Newspaper Page Text
IilsMllitM. Vornan von Iseöor vsn Zsbeltitz. (13. Fortsetzung.) Mt taten es; die Jungen unter kUdun Gejauchze. .Ich möchte mir noch ein Ämcnde ment erlauben,- sagte Haarhaus. .Wir haben Vollaund und die Luft ist wunderbar. Können wir nicht mit der Bowle in den Garten wandern? Dann scheint der Mond in die Gold flut deS Weines hinein, ein Effekt, den ich schon mehrfach erprobt habe und als den Höhepunkt der Genüsse preisen kann." .Bravol" rief Äraf Teupnr. DaS ist epikureisch; das ist äußerst vor nehm. Eine Bereinigung des Acfthe tischen mit dem Materiellen. Halb Vitellius, halb Ovid. Ich bin sür das Amendement Haarbaus.' Auch die jungen Damen, die diese 1 Idee sehr poetisch fanden, zollten Beifall. Trude wollte Kränze flea ten, die man sich in das Haar irilf ken sollte. So eine Art Symposion schwebte ihr vor. Aber Tübingen war gegen solche Uebergriffe in das Heid Nische. Wenn der Inspektor mit dem Ädendrapport kommt," sagte er, .und sieht mich mit einen Kranz aus Butterblumen, Schafgarbe und Rosen auf dem Mopse, so Uait er mich für verrückt und angeduselt. Und beides verringert den nötigen Re spekt." Nun schlug Benedikte n Feuer werk vor Man hatte noch ein paar Raketen und Schwärmer und einige bengalische Leuchten von Kaisers Ge burtstag her im Hause.' Doch auch dafür war Tübingen nicht. Was habt ihr sür liäiarenlnunen, Kinder l Erst Kranze ins Haar, und nun Feuerwerk. Das konnte sich Nero erlauben, der steckte sogar Rom in Brand. Aber ich bin zu schlecht versichert. Riedecke, hier hast du den iicllerschliisZct Vier Silleru mous jeux, fi'ch Moselblümchen und eine Siuuenthaler: das wird vorderhand genügeil. Und dann Eis " Als Riedecke mit dem Wein zurück taul, hatte man beinahe abgespeist. Das war allen recht. Draußen lockte der Mond, und auch eine verspätete Iachtigall schlug noch im Flieder. Niedecke brachte die Bowle, ein riesiges Gefasz, öaS in ein noch rie sigerm Bronzeschale stand, die mit Elsstückchcn gefüllt wurde. Die Bowle wur das Avschiedsgcschenk der Kameraden- von der Garde du Corps, an Tübingen, und jedesmal, weim der dicke Baroi- sie sah, ward er wehmütig und begann in Erinne rung zu schwelge,,. Kinder, was trank man damals zusammen, ' erzählte er, während er den Mosel einfüllte. Ich kann mir nicht verhehlcil, dasz die Zeiten geord neter geworden find. Es geht auch ein leichterer Zug ourch die Welt. Tumleiuals mußte alles schwer und kräftig sein: das naililte man gedie gen. Auch die Bowlen. Die waren so ähnlich, wie die vom alten Kielmann. Wir nahmen immer ein paar' Fla scheu Portwein dazu, lind wenn wir uns dann am nächsten Morgen beim Schwadronsererzieren guten Tag sagte, fragte einer den andern: Bruuimt dir der Schädel denn auch so?" Und freudig bejahte man das, denn so muhte es sein. Man muhte die Gediegenheit auch spüren --Nie decke, nun mach den Sekt auf!" Der Alte war unvorsichtig. Er lieh einen Pfropfen springen. ES gab einen Knall und dann flog der Pfropsen zuerst an die Decke und an das Ohr der Plafondnylnphe. das Benedikte auf niederländische Art iivernlalt hatte, und sprang hier auf zurück und zwar mitten auf den Tisch. Die Jungen brüllten vor Ueborinut, und der MoujseuL schäum U. lustig auS dem Flaschenhälse. Dabei fiel Benedikte etwas Be sondereö ein. .Papa", sagte sie. .kannst du mir nicht einmal ein GlaS Lhanipagner geben V Ich habe mich nämlich neulich mit Trude gestritten. Trude meinte, da wäre Wunder was dabei, ein GlaS Ehanlpagner in einem Zu g? auSjutrinken, js wie es Doktor HaarhauS und ScMer immer ma chen. Ich glaube aber, das ist ganz leicht.... " Die Mama klarte, Benedikte möchte diese Kunststücke doch lieber den Herren überlassen, wogten Tü dingen meinte, er befördere icglichen Wissensdurst und von