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Jahrgang 76 1 Die größte Gefahr unserer Zeit Am verflossenen Freitag erklärte der als Parteiführer ausscheidende Premierminister W. L. Mackenzie King in seiner Abschiedsrede auf der Tagung der Liberalen Partei, Kana das in Ottawa, der Kommunismus sei „die größte Gefahr unserer Zeit". In den schärfsten Ausdrücken verur teilte er Sen Kommunismus, der „im Namen der Freiheit" die Freiheit des Einzelmenschen, den Frieden und die Freiheit der Völker bedrohe und die Weltherrschaft erstrebe. In Washington waren die Sensa tion der letzten zwei Wochen die Ent hüllungen des Treibens eines russi schen Spionageringes, dem teils als mehr oder minder harmlose Opfer der Sendlinge Moskaus, teils in kla rer Erkenntnis ihres verräterischen Treibens Regierungsangestellte und Regierungsbeamte bis in die höchsten Chargen .Handlangerdienste leisteten. Die Rede des kanadischen Staats marines und das hochnotpeinliche Un tersuchungsgericht in Washington kennzeichnen die nervöse Unruhe, die der ungeheure Machtgewinn Ruß lands in der westlichen Welt ausge löst hat. Denn wenn heute liberale Staatsmänner und Politiker und Zei tun gen vom Kommunismus reden und schreiben, ist es vor allem die Furcht vor ber Macht Rußlands, die sie bedrückt. Noch vor wenigen Jahren, bevor sich Moskau nach Kriegsende in seiner wahren Gestalt enthüllte, gehörte es geradezu zum guten Ton, für unfern großen „Freund" im Osten zu schwär men und den Bolschewismus als die ussische Abart der vergötzten „Demo ratie" anzustaunen. Wer diesen toi» len Tanz um den russischen Bären nicht mitmachte und wie wir in diesen Spalten auf Grund der russi schen Geschichte und in prinzipieller Wertung des Kommunismus kouse quent es taten auf die dem Westen drohenden Gefahren hinwies, wurde unpatriotischer Gesinnung und „fa fchistrscher", wenn nicht gar national sozialistischer Neigungen verdächtigt. Diese Einschätzung des Kommunis mus wäre auch Heute noch im Schwang, träte nicht Rußland, in rücksichtsloser Ausnützung der Macht stelluug, zu der ihm kurzsichtige west liche Staatsmänner verholfen, als po litischer und wirtschaftlicher Rivale dem Westen und vor allem den als einzige wirkliche Großmacht verblie denen Ver. Staaten entgegen. Denn dem Liberalismus, der heute die Po litik fast aller westlichen Staaten be herrscht, ist es ja nie um Prinzipien, nie um eine im Sittengesetz veranker te Weltanschauung zu tun. Er ist „stets erbötig, den Rock zu Wachsein, und auch die Haut, wenn nötig". Er hat in den dreißiger Jahren mit Hit ler paktiert und mit seiner erbärmli chen Utilitätspolitik jede freiheitliche Regung im deutschen Volk erdrosseln helfen. Die Frage, ob man „mit Hit Ier Geschäfte machen" könne, wäre vielleicht niemals im Ernst gestellt worden, hätten nicht die Judenpogro me Veranlassung gegeben, die Welt Meinung mobil zu machen. (Die deut sche Bartholomäus-Nacht und die Ver folgung der katholischen Kirche wur den im Ausland recht gleichgültig hin genommen, die infamen „Sittlich keitsprozesse" in der Presse vielfach als pikante Sensationen behandelt.) Der gleiche Liberalismus fand sich auch mit dem Kommunismus ab. Für die Dämonie dieser Irrlehre hatte und hat er auch heute kein Verständ nis und kein Interesse. Sein Grund satz ist: „Gut ist, was mir nützt," was dem Geschäft und dem internationa len Güteraustausch förderlich ist. Der „gottlose Kommunismus", den die