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„Du weißt nicht, was mich alles Be wegt," antwortete Dionysius. „Aber Der, den ich im Herzen trage, nicht? zu sagen von Heineu Interessen, die sich, merkwürdig genug, so enge an das Resultat meiner Worte anknüp sen wird mir Helsen, von den ewi gen, schönen und großen Wahrheiten zu sprechen, welche zu jeder Zeit mit Vorliebe von den edelsten Geistern ge hegt wurden und welche den Menschen nie erniedrigen, sondern stets nur er heben können. Doch sieh', der Wagen und der Sänften ist kein Ende! Gleich werden wir au Ort und Stelle sein." Wenige Minuten später befanden sie sich im Hose, wo die meisten der Gäste schon versammelt waren. Stüh le und Polsterbänke liefen den Wän den des Bogenganges entlang, oder tixtren zwischen den Pseilern aufge stellt, so daß die Gesellschaft sich teil weise unter freiem Himmel, teils un ter den Arkaden befand. Augustus, die beiden Cäsaren und die Damen der kaiserlichen Familie waren schon an wesend. Die Letzteren hatten hie und da auf den Polstern Platz genommen. Dionysius beeilte sich, seinen Freund dem bejahrten Hausherrn, dem edeln Mamurra, vorzustellen. Dieser klopfte dem jungen Mann wohlwollend auf die Schulter und sprach belobend von seinem Vater, des sen Umsicht und Heldenmut er in der Schlacht von Philippi bewundert hat te. Dann nahm er ihn beim Arme und führte ihn zu dem Sitze des Kaisers, der auf einer der außen gestellten Bänke Platz genommen und in dessen Nähe der berühmte Nachfolger Zize ros, der hochbejahrte Quintus Hate rius, und der ebenfalls vom Alter ge beugte Titus Livius saßen. «Erlaube mir, erhabener Augustus, bm den Sohn eines frühern Massen geführten vorzustellen, eines Mannes, der mit mehr Eifer für dich als mit Erfolg für sich selbst gefochten hat." Augustus erwiderte die tiefe Ver Beugung des also Vorgestellten mit einem flüchtigen, aber gutmütigen Lächeln. Dann wandte er seinen Blick auf Tiberius, ber nicht weit von ihm aus einer der Bänke im Innern des Bogenganges saß und Mamurra» Worte gehört hatte, und beobachtete die ungewöhnlich dunkle Röte, welche in dem massiven Antlitze des Cäsaren ausstieg. Neben Tiberius standen noch zwei Männer der uns schon Bekannte General der Prätorianer, Sejanus, und ein hoher Mann in asiatischer Tracht, mit langem, schmalem, melan cholischem Geficht und tiefliegenden Augen. Aus der zunächst stehenden Bank saßen zwei Frauen: die ältere die edle, einfach gekleidete, späterhin zu einem so langen Martertum bestimmte An tonia sie zugleich, die dereinst den Kaiser Tiberius von den verräterischen Plänen seines Busenfreundes und zweiten Ich, des Sejanus, unterrich ten follte die jüngere war ihre Schwiegertochter, die Frau des Ger manikus, die männliche, ehrgeizige, charakterfeste Julia Agrippina, die im Exile eines gewaltsamen Todes ster Ben sollte, die Tochter der berüch tigten Julia und des Agrippa Vipsa N'ius, die Mutier des Cajus Caligula, der mit verbundenem Kopfe ihr zu Füßen saß. An der Seite dieses letz tern stand ein hochaufgeschossener, bäSaähÄeehd» Dionysius und die Sibyllen Szenen aus der römischen Cäsarenzeit. Frei nach dem Englische». o n a i e (Fortsetzung) "MUST" dummdreist und tölpelhaft aussehen der älterer Knabe, mit breiten, unge schlachten Händen dies war Klau dins, der vierte oder fünfte der Cä saren, je nachdem Julius Cäsar mit gerechnet wird oder nicht. Er ist dazu bestimmt, aus den Thron der Welt zu steigen an dem Tage, wo Cassius Chärias den Caligula im Theater sei nes Palastes in Stücke hauen wird. Auf diese Weise waren um das greise Haupt des Augustus seine drei nach sten Nachfolger versammelt. Auf der dem Sitze des Kaisers zu