Riedecke ein paar, Spihgläser kommen lieb. Run nachten Haarhaus und einper erst die Sache vor. Sie führte ihr Glas an die Lippen, beugten den Kopf ein wenig nach hinten über und gössen den Sekt ohne adguiehen in die Kehle. Dann kcun Benedikte an dir Reihe. .Ha." sagte sie. .das ist gar nichts!" Aber der prickelnde Duft des MousseuL' stieg ihr in die Na e. Sie nieste und lachte, setzte an. cerschllickerte sich und goß sich den Champagner auf die Blus. Jetzt wurden auch die Großen zu Kindern. Die Baronin protestierte zivar, aber Tiibingen wollte sehen, ob er das auch noch könne. ?,n guter Letzt pro beerte unter allgeniciner Heiteikeit selbst Graf Tenpen den Husaren f. unk". Und er gelang ihn:. Seht ihr, es gehl noch," sagte er lachend. Ja, Kinder, die Zeiten ändern sich. Ich war bei den Saxo Borusscn aktiv, lind mein alter Hei delbcrgcr Magen hat lange genug vorgehalten. Aber die diplomatischen Dincrö ruinieren den Menschen, illöry mousseur kannte mut der zeitig freilich nicht; man trank Eli a!ot oder Miiniln souverain und zum Dessert gewöhnlich Lacriinae Christi oder Eap Eonstantia. Das sehte ollem die Krone auf. Als letzten Ab schluß gab es dann zuweilen auch noch einen Tokayer Ausbruch. Und vorher die schweren Rotweine: Eber bard hat recht: die Sehnsucht nach Leichterem geht heut durch die Welt." .Fertig I" rief Tübingen, als er he letzte Flasche Sekt in vie schäu mende Flut quirlen lieb. .Riedecke, ist der Tisch unter den Kastanien ge deckt?" .Zu befehlen, Herr Baron; Swpps hat ihn gedeckt." .Also los." sagte Haarhaus. .Feiern wir ein Fest der Jugend, wie die Ephcsci im Tempel ihrer Diana! Riedecke voran mit dem Opfergefäsz. als Oberpriki'ter und Wahrer des heiligen Feuers. Tann Graf Brada als Trimphator. Da wir ihm nicht das Haupt mit Rosen schmücken dürfen schlage ich vor, wir kesseln ihn mit Bllunelikettcn und geben ihm ein Äanseblümcheil in den Mund." Aber Semper wehrte sich dagegen; er sei sozusagen der Held des Abends, aber kein Opferstier. Die beiden Jungen schienen schon durch den blo ßen Anblick der Boivle zu schönem Tatensinn begeistert wvrden zu sein; denn sie begannen mit mächtiger Stimme Nadowessiers Heldenlied nach eigener Melodie zu singen. Unter den Kastanien war es i& der Tat herrlich. Die Luft lau und von Blütenduft durchweht. Der Vollmond rückte gerade über die Ahornbäume hcrauf, die den Park nach d?r Dorf feite abgrenzten und dort bewegungs los, gleich riesigen schwarzen Schild wachen, standen. Die Atmosphäre war wie mit Gold durchrieselt. Riedecke wollte eine Gartenlampe auf .den Tisch setzen, aber man schickte ihn wie der zurück. Es war hell wie am Tage. Die Kieswege glänzten schnee weiß. Mit frendigem Bellen sprän gen Cäsar, Lord und Mohrchen her on, uiiischnoperten den Schlummer Utb Cosys, carrierten ein paarmal um das Rosenrondell und kuschten sich dann gehorsam nieder. Haarhaus gab der Bowle ihren Platz, so daß tatsächlich der Mond in he hinein schien. Alle bewunderten die Wirkung, erhoben jedoch lärmen deil Widerspruch, als Graf Tenpen scherzend sagte, das Bild sei zu schön mall solle die Bowle nicht aus trinken, sondern sich nur an ihrem Anblick erfreuen. .Ich bin auö Charaktergründen cagcgeii," meinte Haarhans. Mail soll sich auch einem ästhetischen Ge nuß nicht allzulange hingeben, soll vielmehr die Stärke besitzen, ihn ab k:kürzen. Und dieser Moment scheint mir gekommen zu fein. Fräulein Palm, reichen Sie mir bitte die Glii jir herüber!. ..." Max war bisher sehr still gewesen, Tas siel nicht auf; er hatte voil sei ner früheren Lebhaftigkeit viel ringe- büßt, seit er in Afrika gewesen war, Die Eingeweihten wollten wissen, cajz daS noch der Rachhall seiner ro maiitischeil Liebeoepisode mit Fräu licn WarNow sei. Als die Gläser