OCR Interpretation


Ohio Waisenfreund. [volume] (Pomeroy, O. [Ohio]) 1874-1953, May 24, 1952, Ausgabe der 'Wanderer', Image 1

Image and text provided by Ohio History Connection, Columbus, OH

Persistent link: https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn91069201/1952-05-24/ed-1/seq-1/

What is OCR?


Thumbnail for

te
80. Jahrgang
Kritische Tage
Das Wort Krise hat in den letzten
Jahren an Kurswert verloren, und
man scheut sich fast, es zu gebrauchen.
Seit Jahr und Tag fiebert die Welt
in einer Dauerkrise, und man muß
bei der Besprechung eines bestimmten
Zeitpunktes den Zustand dahin präzi
sieren, ob die Krisis stationär oder im
Steigen oder int Rückgang begriffen
ist, oder ob sie einen Hochstand erreicht
hat, der zur jähen Katastrophe führen
mag.
In den letzten Wochen steigerte sich
die chronische Krise zeitweilig zum Pa
roxysmus und zur Hysterie, so daß es
oft schwer war, die Grenze zwischen
den echten und künstlich gemachten
Symptomen des Gefahrenzustandes
festzustellen. Zweifel dieser Art wur
den vor allem hervorgerufen durch das
Propagandageschrei Moskaus und sei
ner ostdeutschen Filiale Berlin-Karls
Horst unter den kommunistischen Sa
trapen Grotewohl und Ulbricht, zum
Teil aber auch durch die Sozialdemo
traten in West-Teutschland unter der
Führung von Kurt Schumacher und
durch die zweideutige Haltung man
cher Alliierten Politiker, Laboriten in
England und Chauvinisten in Frank
reich, denen die Moskau'er Quertrei
bereien eine willkommene Gelegenheit
boten, die Rehabilitierung Deutsch
lands im letzten Augenblick zu er
schweren, wenn nicht zu vereiteln. All
das begann mit der verschmitzten
Moskau'er Note vom 10. März, mit
ber die Moskowiter die Abwehrmaß
nahmen des Westens zu hintertreiben
suchten.
Sünden, die sich rächen
Die Tragödie Deutschlands und
Europas erweiterte sich nach dem Zu
sammenbruch von Hitlers „Tausend
jährigem Reich" zur Welttragödie, da
die Westmächte unter der Führung
des Scharlatans Roosevelt den Sinn
des weltgeschichtlichen Geschehens nicht
begriffen und in den verhängnisvol
len Dreimänner-Konferenzen der
Kriegszeit unter Mitwirkung des
heute als Verräter gebrandmarkten
Alger Hiß die Schranken gegen die
seit Jahrhunderten tätigen moskowi
tischen Anschläge auf die Beherrschung
Europas niederlegten. Nicht ein ein
ziger der politischen und militärischen
Führer und Berater des Westens
einschließlich des heute als Staats
mann gepriesenen Generals Eisen
hower widersetzte sich aufgrund ge
schichtlicher Kenntnisse und klarer Po
liti
scher, militärischer und kultureller
Erwägungen den unglaublich leicht
fertigen und kurzsichtigen Zugeständ
nissen, die man in Teheran, Jalta und
Potsdam dem russischen Machtstreben
gewährte. Auf der Pariser Konferenz
von 1918-19 Hatten Wilson und seine
Berater, wenn auch vergeblich, gegen
Clemenceau und andere Gewaltmen
schen sich zur Wehr gesetzt. In den
Wodka- und Polonaise-Konventikeln
des zweiten Weltkrieges gab, sekun
diert von F. D. Roosevelt, Joseph
Dschugaschwili Stalin den Ton an.
Nur Churchill hegte zeitweilig Beden
ken und würde vielleicht bei den End
entscheidungen in Potsdam diese und
jene Modifikation der horrenden Ab
machungen durchgesetzt haben, wenn
ihn nicht der Sieg der Labour Party
kaltgestellt hätte, so daß Stalin nur
mit den Neulingen Truman und Att
Iee zu tun 'hatte.
