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Ohio Waisenfreund. [volume] (Pomeroy, O. [Ohio]) 1874-1953, April 10, 1948, Ausgabe der 'Wanderer', Image 1

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Jahrgang 75
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Gefährliche Spannung
Die unheilkündeten Wetterwolken,
die seit Wochen über der Welt lagern,
haben sich in den letzten Tagön ein
klein wenig gelichtet.
In Italien scheinen sich die Aussich
ten der mit den Kommunisten ringen
den Parteien zu bessern. Die Volks
stimrnung, soweit sie sich nach den
Pressemeldungen über Wahldemon
strationen beurteilen läßt, scheint sich
in überraschender Weise gegen die
Handlanger Moskaus zu kehren, und
in den Reihen der Gegenparteien gibt
sich zuversichtliche Erwartung kund,
daß die Wahlen am 18. April nicht
zu der lange befürchteten Katastrophe
führen werden. Wenn diese Hoffnung
sich erfüllt, so ist das dem amerikani
schen Hilfsprogramm zu danken, wohl
noch mehr den beschwörenden Worten
des Papstes. Dazu kam in den letzten
Tagen die entschiedene Haltung der
Westmächte gegenüber den neuesten
Herausforderungen Rußlands.
Tiefe hatten Mitte der verflossenen
Woche zu der schwersten Krise seit Be
ginn des „kalten Krieges" zwischen
Osten und Westen geführt, und es
schien mehrere Tage lang, als stünden
folgenschwere Entscheidungen bevor.
Da ereignete sich einer jener merk
würdigen „Zwischenfälle", die in den
beiden Weltkriegen mehr als einmal
eine wichtige Rolle spielten. Ein rus
sischer Flieger veranlaßte, ob ans Ab
ficht oder Ungeschick, den Absturz eines
britischen Transport-Flugzeuges über
der englischen Zone von Berlin, wobei
fünfzehn Personen, darunter zwei
Amerikaner, den Tod fanden. Ge
fchehnisse dieser Art sind schon mehr
als einmal zur Kriegsursache gewor
den. In diesem Falle aber scheint den
Russen im entscheidenden Augenblick
die Erkenntnis gekommen zu sein, daß
sie.mit dem Feuer spielten und das
Schicksal geradezu herausforderten.
Ter Sowjet-Marschall Wafsily Soko
lowski, der bisher auf einen offenen
Konflikt erpicht zu sein schien, sprach
dem britischen Kommandanten sein
Bedauern aus und gab die Versiche
rung, es habe sich um einen unglück
lichen Zufall gehandelt, und die Rus
sen würden sich künftig bemühen, ähn
liche Vorkommnisse zu vermeiden. Bei
einem Zusammentreffen zwischen
Feldmarschall Montgomery und eo=
kolowski am Dienstagabend kam es zu
einer Aussprache über die Beilegung
der von den Russen provozierten
Schwierigkeiten, und es mag sein, daß
jetzt die Beziehungen zwischen den vier
Besatzungsmächten in ruhigeres Fahr
Wasser gelenkt werden. Es mag sogar
sein, daß den Russen angesichts der
immer gefährlicher werdenden Span
nung die Gelegenheit willkommen
war, den Rückzug antreten zu können.
D« Sriegtraeg b»n Berit»
Es soll damit aber durchaus nicht
gesagt werden, daß die Westmächte
einen großen Sieg über Rußland ge
Wonnen haben und daß die russische
Gefahr gebannt sei. Einstweilen sind
ja die russischen Pläne und Berech
nungen undurchsichtig wie je, und es
ist nicht ausgeschlossen, daß die russi
schen Demonstrationen bis zu der wohl
gegen ihren Willen sich einschaltenden
Flugzeugkatastrophe zunächst den
Zweck hatten, die soeben vollzogene
Unterwerfung Finnlands unter den
Willen des Kremls, durch einen „Ver
teidigungs"-Pakt, unter einer täu
schenden Decke zu verhüllen. Darüber
hinaus aber sind die Vorgänge in
Berlin ein Teil der russischen Erobe
rungspläne.