katholische Kirche bekämpft, ist ihm gleichgültig. Er würde für diesen als Weltanschauung und gegen die Kirche Partei ergreifen, wenn er in seinen politischen und wirtschaftlichen Be strebungen gefügiger wäre und sich mit dem wandlungsfähigen Liberalis mus auf dem Gebiet der Politik und Wirtschaft Verträge. Erst seitdem der russische Kommunismus nach dem al le Erwartungen Moskaus überstei genden Sieg die im Kriege notgedrun gen aufrecht erhaltene Interessenge meinschaft mit dem Westen gelöst und Zwischen Krieg und Frieden OMo TW Familienblatt die ihm in den Geheimabkommen von Teheran und Jalta und aus der tragi komischen Polonaise-Konferenz in Potsdam ausgestellten Wechsel zu präsentieren begonnen hat, hat der westliche Liberalismus seine Kultur mission entdeckt und sich als Ritter Jörg dem ungeschlachten Tazzelwurm in den Weg gestellt. Die Gangrän des Gesellschaftskörpers Wir unterschätzen die kommunisti sche Weltgefahr wahrlich nicht. Tie ist unleugbar, ob man nun den Kommu nismus als Weltanschauung oder in seiner politischen und wirtschaftlichen Dynamik betrachtet. Aber wir werden es nachgerade müde, daß liberale Po litiker und Zeitungsschreiber von die ser Gefahr reden, als könnte die Er lösung von diesem Uebel nur aus dem Liberalismus kommen. Der Kommu nismus ist die schwerste Krankheitser scheinung, die sich am Gesellschaftskör per in Jahrhunderten gezeigt hat. Und der Urheber der Krankheit ist eben der Liberalismus der gleiche Liberalismus, der sich jetzt als Arzt anbietet und aus seiner abgenutzten Arzneikiste allerhand Salben und Tinkturen auskramt und als rechter Doktor Eisenbart auch bor den ge wagtesten Operationen nicht zurück scheut. Tie auf den Tod kranke Gesellschaft ist einem Patienten vergleichbar, des sen Leiden in Gangrän übergegangen ist. Der Liberalismus hat die natür lichen Funktionen der Organe und Glieder des Gefellfchaftskörpers ver hängnisvoll unterbrochen und zerstört und dadurch das Absterben von Ge weben und Körperteilen herbeige führt und die- Widerstandsfähigkeit gegen Bakterien gebrochen. Das führt zum trockenen Brand und zum feuch ten Brand, zur Gangrän. Die Gan grän ist „eine faulige Erweichung mit schmierigfauligem Gewebe und üblem Geruch, neigt unter eitriger Verflüs sigung des Gewebes zur Ausbreitung, führt Beim Eindringen der Fäulnis keime in die Blutbahn zu lebensbe fröhlicher Blutvergiftung". Ter Kommunismus ist die Gan grän, die sich im Gesellschaftskörper aus den vom Liberalismus und Sä kularismus vollzogenen Eingriffen in die geordneten, vom Natur- und Sit tengefetz bestimmten Funktionen sei ner Organe und Glieder entwickelt hat. Tagegen helfen keine Medika mente aus dem Pflasterkasten des Li beralismus (und auch keine „korni scheu" „Besprechungen")! Das ganze heutige Chaos beweist ja, was für ein erbärmlicher Pfuscher der Liberalis mus ist. Er hat die Völker in die Un tiefen des heutigen Elends geführt ohne Mithilfe des Kommunismus, der beim Ausbruch des ersten Weltkrieges noch keine politische Macht war. „Die größte Gefahr unserer Zeit" ist nicht Ausgangspunkt des Weltchaos, son dern eine der Folgen der Pfuscherei des hochmütigen Liberalismus, der die Völker von der Unterwerfung un ter Gottes Gesetz „emanzipiert" hat, sie nach eigenen Rezepten auf die Hö henpfade menschlichen Fortschritts und Glücks zu führen versprach und sie in Nacht und Grausen führte, aus der er trotz aller prahlerischen Redensarten