Newspaper Page Text
i -.-MM iiv« ocpiQXIVCr fc. y f::: k. h,v In Frankreich war die Revolution ausgebrochen. Wie ein.Sturm wütete sie durchs ganze Land. Gewalt und Schrecken regierten. Bruder stand gegen Bruder, Sohn gegen Vater. Mord, Raub, Totschlag, Hostienschän dung kamen an die Tagesordnung. Kirchen, Klöster und Stiftshäuser brannten. Zusammengekettete Priester und mißhandelte Nonnen wurden unter den Hohnrusen der Weiber in die überfüllten Gefängnisse getrieben. Und wer von den Beamten der neuen Verfassung den Treueid nicht leisten wollte, zahlte es mit dem Leben. Damals lag, im Hochland der Auvergne, am Fuß des Mont Dore, ein Dorf. Wkühsam nur konnten seine Bauern dem felsigen Baden ihren be scheidenen Lebensunterhalt abringen. Seit undenklichen Zeiten war der Ort der hl. Agathe geweiht und die Ge meinde trug den Namen nach der Pa tronin. Friedlich und weltabgeschloffen wußte man hier oben nicht viel von der allgemeinen Not. Kam doch nur selten ein Geschirrhändler oder ein Bärentreiber in die Berge, der davon erzählen konnte. Und der Pfarrer be unruhigte seine Leute nicht mit Din gen, die keiner ändern und nur der Herrgott wenden konnte. Eines Nachmittags aber ließ er seine Pfarrkinder zusammenrufen. Erregt warteten die Leute auf dem engen Kirchplatz. Was sollte das heißen? ... War heute kein Sonntag. Noch stand das Wetter die Arbeit drängte! Da trat der fast achtzigjährige Prie stergreis zu seinen Bauern. In der Hand trug er einen weißes Blatt. Das zitterte leicht. Atemlos spannten die Leute. Der Pfarrer war ernst. Stand hoch, aufgerichtet. Dann brach seine tiefe Stimme wuchtend in die Seelen der Bauern: „Heute in der Morgenstunde ist mir von Mauriac folgender Befehl zuge gangen —und er verlas die an ihn gerichtete Aufforderung, alsogleich die gottesfeindliche Verfassung zu beeiden und seine Kirche zu schließen. Jeder Widersetzlichkeit folge die Todesstrafe. Bei einem Fluchtversuch stehe eine hohe Prämie aus seinem Kopf. Stumm hatten die Bauern zuge hört. Sie verstanden nicht recht, um was es ging, und ahnten nur langsam die furchtbaren Worte. Da erzählte der Pfarrer ihnen von den Jakobi ttertt, den Mordbrennern, die Not und Blut in ihr Vaterland getragen. Er schloß: „Seid guten Mutes. Nichts vermag uns von der Liebe des Herrn zu tren nen! Weder Krieg noch Verfolgung weder Hunger noch Bedrängnis, noch das Schwert Ich aber werde bis zur letzten Stunde bleiben. Wohlan denn, mögen mich die Soldaten auf den Richtplatz schleppen! Gott ist mit uns!" Totenstille war. Keiner konnte spre chen. Durch die Augen der Gebirgs bauern lief es wie Glut. Auf den Stirnen perlte der Schweiß. Ihre breiten Fäuste ballten sich. Dann lach ten sie hart und spuckten auf den Boden: Das also war es schreck lich! Entsetzlich! Was aber wollten die Jakobiner mit ihrem Pfarrer? Ihn holen .'