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Mit der ihm eigenen Ruhe wandte sich der König ab und unseren Trup pen zu, die ihn, militärisch präsentie rend, in strammer Haltung empfin gen. Tann begab er sich nach der Gar tenseite, von wo wir bald ähnliche Rufe, ja selbst Drohungen gegen sein Leben herüberschallen hörten. Nichts destoweniger durchschritt der Fürst mit kaltem Mut die Reihen des Batail lons aus der Vorstadt von Saint Marceau, das ihn so bedrohte. Aber er wurde von dem Pöbel, der durch das offene Tor der Reithalle, in wel cher die Legislative tagte, immer zahlreicher in den Garten eindrang, gezwungen, die Revue abzubrechen. Mißgestimmt und traurig kehrte Lud wig Xl 'I. in das Schloß zurück. Die Revue hatte die Bürgerwehr nicht um zustimmen vermocht: sie hatte nur noch deutlicher gezeigt, daß auf die Mehrzahl derselben durchaus kein Verlaß sei. Und nun kam aus dem Stadthause die Nachricht, daß der Oberkornman baut Mandat dort meuchlings nieder geschossen worden sei, aus Dantons 5f it stiften, wie er sich später dessen rühmte. Tie „Kommune" hatte Man dat als „Feind des Volkes" abgesetzt und verhaftet dann wurde er auf der Treppe neben seinem Söhnchen er mordet und die Leiche sofort in die Seine geworfen. Jetzt verlieh die neue revolutionäre Behörde Santerre den Oberbefehl über die Bürgerwehr. Damit war der letzte Zweifel ge schwunden, daß der Angriff wirklich erfolgen werde. Tie beiden Munizi palräte Leroux und Borie, welche in den Tuilerien waren, verlasen das Kriegsgesetz bei den etnzelcnen Trup penteilen und übergaben Lachesnaye, Mandats Stellvertreter, den Besehl, die das Schloß angreisenden Volks mengen mit Gewalt zurückzuwerfen. Da wurde zum erstenmal der Ge danke ausgesprochen, die königliche Familie aus dem Kampf, der jetzt un mittelbar bevorstand, in die Legis lative zu flüchten. Ich glaube, er ging von dem Stadtrat Leroux aus und luuZtc von Röderer, dem General prokurator des Tepartemens, kräftig unterstützt. Meiner Ansicht nach mein ten es die Leute gut aber sie waren feine Soldaten. Bachmann sagte ganz richtig: „Der König ist verloren, wenn er sich ergibt." Nach einigem Sträu ben entschloß sich wirklich der König dazu, wiederum von dem ihm eigenen Gedanken bestimmt, so vielleicht noch das Blutvergießen verhindern zu kön nen und das Leben seiner Gattin und Kinder sicherer zu retten. Wir mußten also in der Treppen halle rasch eine Bedeckungsmannfchaft für die königliche Familien zusam mensetzen. Sie wurde aus den treuen Grenadieren der „Filles de Saint Thomas" und aus uns Schweizern gebildet rechts stellten sich jene, links die unsertgen. von Erlach komman diert, in doppelter Reihe auf. Nur die Königin, die beiden königlichen Kinder und Madame Elisabeth durs ten dem Könige von seinem Hofstaate folgen. Tie Minister, die Teparte ments- und Stadträte, d'Hervilly, so wie von unserem Stabe Maillardoz und Bachmann schlossen sich der Es korte an. Natürlich wollten sie zu uns zurückkehren, sobald die königliche Fa milie in Sicherheit wäre. Heinrich von Salis als ältester Hauptmann hatte inzwischen den Befehl über die Schweizer, war aber den Marschäl len de Mailly und de Boissieu unter stellt, denen der König das Kom mando über das Schloß anvertraute. „Was soll aus den braven Leuten droben werden?" hörte ich ihn noch sagen, als sich der Zug schon in Be wegung setzte. Er meinte die