den Ausweg nichl findet und nicht finden wird, solange er, wie einer sei ner Propheten prahlte, „die Sterne des Himmels ausgelöscht" zu haben wähnt. für Der Bölkerbnnd Wem das zu bitter und zu pessimi ftifch dünkt, der betrachte doch sinnend die Weltlage, wie sie nun feit Jahr und Tag sich darstellt und wie sie sich in den Berichten der Presse in der verflossenen Woche in ihrer ganzen Hilflosigkeit von neuem präsentiert. In Lake Succeß legte am Sams tag der Generalsekretär der Verein ten Nationen, Trygve Lie, in seinem dritten Jahresbericht die internatio na len Schwierigkeiten dar, denen alle Beschönigungsversuche keine günstige Prognose stellen können. Der Norwe ger, dem zuweilen Neigungen nach links nachgesagt werden, richtete an die führenden Weltmächte -r- Ver. Staaten, England, Frankreich und Rußland den angesichts der Ent Wicklungen der letzten Wochen fast hoffnungslos scheinenden Appell, von Das mag zum Teil recht kraftvoll klingen, als überzeugend und verhei ßungsvoll kann es kaum bezeichnet werden. Und wie könnte man auch bis auf weiteres von einem Völker bund viel erwarten, der als Hanpt leiftnng die Errichtung des Staates Israel aufzuweisen Hat, mit der Hin ein neuer Brandherd geschaffen wor den ist! Und welche Bedeutung hat ein solcher Bund, der es nicht verhü ten konnte, daß zwei in ihm vertretene Staatengruppen nun schon seit Mona ten in bitterer Fehde miteinander lie gen und sich offen und versteckt ^in ander mit Krieg bedrohen, und daß die gleichen Völkergruppen zu keiner Verständigung kommen können auf der Tonau-Konferenz in Belgrad! Besprechungen in Moskan In der russischen Hauptstadt sind nun fchon seit zehn Tagen Besprech ungen zwischen den Gewaltmenschen im Kreml und den Vertretern der Ver. Staaten, Englands und Frank reichs im Gang. Ter ersten Besprech ung mit Molotow und darauf mit Stalin sind weitere Konferenzen mit Molotow gefolgt. Alles gebt höchst ge heimnisvoll vonstatten, und da sich die Preßberichterstatter immer nur mit dem wortlosen „Lächeln" der Tiplo maten zufrieden geben müssen, geht fortgesetzt allerhand Geraune durch die Blätter. Einmal heißt es, eine Ei itigung stehe bevor und die Wirkung der Moskau'er Besprechungen mache sich durch höflichere und entgegenkom mendere Haltung der Russen in Ber lin bemerkbar, und vierundzwanzig Stunden später weiß die Presse das gerade Gegenteil zu vermelden. Bestimmt weiß man nur, daß Be sprechungen stattfinden. Es scheint, daß man sich im Prinzip auf eine Konferenz geeinigt hat, welche die ganze deutsche Frage, wenn nicht die ganze europäische Frage wieder auf rollen dürfte. Ob es sich um eine Mi nisterkonferenz handelt oder Gott bewahre uns vor einem neuen Pots dam! um eine Zusammenkunft der Staatschefs, darüber weiß man nichts. Auch nichts darüber, unter welchen Bedingungen die Russen in Verhand lungen einzutreten und die Blockade von Berlin aufzuheben gewillt sind. Eines aber wird mit jedem Tag Wahrheit und Recht zur Belehrung Ausgabe des,Wsnderer' HeranSgegeben vom Päpstlichen Kol eginm Josephinnm zum Beste» der Priesterzöglinge. Preis für ei» Jahr i« de» Ber. Staaten $3.00, in Kanada «nd allen anderen Ländern $3.50. neuem an die Beratung der Zukunft Deutschlands als Schlüssel zum Welt frieden heranzutreten. Zugleich aber gab er zu bedenken, daß wirkliche Ver Handlungen nur dann sich verlohnen, wenn sich einigermaßen Aussicht auf Fortschritt eröffnet. Alle Verhandlun gen, ob