aber gefüllt auf den, Tische standen röusperte er sich, stund auf und hielt zu aller Verwunderung eine hübsche kleine Rede auf das Geburtstagskind. Run ivurde auch er vergnügt. Man pokulierte tapfer imd plauderte dabei vom Hundertsten ins Taufend f'e. Selbst die Baronin ivar in guter Laune, aber alö Benedikte ein drit tes Glaö trinken ivollte. fand sie dies tmpörcnd. Ach was," sagte Tübingen, se, gemütlich. Eleonore! Bon ieher wa rcn aller guten Dinge drei und Zimperlichkeit kann ich nicht leide. Herr Frcese, schauen Sie nicht iinme, in den Mond und in die Augen von Mis; Relly! sprechen Sie auch ein mal ein Wort! Hat Ihnen Jhi Freund Reinbold roch nicht geant irrtet?" Der Kandidat errötete bei de, Anspielung auf die Aligen Nellys. Ja. Herr Baron, "antivortete er, der Brief kam mit der Abendposl. oder ich wollte nicht störeit " .Nun? Was schrieb er denn? Hat er sein Konterfei mitgeschickt?" .Auch das, Herr Baron " Und Freese griff in seine Brust lasche, holte ein Couvert hervor und entnahm diesem eine Photographie, die er Tübingen reickte. Der Baron stand auf und trat irntcr in das Mondenlicht hinein. .Nanu?!" sagte er; .hören Sie 'mal, Frcese. haben Sie flch nicht etwa vcrgrissen? Das ist ja ein Gymnasiast mit 'ner sogenannten Regennase. . . . Eleonore, sieh bloß! TaS ist doch im Leben kein Pastor. Mit so 'nem vergügten Gesicht!" Die Baronin nahm daö Bild. Sie war entsetzt oder tat doch 'o. .Nein, da? ist unmöglich, Eber i lzard. Das ist erstens 'mal ein Kind, und zweitens sieht mir der iunge Mensch zu lustig aus. Den würde niemand ernst nehmen." .Vielleicht hat ihm der Photo graph gesagt: Nun bitte recht freundlich," und da hat er über trieben." .Aber er lacht ja über daö ganze Gesicht, Eberhard! Es fehlt die Wür de die Würde fehlt." DaS Bild ging im Streife herum. Währenddessen öffnete Frcese den Begleitbrief Reinbolds. .Ich bitte um Verzeihung, Frau Baronin," sagte er bescheiden, .wenn ich mir einen Einwurf erlaube. Als ich Reinbold kennen lernte, frappierte mich auch zunächst sein ich möchte sagen humoristisches Gesicht. Es schien mir durchaus nicht zu feinem Beruf zu passen. Und da hat er mir dann in der Folge sein Herz ausge schüttet. Sein Vater, Großvater und Urgrofjvater waren Geistliche. Er selbst neigt seinem innersten Wesen nach zum Ernsten und Beschaulichen, zu seelischer Reflexion. Er hat viel mehr von schwerem Geblüt als hei terer Natur. Aber das Unglück ist. dasj ihm das keiner glaubt, weil er ein so unsagbar fideles Geficht mit aus die Welt bekommen hat." Der ganze Tifch interessierte sich für Herrn Reinbold. Das erinnert mich an Victor Hugos Noman l. 'komme qui rit," meinte Haarhaus. .Ich weiß nicht, ob die Herrschaften das Buch kennen. Der Inhalt dreht sich um die Anti these: die moralische Schönheit in physischer Mißgestalt, und die Häfz lichkeit der Seele im schönen Kör per." .Ich entsinne mich," siel Graf Tellpen ein. Der Held ist von Ra tur dazu verdammt, immer lachen zu müssen, schrecklich zu lachen, und wird fchlicszlich bei allein Elend glücklich, als eine Blinde ihm ihre rcine Liebe schenkt." Man kann ober nicht sagen," nahm Max, die Photographie in der Hand, das Wort, daß das Gesicht dieses Herrn Reinbold unsympathisch ist. Im Gegenteil es sieht sreundlich und vertrauenerweckend aus. Es hat nichts Schreckliches trotz der vergnügten Nase und dem lacheildcn Zug um den Mund, der doch eigentlich mir ein lächelnder ist." Und ich kann Ihnen versichern, Herr Baron," sagte Freese mit war mem Ernst, daß auch das ganze We sen Neinbolds volle Sympathie ver dient. Wenn es überhaupt möglich ist, daß eine Empfehlung von mir in die Wagschale sällt, so möchte ich mir die gehorsamste Bitte erlauben, es mit Reinbold jedenfalls einmal ver suchen zu