Adeligen. „Sie tragen alle bürgerliche Kleider," antwortete ihm Röderer „sie mögen ihre Tegen ablegen und ruhig das Schloß durch den Garten verlassen." Tas hieß der König gut. Ter Major beauftragte mich, diesen Wunsch des Königs Mailly und dessen Genossen zu melden. Die große Mehr zahl entsprach ihm. Mailly aber und manche andere wollten den selbstge wäblten Posten nicht verlassen. Na türlich zählte Valdouleur zu ihnen. Er sagte: „Hier bin ich und hier bleibe ich, bis entweder das Königtum ge siegt hat oder der Tod mich von mei nem Posten ablöst!" Es war umsonst, ihm pn Gehen bereden zu wollen. Großer Lärm vom Karussellplatz her rief mich ans Fenster, und ich sah, wie jetzt der Hauptzug der Aufständi schen von der Rue Saint-Nicaise her auf denselben einbog. Die einen brüll ten das neue Lied der Marseille?, die m&r/Li'-ir Memoiren eines Offiziers der Schweizergarde Ludwig XVI. TAPFER UND TREU (Fortsetzung) Historischer Roman von JOSEPH SPILLMANN, S.J. anderen heulten: „Nieder mit dein König! Nieder mit dem dicken Veto? Tod dem Tyrannen! Tod den Rot rüben.'" Im Nu war der Platz von ihnen überschwemmt. Und sie führten eine .große Anzahl von Kanonen mit sich, dereit Mündungen sie auf das Portal richteten. Dann schrien sie, matt solle augenblicklich das große Eisengitter öffnen, und ohne auch nur eilte Antwort abzuwarten, suchten sie es mit Gewalt zu sprengen. Laut dröhnten, von kräftigen Armen ge schwungen. Schmiedehämmer wider dasselbe, und schon begannen rechts und links vom Tor Waghälse die Hof ntaucr zu erklimmen. Gleichzeitig sah ich zu meinem Schrecken, wie die Bataillone der Na tionalgarde ihre Posten verließen. „Der König ist fort," sagten sie ..wir haben hier nichts mehr zu tun." Viele gingen einfach zum Feind über, allen voran die Kanoniere, welche ihre Ge schütze sofort gegen das Schloß wende ten. Da brachen klirrend beide Flügel des großen Tores aus 'den Angeln zu Boden, und schreiend wälzte sich die Menge in den Königshof. „Wir sind verloren?" sagte ich und eilte nach der großen Treppe, Valdou leur noch einmal zurufend, daß er sich rette. Er war. als der Lärm die An kunft der Rebellen verkündete, zu mir ans Fenster gekommen. Statt einer Antwort spannte er seine Pistolen und legte sie stumm vor sich auf die Fen sterbank. Als ich in der Treppenhalle ankam, hatte eben Marschall de Boissieu den Schweizern und den wenigen Natio nalgarden, die noch auf ihrem Posten geblieben waren, Befehl gegeben, die Höfe zu räumen und sich ins Schloß zurückzuziehen. Mit genauer Not war das dem Hauptmann Türler und feiner Abteilung gelungen. Schulter an Schulter stellten sie sich jetzt auf der Freitreppe vor dem Portal, in der Treppenhalle, auf dem Absatz vor der Kapellentür und an allen Fenstern des Erdgeschosses und der oberen Stockwerke auf. Selbst die hohen Bal koiie und die Dachbalustraden waren mit Schützen besetzt. De Boissieu gab Dürler den Befehl, sich nicht aus seiner Stellung vertreiben zu lassen. Die feste Haltung unserer Leute, die blitzenden Bajonette und Gewehrläufe hielten die Rebellen eine Weile zu rück: sie wagten nicht, die Feindselig keiten zu eröffnen. Wir benutzten die Frist, um die Treppe mit Balken zu verrammeln. Noch einmal versuchte Marschall de Boissieu zu unterhandeln. Aber das Geschrei des Pöbels, der Einlaß in das Schloß verlangte, übertönte seine Worte. Nun gingen auch die Gendar men. die