Wenn irgendwo akute Gefahr Be
steht, daß der „kalte" Angriffskrieg
Rußlands gegen die Westmächte in
einen „heißen" übergeht, so in der
„Vier-Mächte-Stadt" Berlin. Nach
dem die Russen schon alle sonstigen,
irgendwie wesentlichen Vereinbarun
gen mit den westlichen Siegermächten
über die Besetzung und gemeinsame
Verwaltung des besiegten Landes bis
zum Abschluß eines Friedensvertrags
gebrochen haben, sind sie letzte Woche,
ihre Arroganz auf die Spitze treibend,
dazu übergegangen, auch die inter
alliierten Abmachungen über Berlin
einseitig zugunsten des Bolschewismus
aufzuheben. Die damit entbrannte,
Wenn auch bisher auf Drohnoten und
Gegendrohungen beschränkte „Schlacht
um Berlin" war geeignet, sich zu ei-
Zwischen A^ieg und frieden
Weft Konflikt zu entwickeln und die
Entscheidung über das Schicksal Eu
ropas näherzurücken.
Nach mancherlei mehr oder-weniger
versteckten Drohungen gingen letzte
Woche die Russen dazu über, den gan
zen, zwischen Berlin und den West
zonen sich abwickelnden Reifeverkehr
von Leuten des weftalliierten (ntili
tärifchen, wie zivilen) Personals und
ebenso den Güterverkehr und die Ge
päckbeförderung in jedem Einzelfall
von sowjetamtlicher Erlaubnis abhän
gig zu machen. Sie nahmen daher das
unbeschränkte Recht zur „Inspizie
rung" aller von und nach Berlin ver
kehrenden Bahnzüge in Anspruch. Mit
der Proviant- und Materialversor
gung unserer Okkupationstruppen
und Militärbehörden wäre damit auch
die Versorgung der drei Millionen
Einwohner Berlins selber der Gnade
oder Ungnade des totalitären, uns
und unseren westlichen Verbündeten
mit verbissenem Siegerwillen gegen
überstehenden Kolosses im Osten an
hei
mg eg eben.
Das russische Voxgehen war derart
anmaßend und herausfordernd, daß
die Annahme berechtigt schien, Mos
kau halte den Augenblick für gekom
men, seine schon sogleich nach Ver
krachung der Londoner Dezember
Konferenz angemeldete Absicht wahr
zumachen, den Abzug der-Aincrifauer,
Briten und Franzosen aus Berlin zu
erzwingen und sich der Alleinherr
schaft'über die einstige Reichshaupt
stadt zu bemächtigen, mit der die Bol
schewiken ein Sprungbrett für die
Eroberung des deutschen und damit
des ganzen europäischen Westens zu
gewinnen hoffen.
Berlin ist die letzte starke, denndeut
schen Osten noch verbliebene demokra
tische Feste und als solche für das
Schicksal Gesamt-Deutschlands und
des ganzen demokratischen Westrau
mes Kontineiltal-Europas von große»
rer Wichtigkeit, als das etwa von
Trieft in dem Verhältnis dieses Adria
Hafens zu Italien und der Mittel
meer-Region gesagt werden kann. Die
Russen wissen besser als die Staats
weisen in Washington, London und
Paris, daß, wer Berlin hat, in nicht
allzuferner Zeit auch den deutschen
Westen und Europa haben wird. Wür
de Berlin den Russen anheimfallen,
dann würde es nur eine Frage der
Zeit fein, daß die Front des Ringens
zwischen Freiheit und Tyrannei sich
an den Rhein und die Atlantik-Küste
verschiebt!
Die Politik der Inkonsequenz
Daß das das Ziel des Kremls ist,
darüber kann nach all den Erfahrun
gen im Gefolge der von Roosevelt und
Churchill betriebenen Politik kein
Zweifel bestehen. Wir befürchten, der
Berliner Waffenstillstand ist nur eine
Kampfpause. Sollten sich in Italien
die russischen Chancen wieder Verdes
fern, dann können wir uns in Berlin
auf neue Schikanen gefaßt machen.
Wie jetzt um Finnland, dem Moskau
einen Pakt aufgezwungen hat, fo wird
es das nächste Mal um Schweden und
Norwegen gehen, und dann um Grie
chenland, Italien und Oesterreich. Vor
allem aber werden die Russen ihre Po
sitionen im Herzen Europas, in
Deutschland ausbauen und dort ihre
große Gelegenheit vorbereiten.