innerhalb oder außerhalb der Vereinten Nationen, müßten sich voll ziehen „im Geist ernsten Strebens, zu einer Verständigung zu gelangen". Viel Hoffnung auf eine Losung der deutschen Frage spricht sich in dem Bericht nicht aus. Noch weniger ver heißungsvoll ist, was Hr. Lie über die Abrüstung zu sagen hat, soweit die „Hergebrachten" Waffen und soweit die Atombombe in Betracht kommt. Ganz unverblümt spricht er von den „entmutigenden" Versuchen der Ver einten Nationen, eine Lösung zu fin den. Das Wettrüsten unter den Groß mächten dauere fort, und „die Ver einten Nationen haben keinen prakti schen Schritt getan", ihm Einhalt zu bieten. Es sei geboten, daß man we nigsteii» die Frage der chemischen und bakteriologischer Kriegswaffen prüfe. Tie Annahme sei berechtigt, daß Vor räte von Atombomben aufgestapelt werden und daß fortgesetzt neue Er findungen gemacht werden, diese Waf fe zu „vervollkommnen". Hinsichtlich der ideologischen Gegensätze führt der Generalsekretär aus, es sei undenk bar, daß die Welt sich mit einem ein zigen Wirtschaftssystem oder einem einzigen politischen oder religiösen tistem zufriedengeben werde. Ebenso undenkbar sei es. daß „eine Nation oder eine Gruppe von Nationen ein neues Weltreich errichten könnte, ob es nun auf wirtschaftlicher oder auf militärischer Macht begründet ist". Etwas optimistischer und doch kritisch lautet Lies Urteil über die Vereinten Nationen, die man nicht als Kind be handeln dürfe, „das man schützen müsse vor den rauhen Realitäten der Weltpolitik". „Die Vereinten Natio nen," sagte er u. a., „fuhr fqrt in der Verfechtung brüderlicher Gemein schaft inmitten all der Stimmen, die von nationaler Politik reden in der Sprache von militärischer Strategie und Taktik als ob es sich bei der Errichtung des Friedens um Offen siven und -Gegenoffensiven, um Durch bruchsschlachten und Ueberfälle, um Blockaden und ideologische Maginet Linien handeln könnte." klarer: Tic Westmächte „gingen nach Canossa", als sie ihre Vertreter zu Verhandlungen nach Moskau sandten. Als der amerikanische Botschafter Walter Bedell Smith am 4. Mai Mo lotow eine Verbalnote überreichte, re deten die Ver. Staaten Fraktur. Nur am Ende des damaligen Protests ge gen Rußlands verhängnisvolle Quer treibereien klang eine freundliche No te auf: „Tie Tür steht stets offen für eine Besprechung und Bereinigung unserer Schwierigkeiten." Als Molo tow diese diplomatische Formel als ei ne Einladung Washingtons zu Ver Handlungen deutete und propagan distisch ausbeutete, wies unsere Regie rung Molototos Auslegung energisch zurück mit der Erklärung, weitere Be sprechungen seien zwecklos, wenn der Kreml durch Taten, nicht durch bloße Worte bekunde, daß er seine Haltung seit der verkrachten Londoner Kon ferenz (Tezeinber 1047) geändert ha be. Der Kreml hat eine Aenderung fei iier Haltung in der Berliner Blockade wahrlich nicht bekundet! Trotzdem aber sandten die drei Westmächte ihre Vertreter nach Moskau und sind augenscheinlich herzlich froh, daß sich talin herabgelassen hat, sie zu emp fangen. Immerhin, Besprechungen find im Gang. Ob sie zu einer Konferenz führen und ob eine etwaige Konferenz die Welt dem Frieden näherbringen bleibt abzuwarten. In Belgrad Allzu viel ist nicht zu erhoffen, wenn die Haltung Rußlands auf der Tonau-Konserenz in Moskau als Maßstab dienen kann. Ter bisherige Verlauf zeigt, daß die Konferenz nach den Plänen der Russen den Zweck hat, der