noch in der Treppenhalle waren, zum Feind über. Sie steckten die Hüte auf ihre Bajonette, riefen: „Es lebe das Volk?" und wurden von dem Pöbel mit Jubel empfangen. Unsere Leute knirschten mit den Zäh nen. empört über diese Verräterei. Jetzt schrien die Sansculotten, wir sollten dem Beispiel der Gendärmen folgen, und als ihnen keine Antwort zuteil wurde, schoß ein Marseiller sei ne Pistole auf eines der Fenster ab. Sergeant Lendi schlug sofort an und wollte diese Herausforderung er widern. Hauptmann Dürler wehrte es denn niemand mochte das Blut bad, das nun kommen mußte, begin nen. Jetzt trat Westermann, der Führer der Kolonne von Saint-Antoine, vor uns hin der „tapfere" Santerre hatte sich im Stadthaufe zu schaffen gemacht und den Oberbefehl über feine Piken dem früheren Gemeinde-^ schreibet- von Hagenau im Elsaß über geben. Westermann ergriff Dürlers Hand und sagte: „Schließt euch uns an! Man wird euch gut behandeln! Ihr müßt euch der Nation ergeben!" Mit Entrüstung lehnte Dürler das Ansinnen ab dasselbe taten Reding, Gfutz, Joseph von Zimmermann und mir Offiziere alle, die wir in der Näbe standen. Da zog der Elsässer feinen Säbel, schimpfte und drohte. Ruhig sagte Dürler zu dem Solda ten neben ihm auf deutsch: „Haut er mich, so schieß ihn nieder!" Wester mann verstand das und senkte seinen Säbel. Dann wandte er sich, ebenfalls in deutscher Sprache, an unsere Leute und forderte sie auf, die Waffen zu strecken jeder Kampf sei ja erfolglos. Der Wachtmeister Blaser gab ihm stolz zur Antwort: „Wir sind Schwei zer, und die Schweizer geben ihre Waffen nur mit ihrem Leben. Eine solche Schmach lassen wir uns nicht bieten. Will man unser Regiment nicht mehr im Dienste haben, so ver abschiede man es gesetzlich. Unsere Posten aber verlassen wir nicht und strecken nicht unsere Waffen." Wütend wandte sich Westermann von uns ab, und alsbald begannen die 1* '--.'% ?.' M-l^iF.'-S'^ T0't'i*1Fl''^^,^l* V ^ft, Gleichzeitig mit uns machte Haupt mann Heinrich von Salis-Zizers auf der Gartenseite auch einen Ausfall und drang kühn bis zum Tor der Reithalle vor, wo er ebenfalls drei Kanonen eroberte. Aber feine Ab teilung erlitt dabei durch das Feuer von der Terrasse der Feuillants star ken Verlust. Er schickte um Unter stützung, daß er die erbeuteten Ge schütze zurückbringen könne. Wir hat ten auf unserer Seite inzwischen reine Bahn gemacht so eilten Reding, Anton von Gluß, Gibelin und ich ihm mit etwa hundert Mann zu Hilfe. Ta pfiffen aber die Kugeln lustig um unsere Köpfe. Wir wollten eine unse rer eroberten Kanonen ins Feuer bringen. Reding. Gibelin, Glutz und ich legten selbst Hand an die Spei chen. Ta rief Reding: „Mein Arm!" Eine Kugel hatte ihm den Oberarm zerbrochen. Ich stützte ihn. Er aber sagte, die Zähne aufeinander beißend: „Es tut nichts? Gebt ihnen eine Salve, Freunde?" Die Salve ¥rächte, und die Leute auf der Terrasse der Feuillants stoben auseinander. Ich wollte Rudolf in das Erdgeschoß des Flora Pavillons führen, wo unsere Feldscherer hantierten. Aber er ließ es nicht zu: „Du, binde mir das Ta schentuch recht fest um den Arm. So. Nun kamt ich doch noch mit der Lin ken fechten?" Bis dahin waren wir auf allen Seiten siegreich. Aber der Feind er holte sich von seinem ersten Schrecken und rückte wieder vor. Und uns be gann es an Munition zu mangeln? Die Patrontaschen der Gefallenen und Verwundeten wir mochten bei