Tie jetzt von unserm Kongreß end
gültig beschlossene Europa-Hilfe wird
in diesem Ringen zweifellos fchwer in
die Wag schale fallen. Aber es wäre
ein törichter Aberglaube, von dieser
Hilfe Wunderdinge zu erwarten. Mit
dem Aufwand der Dollarmilliarden
muß eine kluge Staatskunst Hand in
Hand gehen, und die Völker westlicher
Kultur insgesamt müssen sich zu der
Erkenntnis bequemen, daß vor allem
Schluß gemacht werden muß mit der
planlosen Schlamperei, der Machtpo
litik und der brutalen, auf gleicher
Stufe mit der Hitlerei stehenden
Scheidung der Völker in Sieger und
Besiegte, in „friedliebende Nationen"
und Parias. Es ist doch eine klägliche
Kurzsichtigkeit, daß man heute, da der
Kampf um Berlin bereits akut ist,
noch immer nicht zu einer rückhalts
losen Politik der Zusammenarbeit mit
Deutschland sich versteht und das deut
sche Volk, abgesehen von einigen Lin
derungen, tiefer und tiefer sinken laßt.
Will man auch in Deutschland wie
«er allgemeinen Kraftprobe im Ost- vordem in Italien warten, bis, die und Moskau fortfährt, Ansprüche aus
~y E
Die Kurzsichtlgkeit. Engherzigkeit
und Verstocktheit der heutigen Polity
traten von neuem auch in der
Handlung zutage, die man Spanien
zuteil werden ließ. Eine Enropa-Hil
fe, die ein so wichtiges Land wie Spa
nien ignoriert, weist einen kläglichen
Mangel auf. Das empfand auch die
Mehrheit in unserm Abgeordneten
haus, die Spanien in den „Marshall
Plan" einbezogen haben wollte. Aber
all die alten Phrasen wurden wieder
hervorgeholt, um Spanien von neuem
kalt zu stellen, das Land, man mag
sonst über Franco sagen, was man
will, das als erstes dem Bolschewis
nius entgegentrat, von Moskau da
rum grimmig gehaßt wird und darum
wirklichen Demokratien als Bundes,
genösse willkommen sein sollte.
Aber gewisse Leute bekunden eine
merkwürdige Konsequenz. Franco kön
nen sie es nicht verzeihen, daß er Hit
lers und. Mussolinis Hilfe annahm.
Aber ein Benefch, Dreipunkte-Bruder
Benefch, bleibt in Gnade, obwohl er
nach all dem sentimentalen Gesalba^
der, mit dem man ihn nach dem font»
nunnnistischen Staatsstreich als gebro
chener Mann schilderte, letzte Woche
den Vertreter Moskaus in bester
Stimmung empfing und die tsche
chisch-russische Freundschaft geradezu
begeistert feierte!
Oesterreich
Gegensatz zu den Deutschen im
einstigen „Reich" sind die Oester reV
eher, so ähnlich die Nachkriegsschicksale
beider Völker sonst auch sind, doch in
der Lage, ihre nationalen Auffassun
gen in der neuen, die Zukunft ihreS
Landes so enH berührenden Krise
durch eine eigne Regierung und durch
politische Parteien auszusprechen, die
unzweifelhaft die große Mehcheit del
Nation vertreten." Die zweite Österrei
ch ifche Republik ist mithin bereits be
fähigt, vor aller Welt eine „nationale
Repräsentation" für ihre Bevölkerung
sprechen zu lassen, wenn diese einmal
in einem kritischen Augenblick zu ei
ner einheitlichen Willensbildung ge
langt ist.
Zur Zeit kann Äas österreichische
Volk nicht anders als sich von Ereig
nissen warnen lassen,' die sich in den
nächstbenachbarten Ländern abgespielt
haben und denen ähnliche Geschehnisse
in vielen anderen „befreiten", aber
leider nicht freien Staaten Mittel
und Ost-EuropaS voraufgegangen
find. Soweit es auf Oesterreich an
kommt, steht eins fest: Es erstrebt,
genau wie Deutschland, nichts ande
re« als Sicherung seiner nationalen
Einheit und einen gerechten Frieden.
In beiden Fällen stehen der Erfül
lung dieses Sehnens Gegensätze der
westalliierten und der russischen Okkn
pations- und Machtpolitik entgegen.
In diesem Dilemma haben die beiden
führenden Parteien Oesterreichs einen
Schritt getan, der immerhin Gewähr
dafür bietet, daß den jenseits der
Grenzen lauernden Feinden der öfter
reichischen Demokratie nicht zu irgend
einer Zeit das Spiel noch durch eine
innerpolitische Krise erleichtert wird.