. töten?! Ihn, der kei nem ein Leid getan! lieber fünfzig Jahre schon war er bei ihnen, arm wie jedeiner und edel wie keiner ... Er hat ihre Ehen gesegnet, hat ihre Kin der getauft, hat ihre Toten begraben. Vater und Bruder war er ihnen ge worden. Und diese Buben, die ihn nicht kannten, die setzten einen Judas Lohn auf sein ehrwürdiges Haupt. Doch mochten die Banditen kom men, sie sollten sich täuschen! Mit Weib und Kind werden sie ihren Pfarrer verteidigen mit dem Leben, wenn es not tut! Standen alle für ihn sie waren bereit! Als in der kommenden Nacht der volle Mond über die Berge leuchtete, trabten elf Männer durch die Fels schluchten am Mont Dore. In ihrer Mitte schritt der alte Pfarrer von €?ainte Agathe. Unter einem weiten Schäfermantel flüchtete er die heili gen Gestalten. Ungern und nur auf das Drängen seiner Pfarrkinder hatte er sich zu der nächtlichen Wanderung entschlossen. Was lag ihm schließlich an den weni gen Lebenstagen, die ihm noch ver gönnt waren. Seinetwegen hätte man ihn holen können. Es waren schon viele die blutigen Stufen zum Scha fott hinaufgeklettert! Was lag dar an Aber feine Bauern dachten anders. Die Männer waren an einer verfal lenen Hütte angekommen, am Ziel. Nach kurzer Rast traten \ißkm von A I I Bon JosephMaria Mockenhaupt ihnen ben Heimweg wieder an. Die anderen blieben zurück. Bei dem Prie stergreis. Hu seinem Schutz. Noch hatte die erste Lerche nicht ihr Frühlied ausgetrillert, als schreiend und lärmend eine Horde Soldaten in Sainte Agathe einfiel. Sie suchten den Pfarrer es war vergeblich. Durch stöberten stundenlang die armen Hüt ten der Bauern es blieb erfolglos. Die Belohnung wurde ausgerufen: „Zwanzigtausend Franken dem, der den flüchtigen Pfarrer verrät!" Die Gesichter der Bauern schienen ver steint. Kein Mund öffnete sich. Fluchend sammelte der Anführer feine Leute zum Abzug. Als am folgenden.Abend der Prie ster greis zu seiner Gemeinde zurück kehrte, fand er seine Pfarrkinder hei matlos. Sainte Agathe, das stille Bergdorf, stand nicht mehr. Noch schwelte die Luft vom Dunst der aus gebrannten Hütten und Ställe. Ver zweifelte Menschen lagen bei brüllen dem Vieh auf offenem Feld. Da weinte der Pfarrer laut auf. Seine Schultern zuckten. Das war gräßlich war entsetzlich! War ein übermenschliches Opfer der Pfarrkin der für den Priester war erschüt terndes Zeugnis ihrer Liebe. Wenige Tage darauf wurde ein alter Mann in das Zimmer des Jakobinerkommissars von Mauriac geführt. Mit knöchernem Finger um spannte er einen ziirechtgeschnittenen Buchenstock. Sein Mantel war zerris sen und auf feinen Sandalen hing dicker Staub. Mühsam nur hielt der Alte sich aufrecht. Auf die Frage des Republikaners, was er begehre, sagte er: „Bürger, man hat uns auf Repu blikanerwort versichert, daß für den Kopf des Pfarrers von Sainte Agathe zwanzigtaufend Franken gezahlt wer den. Ist es so?" Der Beamte legte seilte Feder bei seite. Verblüfft wandte er sich nach dem Alten um. Der hielt den Blick am Boden. Ein ironischer Zug spielte um die Lippen des Menschen. Vorsich tig entgegnete er: «Wozu die Frage? Kannst du den Lohn dir verdienen?" „Ich kann es!" antwortete der Fremde. „Ich brauche Geld! Viel Geld. Werde ich es sogleich erhalten, wenn ich den Pfarrer von Sainte Agathe verrate?" „Hahaha!" Lachend legte sich der Beamte in seinem Polster stuhl zurück. „Du bist, weiß der Teufel, aller Ehren wert, Alter! Wahrhaftig, ich hätte das Geld lieber in der Klaue eines jungen Wolfes gesehen als in deinem Beutel! Immerhin ein Republikaner bricht sein Wort