den Ausfällen wohl hundert Mann ein gebüßt haben wurden durchsucht und der Inhalt an unsere besten Schützen verteilt. „Weint diese Patronen verschossen sind, müssen wir uns auf unsere Kol ben-und Bajonette verlassen!" rief ich den Leuten zu. „Spart also euer Pul ver für den Sturm?" „Die Bajonette und Kolben braucht man nicht zu laden?" rief der lange Stoffel von Mels. „Sie sollen nur kommen, wir wollen unsere Haut teuer genug verkaufen?" Tas schien freilich das einzig mög liche Ende. Ter Feind umringte jetzt das Schloß voir allen Seiten. Vom Karussellplatz aus wurde mit Kar tätschen auf uns gefeuert. Vom Pont Royal schlugen die Vollkugeln durch i das Erdgeschoß des Flora-Pavillons und töteten die Chirurgen samt den Verwundeten. Vom (5a fe der Feuil lants und den anderen Gebäuden jen seits der Terrasse aus überschüttete der Feind die Gartenseite mit Ge schossen das Ende konnte nicht mehr fern sein. Ta kam mitten durch den Kugel regelt ohne Hut und atemlos der alte Marschall d'Hervilly gelaufen. Er winkte, er rief, er schwenkte ein Papier in seiner Hand. „Auf Befehl des Königs!" feuchte er. „Geschwind, die Schweizer sollen zu ihm in die Nationalversamm lung! Eilt euch! Rettet den König!" So und ähnlich lauteten seine Worte, die er mit heftigen Gestikula tionen nach rechts und links wieder* HM»» Uss konnte im» «»Kmehmsr Vl',|,i',,r f'•"' ''», VT-T k, 1 V .,5't +.J?. Feindseligkeiten. Die Mauer entlang schlichen sich etliche Marseiller und suchten mit Schisserhaken von der nahen Seine unsere Posten vom Por tal wegzureißen. Da ipaltete der Gre nadierleutnant Küstelberg aus Disen tis, ein Hüne von Gestalt, einem Pikenmann den Kopf nun fielen vom Karussellplatz her die ersten Schüsse, und der blutige Tanz begann. Zu Tode getroffen fiel Philipp von Mutz neben mir eine Kanonenkugel zer schmetterte Kastelberg den Fuß. Da knallte es auch aus den Fenstern des Schlosses, und eine wohlgezielte Salve aus der Treppenhalle tat ihre Wir kung. Heulend flohen die Marseiller und Westerntanns Leute. Rasch ord neten sich unsere Reihen zu einem Ausfall Dürler an der Spitze, Bre chen wir, etwa zweihundert Mann stark, mit gefälltem Bajonett in den Königshof vor. Hei, wie die Helden vor uns die Fersen schwangen! Im Nu waren die sechs Kanonen in unse rer Hand. Sie waren uns leider nutz los, denn wir hatten keine Munition. Also die Spitzen der Ladstöcke in die Zündlöcher und abgebrochen! Weiter zur Porte Royale. Eine Salve aus den Rücken der Fliehenden! Wie sie laufen und sich in die Gassen und Gäßchen auf der anderen Seite des Karussellplatzes flüchten, der im Handumdrehen mit stählernem Besen gefegt ist. Auch hier werden Kanonen genommen und vernagelt, die Porte Royale mit sechzig Mann besetzt. Die beiden Luzerner, der Vater Emanuel und der Sohn Alexander von Zim mermann, waren so glücklich, in den anderen Höfen drei noch geladene Kanonen zu erobern. Tiefe fchleppen die Soldaten jubelnd unter die Trep penhalle. Nun sollen sie den Angriff noch einmal wagen! Bei diesem Aus fall machten wir etwa zwei Dutzend Marseiller zu (befangenen. Tie Kerle hatten sich auf den Boden geworfen und stellten sich tot. Türler schenkte ihnen das Leben und ließ sie laufen. 