nächst befindlichen Ruhebank erblicken wir eine andere weibliche Gruppe. Hier thront die noch immer schöne, furchtbare Livia, unvergleichlich in der Herrschaft, die sie über Augustus er rang und bis zu seinem letzten Augen blicke genoß, in der eisernen Beharr lichkeit, mit welcher sie die Familie dieses ihres Gatten bis in die entfern testen Glieder zerstörte, und in dem Erfolg, mit dem sie ihr eigenes Blut und Geschlecht auf den Thron pflanz te. In ihrer Gesellschaft befanden sich die schöne, aber verworfene Julia, die Tochter des Augustus, jetzt die Frau des Tiberius Cäsar, sowie Agrippina Vipfania, die frühere Gattin des Cä saren und ältere Stiefschwester der schon erwähnten Agrippina Julia, und ein bildschönes junges Mädchen, die reizende Klaudia Pulchra, deren kurze und schreckliche Geschichte Tazi tus uns aufbewahrt hat. Neben ihr an dem Pfeiler, mit ge kreuzten Armen, heiße Blicke aus sie werfend, stand einer ihrer Verehrer, der, von ihr verschmäht, bei ihrer Hinrichtung ihr die ganze Macht sei ner Beredtsamkeit weihen mußte, Domitius Afer, und Bei ihm sein Ri vale, Antistius Labeo, beide in die lange Toga gekleidet. Als Paulus nach der kurzen, schläf rigen Begrüßung des Augustus mit seinem Freunde beiseite trat und sich höher hinauf wandte, kam er einer andern Gruppe gegenüber, welche er instinktmäßig zu erkennen glaubte denn alle drei Personen Betrachteten ihn dreist und unverwandt und mit unverhohlener Neugier vom Kops Bis zu den Füßen. Um sich dieser unliebsamen Muste rung zu entziehen, wandte er sich, in das Freie zu treten, wo er Vellejus Paterkulus und Luzius Varius be merkt hatte, als er den Germanikus Cäsar auf sich zukommen sah. Er schritt ihm entgegen, und beide Män ner wandelte eine Weile zwischen den Beeten in der Nähe der wie durch Zauberschlag mit ihren Strahlen wechselnden Fontaine auf und ab. Die kühnsten Wünsche unseres jun gen Helden verwirklichten sich in die sem Augenblicke: Germanikus, der seit seiner Bewältigung des Sejanus die unverhohlenste Bewunderung für ihn äußerte, war gekommen, um ihn zur Teilnahme an dem Feldzuge ge gen die in das nordöstliche Italien eingebrochenen Germanen einzuladen, zu welchem die Truppen am morgigen Tage aufbrechen sollten. Der Cäsar begleitete seine Auffor derung mit verlockenden Anerbieten. Im Falle feiner Einwilligung sollte Paulus die Stelle eines Flügeladju tanten bekleiden, also an die Person des Oberbefehlshabers selbst gebunden sein. Ein prachtvolles Reitpferd mit vollständiger Ausrüstung wurde ihm zur Verfügung gestellt. Paulus dank- ORDBB FBOM BOOK D1PABIKHI te mit hochklopfendem Herzen für die se ehrenvolle Auszeichnung und drück te den Wunsch aus, sie annehmen zu dürfen und sich ihrer würdig zu erzei gen. Im Gedanken aber an seine Mut ter und Schwester, die seine Abwesen heit schmerzlich fühlen wurden, wollte er nicht eigenmächtig über sein Schick sal entscheiden und erbat sich bis zur Mitte des nächsten Tages Bedenkzeit, welche der Cäsar ihm gerne zuge stand. Sie waren in der Nähe der edeln Antonia angelangt. An die Wand ge lehnt stand ein hübscher, ernsthaft blickender junger Mann in der Uni form eines Zenturionen. Bei der An näherung des Cäsaren richtete er sich rasch aus seiner nachlässigen Stellung auf, feinem Obern den militärischen Gruß zu bieten. „Dieser hier," sprach Germanikus, „ist einer unsrer besten Leute Ich möchte dich mit ihm bekannt machen. Cassus Chärias ist sein Name. Er gefjt mit mir gen Norden." „Bis ans Ende der Welt, bis zu den Zonen, wo es nur weiße Bären und die großen Fische gibt, mein Ge neral," sprach der Mann eifrig, wäh rend er mit Stolz und Freude auf den Cäsaren blickte. „Wie heißt