die Tatsache nicht aus der Welt, daß
die kommunistische Agitation offen
kundig den Stempel Moskau'er Ma
che trägt.
Nun ist es Moskau gelungen, den
Völkerbund selber als Mauerbrecher
und Wegbereiter des Kommunismus
zu gebrauchen in der spanischen Fra
ge. Wenn man das Interview ans sich
wirken läßt, in dem der spanische
Wühler Giral („Premier der republi
kanischen Exilregierung") seiner Ge
nugtuung über den russischen Sieg
Ausdruck gibt, wird einem die Bedeu
tung des Völkerbundspruches über
Spanien vollends klar. Giral jubelt,
jetzt werde sich die spanische Regierung
nicht mehr lange halten können, und
regt an. die von Rußland schon längst
geforderten wirtschaftlichen Maßnah
me» (Einstellung des Handels um
Spanien usw.) anzuwenden, um
Franco ohne weiteren Zeitverlust .tus
die Knie zu zwingen. Im Einklang
mit dem Völkerbundbeschluß hat Eng
land, ohne die formelle Mitteilung
durch die United Nations abzuwar
ten, seinen Botschafter von Madrid
abberufen, nnd in einer Londoner
Meldung der „Ass. Preß" ist ganz
o'sen die Rede davon, britische Tiplo
ntaten in Spanien „besaßten sich mit
her ungewöhnlichen Aufgabe, in Füh
Imtg zu treten mit verschiedenen poli
tischen Gruppen, um die Absetzung
von Generalissimo Franco Herbeizu
führen", und es körnte nicht überra
schen, wenn die Ver. Staate» dasselbe
täten. Und dabei sucht man noch im
mer die Komödie aufrecht zu erhal
ten, daß man sich in interne Angele
genheiten Spaniens nicht einmischen
wolle?
Tie britische Haltung kommt kaum
überraschend. Ter Vorstoß des linken
Flügels der Partei im Parlament hat
die Regierung stark beunruhigt, und,
Do» Lasfi und andern Radikalinskis
geschoben, bemühen sich die Männer
an der Spitze, de» Forderungen der
geräuschvollen Minderheit nachznkom
men. In geradezu sensationeller Wei
se kam das letzte Woche zum Ausdruck,
als die Regierung dem Parlament ihr
neues Ackerbaugesetz unterbreitete.
Tasselbe stellt sich als einleitende
Maßnahme zur Verstaatlichung von
Grund und Boden dar. Erbittert for
derte Churchill ein Tadelsvotum ge
igen die Regierung. Auf die Frage,
worauf er einen solchen Antrag be
gründen wolle, erklärte der Führer
der Konservativen: ..Ich würde nicht
O
wagen, einen solchen Antrag ohne
weiteres zu formulieren, aber Aufge
blasenheit, Unfähigkeit und Tyrannei
werden in der Reihe der Anklagen
obenan stehen."
Es ist nicht ausgeschlossen, daß der
heranreifende Radikalismus der Re
gierung Tories und Liberale zusam
menführen wird, und daß schwere in
nerpolitische Kämpfe in England be
vorsiehe». Diese werde» der Stellung
Englands in der Weltpolitik sicherlich
nicht förderlich sein. Besonders wenn
die Spaltung in der Außenpolitik in
der bisherigen Weise fortschreitet.
Auch über die Außenpolitik kam es in
den letzten Tagen zu scharreit Ausein
andersetzungen. Als Premier Attlee
im Hanse ankündigte, daß auch Birma
die Freiheit erhalten soll, rief ihm
Churchill zu, er beschleunige den Nie
dergang und Fall des britischen Rei
ches.
Es ist ganz zweifellos, daß schwere
Umwälzungen im Anzug sind, über
deren Tragweite man sich heute noch
gar fei» Urteil bilde» kann. Eine
Epoche versinkt belade» mit vielem
Unrecht u»d viel Stuck mtd eitlem
Ballast, aber es ist ungewiß, was die
»cue ieit bringe» wird. Jede»falls
weist sie keine Merkmale auf, die bes
seres verheiße». Eine schwankende,
vom Kommunismus gepeitschte Welt
und daneben zerstörte Länder, zer
brochene, verzweifelnde Volker, und
über allem eine verrollte Unkultur,
Rachgier, Habgier, Machtgier.