0HIO-WAISENFREUÄD Ich erhielt den Austrag, die in den oberen Stockwerken Verteilten, welche bei dem Geschützdonner den Trommel schlag nicht gehört hatten, rasch zu sammeln und als Nachhut dem Kom mando von Salis nachzuführen. Ter kleine Jost wurde mir als Tambour mitgegeben. Eine der geladenen Ka nonen, welche Zimmermann erobert hatte, und eine Anzahl guter Schützen sollte den Rückzug decken. Ich gab Unten Befehl, das Geschüß erst los zubrcnneit, wenn Westermann einen Sturm auf die Treppenhalle wage, und eilte mit dem kleinen Seppi hin auf in die oberen Stockwerke. Von allen Seiten eilten auf den Schall der Trommel, die dumpf durch die Säle mid Korridore wirbelte, unsere Leutc? herbei. Was mir entgegenkam, schickte idi .hinab, um den Posten in der Trep penhalle zu verstärken. Jetzt traten wir in den Oeil de Boeitf. Da und dort lagen an den Fenstern Tote und Verwundete, von den Kugeln des Feindes hingestreckt. Auch manche Adelige sah ich in ihrem Blute neben unseren Leuten. Mein Blick suchte den Platz, wo ich vor einer Stunde den alten Marquis Valdou leur zurückgelassen hatte, und mit einem Wehruf stürzte ich zur Stelle. Ter Greis lag mit durchschossener Brust auf dem Boden, und neben ihm kniete P. Secundus, ihm die heilige Oelung spendend. Noch einmal öff nete der Sterbende fein Auge: „Pro Dco et Uli is!" murmelte er. Er er kannte mich und reichte mir die Hand. „Tue deine Pflicht und grü ße mir meine Kinder!" fogte er mit brechender Stimme. In der Tat hatte ich keinen Augenblick zu ver lieren und eilte voran, P. Secundus bittend, daß er auch mit uns das Schloß verlasse. „Wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin," sagte er ruhig und schritt weiter, um noch anderen Ster benden den Trost der Religion zu spenden. **s/:' -"'I 17* ""^V f^'-Y**' '*\'r V v fein als dieser Befehl? Es versuchen, den König zu retten und dabei zu sterben das hatte doch noch einen Sinn! In den Tuilerien war unser Tod ganz nutzlos. Auch Marschall Viomesnil rief uns zu: „Ja, geht, tapfere Schweizer, und rettet den König! Eure Ahnen haben dies mehr als einmal getan!'' Hauptmann Salts befahl also. Rappell zu schlagen. Die beiden Brü der Jost standen unerschrocken da und rührten die Schlegel. Wer die Trom mel hörte, eilte herbei und stellte sich mitten im Kugelregen auf wie bei der Parade. Etwa zweihundert Mann sammelten sich in der großen Trep penhalle. Tie Hauptleute Sali», Türler, Reding, Pfyffer und ein hal bes Tutzend Offiziere ordneten den Zug. der. die eroberten Kaitonen mit fich führend, unter Trommelschlag das Schloß verließ. Forestier und Müller von Uri, die ich im oberen Stock traf, bat ich, sich mit ihren Leuten zu sputen und den Rückzug anzutreten, auch bevor ich mit dem Rest hera&känte, wenn sie sich in der Treppenhalle nicht mehr gut halten könnten. Unter dem Tach, hin ter den Balustraden des Tach es, über all fand ich von unseren Leuten sie schössen noch tapfer auf den Feind. Graf Hubert Tiesbach, der letzte Offi zier, den ich auf dem höchsten Balkon, gerade vor der Kuppel des Mittel baues traf, ermunterte eben feilte Leute, ihre letzten Patronen aus schließlich auf die Kanoniere zu ver wenden, als ich ihnen den Befehl brachte, das Schloß zu verlassen. „Schade," sagte er, „wir sollten doch noch erst diese Taugenichtse von Kano nieren wegputzen aber wie be fohlen!" Noch eilte ich auf die andere Seite, wo ebenfalls Schützen die Tachbalu^ straden besetzt hielten da hörte ich unter uns die Kanone lösen, welche den Zugang zur Treppen halle ver teidigte. „Sie stürmen!" sagte ich zu meinem kleinen