Sowjet-Union und Rumä nien die Herrschaft über den Unter lauf der Tonau von Braila bis zum Schwarzen Meer zuzuweisen. Außer dem gestattet der Kreml Rumänien das angeblich im Begriff steht, sich Rutzland politisch, anzugliedern oder sich angliedern zu lassen —, im Ver ein mit einem anderen Satelliten staat das berühmte „Eiserne Tor" (den Tonau-Turchbruch durch das Banater Gebirge, den wichtigsten schiffbaren Teil des Stromes unter halb des Mittellaufs) zu „kontrollie ren". Von Frankreich, Belgien, Grie chenland und Italien sämtlich Sig natarmächte des alten Tonau-Abkom mens, ebenso wie Teutschland und Oesterreich erwartet Wischinsky le diglich, daß sie das Tokument, das nach der blauen Theorie die „freie Schiffahrt" auf der blauen Tunau wiederherstellen soll, unverändert zu unterzeichnen. T. h.: die moskowiti sche Konferenzdiktator fordert von ih nen, damit figürlich genau das zu tun, was er schon am ersten Konfe renztag höhni'ch tum ihnen verlangte daß sie sich stillschweigend fügen und sich trollen. Amerika hat darauf mit der Ankündigung geantwortet, daß die Tonau oberhalb Preßburgs für die Schiffahrt des Ostens gesperrt bleiben werde, wenn die Rechte des Westens mißachtet und Oesterreich und später auch Teutschland nicht mit in den Kreis der Signatarstaaten auf genommen würden. Dss sind einige Ausschnitte aus dem heutigen Weltbild, wie es unter den Pfuscherbänden des Liberalismus entstanden ist. Wer Lust hat. mag es vervollständigen, indem er die Son Versitzung des Kongresses einzeichnet, in der es nicht um die Volkswohl fahrt, fondern um parteipolitische Er wägungen ging im Weißen Haus und im Kapitol. Und dann jammert man über „die größte Gefahr unserer Zeit"! ünlattü Der von der GOP beherrschte Kon greß schickte am Samstag seine eige nen Anti-Jnflations und Wohnban tenvorlagen in das Weiße Haus, und die Mitglieder beider Häuser packten die Koffer für die Heimreife. Die meisten Forderungen, die Präsident Truman von der Sondersitzung ver langt hatte, wurden über Bord ge worsen. Tie Artti-Jnflationsvorlage, durch welche die Kredite der Banken und der Konsumenten inbezug auf Käufe auf Abschlagszahlungen beschränkt werden sollen, konnte verabschiedet werden, als das Haus den Amende ments des Senats zustimmte. Porsein, die Spionage-Enthüllungen der Unterhaltung der Erledigung im Senat wurde noch mit dreiundfünfzig gegen dreiund dreißig Stimmen ein Versuch der De mokraten vereitelt, die von dem Prä sidenten verlangte Preiskontrolle und Rationierung durchzudrücken. Viel wurde in der nicht ganz zwei Wochen währenden Sondersitzung nicht zustande gebracht. Und das lag auch nicht in der Absicht der Admini stration und der Gesetzgeber, die le diglich von parteipolitischen Erwägun gen beherrscht waren. Ter Senat wurde zudem durch Tauerreden der Vertreter des Südens gegen die Wahlsteuer-Vorlage tagelang ge lähmt. Tie Sensation der Sitzung waren die Enthüllungen über den Spionage ring in Verhören beider Häuser. Tie meisten Forderungen des Prä sidenten flogen in den Papierkorb, ohne daß sie nur eines Blickes gewür digt wurden. Nur die Forderung, den Vereinten Nationen $65,000,000 für die Errichtung ihres Hauptquartiers in New ?Jork zur Verfügung zu fiel en, ging ohne Schwierigkeit durch. Als der Präsident die Sondersitz ung am 26. Juli einberief, bezeich nete er zwei Forderungen als die dringendste Aufgabe: „positive Aktion gegen die Inflation" und die Verab