nicht. Das Geld wird dein. Bekommst es aber erst, wenn wir den Pfaffen haben! Verstehst du?" Der Alte nickte. Er war einverstan den. Tann fragte er hastig: „Und ist es der äußerste Preis, den ihr für den Priester zahlt? Kannst -du nichts zu fügen?" Im Zimmer war es still geworden. Der Republikaner begann wieder: „Faß dich kurz, Alter! Ich habe keine Zeit. Willst du den Pfaffen zum ge setzten Preis ausliefern?" „Ja, ich will!" „Sage mir deinen Namen!" Da richtete sich der Fremde stolz aus. Seine Worte sprangen wie Glas in die Ohren des Kommissars: „Sie haben soeben versichert, mir das Geld, alsobald der Pfarrer in Ihrer Gewalt ist, auszuhändigen. Wohlan ich bin der flüchtige Pfar rer von Sainte Agathe und liefere mich aus .!" »Du Sie!" Ter Beamte war aufgesprungen. Erschreckt starrte er den Greis an. „Das kann ich nicht glauben! Haben Sie einen Ausweis? Was aber veranlaßt Sie .?" Der Priester war ruhig geblieben. Er hatte den Mantel abgestreift und aus der tiefen Tasche seiner Sutane einen Brief gezogen. Den reichte er dem Beamten. „Bitte. Genügt der Ausweis?" Immer noch starrte der Mensch auf den greisen Priester. Schließlich for derte dieser: „Geben Sie mir jetzt das Geld. Ich brauche es!" „Was aber, um des Himmels wil len, wollen Sie noch damit?! Wissen Sie nicht, daß Ihre Tage stot terte der Beamte. Er vollendete den Satz nicht. „Bürger der Republik, ich habe Ihr Wort. Geben Sie mir das Geld!" Bei den Worten streckte der Pfarrer dem entgegen. Oniu WÄBEIiFBEUND lieber die Trümmerstätte von Sainte Agathe rollte ein Ochsenkar ren. Vorsichtig und scheu drückten die Bauern sich näher. Da war das nicht der Atem preßte ihnen das Blut natürlich! Das war ja ihr Pfarrer!. Den sie seit Tagen schon vermißt hatten! Keuchend, schreiend stürmten alle auf den Wagen zu. Welch glückliche Stunde! Viele Hände reckten sich, wollten ihm helfen, wollten ihn heben, ihn tra gen Er wehrte freundlich ab. Stand hochaufgerichtet. Begann zu sprechen. Voll und ernst trug seine tiefe Stim me nur wenige Worte durch bte Bauern. „Meine Kinder! Ihr habt gefürch tet, ich hätte euch verlassen, ohne Ab schied, ohne Segen das ist nicht so! Seht, ich habe euch Geld mitge bracht! Ihr seid ja aus Liebe zu mix um all euer Gut gekommen Bei schwerwiegender, das innere Leben schon weit mehr berührender Verschiedenheit des Denkens und Füh lens ist die Gefahr schon größer, das Mißklänge die Harmonie zwischen zwei Eheleuten zu trüben vermöchten. Daß solche Grundverschiedenheiten von Anbeginn an vorhanden sein kön nen, kommt nun nicht gerade selten vor, und daß es von beiden Seiten der größten Klugheit und Vorsicht be darf, um zu verhüten, daß aus die fem Auseinandergehen der Meinun gen eine tiefergreifende Entfremdung heraufbeschworen wird, liegt klar auf der Hand. Wie häufig namentlich finden wir es, daß in religiösen Dingen Mann und Frau gänzlich uneins sind! Stets hat es etwas tief Schmerzliches für den anderen Teil, zu wissen, daß es in Dingen des Glaubens keine Gemein samkeit gibt für beide. Doch nicht ge nug hiermit, wie oft kommt es vor, daß namentlich die Männer, sich als der stärkere Teil fühlend, ihre Über legenheit der Gattin gegenüber da durch zum