Ein Kulturbildchen in einer Mel
dung der „Ass. Preß" ans Belgrad
keititzcichitet die Verwilderung, die
eingerissen ist. Ein jugoslawisches Mi
litärgericht verurteilte eine Anzahl
ehemaliger Nazi-Offiziere zum Tod.
Tie Schilderung der Gerichtsszene
schloß mit den Worten: „Ein kleiner
Junge, den sein Vater in der Nähe
des Ausgangs auf den Armen hielt,
spuckte jedem der Gefangenen ins Ge
ficht, als diese von der bewaffneten
Wache ans dem Gerichtssaal geleitet
wurden." So etwas, konnte man ein
wenden, sei doch nicht typisch. Nun,
wir gestatten uns, anderer Meinung
zu sein und zu behaupten, in dieser
rohen Szene roh. auch wenn die
Angespuckten ehemalige Nazis waren
spiegele sich ein gutes Stück des
verwilderten Zeitgeistes. Wenn wir
von Streik? von Schulkindern lesen
(denen streikende Lehrer ein Beispiel
geben) nnd halbwüchsige Knaben und
Mädchen in öffentlichen Lokalen und
in der Straßenbahn beobachte», kön
ne» wir uns leicht vorstellen, daß bei
gegebner Gelegenheit diese Jugend
gerade so sich benehme» würde wie der
Kleine auf feines Vaters Ann im
Belgrader Gerichtssaal, der den dem
Tode Verfallenen ins Gesicht spuckt
Der Gegensatz des Weihnachtsgeistes
Wohl bilden die Staatsmänner und
die Politiker und ihre Meute, die anti
klerikale Schlagworte durch die Stra
ßen Do» Paris n»d Rom brüllen nnd
in Spanien die Blnttage der kommu
nistischen Herrschaft wieder zurückzu
bringen hoffen, wahrscheinlich nur ei
ne Minderheit in den die Zeitgeschichte
gestaltende» Volker», und neben den
unreifen Vertretern des Hasses und
aller andern Leidenschaften, die über
all nur auf das Zeichen warten, um
zu geifern und zu spucken und
bildlich gesprochen natürlich die
Guillotine zu bedienen, gibt es zwei
fellos viele Millionen junger Men
scheu, die ehrlich daS Rechte wollen
und sich inmitten der vergifteten At
mosphäre unserer Tage Nächstenliebe
und Barmherzigkeit und Wohlan
ständigkeit und Sittlichkeit erhalten
haben. Aber die Stürmer und Trän
ger und die Verächter alles Herge
brachten, die Hasser und Rächer und
die Attentäter auf die Menschenwürde
führen das große Wort, erfüllen die
Welt mit ihrem Geschrei und geben
der Zeit ihr Gepräge, eo eben kommt
es. daß Millionen von Menschen in
herzzerreißendem Elend ihr Tasein
fristen, von herzlosen Carpetbaggers
tint ihr letztes Besitztum und den letz
ten schützenden Winkel beraubt daß
Millionen von Menschen, nach dem
Machtgebot von Gewaltmenschen von
der Heimatscholle gerissen, bettelarm
durch die Lande irren daß Millionen
von Kindern, wenn sie dein Tod ent
gehen, eine freudlose Jugend und ei
ne mühselige Zukunst vor sich haben
die aller Menschenwürde Hohn spricht
Und trotz aller salbungsvollen Re
densarten führender Staatsmänner
und Zeitungsschreiber und Rundfunk
schwätzet' in diesen festlich gestimmten
Tagen, deren Glanz auch unsere tier
heidnifchte Kultur nicht auszulöschen
vermochte, zeigt sich nirgends ein ver
läßliches Zeichen, daß es im neuen
Jahr besser werden wird.
Die in der Ministerkonferenz Be
Nr.
schlossene Zusammenkunft in Moskau
wird kaum eine neue Aera einleiten.