er, Vater? Cassius Chärias?" rief der kleine Caligula. „Du siehst, er vertraut mir," fuhr Germanikus, zu Paulus gewandt, fort, „und ich, ich bedarf meiner Tapfern, meiner Legionen." „Bist du so tapfer? Ich muß dich sehen," schrie 'der dreiste blinöe Knabe und schob seine Verbände, so weit er konnte, in die Höhe, so daß ein häß Iiches, entstelltes kleines Antlitz zum Vorschein kam. „Ich kann dich doch nicht sehen!" kreischte er zornig, mit den Beinen zappelnd. „Aber wenn ich Kaiser wäre, würde ich schon wissen,, wie ich dir Furcht machen wollte!" Und er ballte drohend die Faust. Ter Mann, der einige dreißig Iah re später die Welt von dem Ungeheuer befreien sollte, welches Caligula der Kaiser hieß, warf einen langen, ruhi gen Blick auf Caligula das Kind. Auf eine gewisse Bewegung, die von der Nähe des Kaisers auszugehen schien, entstand ein allgemeines Still schweigen. Fünftes Kapitel Augustus ließ langsam sein Auge umherschweifen. „Es scheint mir," sprach er mit matter, aber fester Stimme, „daß wir Bewohner aller Teile der Welt um uns versammelt sehen. Denn sogar Afrika und Asien haben ihre Vertreter hierher gesandt. Hero des Agrippa dort und die Seini gen stehen für Asien ein. Und du," wandte er sich an bie hohe, ernste Ge stalt neben Tiberius und Sejanus, „du rühmst dich von den Ufern des Nils zu stammen?" „Ich, mächtiger Augustus, komme von dem Lande, wo die berühmte Ba bylon einst die Hauptstadt eines mäch tigen Reiches war," erwiderte der An geredete mit tiefer, hohler, klangloser Stimme. Sejanus war zusammengezuckt und warf einen prüfenden Blick auf feinen Nachbarn. „Bin ich dir nicht irgendwo schon begegnet?" raunte er ihm leise ins Ohr. „Bist du es nicht, der eines Abends „Ich bin Thrasyllus, der Zauberer, der Sterndeuter," sprach der Andere fest und ruhig. Ein flüchtiges Lächeln slog über die hübschen, fast weiblich feinen Züge des eleganten Römers. Er nickte dem An dem zu. „Mir däucht, du bist es, der nachts reitet und dabei die Hufen sei nes Pferdes mit Tüchern umwindet, unt ihren Auftritt unhörbar zu ma chen, wie solches dem Gotte Hermes beliebt, der dir bekannt sein wird?" Verlegen blickte der angebliche Zau berer zu Boden. „Meinst du, ich hätte bis zum an dern Tage gewartet, die Ställe in und um Formiä untersuchen zu lassen? Meinst du, ich wüßte nicht, wessen Schliche und vermeintliche Zauber fünfte der Cäsar dort gebraucht, um sich die Gunst oder Ungunst des Schick sale vorhersagen zu lassen? Meinst du, ich hätte nicht die Mittel, solchen Betrügereien in Zukunft zuvorzukom men Indessen hatte der Kaiser wieder die Stimme erhoben. „Mir däucht," sprach derselbe, „wir würden uns jetzt alle freuen zu hören, was Dionysius von Athen uns vorzutragen hat." Ein leises Gemurmel des Beisalls erhob sich von allen Seiten. „In deinem Systeme, mein A the ncr," begann Augustus wieder, „sind es besonders zwei Punkte, welche ich dich mit festen, unumstößlichen Grün den verteidigen sehen möchte. Aehnlich unserm großen Zizero, verwirfst du gänzlich und von vorneherein die An nähme und die Möglichkeit einer Mehrheit von Göttern was dich in offenen Widerspruch mit allen bekann ten Religionssystemen bringt. Du sagst: es gebe nur einen Gott ein Gott, der zu irgend einer Zeit ange fangen habe, Gott zu sein, könne gar fein Gott sein, und das eine höchste Wesen, welches dir allein des Namens eines Gottes würdig scheint, sei Urhe ber, Schöpfer und Spender aller an dern Dinge, ohne seinerseits von ir PKM WtoBlB'KKmwr' I gend einem andern Wesen irgend et« was zu empfangen, noch empfangen zu können, da es allein im Uebermaße alles besitze. Du stellst uns diesen deinen Gott als ein unkörperliches, rein