Die Volkspartei des Bundeskanzlers
Figl und die Sozialisten um den Vi
zekanzler Schärf haben ein Abkommen
getroffen, das diese Parteien aus die
Pflicht zu gemeinsamer Aktion im
Falle drohender „Kommunisierung"
Oesterreichs festlegt.
Was die katholischen Volksparteiler
und die „Austromarxisten" auch sonst
trennt, die Oesterreicher beider Par
teien sind sich einig in dem Entschluß,
nicht zuzulassen, daß eine Handvoll
Kommunisten auf politischen Schleich
wegen oder nach Prager Muster
durch einen offenen oder getarnten
Staatsstreich die Macht im Lande an
sich reißt.
Die beiden Parteien, die seit dem
Ausscheiden des einzigen kommunisti
schen Kabinettsmitglieds im verflösse
nen Herbst alleinige Träger der Re
gierungskoalition sind, denken gleich
wohl nicht daran, die kommunistische
Gefahr auf die leichte Achsel zu neh
men. Verschlimmert wird die Lage des
„befreiten" Alpenlandes noch dadurch,
daß die Obstruktionspolitik des
Kremls es zu keiner vertragsmäßigen
Befriedung Oesterreichs kommen läßt
.t.
WWW
Familienblatt für WahrheU und Recht zur Belehrung und Unterhaltuno
Ausgabe des ,Wanderer'
rote Flut all Dämme zu durchbrechen
droht! Es sind ja Anzeichen einer
Besserung vorhanden, so in der „Ent
nazifizierung", so neuesten» frotz
des Fanatismus des Anklagevertre
ters Brigadegeneral Telford Taylor
in der Prozessierung deutscher
Wirtschaftsführer. Aber es liegt npch
vieles im Argen, weil man nicht mit
Entschlossenheit von der Mergenthau
erei und andern geistigen Idiosynkra
sien sich lossagen will!
österreichisches Eigentum zu erheben,
das die Russen deshalb, weil es ein
mal von den Nazis gestohlen worden
war, als „deutsch" und mithin der
Beschlagnahme unterliegend bezeich
nen. Unter diesen Umständen ist Oe
sterreich für den Schutz seiner Unab
hängigkeit und Sicherheit natürlich
durchaus auf weftalliierten Schutz an
gewiesen. den es heute so gut ver
dient wie zu der Zeit, als es die starke
Bastion des Westens gegen den An
sturm der Türken war.
Pan-amcrikanische Konferenz
In Bogota. Colombia, beendigten
am Samstag die Vertreter der ein
undzwanzig amerikanischen Republi
ken die erste Woche ihrer Konferenz
im Zeichen der Einigkeit. Sie sind alle
entschlossen, heißt e« in einer Mel
dung der „Ass. Preß", in der gegen
wärtigen Weltkrise fest zufammenzu
halten.
Staatssekretär Marshall forderte
die auf der Konferenz vertretenen Na
tionen auf, den Wiederaufbauplan für
Europa zu unterstützen. Er erklärte,
daß die Ver. Staaten eine schwere
Verantwortung für die Bewahrung
des Friedens auf sich genommen ha
ben, das Ziel aber nicht allein errei
chen könnten, und fügte hinzu: „Wir
brauchen das Einverständnis und die
Mitarbeit der anderen Nationen, wel
che dieselben Ziele verfolgen wie wir."
Ter chilenische Außenminister Ju
venal Hernandez erklärte, daß die
Welt in zwei Fronten gespalten sei
und die amerikanischen Republiken
sich entscheiden müßten, auf welcher
Seite sie stünden. Das beste Mittel
zur Erzielung eines Tauerfriedens fei
die Erkenntnis, daß die Welt zerfpal
ten ist in „eine materialistische Lebens
auffassung, die eine neue politische
Diktatur schaffen und die Freiheit des
Individuums zerstören will", und in
die „grundlegende westliche Kultur,
in der demokratische Auffassungen ih
ren Ausdruck finden".
Tie Konferenz dürfte sich noch fünf
Wochen hinziehen, und unter den Pro
blemen. mit denen sie sich befassen
muß, sind der Kommunismus, fremde
Kolonien in de^, westlichen Hemisphä
re. wirtfchattlmie Fragen und das
pan-amenkanifche System.