Vie neue Mmte des Weltkrieges
So erhielten die Russen alles, was
sie begehrten, mehr als die pansla
totstischen Machtpolitiker des alten
Zarenreiches je erträumt hatten. Die
Okkupationspolitik in Deutschland
und Oesterreich um von Ost-Asien
ganz zu schweigen und die geradezu
groteske Berliner Enklave inmitten
der russischen Zone und die in der
neueren Geschichte einzig dastehende
Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit
ber Vereinbarungen über die deutsche
Ostgrenze sind ein wahrer Ratten
könig diplomatischer Unfähigkeit. Sie
lieferten Europa an die moskowitifch
kommunistische Macht- und Expan
sionspolitik aus, und Stalin und Ge
nossen saßen auf den Trümmern als
die einzigen Sieger des mit Hilfe der
53er. Staaten gewonnenen ersten und
zweiten Weltkrieges.
Der Kalte Krieg
Auf diesen Hintergründen entwik
leite sich ber Kalte Krieg, den Moskau
in Szene setzte, als der Westen zur
Erkenntnis der Lage erwachte und sich
gegen die auä ihr sich ergebenden Ge
fahren zur Wehr zu setzen begann. Die
Moskowiter, denen es bis dahin die
westliche Diplomatie so leicht gemacht
hatte, konnten in ihrem durch die er
rungenen Erfolge maßlos gesteigerten
Selbstbewußtsein den sich vollziehen
den Umschwung in der westlichen Hal
tung nicht begreifen und betrachteten
jeden Widerstand gegen die unbe
grenzte Ausbeutung der ihnen gebo
teilen Gelegenheiten als böswilligen
Affront. So kam es zum Kalten
Krieg, zur Blockierung von Berlin,
zur Sabotierung des Völkerbundes
und des Friedens und aller Verträge.
Und gleichzeitig setzte Moskau, entge
gen allen Abmachungen, die kommuni
stifche Verseuchung der Randstaaten
fort und strebte planmäßig sein gro
ßes Ziel, die kommunistische Weltrevo
lution, an.
In dieser geht es um mehr als um
den Kampf zwischen zwei Wirtschafts
systemen, mehr als um den Kampf
Zwischen Osten und Westen um die
politische Hegemonie. Es geht um
Weltanschauungen! Stünde der We
sten als fest geeinter Vorkämpfer der
christlichen Kultur des Abendlandes,
gleich „der Christenheit" vergangener
Zeiten, der aus dem Osten drohenden
Gemhr gegenüber, er würde den rus
sischen Koloß bezwingen, wie er im
Laufe der Geschichte andere starke
Gegner aus dem Osten bezwungen
hat. Es fehlt ihm aber nicht allein
das einigende Band des Glaubens,
fondern auch die starke Wehr chriftli
cher Grundsätze und die Kraft, die aus
wirklich christlicher Lebensführung er
fließt. Dauernder Sieg wird ihm erst
zuteil werden, wenn er sich zurücksiu
det zu den verlassenen Quellen seiner
Kraft, und das ist ein weiter und be
schwerlicher Weg und Mühsale und
Nöte und Kriege werden sein Anteil
sein vielleicht auf viele Jahre hinaus.
All das ist tu diesen Spalten schon
oft genug dargelegt worden. Aber
selbstverständlich soll damit nicht ge
sagt werden, daß der Westen ber Be
drohung durch Rußland tatenlos ab
wartend gegenüberstehen soll. Völker
haben das Recht und die Pflicht, sich
ihrer Freiheit und Unabhängigkeit zu
erwehren und feindlichen Anschlägen
mit allen rechtlichen Mitteln zu be
gegnen. Und dazu gehören in einer
waffenstarrenden Welt Verträge unb
Bündnisse und auch gerechte, nach bett
Grundsätzen des von gesitteten Völ
kern noch immer geachteten Völker
rechts geführte Kriege. So wenig wir
von Waffengewalt allein dauernden
Frieden erwarten und so vieles wir im
Einzelnen an der heutigen Politik des
Westens auch auszusetzen haben, erken
nen wir doch die unabweisbare Not
wendigkeit an, gerüstet zu sein gegen
die von Osten her drohende Gefahr
und die Versklavung der Welt so
sehr sie auch von dilettantenhaften und
gewissenlosen Politikern herausgefor
dert sein mag abzuwehren.