geistiges und heiliges, d. h. ganz und gar gutes Wesen vor. Du sagst, es gebe keine Grenzen, weder für seine Macht, noch für sein Wissen, weil er in allen Dingen die Vollkommenheit selbst sein müsse, um überhaupt Gott zu sein. Zu gleicher Zeit verwirfst du die Ansicht, welche in einigen (Syste men deines Vaterlandes ausgespro chen ist: daß nämlich dieser eine Gott die Seele dieses ganzen sichtbaren Weltalls sei und daß dieses Weltall ihm zum Körper, gleichsam zum Ge fäß und Behälter diene, welchen er ganz und gar mit feiner unsichtbaren Gegenwart erfülle. Im Gegensatze da zu stellst du uns deinen Gott als au ßer, über und vor dieser Welt existie rend vor du behauptest, alles Erschaf fene fei von ihm abhängig, und er al lein sei unabhängig von allem andern Denkbaren oder Seienden. Habe ich deinen Gedanken richtig wiederge geben?" „Meine eignen Worte hätten es nicht besser vermocht, o Kaiser!" ant wortete Dionysius warm und mit tie fer Verbeugung. „Tiefes ist also der erste Punkt, Über den ich dich eingehender zu hö ren wünsche," fuhr Augustus fort. „Ter zweite betrifft den Teil unseres Wesens, welcher in uns denkt und will, welcher sich seiner selbst bewußt ist, und von dem Plato, Xenophon, Zize ro und andere scharfsinnige Männer behaupten, daß er bei unferm Tode nicht sterbe, nicht aufhöre, viel mehr, daß er überhaupt gar nicht mehr aufhören könne zu fein. Auch hierüber find wir begierig, deine Auf schlüsse, wenn du solche bieten kannst, zu vernehmen." „Kaiser," sprach Dionysius mit ei ner Stimme, welche, von Mut und Befangenheit zugleich Zeugnis ge bend, tief in die Herzen seiner Zuhö rer drang, „ich werde mich bemühen, deinem Verlangen zu genügen. Aber ach, wie kann ich mich erdreisten, vor diesen gereiften und gelehrten Män nern das Wort zu ergreifen! Es kann nur fein, um die Sache der ewi gen Wahrheit und Weisheit zu tier fechten, welche einmal sei es über kurz oder lang den Geistern offen bart werden muß, vielmehr sich selbst offenbaren muß, ... da das, was wir von ihr sehen und begreifen können, nur der Schatten ihres We fens fein kann. Wie es dir nicht verborgen ist, o Kaiser, erwarten viele der Gelehrten und Philosophen Euro pas und Asiens seit langen Zeiten schon die Ankunft ienes übermenschli chen, göttlichen Wesens unter uns. Ich sehe dort den berühmten, gewandten Statthalter Roms, Luzius Piso, wel chen niemand der Leichtgläubigkeit zeihen wird. Ein weiser Verwalter, ist er zugleich ein Mann der Bildung und der Gesellschaft und seichten Träume reien und eiteln Vorspiegelungen we nig zugänglich. Diese haben vielmehr, mit Verlaub sei es gesagt, vor seinem beißenden Witze, vor seinem farkafti fchen Spotte ein scharfes Verhör zu bestehen. Trotz alledem hat auch er die se Erwartung eines göttergleichen We sens als etwas zu Recht Bestehendes aufgenommen und festgehalten. Diese Erwartung besteht, wie der gelehrte Strabo hier uns bestätigen kann, schon seit undenklichen Zeiten sie ist, je nach den Ländern und ihren Sitten, unter verschiedenen und zuweilen verstüm melten Formen aufgetreten stets aber, so weit die dreißig oder mehr Sprachen der das weite Asien bevöl kernden Stämme widerhallen, ist der selbe Kern unter der leichtern oder grobem Hülle verborgen." „Erlaube, daß ich dich unterbreche," bat Domitius Afer. „Ich begreife nicht recht, was diese Ueberlieserung, von der du behauptest, daß sie von Ge schlecht zu Geschlecht übertragen ha be, und welche die Religionsbasis des jüdischen Volkes bildet, ich be greise nicht, was sie mit der Existenz oder Nichtexistenz eines höchsten, ewi gen und absoluten Gottes zu tun hat, noch auch mit der Frage, ob der eine Teil unseres Wesens