Tie Erklärung des Staatssekretärs
Marshall, daß der Wiederausbauplan
für Europa den ersten Anspruch auf
die amerikanische Hilfe hat, hat die
latein-amerikanischen Nationen etwas
enttäuscht, aber andererseits hat auch
die russische Blockade gegen die West
möchte in Berlin ihre Wirkung aus
geübt, und den Kampfgeist gegen den
Kommunismus in der westlichen He
mifphäre belebt.
Argentinien unterbreitete ein Ge
genstück zum Marshall-Plan für La
tein-Ainerika, das es diesen Ländern
ermöglichen soll, sich selbst zu helfen,
bis die Ver. Staaten später größere
Hilfe gewähren können.
Unland
Der Kongreß fetzte am Freitag die
Steuersenkung von $4,800,000,000
in Kraft. Das Veto des Präsidenten
Truman, der die Vorlage als „unbe
dacht" bezeichnet hatte, weil die Na
tion in diesen gefahrvollen Zeiten ge
schwächt werden könnte, wurde über
stimmt mit dreihundertundelf ge
gen achtundachtzig Stimmen im
Haus, mit siebenundsiebzig gegen zehn
Stimmen im Senat. Das Votum des
Haufes ging fünfundvierzig Stimmen
über die nötige Zweidrittelmehrheit
hinaus, das des Senats neunzehn.
Der Präsident fuchte vergebens gel
tend zu machen, daß eine folchc Steu
ersenkung der Inflation Uberwasser
verschaffen und die Bemühungen der
Nation, „einen Frieden der Gerechtig
feit gegen die Kräfte der Zwietracht
und des Chaos zu erringen", behin
dern würde. Die Befürworter der
Vorlage erklärten dagegen, daß die
Steuersenkung die Produktion erhö
hen, die Wirtschaft stärken und dem
Volk eine längst benötigte Entlastung
verschaffen werde.
Die Vorlage, die nun ohne die Un
terschrist des Präsidenten Gesetzeskraft
erhalten hat, reduziert für das laufen
de Jahr die Steuern aller 52,000.000
Steuerzahler. Etwa 7,400,000 kleine
Steuerzahler werden ganz von der
Steuerliste verschwinden. Die Reduk
tionen für die anderen fangen mit
12,6 Prozent für die ersten $2000
des steuerbaren Einkommens an. Für
Einkommen von über $2000 bis zu
$7000 im Jahr beträgt die Reduktion
7,4 Prozent. Für Einkommen, die
frtirisber hinausgehen, beträgt die Re
duktion fünf Prozent.
-J-
Tie Freigrenze wurde von $500
auf $600 erhöht. Personen, die über
fünfundfechzig Jahre alt sind, erhal
ten eine steuerfreie Grenze von $1200,
und auch die Blinden werden befon
ders berücksichtigt. Im ganzen Land
können nun Ehepaare getrennte
Steuererklärungen einreichen und sich
dadurch in vielen Fällen den Vorteil
verschaffen, daß sie in eine niedrigere
Steuerklasse kommen.
Das Abgeordnetenhaus nahm am
Freitag die $6.098.000.000-Hilfsvor
läge, auf die sich die Konferenz beider
Häufer geeinigt hatte, mit einer
Mehrheit von dreihundertundachtzehn
gegen fünfundfiebzig Stimmen an.
und der Senat gab zwei Stunden
später seine Zustimmung durch Zuruf.
Weniger als vierundzwanzig Stun
den nach der Annahme unterzeichnete
Präsident Truman die Milliardenvor
läge für die Auslandhilfe mit der Er
klärung: „Tiefe Maßnahme ist Ame
rikas Antwort auf die Herausforde
rung. vor die sich heute die freie Welt
gestellt sieht."
Nach Verhandlungen und Debatten
von zehn Monaten ist damit der
„Marshall-Plan" für den Wiederauf
bau Europas ins Leben getreten, die
größte Hilfsaktion dieser Nation seit
dem Leih- und Pachtsystem.
Ter Vorschlag des Abgeordneten
hauses, auch Spanien in das Hilf5
Programm einzubeziehen, fiel, wie zu
erwarten war, unter den Tisch.