Ausdruck Bringen, daß sie keine Gelegenheit ungenützt vorüber gehenlassen, um an den religiösen Grundsätzen ihrer Frau zu rütteln Glattbensdingen herumzureden ver Da zählte ihm dieser zwanzigtausend I Hier der Bürgermeister soll es ver Franken aus. Noch einmal sprach der teilen! Ich aber muß noch einmal zur Kommissar den Priester an. Seine Stadt zurück und weiß nicht, wie timme war rauh: „Bürger von Sainte Agathe! Ha ben Sie noch einen Wunsch, ehe ich Sie gefangennehme? Wenn es mir möglich ist, werbe ich ihn erfüllen." „Ja!" bat der Greis. „Ich möchte noch einmal mit meinen Pfarrkindern sprechen. Geben Sie mir Gelegenheit dazu!" Morgen tfl es besser Morgen oder gleich darauf, Mb nur nicht die Hoffnung auf: Morgen ist es besser. Ueberkam dich @etgr nnd Weh, Denk', es sei ei« Frühlingsschnee: Morgen ist es besser. Gottes Werk ist weise Huld Harre nur, und in Geduld: Morgen ist es besser. Seine Boten wandeln facht, Kommen zu dir in der Nacht: Morgen ist es besser. Klopfen an dein Fensterlein, Flüstern Rat und Trost hinein: Morgen ist es besser. Stets UÜ und treu Es ist etwas Schönes um eine völ lige Ueöereinstimmung der Eheleute in den großen Fragen des Lebens. Taß in Kleinigkeiten Abweichungen in den Ansichten zutage treten, selbst in der harmonischsten Ehe, ist nicht verwunderlich, denn dazu sind im all gemeinen die Menschen zu verschieden geartet. Bei vernünftigen Leuten kön nen Meinungsverschiedenheiten auch gar keinen Unfrieden heraufbeschwö ren, da sie stets Vernunftsgründen zu gänglich fein werden und einsichtig genug sind, um in ruhiger, sachlicher Weise Gründe und Gegengründe an zuhören und vorzubringen. lange unsere Trennung dauern wird. Gebe Gott, daß sie kurz sei, und nehme Er euch und mich in Seinen Schutz. Bleibet während meiner Abwesenheit stark im Glauben, fest in der Hoff nung und treu in der Liebe. Dann werden wir dereinst vereint sein dort, too es keine Trennung mehr gibt. Und jetzt kniet nieder, daß ich euch segne!" Ta drückten die Bauern ihre Knie in die Asche ihrer verbrannten Hüt ten. Manch einer weinte. Ihre schwie ligen Hände schlugen das Kreuz beim Segen. Keiner ahnte, tote der Pfarrer zu dem Geld gekommen war. Wochen waren vorbei. Der Pfarrer von Sainte Agathe lag noch im Ge fängnis von Mauriac, Es war dem republikanischen Kommissar nicht mög lich. das Todesurteil über den alten Priester zu sprechen ... er brachte es nicht fertig. Endlich überwies er den Gefangenen nach Toulouse, wo er kurz darauf in den Wassern der Garonne als Hochverräter ertränkt wurde. Sainte Agathe ist nicht wieder auf gebaut worden. Lange haben die Bau ern auf ihren Pfarrer gewartet. Als er nicht mehr kam, war ihnen die Hei mat verleidet. Sie zogen auseinander und siedel ten sich in fremden Gemeinden an. suchen. Es ist traurig, wenn ein Mann dies über sich gewinnt und der Frau etwas zu rauben versucht, wofür er ihr nie und nimmer einen Ersatz zu bieten vermag! Ist denn schon hierzu jemals ein Mensch imstande gewesen, mit all den verschiedenen tiesgründi gen philosophischen Systemen der Grübler und Forscher der Vergangen heit und Jetztzeit? Nicht weniger traurig aber ist es, wenn eine Frau so wenig Halt in sich selbst