schiedung der Tast-Ellender-Wagner Vorlage für die Wohnungsbauten. ie Wohnungsvorlage, die er erHel ten hat, ist nur ein Lückenbüßer, wäh rend die T-E-W-Vorlage auf lange icht berechnet ist, und was die in das Weiße Haus geschickte Anti-^n flationsvorlage angeht, so handelt es sich um einen Kompromiß, in dem die Hauptforderungen Trunians gestri chen wurde: keine Rationierung und keine Preiskontrolle. Bezüglich der Wahlsteuer Vorlage mußten die Republikaner eine Nie derlage ein stecken, denn es ist den De mokraten des Südens gelungen, sie „totzureden". Ter republikanische Senator Lau denberg von Michigan, Präsident des Senats, erklärte, es sei unmöglich, die Reden auf eine bestimmte Zeit zu befristen, und die „Tiriefraten" hät ten daher bis zur Vertagung weiter reden und alles lahmlegen können. Taher der Rückzug der Republikaner. Selbst der vorher angebotene Kom promiß, das Problem der Wahl steu ern durch ein Amendement der Bun desverfassuiig zu erledigen, wurde aufgegeben. Präsident Truman übte in seiner Pressekonferenz scharfe Kritik an dem von den Republikanern beherrschten Kongreß, nahm es ihm besonders übel, daß die Rationierung und die Preiskontrolle versagt wurden, und erklärte, die Verhöre über die Kom munisten seien nur darauf berechnet, die Aufmerksamkeit des Volkes von den „kleinen Kompromissen" inbezug auf das Problem der hohen Lebens kosten abzulenken. Tas Echo im Kapital blieb nicht aus. Die Republikaner erklärten, über diese Fragen werde das Volk im No vember die Entscheidung fällen. Die ungenügenden Bewilligungen durch den Kongreß führen dazu, daß kaum mehr als vierzigtausend Flücht linge (Tisplaced Persons) in den nächsten elf Monaten nach den Ver. Staaten kommen können. So wenig stens behauptet II go Carusi, der jüngst zum Kommissar für „Tisplaced Per sons" ernannt wurde. Tas wäre we niger als die Hälfte der Zahl, die nach dem neuen Gesetz zugelassen wer den kann. Tarnach soll die Oiiotc bis 30. Juni 11)50 205,000 betragen. Carusi erklärt, daß $2,000,000 nicht ausreichen, um das Programm durchzuführen. „Wir brauchen min deftens $2,000,000 mehr für dieses Rechnungsjahr, um die Organisation in dem vom .Kongreß geplanten Um fang in Gang zu setzen." Ter Ver such, das TP-Gesetz in der Sonder sitzung des Kongresses zu erweitern, ist fehlgeschlagen. Nachdem Louis F. Budenz, der sich neun Jahre als Schriftleiter des ,Taily Worker' auf einem der leiten den Posten der amerikanischen Kom munistenpartei befand, in einem Se natsverhör in Washington bekundet hat, daß sich in der Kriegszeit eine starke, „vielleicht tausende von Köpfen zählende" und im Interesse der Sow jet-Union tätige „Fünfte Kolonne" in den Bundesämtern einzunisten ver mochte, scheint es nicht angebracht zu Nr. IS Elizabeth Beutlet) als Erfindungen einer „konfusen Person" abtun zu wollen, wie es geschehen ist. Wohl ist es ratsam, den Behauptungen der Bentley mit einem gesunden Miß trauen zn begegnen. Aber ihre Ent hüllungen lassen sich nicht mit einem persönlichen Werturteil beiseiteschie ben. Worauf nun alles ankommt, das find klare, in einem ordnungsmäßi gen Verfahren erlangte Beweise. Bisher haben erst die allerwenigsten der als belastet erscheinenden Perso nen Gelegenheit gehabt, sich zu den sensationellen Anklagen zu äußern. Es handelt sich dabei um Leute bis in die höchsten Regicruiigsfreifc. z. B. Langhlin (Surrie, den einstigen Affistenten des verstorbenen Präsiden ten