wollen." Ach ja, Papa," bat auch Bene dikte, und noch lebhafter verwandte sich Trude Palm für den Unglück lichen", wie sie sich ausdrückte. Gut also er mag kommen," entschied die Baronin. Ich muß ja zugestehen: ein ewig heiteres Geist lichenantlitz würde mich ein wenig bedrücken " Ein ewig düsteres , ist mir noch fataler," siel Tübingen ein, und Freese bemerkte: Ich glaube, Rein bold wird endgültig mit der golde neu Mittelstrai)e dienen können, Herr Baron. Nach den Erfahrungen, die er bereits in feiner Kandidatenzeit mit der ungewollten Lustigkeit auf seinem Gesicht gemacht hat, scheint er auch hier gewijie Befürchtungen vor geahnt zu haben. Denn er schreibt mir, zu seiner Freude keime ihm statt l:ch der Bart. Er will sich nun ei um Vollbart stehen lassen und hofft .ch dank dieser männlichen Zier in baldiger Zukunft auch äußerlich ern ster, würdiger und männlicher prii sentieren zu können als bisher. Nur iiiögc nian gütigst noch so lange Ge duld mit ihm üben, bis der Bart sich entwickelt und entfaltet habe." Tübingen lachte gutherzig. Sehen Sie, Freese, nun gefällt mir Ihr Reinbold schon tfmiz ausgezeichnet! Für Leute mit Schicksal habe ich überhaupt linmcr etwas übrig, und daß auch ein Menschengeficht zum Schicksal werden kann, beweist dieser Fall. Also schreiben Sie ihm, er möge kommen und predigen, und ge fällt uns sein Wort und seine Art, so wollen wir ihm Arme und Seelen öffnen; denn wir sehen nicht uns die Nase, sondern ans das Herz. Und der liebe Gott tut das erst recht." Freese konnte nicht anders; er mußte des braven Mannes Hand nchmcn und sie voll lvarmcr Enip flndung drücken. Am unteren Ende der Tafel, da, wo die jungen Herrschaften saßen, wur man inzwischen immer ausge lassencr geworden. Namentlich Gras Semper. der seinen Platz zwischen Nclly und Benedikte hatte, amüsierte sich wundervoll und pries oen guten Einfall, seinen Geburtstag hier zu verleben. Zufällig hatte er auch an, nächsten Vorniittag keinen Dienst, konnte also aufbrechen, wann ei woll te; vielleicht forderte man ihn auch auf. in Hohen-Kraatz zu übernachten. nas schon öfters vorgekommen war. Das wäre ihm freilich daö liebste ge-' wesen; einen ganz zierlichen kleinen Schwipps hatte er bereits, und die Tante Volte war nach der glücklichen Kur JsaaksohnS ziemlich lebhaft ge worden.... Ans der anderen Seile 'enedikteS saß Haarhaus, ebenfalls lebendiger als fönst; er erzählte den jungen Mädchen, wie gewöhnlich, von seinen Erlebnissen in Afrika und log dabei entsetzlich, bracht auch Max in vielfältige Verlegenheit, an den er sich zuweilen mit den, Zioi sä.enruf wandte: Weißt du noch, Max?" oder Max, besinnst du dich in Wahiwede wir kamen g'rade von Wasambara?!". . .(Der alte Teirpen hatte sich von Riedecke die Beine in eine Decke wickeln und eine Fußbank unterschieben lassen. So saß er zuhörend da, das Gesicht voll dem Monde zugekehrt, sür dessen magnetische Eigenschaften er sich be geistern konnte; denn er war unter anderm auch ein Anhänger Mesmers lnd Dupotcts. Die Baronin schlief schon halb. Im Hintergrunde unter hielten sich Riedecke und Stupps flüsternd und wispernd; daö heißt Riedccke erzählte dein Jungen von seiner Kammerdienerzeit in London ,nd log dabei gerade so wie Haar haus im Vordergründe. Brada war eine Zeit- lang merk würdig ruhig gewesen, u.id Bene dikte sragte ihn daher: Sie Mai käfern wohl, Semper?" Ja," erwiderte dieser, .diesmal haben Sie es richtig getrossen. Ich habe etwas Feierliches auf der Zun ge. Ich muß mich doch sür die Ehrung Maxens bedanken. Nehmen Sie bitte cinnial ci:.en Kieselstein auf, Fräulein Benedikte denn ich selbst kann mich nicht bücken und klinken Sie damit an Ihr Glas." Benedikte tat dies und zwar drei mal, weil sie es für angemessener hielt. Hierauf