hat, daß sie sich wie ein schwankes Rohr dahin neigt, wohin sie eine andere Meinung zu treiben versucht! In der Ehe übernimmt die Frau die Verpflichtung, in jeder Weife ver edelnd und verfeinernd auf den Ge fährten ihrer Ehe zu wirken, ihn zu sich emporzuziehen, fei es auf sitt lichem oder religiösem Gebiet. Tank bar wird es der Mann anerkennen, wenn fein Weib in diesen beiden Hauptmomenten des menschlichen Le bens über ihm steht. Wenn sich der Mann auch nur ungern dem Regiment der Frau unterordnet, das Ueberge wicht art Reinheit und Herzensgüte, an echt christlichem Lebenswandel, er kennt auch der willkürlich herrschende Ehemann unumwunden an, ja, desto unbegrenzter wird seine Achtung vor ihr sein. Dieses Emporziehen ist weit entfernt von einem herrschsüchtigen Verfechten der eigenen Meinung. Auf laute, ungebärdige Art lassen sich solche Siege nicht erfechten. Ta heißt es: „Dulde, gedulde dich fein!" Und warte ruhig ab, ob das winzige Saat körnchen, das du ab und zu in deines Mannes Seele säest, wohl Wurzel schlagen mag. Willst du genau erfahren, was sich ziemt, S o frage nur bei edlen Frauen an. R. S. K E I S Lie vor der Himmels ptorte ßrli» Bon Dr. I. Kl ng (Fortsetzung) „Was immer du uns austragen wirst, das werden wir tun, wenn es denen zum Heile ist, denen deine Aufträge an uns gelten, Bete, Angelico, der du mit deinem Namen uns Engeln verbunden bist und vertraue!" Als der sprechende Engel das Wort „vertraue!" sagte, da erhob er seine schimmernde Hand, daß ihm der goldene Aermel seines funkelnden Gewandes bis über den zarten Knö chel dieser Hand zurückfiel und es lag ein hinreißendes Mahnen in dieser Bewegung der Engelshand, so daß es in Fra Angelicas Seele nachklang, wie ein Echo durch einen Wald voll rotgoldener Abendglut hinklingt: „Vertraue!" Nach dieser Stunde der Entzückung wurde Fra Angelico eilends an die Klosterpforte gerufen. Tort stand eine jammernde Frau. Als sie den Bruder erblickte, da warf sie sich vor ihm nieder, küßte den ärmlichen Saum sei nes Ordenskleides und flehte ihn an mit gerungenen Händen: „Hilf mir, hilf-mir, Fra Angelico! Tu bist ein Heiliger, und Gott wird dich erhören! Sieh, mein einziger Sohn liegt am Sterben! Tas Fieber schüttelt ihn, der Tod hält die Hände meines Kindes schon umklammert. O hilf mir, Fra Angelico! Bete für mein Kind, daß es nicht stirbt! Hilf mir beten, hilf mir!" So wimmerte die Frau in einem fort und wand sich zu Füßen des Bruders auf den Steinplatten wie ein zertrete ner Wurm. Im ersten Augenblicke wollte ein heißer Zorn aufsteigen in Angelicas Seele, als er das Weib vor sich knien sah. Aber dann überkam ihn ein gro ßes Erbarmen, und er lud die Kniende ein, sie möge ausstehen, möge zur Kirche gehen und zu Gott beten er wolle das Seine schon tun, soweit sein armes Gebet etwas vor Gott ver möge. Als das Weib gegangen war, bat Fra Angelica einen seiner Mitbrüder, der gerade int Garten die Zypressen beschnitt, daß er eine Vier telstunde die Besorgung der Pforte für ihn übernehme. Tann eilte er in die Kapelle der heiligen Engel und betete. Er erinnerte die Himmlischen mit aller Macht und Glut seines Gei stes an das, was sie ihm versprochen hatten und siehe da, am