Roosevelt. Manche hoffentlich alle! der durch die Zeugenaussa gen Belasteten dürften sich zu recht fertigen vermögen. Aber an der Tat sache der Jnfiltrierung des Regie rungsdienstes durch rote Ouislinge bestand schon vor Bloßlegung des Bentley'schen „Red Network" gar kein Zweifel, und die meisten Anga ben der Beutlet) klingen plausibel. Leider ist auch nicht zu bestreiten, daß verantwortliche Persönlichkeiten der Regierung sich in den Kriegsjah« ren in ihrer Personalpolitik nachge wiesenermaßen lorer Methoden schul dig gemacht und nach Aufdeckung krasser Mißgriffe auf diesem Gebiet anfänglich eine merkwürdige Abnei gung gegen Säuberung des Bundes dienstes von Kommunisten und „Mit läufern" an den Tag gelegt haben. Das Staatsdepartement hat erst nach dem Amtsantritt seines jetzigen Chefs, des Staatssekretärs Marshall, politische Hausreinigung zu halten begonnen. Daß Elizabeth Bentley und'ihre früheren Gesinnungsgenossen höchste* hende Regierungsbeanite in den kriti schen^ahren bereit gefunden haben, ihnen Details unserer Kriegs Pläne, wie auch amerikanischer Waffentrans porte und Rüstungsarbeiten anzuver trauen, für die der kommunistische Klüngel Interesse bei seinen russischen Freunde» voraussetzte, ist mit der größten Wahrscheinlichkeit anzuneh men. Der Klarstellung bedarf die Frage, wie weit das Material, das die roten Spione unter diesen Um ständen zu sammeln vermochten, für die Sowjet-Regierung wirklich von politischem oder militärischem Wert war. Gewiß tut man gut daran, bis zur Klärung dieser Punkte mit Ver dächtigungen des Landesverrats durch Leute der Kriegszeit-Administration in, Washington sparsam umzugehen, zumal hierbei die Zeitumstände nicht außer Betracht gelassen werden dür fen: Wir befanden uns damals in einem Krieg, in dem Sowjet-Rußland mit uns verbündet war, und die Il lusion des „one ivar" für die Mächte der Anti-Hitler-Koalition begünstigte eine gewisse Vertrauensseligkeit in den amerikanischen Regierungsäm tern. Daß aber schon damals eine internationale Konspiration gegen unsere demokratischen Regierungsein* richtungeii und unsere nationale Si cherheit bestand und die Verschwörer an harmlosen Gemütern oder gehei men „Aiollaboratoren" in den Acin» tern Helfershelfer fanden, stand für aufmerksame Beobachter schon lange vor den Bentley'schen Enthüllungen fest. Es liegt nun am Justizamt in Washington, die Untersuchung auf ei ne unantastbare legale Basis zu stel len und die Spionagebestimmungen gegebenenfalls rücksichtslos zur An wendung zu bringen, gleichgültig, wer alles unter die Lupe kommt. Mit dem geringschätzigen Gerede Hrn. Trumans ist es nicht getan! Louis Budenz, der frühere Schrift leiter des .Tail» Worker', der die kommunistische Partei im Jahre 1945 verlassen hat, erklärte am Freitag in Honolulu als Untersuchungszeuge, die Kommunisten hätten versucht, in den Ver. Staaten den Bürgerkrieg zu entfesseln, wenn Amerika vor der In öasion der Teutschen in Rußland an der Seite Englands in den Krieg ein getreten wäre. Ei» weiteres Ansteigen der Lebens mittelpreise in den nächsten Monaten ist wahrscheinlich, und die Fleisch- und Viehpreise werden in der nach oben gehenden Kurve führen. Tas sind Feststellungen in einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Bundes Landwirtfchaftsdepartements. e Der Bericht des Departements über die Lebensmittellage in den S&er. Fortsetzung auf Bette 8) \n\n Samstag, den 14. August 1948