Gefährten, der noch immer tu unter neben mir die Trommel rührte. „Jetzt müssen wir hinab, wenn wir nicht im Schlosse sterben wollen." „Geht nur hinab." antwortete der tapfere Kitabe. „I will do obe ttu es bikeli trummle und die Schwizer, die öbbe nu do obe sind, so «beschicke!" (Ich will hier oben noch ein wettig trommeln und die Schweizer, die etwa noch droben sind, schon hinabschicken.) „Tu verdienst ein Ludwigskreuz, Sepp!" sagte ich. „Aber es ist jetzt genug. Sie konnten es alle hören, und wir haben keinen Augenblick zu ver lieren." In der Tat war es schon zu spät. Als wir die Treppe des zweiten Stockes erreichten, kamen uns ein paar fliehende Leute von dem Zuge Tiesbachs entgegen. „Hier kommen wir nicht durch!" riefen sie. „Die Halle und das Treppenhaus sind erstürmt. Ter Hauptmann und unsere Käme raden sind erschlagen. Die Treppe, die Kapelle, die Halle liegen voll Leichen. Kommt mit, Herr! Wir wollen uns unter dem Dach oder auf dem Dach verstecken, bis das Morden ein Ende hat!" Ich wollte mit Gewalt die Treppe hinab. Allein, sie hielten mich fest. Jäfot wante»«# rmtzM in den Tod." "V,, Jw 1 '#', T-r V W v,y sagte Brunker, der einer der Fliehen den war. „Denkt an Eure Mutter und rettet Euch und uti«, wenn's möglich ist!" Er hatte recht. Ich folgte ihnen. Wir flüchteten zunächst auf den höch sten Balkon der Gartenseite und ten hinter uns die kleine Tür n u n v i e z i s e s K a i e Zwischen Himmel und Erde Der Balkon, den wir betraten, bil det die Plattform des um einige Klaf ter vorspringenden Portalbau es, wel cher in drei riesig hohen Stockwerken bis an den Fuß der Kuppel empor steigt. Ihr vierseitiges, gewölbtes Tach erhob sich unmittelbar hinter uns und eine ziemlich hohe Balustrade umfaßte dasselbe, so daß man ohne Gefahr rund um die Kuppel herum gehen und den entsprechenden Balkon auf der Hoffeite erreichen konnte, auf welchem ich vorhin Graf Tiesbach ge troffen hatte. Tie Tücher des nörd lichen und südlichen Flügels lagen mehrere Klafter tief unter uns und ihre Firsten schlossen auch nicht un-. mittelbar an den Mittelbau, so daß es unmöglich schien, sie zu erreichen, im Falle wir verfolgt wurden. „Ta find wir nun zwischen Himmel und Erde," sagte ich, nicht ohne Schauder in die schwindelnde Tiefe hinabblickend. „Wie wollen wir aus weichen, wenn die Mordbuben uns hier herauf nachkommen?" „Nun, zuerst werden sie unten noch zu tun haben." sagte Brunner. „Ich denke nämlich, sie wollen nicht nur morden, sondern auch rauben. Und daß es da unten allerlei zu mausen gibt, ist klar. Auch glaube ich, sie wer den zuerst in den Keller gehen, bevor sie aufs Tach steigen. Wenn sie aber einmal ordentlich getrunken haben, möchte ich ihnen nicht raten, hier auf dem Tach herumzuklettern. Und ist es Nacht, so werden wir uns wohl die Treppe hinabschleichen können." Tas schien in der Tat der einzige Weg zur Rettung. Wir verrammelten also die Balkontür so gut als möglich und stellten eine Wache davor dann gingen wir die Balustrade entlang auf den Balkon der Hoffeite und taten dort dasselbe. Jetzt hatten wir Zeit, zwischen den Säulchen der Balu strade hindurch in die Höfe und in die Gärten hinabzuspähen und uns die blutigen Erlebnisse des Morgens zu erzählen. Aus der Gartenseite erblickten wir die große Allee bis zur Drehbrücke hin mit Toten und Verwundeten in der roten Schweizeruniform besät wir sahen, wie Männer