Der Westen «nd Teutschland
Diesen Zwecken dient die in bett letz
ten Jahren betriebene Einigung West
Europas. Diese hat in einer Reihe
Etappen erhebliche Fortschritte ge
macht. Sie führte u. a. zu beut Atlan
tischen Pakt, zu dem Plan ber Schaf
fung einer Europa-Armee und zu der,
nach der Vereitelung eines gemeinsa
men Friedensvertrags durch Rußland,
eingeleiteten Eingliederung Deutsch
lands in das westliche Verteidigungs
system. Ter Westen hat schon seit ge
raumer Zeit erkannt, daß Deutschland
der Hauptpfeiler der westlichen Ver
teidigung ist, und daß nichts den kom
munistischen Vormarsch an den Atlan
tik und das Mittelmeer aufzuhalten
vermöchte, würde es Moskau gelin
gen, die Hand auf das deutsche Jndu
striewesen zu legen. Ost-Teutschlanb
ist bem Westen bis auf weiteres ver
loren. Um so wichtiger ist es, West
Teutschlanb vor dem russischen Zu
griff zu bewahren.
In biesem Bestreben fanb ber We
sten einen konsequenten unb zuverläs
sigen Mitarbeiter an bem beutschen
Kanzler Dr. Konrab Abenauer. In
langwierigen Verhanblungen mit ihm
hat ber Westen allmählich bie Okkupa
tionspolitik abgebaut unb bem Lattb
selbstverstänblich mit Ausnahme
bes unter kommunistische Demagogen
unb Haublangern Moskaus zur russi
schen Satrapie geworbenen Ost
Deutschland bie Eigenstaatlichkeit
zurückgegeben. Im letzten Jahr würbe
fast unablässig über die Aufhebung
bes Okkupationsstatuts unb Deutsch
lanbs Beteiligung an der Europa
Armee verhanbelt. In bett letzten Mo
naten würbe bas Ergebnis bieser Ver-
*£'T
wymw-
fin Familienblatt für Wahrhett und Recht zur Belehrung und Unterhaltung
Ausgabe des »Wanderer'
Handlungen in zwei Verträgen, bem
Friedenskontrakt (jetzt in Bonn
Teutschland-Vertrag genannt) und
dem Militärabkommen, niedergelegt.
Beide stehen jetzt vor der UnterMch
nunfl.
Russische Quertreiberei
Moskau, das durch den KMen
Krieg mehr und mehr von dem Westen
sich isolierte und diesen zwang, das
deutsche Problem ohne Rußland zu
lösen, stand diesen Verhandlungen von
Anfang an mit böswilliger Kritik ge
genüber und suchte sie, zeitweilig
wenigstens indirekt unterstützt
durch Frankreich, zu vereiteln. Vor
zehn Wochen taten, die Moskowiter
einen raffiniert berechneten biplonta
tischen Zug, iitbcin sie unter schärfster
Ablehnung ber Pläne bes Westens
eine sofortige Viermächte-Konferenz
zur Erlebiguttg der deutschen Frage
beantragten. West-Teutschland sollte
nach den russischen Vorschlägen mit
Ost-Teutschland vereinigt werden, ein
eigenes Heer erhalten, aber neutrali
siert werden und kein Bündnis mit
andern Staaten und Staatengruppen
eingehen dürfen, sämtliche Okkupa
tionstruppen sollten zurückgezogen
werden.
Ter russische Plan lief daraus hin
aus, daß West-Teutschland mit der
russischen Satrapie im Osten vereint
nttb unter russischen Einfluß gebracht
werde genau so wie Rußland die
Vereinigung Süd-Koreas mit dem
kommunistischen Nord-Korea betrieben
hatte. Tie Mehrzahl der Deutschen im
Westen erkannte die schwere Gefahr,
in welche die Annahme der russischen
Vorschläge das Land stürzen würde.
Vielen aber dünkte das Angebot eines
neu erstehenden Gesamt-Teutschland
sehr verlockend, und nicht wenige be
fürchteten, daß der Anschluß an ben
Westen bie Wiebervereinigung für im
mer vereiteln würbe. Eine tiefgehenbe
Spaltung trat ein auf ber einen
Seite plädierte man für bie Fertig
stellung der Verträge mit dem Westen,
auf der andern Seite forderte man
vor allem die Wiedervereinigung ber
beiden Länderhälften. Die Sozial
demokraten und andere Gegner der
Verträge beuteten den Zwiespalt aus
zur Förderung ihrer Anträge auf voll
ständige Revidierung der Abkommen,
da Teutschland zu viel weiter gehen
den Zugeständnissen berechtigt sei.
Die Saar-Frage
Tie Forderung weiterer Zugestand
nisse ist an sich nicht abzulehnen. Tas
gilt mit an erster Stelle hinsichtlich
der Saar-Frage.