Es ist zu befürchten, daß sie durchaus
vom Geist des Kremls beherrscht wer
den wird. Tie Stellung des Westens
wird zusehends schwächer. Und fein
Einfluß wird rapide zusammenbre
che», we»» die Stärkung des Radika
lismus in den Westländern, einschließ
lich Englands, in dem Tempo der
jüngsten Vergangenheit anhält. Was
Rnßland in Moskau vorzuschlagen hat
und durchzusetzen versuchen wird, ist
eilte Schicksalsfrage nicht allein für
Teutschland, sondern für Europa und
die Welt. Amerika wird voraussicht
lich einen Versuch machen, durch seine
(immer wieder von neuem unterbro
chene nnd schwankende) starke Haltung
die Lage zu retten. Aber wir befürch
ten, daß sich die Fehler der letzten acht
zehn Monate im beste» Fall nur teil
weise gutmachen lassen, und daß man
in Moskau einen neuen großen
Grabsch erleben wird, in dem auch
die europäischen Westmächte selbstsüch
tig nur ihren eigenen Vorteil suchen
werde». Von Frankreich ist ein gün
stiger Einfluß auf die Neugestaltung
Europas mit der sich steigernden
Macht des Kommunismus nicht zu
erwarten. Und selbst wenn es gesche
hen sollte, daß der Kommunismus zu
rückgedrängt wird, wird von Frank
reich schwerlich ein rettender Einfluß
ausgehen. Es laboriert unter den al
ten Illusionen der Gloite-Politik
träumt von Erpansion auf Kosten des
wehrlos am Boden liegenden Nach
barn sucht entgegen der britisch
amerikanischen Politik die weitere
Zerstückelung Teutschlands zu betrei
ben hat soeben Besatzungstruppen in
dem begehrten Saar-Gebiet verstärkt,
um eine Zollgrenze gegen die andern
Zonen einzurichten wird, je nachdem,
entweder mit Rußland gemeinsame
Sache machen, um einen Wiederauf
stieg des deutschen Volkes zu verhin
dern, oder mit Rnßland zu rivalisie
ren suchen im einen wie im an
dern Fall auf Kosten Deutschlands
und Europas.
„Welt ging verlorM
Das gleiche Bild der Selbstsucht
tritt uns überall entgegen, ob es sich
um das europäische Zentralproblem
oder den Balkan oder Asien handelt.
Tie Entschließungen des Völkerbun
des si»d in de» meisten Fällen „rosen
diifteiiöe Pflaster ans faule Flecken",
bestenfalls wie z. B. itt der letzte
Woche angeordnete» Untersuchung der
Balkan-Probleme Palliativmittel
zur Verzögerung des Uebels. Nir
gends gibt es eine feste, großzügige
Politik. So macht man großes Getue
von der in der New Aorker Tagung
angebahnten Abrüstung und Kontrolle
der Atombombe. ES ist aber bezeich
nend, daß bei der Beratung des ersten
konkreten Vorschlags des Berichts
der Atomkommission der Russe
Gromyko die alten Methoden der Ein
schüchterung und russischer Eigenwil
ligkeit anwandte und am Freitag den
Bericht sabotierte.
Tie entsetzliche Ratlosigkeit, die hin
ter all der Pollyana-Geschwätzigkeit
lauert, dokumentiert sich in einem
Vorschlag, den diese Woche der Wis
consiner Senator Wiley der Seffent»
lichkeit übergab. Er fordert, der neue
Kongreß solle unverweilt konstituelle
Vorkehrungen treffen für die provi
sorische Verwaltung des Landes, falls
eine Atombombe oder eine andere Ka,
tastrophe den Präsidenten, die Kabi
netts- und Kongreßmitglieder vernich
ten sollte. „In diesem atomischen Zeit
alter dürfen wir nicht zögern, Vorkeh
rnngen für Notstände zu treffen, die
eintreten können," erklärt er. „Wer
weiß, was aus den verantwortlichen
Behörden in Hiroshima geworden
seitt mag. Wir können nicht ignorie
ren, was in Japan geschah."
Tas mag hysterisch klingen, steht
jedenfalls nicht im Einklang mit der
verheißenen „freedom of fear" «und
all den Schönfärbereien der letztes
Tage!
Tie Völker haben zu ihrem Verder
ben ans die wirkliche Bedeutung der
Engelsbotschaft von Bethlehem ver
gesse». Tie „Große»" debattiere» mit
viel Wichtigmacherei über die Weg
richtung, in welcher der Frieden zu
suchen ist, und erkennen nicht den
leuchtenden Weinhachtsstern.
Tamm geht die Welt verloren trotz
der Geburt des Erlösers, wenn sie
nicht den Glauben wiederfindet und
eigensinnig weiterstolpert aus den We
gen des Zweifels, des Zynismus, der
Selbstsucht, der Habsucht.
Ter Stern leuchtet ihr in der Fin
sternis. Mochte doch das Kind in der
Krippe Sich der Irrenden erbarmen,
daß sie Ten, der zu ihrer Rettung
kam, willig aufzunehmen bereit sind,
damit sie der daran geknüpften Ver-'
heißung würdig werden!
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