unsterblich sei." „Tu wirst den Zusammenhang die ser Ideen alsbald verstehen," antwor tete Dionysius, „wenn ich sage, daß ich von der Ankunft diefes höchsten Wesens die vollständige Lösung dieser beiden von uns besprochenen Punkte erwarte. Wenn ich einerseits diese Ue berliefevung betrachte, und anderseits den mir sehr wenig befriedigend schei nenden Zustand unserer gegenwärti gen Welt, so drängt es mich zu dem Glauben, daß es so, wie es jetzt ist, nicht bleiben könne, daß wir uns in einer Übergangsperiode befinden, die schon ihrem Ende entgegeneilt, die nui eine Einleitung zu fpätern Zeiten, spätem Jahrhunderten, spätem Jahr taufenden ist, welche die eigentliche, rechte, wahre, weil bessere Aera fit* die Welt und die Menschen sein wer den. .Worin aber wird diese Besse rung, worin wird dieser große Unter schied zwischen Jetzt und Einst beste hen?' fragt ihr. ,Darin,' antworte ich, ,daß die Geister über die beiden großen Punkte, die uns eben jetzt be schäftigen, bis zur vollsten Gewißheit aufgeklärt fein werden.' Sie, diese ge segneten Geschlechter, sie werden ihren Gott haben, und er wird mit ihnen fein! Ist das nicht genug, um das Angesicht dieser Erde zu verändern? Sie werden sich selbst erkennen und sich selbst achten, im Bewußtsein, daß nach diesem flüchtigen, armseligen Da sein ein anderes, ewiges, unvergleich lich höheres, vollkommeneres Dasein ihrer wartet. Denn das zukünftige, ewige Däfern unsere» besseren Teils muß um so vollkommener sein denn dieses vergängliche gegenwärtige Da sein, als der unsterbliche Teil unseres Wesens vollkommener ist denn der sterbliche. Wenn das hohe Wesen, das wir erwarten, nichts anderes tut, als daß es unser Geschlecht mit diesen bei den großen Wahrheiten bekannt macht, so hat es genug getan. Denn es sind jene, die uns zumeist fehlen, und die, einmal bekannt, dem Men schen, dem Leben und der ganzen sicht baren Welt einen andern, größern Wert geben werden. Ich sage aber: ihr Gott wird mit ihnen sein denn einesteils kann es nur einen wahren Gott geben, und andererseits kann nur ein Gott über einen Gott uns Aufschluß erteilen. Es muß also die ses -höchste Wesen selbst sein, wel ches s ich selbst den Menschen mit teilt. Diese Mitteilung muß zugleich so klar, so vollständig und so allge mein sein, daß sie auch nicht den ge ringsten Zweifel mehr zuläßt, und das nicht nur unter wenigen, bevor zugten Geistern, sondern daß sie ein Gemeingut der gesamten Menschheit wird. Ich sage: der gesamten Mensch heit denn gerade so groß und deut lich und maßgebend wie der Abstand und der Unterschied zwischen einem Tiere und einem Menschen ist, oder zwischen allen Tieren und allen Men schen, gerade so groß, so vollstän dig und so maßgebend scheint mir die Gleichartigkeit und die Gleichberech tigung eines Menschen und eines an dem, oder aller Menschen miteinan der. Gerade dieses entbehrt unsere jetzige Welt, und ich erblicke darin einen ihrer größten Mängel. Ich er warte von jenem hohen Wesen eine Ausgleichung eine Gleichstellung im moralischen Sinne alles dessen, was Mensch heißt, und ich glaube, diese Gleichstellung wird auch eines der Merkmale der neuen, zukünftigen Welt sein. Hiemit," wandte der junge Redner sich zu Afer, „glaube ich deine Einwendung widerlegt und den Zu sammenhang, der zwischen der Erschei nung des erwarteten hohen Wesens und den von Augustus mir zur Er läuterung überwiesenen Fragen be steht, dargelegt zu haben." Aus der Fülle des Herzens und mit der Wärme der Ueberzeugung hatte der junge Mann gesprochen. Wie ge feit hingen Aller Augen an feinen Lippen, Aller Verständnis an feinen Worten. Keiner wagte die Stille zu unterbrechen, als er geendet