Es war bisher eines der überzeu
gendsten Argumente Tr. Adenauers,
daß ihm bie Alliierten Zugeständnisse
gewährten, die andere deutsche Politi
ker nicht würden erreichen können.
Aber jetzt ist sein berechtigtes Bemü
Heu, den französischen Raub der Saar
zu verhindern, an der Jntransigenz
der Franzosen gescheitert, und ein
Truck der Amerikaner oder Engländer
auf die Franzosen, bie Saar-Frage
endlich zu bereinigen, ist nicht erfolgt.
In bett letzten lokalen Wahlen hat be
reits das Oppofitionsgerede Schinna
cher* über die nüchterne Realpolitik
des Kanzlers Erfolge davon getragen.
Nun, bn Abenauer noch nicht einmal
diese Politisch wichtigste Konzession
vom Westen erringen kann, droht ihm
das Prestige, der geeignetste Unter
Händler mit den Westmächten zu sein,
verloren zu gehen. Hier sollte sich der
Westen noch einmal ernstlich fragen,
ob es nicht besser ist, dem Kanzler, der
mit solchem Mut für die europäische
Lösung der deutschen Frage eingetre
ten ist, in der Saar-Frage die Kon
Zession zu machen, die allein dem west
lichen Grundsatz entspricht, baß Men
schert nicht willkürlich von ihrem natio
nalen Staat abgetrennt werben biir
fett.
Tie Rückgabe ber Saar wäre sicher
ein treffliche? Mittel, ben guten Wil
len ber Westmächte zum Aufbau einer
gerechten Staatenorbnung zu benton
strieren unb ben Deutschen bie Hoff
nung zu belassen, baß trotz ber gegen
wärtigen Unbill bie Wieberherstellung
ber Reichseinheit unb bie von ben
Russen bisher verweigerte Revision
der willkürlichen Oder-Neiße-Grenze
folgen werden.
Rußlands Handlanger
Die Moskau'er Despoten erläutern
durch ihre ostdeutschen Satrapen den
Sinn ihrer beutschen „Friebensange
bote". Sie brohen mit ber Aufstellung
einer Jnvasionsarmee, sie brohen mit
Repressalien gegen das freie Berlin,
sie brohen ben Wortführern ber beut
schen Republik mit bem Henker. Mt
^ertsSgegelte Nw PiPDliche» INIegi** JsfeZKi»»» z»m Beste» der PriesterzZülinge. Preis für ein Jahr i» ben Ber. Staate» 83.00, t» ff t»aba alles «riete» Sitzet» $3JSO.
einem Wort: sie bemonstrieren ben
Zustanb willenloser Unterwerfung,
ben bie Russen ihren Untertanen unb
Vasallen auferlegen.
Naive Leute mögen noch immer bie
Frage aufwerfen, wie bas Säbel
gerassei zu ben Friebenstauben stim
nie, bie von Moskau ausgesaugt wer
ben. Eher könnte man fragen, ob ba
nicht Zusammenhänge bestehen mit
den kommunistischen Gewaltaktionen,
deren erste Probe in Essen veranstal
tet wurde. Im Ruhr-Gebiet zeigten
sich die Früchte der Straßenkampf
und Bürgerkriegs-Schulung, die ber
Slalinisniu» teils offen, teils „unter
grunb" in ber ganzen Welt organi
siert.
Man muß sich wundern, Pas der
Zweck der immer schrilleren Drohun
gen ist, bie von ben Ost-Berliner
Mmtlhelben ausgehen. Sie bilden ei
iteit seltsamen Nachklang zu den Eiiti
gungseinladungen, bei denen eine
Zeitlang die Fiktion aufrechterhalten
wurde, als würde alles gut werden,
sobald Adenauer und Ulbricht sich an
den Verhandlungstisch setzen würden.
Jetzt wird den westdeutschen Politi
kern mit der Guillotine gedroht, wenn
sie für die Bundesrepublik den heute
möglichen Teilfrieden abschließen,
statt darauf zu warten, bis die russi
sche Friedenstaube aus dem Wolken
dunst herniebersteigt.