übernäch sten Tage kam das Weib wieder und brachte Fra Angelico voller Freude die Botschaft, daß ihr Sohn völlig ge sund geworden sei. Und nicht lange darauf kam der Wiedergenesene selbst, noch ein wenig bleich und müde, aber doch wieder frei von der Krankheit, um Fra Angelico für feine Fürbitte zu danken. Die guten Leute verkünde ten die Gebetsmacht Fra Angelicos in ganz Florenz. Beinahe wäre der Pförtner von San Marco unwillig ge worden, als ihm solches wieder zu Ohren kam. Und als ihm in jenen Tagen der Prior wieder begegnete und noch freundlicher als sonst den Bruder grüßte und noch milder und gütiger als fönst zum Gebet um die Gnade der Demut mahnte, da war es Fra Angelico wirklich heiliger Ernst, als er leise betete: „Herr, mein Gott, laß mich Deinen demütigen, einfälti gen Tiener bleiben!" Aber Fra Angelica konnte es nicht verhindern, daß sich der Ruf von der Macht feines Gebetes immer weiter verbreitete. Es kamen von nun an viele Menschen mit Nöten des Leibes und Seele zur Pforte von San Marco. Sie wollten alle mit Fra Angelica reden. „Nur eine Viertel stunde", sagte der eine, „nur eine Mi nute", sagte der andere. An manchem Abend waren die Schultern Fra Ange licas noch ein wenig tiefer gebeugt, denn er sah und hörte und erfuhr tags über unermeßlich viel Menschenleid und Lebensnot. Und alle, die zu ihm kamen, die Weinenden und die vor lauter Schmerz tränenlos Geworde neu, die an Jammerworten Reichen und die vor lauter Weh Ttumm gewordenen, die mit aufgehobenen Händen ihn Beschwörenden und die vor lauter Jammer Versteinerten sie alle baten Fra Angelico, den be sonderen Freund Gottes, um seine Fürbitte in ihren Anliegen. Er half ihnen allen. Er betete mit ihnen und für fie. Fra Angelica kniete nun oft bis nach Mitternacht in der Kapelle der heiligen Engel und betete um der heiligen Engel Hilfe in den zahllosen Anliegen, die ihm anvertraut worden waren. Seine Sinne, die so lange wc:ch bleiben mußten, um seinen Körper nicht in Schlummer sinken zu lassen, wurden nun überwach. Sie nahmen Dinge wahr, die wir Menschen nicht zu sehen vermögen in den gewöhn lichen und natürlichen Zuständen unse res Körpers. Er versank für die Länge von Stunden in die Schau der Ge heimnisse der Ewigkeit. Tie Engel, die auf dem Mosaikgoldgrunde der Ka pellenwölbung dargestellt waren, stie gen zu Fra Angelico hernieder so wahrhaft und wirklich sah er sie vor sich stehen, die von Goldglanz Um» schimmerten, von dem Schnee ihrer silberweißen Flügel Umtauschten, daß er feine Hände in die ihren hätte fal ten können. Und fo redete er auch mit ihnen, trug ihnen, den heiligen Got» tes&oten, seine Bitten vor, die ja nur anderer Menschen Bitten waren, nicht seine eigenen, so daß er sie aussprechen konnte mit doppelter Innigkeit. Alle seine Wünsche für die Menschen, deren Anliegen er wie Bergeslasten auf fei ner Seele trug, gab er ihnen mit auf den Weg, indem er sie in hundert und aber hundert Häuser. Paläste und Hütten von Florenz sandte, da und dort nach dem Rechten zu sehen und Hilfe, Heilung. Errettung, Bewah rung, Sinnesänderung, Rückkehr, Gnade aller Art zu überbringen. Es entwickelte sich zwischen Fra Angelico und seinen Engeln ein Ver