hatte. „Vieles und Ungewöhnliches hast du in wenig Worten gesagt," begann Augustus. „Dein Geist hat sich weit verstiegen in die Zeiten, die nach uns kommen werden. Es ist dem Men schen nicht eigen, so ganz das Gewand der Gegenwart abzulegen und in je nem der Zukunft sich wohl zu fühlen, wie es dir gegeben ist. Wer wußte vor hundert Jahren von uns, die hier versammelt sind? Wer hätte auch nur Einen von uns nennen können? Und was wissen wir von denen, die nach hundert Jahren auf unfern Gräbern wandeln, und diese wiederum von je nen, so nach ihnen kommen werden? Doch folge ich gerne dem Fluß deiner Rede, der mir Ungeahntes vor die eele bringt. Aber wie du den Zeit punkt dieser Wandlungen nicht mit Bestimmtheit angeben kannst, ebenso wenig können wir dieselben mit Ent schiedenheit zurückweisen. Nach deiner Annahme wäre es z. B. möglich, daß sie innerhalb dieser nächsten hundert Jahre vorgingen." „Du bist gerecht, o Kaiser!" sprach Dionysius erfreut. „Ich danke dir! Erlaube, daß ich jetzt den ersten der erwähnten Punkte die Existenz ei nes höchsten, ewigen Gottes be spreche. Wenn Antistius Labeo mir etwa sagen wollte, was er darüber denkt, so würde mir das Gelegenheit geben, meine Ansicht mit der seinigen zu vergleichen." „Meiner Treu, ein schlauer Fuchs, dieser Athener!" flüsterte Tiberius dem Sejanus zu. „Aber ich hoffe, die Meinigen lassen mich nicht im Stiche. Jetzt heißt es, ihm die Zähne zeigen." Und er schoß düstere, drohende Blicke aus Labeo, der säst dieser be deutsamen Aufforderung bedurfte, um überhaupt zu antworten so sehr war er von den hohen Gedanken, von der klaren, einschneidigen Beweisführung seines Gegners betroffen. „Meiner Ansicht nach," sprach La beo, „entspricht das Wort und der Begriff des Pantheismus am besten dem Phänomen dieses Weltganzen. Alles in ihm ist denselben Gesetzen un terworfen: Entstehen und Vergehen, Beginnen und Aufhören, Wachstum und Verfall. Da aber der Verfall selbst dem Wachstum dienen muß, so scheint mir das Wachstum selbst als letzter Zweck und Gesetz des Alls angesehen werden zu müssen." „Dieses Wachstum," srug Diony sius, „stellst du es unter eine äußere, *. MM allgemein maßgebende Kontrolle?" „Jedes Ding," antwortete Labe»,• „folgt den Gesetzen seiner eigenen Na tur. Diese Natur macht es zu dem, was es ist. Diese Natur kann nicht sich selbst ändern, noch kann ein Ding sei ne Natur ändern, da es eben den Ge setzen seiner eigenen Natur untersteht Außerdem aber ist jedes Ding auch den Gesetzen jedes andern, ihm Über legenen Dinges unterworfen, mit wel chem es in Berührung kommt. So ist z. B. das Aktive dem Passiven über« legen. Wer selbsthandelnd Anderes oder Andere regiert, verändert, be wegt oder bildet, der stellt eine höhere Kraft dar, als der, welcher, oder daS, was regiert, verändert, bewegt oder gebildet wird. So ist mir der Gärt ner eine ungleich höhere Kraft als das Erdreich, welches er bearbeitet der Baumeister eine ungleich höhere Kraft als der Stein, welcher ihm ztir Ausführung seines Planes dienen muß." „Du gibst also zu," sprach Diony sius, „daß gewisse Dinge gewisse Kräfte haben, und daß ein Unterschied in den Kräften besteht?" „Ohne Zweifel." „Wie auch, daß die sich selbst be stimmende oder mitteilende Kraft der mitgeteilten überlegen ist?" „Die letztere ist nur die Fortsetz ung, die Verlängerung, die Wirkung der ersteren." „Gewiß," suhr Dionysius fort. „Uttb wenn dies so ist, so können nur zwei Möglichkeiten bestehen: die den Dili gen innewohnende Kraft muß eine mitgeteilte fein, und es muß ein We sen existieren, welches alle mitgeteilte Kraft in sich allein vereinigt, d. h. welches einen Teil der eignen unend lichen Kraft allen