Dem Westen nichts Neues
Bonn aber läßt sich nicht verblüf
fen. Tie westdeutsche Regierung er
klärte am Freitag in ihrem offiziellen
Bulletin, Berlin stehe wahrscheinlich
wieder eine schwere Zeit bevor, aber es
werde höchstwahrscheinlich eine Ver
schärfung des Kalten Krieges sein,
nicht ein heißer Krieg. Der Artikel
erschien unter ber Überschrift „Berlin
und die Einschüchternngskampagne"
und verbreitete sich über die Trohun
gett der kommunistischen Führer in
der Ostzone. „Sie haben erklärt, baß
an bem Tag, an bem Bonn ben Ver
trag mit bem Westen unterzeichnet,
West-Berlin bie Folgen spüren wird,"
beißt es in dem Artikel. „Vergel
tnngsmaßnahmen und Provokationen
sind wahrscheinlich, und der Bürger
meister Ernst Reuter hat erklärt, baß,
wenn es zu einer Blockade kommen
sollte, die Alliierten sie sofort mit ei
ner neuen Luftbrücke bekämpfen wür
ben. Tie Existenz von West-Berlin als
Teil ber freien Welt ist nicht in Ge
fahr."
Vernünftigerweise entschloß man
sich auch in Washington zu einem
Kommentar. Staatssekretär Acheson
gab in einer Pressekonferenz den Ruf
sen klar zu verstehen, daß die West
mächte jedem neuen Versuch, durch
eine Blockade in Berlin oder aus an
dere Weise einen Truck auszuüben,
entschlossen gegenübertreten werden.
„Tie Ver. Staaten, England und
Frankreich sind entschlossen, ihre Stel
lung in Berlin zu behaupten und die
Interessen der Bevölkerung zu schüt
3Mt," sagte er.
Antwortnote
Auch in der gemeinsamen Rote der
drei Westmächte an den ehemaligen
russischen Partner weht ein anderer
Wind als in gar vielen früheren No
ten. Sie fetzt das Gespräch über
Teutschland fort, das der Kreml am
10. März begonnen hat, lehnt aber
Konzessionen ab, die weitere Fort
schritte der europäischen Gemeinschaft
aufhalten würden. Sie ist ruhig im
Ton, gemäßigt in der Sache, um den
Frieben ernsthaft bemüht.
Die Note ber Westmächte gibt ben
Kreisen im Kreml, bie eine Vabanque
Entscheidung vermeiden wollen, genug
Anhaltspunkte, eine Entspannung an
zubahnen. Dabei aber kann sie keines
Wegs als ein Schwächezeichen ausge
legt werden. Ihre kaltblütige Tonart
steht in wohltuendem Gegensatz zu
dem Knieschlottern der Neutralisten in
führenden Pariser Blättern, deren
Panikstimmung eine starke Versuch
ung für die Moskau'er Kriegstreiber
darstellt.
Die Westmächte lehnen es ab, den
Zustanb ber Viermächte-Herrschaft
über Deutfchlanb wieberherznstellen.
Sie wollen nicht zurück zum Jahre
1945, sonbern weiter vorwärts auf
bem Weg ber europäischen Einigung,
bie übrigens allen Völkern offensteht,
bie zur abenblänbifchen Gemeinschaft
gehören wollen ober bürfen. Zur kon
kreten Frage gesamtdeutscher Wahlen
werden praktische Vorschläge gemacht,
bie Moskau bei einigem guten Willen
annehmen könnte. Damit wäre bann
ber Weg für eine Vorkonferenz geöff
net, bereu Aufgabe es wäre, Verein
barungm zur Sicherung ber Wahl­
m^m'
freiheit zu treffen, zugleich aber auch
Garantien bafür zu schaffen, daß eine
gesamtdeutsche Regierung keinen Ring
durch die Nase bekommt, sondern in
voller Freiheit bei den Friedensver
Handlungen die deutschen und euro
päischen Interessen zu verfechten ver
mag.
Die Unterzeichnung der Verträge
Unterdessen hat sich auch der Sturm
einigermaßen gelegt, der Adenauer in
den letzten Wochen umbrauste. Der
Bundeskanzler, der schon vorher eine
Einigung in der Regierungskoalition
zuwege brachte, trug am Freitag im
Gericht einen Sieg über bie Opposi
tion der Sozialisten davon und erhielt
freie Hanb, ben Teutschland-Vertrag
mit den Westmächten und den Wehr
vertrag in Paris zu unterzeichnen.
Adenauer errang seinen Sieg im
Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe,
der den Antrag der Sozialisten ab
lehnte, baß es bem Kanzler verboten
werbe, ben Teutschlanb- unb ben
Wehroertrag zu unterzeichnen.