Eine Vorlage, wonach innerhalb
von vier Iahren sechshunderttausend
verschleppte Personen (TP's)^und an
bere Einwanderer von den Ver. Staa
en zur Einwanderung zugelassen wer
den sollen, ist dem Repräsentanten
Hause vom republikanischen Abgeord
neten Aoungblood von Michigan un
terbreitet worden. Tie sechshundert
tausend Personen sollen gleichmäßig
auf vier Jahre verteilt werden.
Außer den TP's sollen auch Per
sonen zugelassen werden, die Dornig
blood als „Expellees" bezeichnet. Es
handelt sich hierbei um Teutsche, die
durch die unseligen Potsdamer Ab
machungen gezwungen worden fititi,
jhr Heimatland zu verlassen.
Die vierhunderttausend Kohlciigrä*/
ber von John Lewis sind noch immer
am Streif. Tas heißt, ein Streik soll
es nach Hrn. Lewis nicht sein, die
Bergarbeiter nehmen sich einfach Fe
rien. Tie Regierung versucht, den Wi
derstand zu brechen, aber Lewis weiß
sich allen gesetzlichen Schlingen zu ent
ziehen, und seine Kohlengräber ver
trauen seiner Pfiffigkeit, daß er ihnen
die geforderte Pensionierung mit
$1200 Iahresgehalt schon noch er
zwingen werde. Es find das uner
trägliche Verhältnisse, die aber her
vorgegangen sind aus jahrelangem
Unrecht der Unternehmer, das jetzt
der selbstherrliche Führer ausbeutet.
Onkel tchnttet
Millionen aus
Schon seit Iahren machte sich die
Tendenz geltend, der Washingtoner
Bürokratie Einslnß auf das Schul
wesen zu sichern, das versassungs- und
traditionsgemäß Sache der Einzel
staaten und kommunalen Gemeinwe
sen ist. Als der Vorschlag einer um
fallenden Bundeshilfe mit der in
der weiteren Entwicklung unverineid
lichen Bundeskontrolle zum ersten
Mal auftauchte, stieß er auf so weit
gehenden Widerspruch und Wider
stand, daß ihn der nationale Lehrer
verband und andere interessierte Ge
sellschaften zeitweilig von ihrem
Wunschzettel absetzten, ohne aber die
Propaganda für ihn einzustellen.
Tatsächlich durchbrachen sie mit meh
reren, scheinbar rein der sozialen
Fürsorge angehörenden Maßnahmen
das Prinzip der Nichteinmischung des
Bundes in Schul- und Erziehungs
fragen und bereiteten fo weiteren
Neuerungen die Wege.
Seitdem die Verwahrlosung der
Jugend eine ständige Rubrik in der
Presseberichterstattung beansprucht
und besonders seitdem durch Aus
stände des Lehrpersonals in allen
Teilen des Landes eine ungesunde Hy
sterie in die Erörterung von Schul
fragen getragen wurde, blüht der Ha
fer der Schulbürokratie und dqr Fa
natiker, die unbelehrt durch die
notorischen Schäden der Zentralisie
rung des Schulwesens in andern Län
dern die Vereinheitlichung der
Schulen und das staatliche Schulmo-
MWWWWWWMWWVWWWWWW
Nr. 49
no pol anstreben. Einsichtige Schul
männer und Erzieher beklagen das
Versagen des öffentlichen Schulwe
sens. dessen Verfnöiiierung, Rütfstätt
digkeit und Minderwertigkeit gegen
über den elementarsten Anforderun
gen an eine gesunde Volksbildung.
Tie öffentliche Schule, ehedem der
verhätschelte Liebling, ist zum Schmer
zenskind der Nation geworden. Fana
tiker schlottern beim Gedanken, dafj
sich das Verhältnis dex Tüchtigfeit
fortschreitend zu Gunsten der „Kon
kurrenz" der Pfarrschulen vollziehen
werde.
Tie Folgerung, die aus all dem zu
ziehen wäre, müßte sein, daß man
gewissenhast die Gründe des Rück
schritte im Schulwesen erforscht,
die falsche Philosophie, welche die
Schulen und gar viele der Lehrer be
herrscht, die Mängel der Lehrmetho
den. verhängnisvolle Einflüsse der Lo
kalpolitik usw. So etwas schwebte
wohl der vom Präsidenten ernannten
Studienkommission vor, aber in Wirk
lichkeit laufen deren Verbessernngs
vorschläge im allgemeinen aus die Be
stätigung der alten Irrtümer hinaus
und bewegen sich in der Richtung auf
das Schulmonopol. Ebenso wenig er
fassen die Gesetzvorlagen, die seit län
gerer Zeit im Kongreß schweben, die
fundamentalen Schwächen unseres
Schulwesens. Sie gehen von der irri
gen Anschauung aus, die schon im
Römerreich gang und gäbe war, uäm
lieh, daß utait mit Geld alles abma
chen könne.