und Weiber mit Piken und Säbeln mordeten, was noch lebte. Ueber die Drehbrücke hin aus auf dem Platz Ludwigs XV. Schießen, Schreien, Reiterei mit blit zenden Säbeln. „Was soll denn der Kampf dort?" fragte ich. „Unsere Brüder werden nieder gemacht," antwortete ein Wirz aus Unterwaiden. „Es ist ja eine Bote mit dem Befehl des Königs gekommen», daß das Regiment in die Kasernen nach (£ourbcnoie zurück solle. Daß das unmöglich sei, lag auf der Hand. Und nun werden sie alle elendiglich er schlagen." „Gott verzeih' es dem König!" brummte der Sergeant Christen. „Er hat es, wie immer, wieder gut ge meint, aber schlecht getroffen." „Sollen wir nit ein ,Grüßt seist du, Maria' beten für ihre armen Seelen? Und mein Bruder ist auch dabei?" fragte Sepp Jost mit Trä nen in den Augen, und ich antwortete ihm, das fei das beste. Wir knieten also nieder und beteten mit ausgespannten Armen fünf Va terunser und Ave Maria mit dem „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe", wie eS bei einem Toten katholischer Brauch ist. Aber unser Gebet hatte eine schauer liche Begleitung, Schießen, Fluchen, Todesschreie nicht nur im Garten, in den Höfen, auf den Terrassen, unmit telbar unter uns, sondern in den Kor ridoren und Gemächern des Schlosses, in dem die Rasenden alles mordeten, was sie trafen: verwundete und ster bende Schweizer und Adelige, Diener und Lakaien des Königs, sogar, wie ich später hörte, einen zehnjährigen Küchenjungen, den die Scheusale lebendig in einem Kessel sotten. Durch die zertrümmerten Fenster wurden i Leichname und Lebendige in die Tiefe geschleudert bald folgten ihnen Kont moden. Tische, Spiegel, und die Trümmer der kostbarsten Möbel tour den zu hohen Haufen aufgetürmt und angezündet. Dann schleiften die Fu rien unsere erschlagenen Brüder her bei und warfen sie in die Flammen, und trunken von Blut und Wein be gannen Weiber und Männer um diese Feuer zu tanzen, mit heiseren Stirn yten das Ca ira heulend. Es war ein wahres Bild der Hölle. Entsetzt wand ten wir unsere Augen ab. Der heiße August-Tag, der kein En de nehmen wollte, neigte sich endlich dem Abend zu, und die Sonne, die so entsetzliche Greuel geschaut hatte, sank hinter die Bäume der GHWds» ',//'' v '""-i i*-r!" v y ..^i Erschrocken blickten meine Gefähr» ten nach dem rasch zunehmenden Brand. Dem vielen Heu, das in den Stallungen aufgespeichert war, ent stieg ein erstickender Qualm, und der Wind trieb die schwarze Rauchsäule gerade auf uns zu. „Wir werden in einer Viertelstunde erstickt sein, wenn wir hier bleiben," sagte Brunner. „Auch der schlaueste Fuchs reißt aus, wenn man ihn so räuchert." „Wir müssen sehen, wie wir davon kommen," nickte Wirz. „Hier oben ist unseres Bleibens nicht." Nach kurzem Kriegsrat beschlossen wir, den kleinen Sepp, der sich mutig dazu angeboten, als Vorhut die Treppe hinabzusenden. „Nur bis an das nächste Stockwerk," sagte ich. „Haben wir das erreicht, so hoffe ich in der Nähe des Flora-Pavillons eine Nebentreppe zu finden, die mir be kannt ist. Und durch sie werden wir uns hoffentlich retten können." Wir zogen Sepp seinen Waffenrod? aus, damit er nicht sofort erkannt werde, räumten die Steine, mit denett wir die Balkontür verrammelt hatten, rasch beiseite und ließen den Knaben vorsichtig auf die Treppe schlüpfen. Mit angehaltenem Atem lauschten wir. Aber schon nach wenigen Augen blicken kehrte Sepp zu uns zurück. „Sie