Tie Sozialisten hatten auch ver
langt, baß, wenn bas Gericht die Un
terzeichnung ber Verträge gestatten
sollte, diese nur einen provisorischen
Charakter tragen sollte, bis ein aitde
rer Antrag, bett die Sozialisten im
Gericht gestellt haben, entschieden wor
den ist. Tiefer verlangt «eine Aenber
ung der Verfassung, um die Bewaff
mmg zu ermöglichen, aber diese Aen
derung würde eine Zweidrittelmehr
heit im Bundestag bedingen, die
Adenauer nicht erhalten könnte.
Adenauer steht auf dem Stand
punkt. baß für bie Ratifizierung ber
Verträge bie einfache Mehrheit ber
Stimmen genügt. Das Gericht kam
zu dem Befund, daß die Unterzeich
iiung der Verträge durch den Kanzler
legal ist, weil sie vom Bundesparla
ment ratifiziert werden müssen, um
in Straft treten zu können.
In Washington wurde angekündigt,
daß Sekretär Acheson Ende der Woche
in Bonn eintreffen wird zur Unter
zeichnung ber beiben Verträge. Ter
Teutschlanb-Vertrag wirb am Mon
tag in Bonn unterzeichnet, unb am
Abenb bes gleichen Tages folgt in
Paris bie Unterzeichnung bes Wehr*
Vertrags.
Ten Sozialbemokraten ist es aber
gelungen, bie Einberufung einer Son
dersitzung des Parlaments auf Frei
tag zu erzwingen, um womöglich ei
nen Beschluß gegen das Regierungs
programm herbeizuführen.
Eine ernste Meldung aus Rom
Am Sonntag, melbei: bie „Ass.
Preß" aus Rom, fällt hier in ber
Kominunalwahl bie wichtigste Ent
scheidung um die politische Macht, um
die sich Temokraten, Faschisten und
Kommunisten streiten.
Wenn die Kommunisten die Ewige
Stadt für sich gewinnen sollten, so sind
daran ironischerweise die kommuni
stenfeindlichen Erben des Diktators
Benito Mussolini schuld, denn die
Neo-Faschisten unter der Flagge ber
italienischen Sozialbewegung (MSI)
haben sich mit der italienischen Mo
narchistenpartei (PNM) zusaminenge
tan, um eine breifache Abstimmungs
konkurrenz zu erzielen, unb auf biese
Weise werden die kommunistenfeind
lichen Stimmen zersplittert.
Ortswahlen finden in ungefähr
vieruudzwanzighundert Städten und
Törfern statt. Ter höchste Preis winkt
natürlich in Rom, eine weitere wich
tige Stadt ist Ncapal, das Hauptquar
tier der alliierten Streitkräfte in Süd
Europa.
Wenn es ben Kommunisten gelin
gen sollte, bie Verwaltung der Ewigen
Stadt an sich zu reißen, so könnte das
für die christlich-demokratische Regie
rung des Ministerpräsidenten Alcide
de Gasperi verhängnisvoll werden.
Mit dem Vatikan und Papst Pitts
XII. in seinen Mauern würde Rom
der goldene Preis für die führenden
Männer in Moskau sein.
Tito droht
„Marschall" Tito erklärte letzte Wo
che mit verbissener Entschlossenheit,
daß Jugoslawien „notwendige Maß
nahmen" ergreifen werde, um die von
jugoslawischen Truppen besetzte Zone
von Triest zu verteidigen. Als ein
Nachspiel zu einem neulich in London
erfolgten Uebereinkommen, nach wel
cherrt Italien weitgehende Verwal
tungsvollmachten in der britisch-ame
rikanischen Zone von Triest erhält,
scheinen Titos Drohungen hinzuwei
sen auf eine formelle Annexion ber
von Jugoslawien besetzten Zone N von
Triest.
Nr. 4
tnland
General Douglas MctcArthur kam
am Tomierstag auf Einladung ber
Legislative Michigans nach Lansing
und hielt eine Ansprache an beide
Häuser ber gesetzgebenden Körper
schaft, in der er u. a. erklärte, baß
burch gewisse Machenschaften bei bett
gegenwärtigen politischen Kämpfen
um die Nomination der Präsident
schaftskandidaten bie Gefahr eines
„Militärstaates" heraufbeschworen
werde.