übrigen Dingen mitteilt. Ist es nicht so?" „Ich sehe, wohin du steuerst," be merkte Labeo. „Aber nicht also ver stehe ich es. Du nimmst ein erhabene!, allem Andern überlegenes Wesen all, eine erste, selbständige Kraft, von wel cher du alle andern Kräfte Herleiteft. Bei mir ist es anders: ich glaube an einen ewigen Kreislauf, eine stete Wiederholung der Dinge und der Kräfte, welche gleichsam ineinander übergehen und im steten Wechsel durch die Reibung und die Bewegung selbst sich gegenseitig ergänzen und unter stützen." Der Athener konnte sich eines leich ten Lächelns nicht erwehren. „Ich bit te Augustus, die Worte Labeos im Sinne zu halten," sprach er, mit ei ner anmutigen Verbeugung zum Kai ser gewandt. „Du sagst," fuhr er zu Labeo sprechend fort, „daß jedes Ding seine Kraft von außen her empfängt, .. jedes, ohne Ausnahme?" „Gewiß! Es ist eine endlose Kette, durch deren einzelne Glieder die ein mal gegebene Kraft sich fortsetzt." „Damit gestehst du, daß es eise Zeit gab, wo keine Kraft noch gegebek war denn dem Erhalten geht der Nichtbesitz voraus, dem Besitz der Mangel. Kann irgend jemand mich darin Lügen strafen?" Niemand versuchte zu sprechen. „Gut," fuhr Dionysius fort, „wenn, wie Labeo sagt, jedes Ding seine Kraft von außen her, von etwas an derm erhalten hat, so heißt das so viel als: es gab eine Zeit, wo kein einziges Ding diese Kraft noch besaß. Tie ganze Kette der Tinge war ohW Kraft und wartete auf den Anstoß, der von oben her dem ersten Gliede gege ben werden sollte. Woher aher, frage ich, sollte dieser Anstoß, diese erste und endgiltige Mitteilung der Kraft kom men? Von wem wurde sie gegeben? Wem ist sie zu verdanken?^ Eine augenblickliche Pause entstand. Labeo verhielt sich schweigend. „Vielleicht," sprach Dionysius, „kann Domitius Afer uns hierüber Aufschluß geben?" „Ich," antwortete Domitius mit spöttischer Miene, „ich gehe weder bei Labeo, noch bei den griechischen Hell seher n in die Schule. Mir ist der Ge genstand das, was ich an ihm wahr nehme. Ich bin Materialist und halte mich an meine gesunden Sinne. Ich weiß nicht, was von Gott und von einer Seele geschwatzt wird. Ich kann sie weder sehen noch hören, noch sonst wahrnehmen, und darum existieren sie für mich nicht." „Wie!" rief Dionysius säst belu stigt. „Ist das deine letzte, wohlbe dachte Meinung? Du willst fein ande res Kriterium als das deiner Sinne annehmen?" „Sieh zu, ob du mich eines Bessern belehren kannst!" spöttelte Afer. „Die Aufgabe," rief Dionysius, „verzeihe mir, aber sie scheint mir wahrhaft verführerisch! Du glaubst an deinen Entschluß, nur das Zeug nis der Sinne gelten zu lassen? Sa ge, Freund Afer, auf welchen deiner Sinne hast du diesen Entschluß ge baut, d. h. durch welchen deiner Sitz ne hast du ihn wahrgenommen? Wu cher deiner Sinne hat ihn dir vorge führt? Oder vielmehr, diesen deinen Entschluß, kannst du ihn sehen, füh len, riechen, hören, schmecken? Nichts von allem kannst du, und doch glaubst du daran. Es ist also nur eine richtige Schlußfolge, zu sagen, daß du auch noch an anderes glauben kannst, waS nicht unter deine Sinne fällt." (Fortsetzung folgt) \n\n JUST OFF THE PRESS Schultz. "THE TIMES CHALLENGE US" By THE MOST REV. ALOISIUS J. MUENCH, Bishop of Fargo, who is now in Germany as Apostolic Visitator. This slender pamphlet by the author of One World in Charity is reading for all who are interested in helping to build genuine and lasting world peace. 38 pages, single copies, 20c postpaid 10 to 100 copies, 15c per copy. 101 to 500 copies, 12c per copy. 501 to 1000 copies, 10c per copy. Over 1000 copies, 8c per copy. WANDERER PRINTING COMPANY 128 East Tenth Street, ST. PAUL 1, IHNM.