hältnis von einer ganz eigenartigen Vertrautheit und Innigkeit. Am Mor gen sandte Fra Angelico seine Engel aus am Abend kamen sie zu ihm zurück. Und jeden Abend, wenn der Abt das Eompletorium geschlossen batte und die Brüder nach eigener Neigung noch vor ihren Lieblings heiligen beteten, zog sich Fra Angelica in die Kapelle der heiligen Engel zu rück, um mit den heimgekehrten Got tesboten traute Zwiesprache zu halten. Ach. das waren Stunden, bis zum Niditmehrfancnföimcn der Seele an gefüllt mit himmlischen Wonnen! Nachtdunkel füllte die hohen Räume der Kirche leise glühte im Strahl des ewigen Lichtes das Gold der Kapitäle und der Altäre. Ta glänzte es silber weiß auf vor den Augen des in Be trachtung versunkenen Bruders Die Schwingen der Engel senkten sich um ihn, und sie Brachten ihm Bericht, wie sie alle seine Wünsche vollzogen hatten zum Heile seiner Schützlinge und seiner Gebetsempfohlenen. „Und zur Ehre Gottes!" flüsterte Fra Angelico leise Alles zur grö ßeren Ehre Gottes!" Keinen Abend unterließ er es, das zu betonen Als aber der Ruhm von den wun derbaren Gebetserhörungen des Fra Angelica fast in alle Häuser von Florenz gedrungen war und sie den Mönch, wenn er so durch die Straßen dahinschritt, „il Santo" nannten, als sie seine Hände und sein Gewand mit dankbaren Küssen bedeckten, da glomm ein leises Licht in Fra Angelicas Augen auf, das ein winzig kleiner Widerschein war von der Glut, die im Auge Satans leuchtet, des Ewigstol zen. An einem Abend war es, als ber Bruder wieder in der Kapelle kniete, um mit seinen Engelsboten Zwie sprache zu halten-. Tie Tanksagungen waren gerade an jenem Tage auf den »großen Gebetshelfer" von Florenz niedergeraufcht wie ein Regen von goldenen Lorbeerblättern. Erst er schrak Fra Angelica, als er die Regung von Eitelkeit sich um sein Herz winden fühlte wie einen gleißenden Wurm. Aber dann nährte er den gleißenden Wurm an feinem Herzen und als er die Hände von den Augen nahm, um mit den heimgekehrten Engeln zu reden, siehe, da glänzte keine silber weiße schwinge mehr, da umwehte es ihn nicht mehr wie ein Grüßen aus dem Paradies, da stand fein einziger der Engel mehr vor ihm, den War tenden. In jener Nacht schlief Fra Angelica fente einzige Stunde. Und als er am nächsten Tage zu feinen Engeln eilte, da entsetzte er sich über den dumpfei! Hall feiner eigenen Schritte auf den eteittfliefeit von gesprenkeltem Mar mor und statt in Wonnegluten wie sonst zu versinken, schien seine Seele in Eis getaucht. Seine Engel aber sah er nie wieder. Und nun ringelte sich der gleißende Wurm des Stolzes noch fester um fein Herz und erwürgte jeden Temut gedanken. der darin aussteigen wollte. Machtlos wie armer Tau auf dürres Gras fielen die Gebetsworte von den Lippen des Mönchs und stiegen nicht zum Himmel auf. Und immer leerer wurde Fra Angelicas Gebet zu den heiligen Engeln, bis er eines Tages es gänzlich unterließ. Wohl Betete er noch die von der Ordensregel ihm vor geschriebenen Gebete ... aber sie wür ben ihm zu toten Formeln, zu Sand, der sich aber auf fein ehedem fo glü hendes Herz legte wie ein Grabes Hügel. (Fortsetzung folgt) jnuttM 1 \n\n Die Lsuern ana der ^uvergne Friedrich Wilhelm Weber