Mit dem Hinweis aus gewisse poli
tische Machenschaften spielte MacAr
thur offenbar auf den schon zuvor
ausgesprochenen Verdacht an, wonach
Gruppen in beiden großen politischen
Parteien des Landes in stillem Ein
verständnis bezüglich eines Präsident
schaftskandidaten stehen sollen. Tiefer
Verdacht war u. a. von Freunden bes
Senators Robert A. Taft anläßlich
ber Primärmahl in Massachusetts am
29. April geäußert werben. Sie hat
ten bamals behauptet, baß bie
Freunde Eisenhowers um die Stim
men der Temokraten warben.
Auf die Gefalir zurückkommend, bie
nach der Ansicht MacArthurs dem
Zweiparteien-System drohe, erklärte
er ferner: „Es wird jetzt vorgeschla
gen, daß unser Zweiparteiensystem
faktisch ganz aufgegeben werde und
daß beide Parteien sich unter der Füh
rung des gleichen Individuums ver
einigen sollten. Kann es einen bedenk
licheren Vorschlag gebenV Tie reprä
sentative Regierungsform würde ver
nichtet werden, und durch vollständige
Stillegung aller Opposition wären
wir einem Tespotismus überantwor
tet. Wir würden vollständig von dem
paternalistischcn Willen eines Man
nes abhängig sein, und Freiheit, wie
wir sie gekannt haben, würde ver
schwinden."
Trei weitere wichtige Punkte wur
den von MctcArthur hervorgehoben:
Erstens, daß es „reiner Unsinn" sei
zu behaupten, bie Sicherheit ber Ver.
Staaten werde durch Angriffe von
außen brittgenb gefährbet nicht ein
mal bie in West-Europa stationierten
Truppen seien augenblicklich in Ge
fahr. Zweitens, baß die gegenwärtige
Rüstungswirtichaft des Landes durch
eine künstlich hervorgerufene Kriegs
psychose und unablässige Furchtpropa
ganda ins Leben gerufen beziehungs
weise im Gange gehalten worden sei.
drittens, daß die verantwortlichen
Führer des Landes außerstande seien,
die Welt als Einheit zu betrachten,
daß sie sich vielmehr auf ein einziges
Gebiet im westlichen Europa versteift
und die kommunistischen Uebergriffe
in vielen anderen Teilen der Erde
weitgehenb mißachtet haben, unb baß
auf diese Weise Asien verlorengegan
gen sei.
Hinsichtlich ber Kriegspsychose sagte
ber General, bie Rüstungswirtschaft
des Landes habe dazu geführt, baß
„unsere politischen Führer fast eine
größere Angst vor bem Frieden als
vor dem Kriege haben. Die größten
Gefahren für das Land sind die inne
ren unb nicht bie von außen kommen
ben, Sowjet-Rußlanb eingeschlossen.
Ferner erklärte er, baß West-Europa
gegenwärtig keine Gefahr brohte, weil
Rußlanb es vorziehe, gegen seine
Feinde von innen her Druck auszu
üben, statt direkte militärische Maß
nahmen zu ergreifen.
Erweiterung der Sozialversicherung
Der zuständige Ausschuß des Abge
ordnetenhauses billigte letzte Woche
die Erhöhung der Summe, die betagte
Personen jetzt unter beut System ber
Sozialversicherung erhalten, um we
nigstens $5 pro Monat, unb um die
gleiche Summe für Personen, bie zu
künftig unter das System fallen. Auch
abhängige Personen sollen eine ver
hältnismäßige Erhöhung erhalten.
Tie Kosten dieser Erhöhungen wer
ben auf jährlich $300,000,000 ge
schätzt, aber ber Demokrat Doughtott
von North Carolina erklärte, baß sie
gewährt werben können, ohne bie ent
sprechenden Lohnsteuern erhöhen zu
müssen, weil durch die in ben letzten
Jahren gesteigenen Löhne bas für bie
Zahlungen verfügbare Gelb aufzu
bringen im staube sitib. Bisher hat bas
Programm etwa zwei Milliarden
Dollars im Jahr gekostet.
„lieber 4,500,000 Personen wür
ben von ber neuen Vorlage Vorteile
haben." sagte Doughtott. „60,000,000
etnbere Personen, bie unter bas Sy
stem fallen, würden ben Vorteil er
halten, sobald sie die Altersgrenze
erreichen."
e
Die Hauptpunkte ber Vorlage sind
die folgenben: 1. Erhöhung bes Mi
nimums für eine Person von $20 auf
(Fortsetzung aus Seite 8)

Samstag, den £4. Mai 1952

xml | txt