kommen," flüsterte er, „wenig stens zwanzig Mann mit Fackeln und Eimern die Treppe herauf!" Geschwind schlossen und verram melten wir die Tür wieder und schli chen uns auf den Zehen zur Seite. „Was nun?" fragte ich. „Es schei nen städtische Löschmannschaften zu sein, wie ich aus den Eimern schließe. Sollen wir uns ihnen ergeben?" „Um feinen Preis!" sagten meine Gefährten. „Wenn sie uns selbst nicht morden, so morden uns doch die Teu fel da drunten. Lieber will ich da dro ben ersticken oder verbrennen, als diesen Unmenschen in die Hände fal len," meinte Wirz. „Da bleibt nur noch ein Ausweg, über den ich schon vorher nachgeson nen," sagte Brunner. „Geschwind mir nach auf die andere Seite!" Wir folgten ihm. und schon wurde von innen an der Balkontür geklopft und gerüttelt. „Bis sie geöffnet ist," sagte Brun ner, sind wir tot oder gerettet." Auf der anderen Seite angelangt» erklärte uns der findige Bursche seinen Plan. Unmittelbar unter dem Balkon befand sich ein großes dreieckiges Gie belfeld, welchen den Abschluß der in drei Ordnungen sich übereinander er hebenden Säulenstellung des Portal baues bildete. Die zwei schräg sich treffenden oberen Gefimfe dieses Gie belfeldes führten auf den obersten Architrav der Säulen, und aus diesem schien es nicht unmöglich, die Balu straden zu erreichen, welche das Dach der beiden großen Flügel umfassen. Aber freilich, Schwindel durste man nicht haben. Das Gesimse war knapp drei Schuh breit. „Es geht ganz gut," beredete uns Brunner. „Wenn wir da drunten auf dem ebenen Sims sind, ist es ja kin derleicht. Es ist ja so breit wie ein Fahrweg! Ihr müßf nur nicht in die Tiefe schauen. Wendet das Gesicht der Mauer zu, und wer nicht aufrecht zu gehen wagt, der krieche!" Wirz und Christen waren gleich bereit. Sie hatten in Unterwalden auf der Gemsjagd am Brisen und Titlis manchen schlimmeren Grat überklettert. Auch der kleine Sepp aus Graubünden hatte keine Angst. Mir kam es schon etwas gefährlich vor, und die beiden letzten, ein Star gauer und ein Entlebucher, schüttelten die Köpfe und meinten, das gehe doch nicht. Ter Aargauer sagte, er wolle lieber den paar Klafter tiefen Sprung aufs Dach wagen. „Tas magst du tun, so ein leichtes Bürschchen wie du!" sagte der Entle bucher. „Aber ein schwerer Mann wie ich könnte dann, wenn's gut geht, mit gebrochenen Beinen Mf dem Dach liegenbleiben!" „Da hilft fein langes Beraten," sagte ich. „Frisch gewagt ist halb ge wonnen! Macht ein kräftiges Kreuz zeichen und empfehlt euch dem Schutz engel. und voran! Es gilt ja unser Leben!" Schon hatte sich Brunner auf dir Balustrade geschwungen und ließ siG auf die Spitze des Giebelfeldes hinab. 'Hp ,V\^ A ™m^W£^-'W?^ *t T'f, *•-, wkrz£'t*W^ffP^l$T& i. Felder hinab. Im Garten wie in den Höfen glaubte man Kannibalen fest« zu sehen buchstäblich wurden Leich name verstümmelt und die Eingeweide verzehrt. Die Greuelszenen setzten sich beim Scheine der Feuer in die Nacht hinein fort. Und nun ergriffen die Flammen die 'Stallungen und Holz« baracken im Hofe der Schweizer. Bald leckten die Feuerwirbel an dem Pavil lon von Marfan und dem anstoßenden Flügel empor. Das entsetzliche Bild des Schloßbrandes von Valdouleur trat mir vor die Seele. „Um Gottes willen!" sagte ich. „Wir sind verloren. In einer Viertel stunde wird das Schloß brennen. Was wird dann aus uns?" V #V ü$rx .$•%$ •$1 \n\n v -j V l- V v December