Nun ist es zweifellos, daß es eine
Reihe rückständiger Bundesstaaten
gibt, und es mag zugestanden werden,
daß manche derselben ans eigener
Kraft ihr Schulwesen nicht sanieren
können und dazu einer Bundesbei
steuer bedürfen. Aber darauf wollen
sich die Bürotraten und sonstigen Leu
te. die hinter den Bestrebungen einer
Schulpolitik des Bundes stehen, nicht
beschränken. Ihnen ist die finanzielle
und kulturelle Rückständigkeit einzel
ner Staaten nur ein weiterer Vor
wand für die Forderung einer allge
meinen Schulsubvention, auch für sol
che Staaten, die ihrer Ausgabe sinaM»
ziell durchaus gewachsen wären und
die jetzt schon imstande sind, neben den
Steuererträgnissen den Schulen aus
festen Schnlsonds wie z. B. in
Minnesota aus den Abgaben der Ei
senerzgruben ganz erhebliche Zu
wendungen zu machen.
So kam im Kongreß (die neueste
Schulvorlage zustande, nach deren Be
stiimnungen aus der Bundeskasse den
öffentlichen Schulen jährlich dreihun
dert Millionen Tollars zugewiesen
werden sollen. Wir teilen durchaus
nicht die Haltung einiger katholischer
Blätter, welche diese überschwengliche
Muitifizcnz gutheißen, solange sie auch
den Privatschulen zugute kommt, son
dern halten den Vorschlag, der dem
gefräßigen Schulmoloch weitere Hun
derte Millionen Steuerfelder zuweist,
prinzipiell für ungerechtfertigt, solan
ge er sich nicht auf wirkliche Notstände
beschränkt. Aber die Tatfache, daß sich
der Vorschlag, wenigstens indirekt, zu
gleich als ein Angriff auf die Psarr
schulen darstellt und diese ignoriert
während aber in der Berechnung der
Buudessubsidien für die einzelnen
Staaten die Schüler der Psarrschulen,
zur Erhöhung der Subfidien, mitge
zählt werden! —, zeigt den Pferdcfufe
des vsäkularismus und des Logen
turns und rückt den Vorschlag in die
Reihe des systematischen Streben*,
das staatliche Schulmönopol auszu
bauen und die konfessionelle Schule an
die Wand zu drücken.
Tas ist nicht etwa eine bloße Ver
mutung, sondern wurde bestätigt
durch die Verhandlungen im Senat in
den letzten Tagen. So stan^ z. B. ein
Amendement zur. Debatte, nach dem
den Schülern in Pfarrfchulen von iW
Gesamtbewilligung von dreihundert
Millionen Tollars fünf Millionen,
gnädigst gewährt werden sollten. Es
handelte sich um eine Geste, und bei
der im Lande herrschenden Stimmung
die sich z. B. mit gehässigem Fa
natismus gegen die Mitbenützung der
von allen Steuerzahlern bestrittenen
„Schoolbuses" durch Pfarrfchulkiuder
und die Freigabe kurzer Schulperio
den für Religionsunterricht wendet
und darin vom Bundes-Obergericht
bekräftigt wurde, war von vorn
herein mit der Annahme des Amen
dements nicht zu rechnen. Selbstver
ständlich fand dafür der Präsident
schaftskandidat Taft, dessen Name»
die Bill trägt, salbungsvolle Gründe,
die sich die Mehrheit (darunter die
Minnesota'er Senatoren Ball und
Thye) mit Wonne zu eigen machten.
Aber wir stehen in einem Wahljahr*
und die Herren Senatoren sahen sick'
(Fortsetzung auf Seite 8)

HerauSgEebn» brat PSpstlicheK Aokksg!»« JsfephwÄ« zm» Wlet der WM fSr ei» Iah? i« de» Ber. Staate» $2.50, in ftftttfifo und alle» ander«, M«der» $3.00.
Samstag, Ken IG. April 1948

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