eihob sich Brada und begann also: Meine verehrten Herr schaften l" Aha," siel HaarhauS ein, jetzt schwingt er auch eine Rede." Nicht inS Wort fallen, Dvktor," sagte Tübingen; man darf auch iii einem, gesunden Menschen nie eine Motion unterdrücken oder verzögern, weil das unberechenbare Folgen ha den kann. Semper macht schon ein ganz weinerliches Gesicht." O nein. Her von Tübingen," ent gegncte Brada, seine kleine Figur reckend. Der Adlerflug meiner Ge danken läßt sich nicht so leicht hem inen und das Gefühl meines Dank barkeit nicht unterdrücken. Letzterem nämlich wollte ich, so beredt wie mir dies überhaupt möglich ist, Ausdruck geben. Ich könnte einfach sagen: das Haus Tübingen lebe hoch, und das würde in seiner Kürze auch völlig dein entsprechen, was meine Seele bewegt. Da aber Max als Vertreter dieses liebenswürdigen und gast freundlichen Tübingcnschen Hauses mich vorhin gefeiert hat, so sei mir verstattet, mich mit meiner tiefdurch dachten Rede direkt an ihn zu wen den, der ja augenblicklich so wie so im Mittelpunkte aller Interessen steht. Daß ihm seine großen und kühnen Unternehmungen im schwar zen Erdteil auch gesundheitlich vor trefflich bekomnicn sind, davon kön i;m wir uns ja Gott sei Dank tag täglich und stündlich überzeugen.' Außer Doktor Haarbaus wachte noch ein besonders glücklicher Stern über ihm. Kein Löwe griss ihn an, kein Krokodil hat noch ihm geschnappt und kein Känguruh hat ihn gebissen; selbst die Wilden ehrten in ihm den Träger der Zivilisation und über gaben ihm willig ihre Waffen, die' er ims mitgebracht hat. Und nun ist er wieder hier und wird in sriedens reicher Tätigkeit in seinem Ministe rium weiter schalten. Es wird nicht ic'iigc dauern, so ist ,er Legutionsrut, und dann folgt auch sehr bald der Geheime; denn das Geheime war im liier seine Schwäche. Ich sehe ihn ichou als wohlbestallten Gesandten unseres Kabinetts bei irgend einer Udeutenden Macht vor mir und hos r, er wird dann endlich auch sein Herz entdeckt und eine liebliche Gat t.n heimgeführt haben, die ihm mit weicher Hand die politischen Sorgen von der Stirn streicht. Ilnd ous alles dies niöchte ich mir erlauben, mit .hnen anzustoßen: aus die Carriere unseres Max in diplomatischer und menschlicher Hinficht, auf den Herrn Gesandten in jpe und die Frau Ge sandtin und das ganze sonnige Zu fanftglück deS HaujeS Tübingen! Die Jungen schrieen so, oaß sie zu Bette geschickt wurden, aber auch alle übrigen stinunten mehr oder weniger begeistert in den Hurraruf ein und ließen ihre. Gläser an das Glas Maxens anklingen, der sich redliche Mühe gab. sein saures Gesicht zu verbergen. Ich danke Ihnen, lieber Sem per," sagte er, sür alle Ihre guten Wünsche. Nur eins möchte ich deiner l'en: daß mich kein Känguruh gebis sen hat, lag weniger an meinen Glück als aii den zoologischen Ver lältnissen Ostafrikas. Das schadet aber nichts. Ich bin trotzdem sehr ge rührt " .Ich auch." setzte Tübingen hinzu. Die Zukunstspcrspektivcn haben Sie hübsch ausgemalt. Brada. Ich irollte, ich erlebte die Frau Ge sandtin noch. Komm her, Max, und g'b mir einen Kuß daraufhin! Du wirst hoffentlich nicht uncei heiratet bleiben wollen, mein Junge!?" .Nein, Papa." erwiderte Max und küßte die Wange des Alten, und das Herz war ihm recht beklommen, .ich mochte dir sogar mein feierliches Ehrenwort geben, daß dies nicht der Fall sein wird." Recht so." sagte Gras Tciipen. .Kinder, ibr glaubt gar nicht, wie uiigemeiu. wichtig gerade für eine Gesandten seine Gesandtin ist! Ich muß da an das Jahr Sechzig und an Paris denken. Preußen war durch Graf Pourtalös vertreten und Oesterreich durch Richard Metternich. Aber Pourtalös galt wenig in den Tuileriecn und Mettcrnich war alles. Und woran lag das? Nicht an den Herren selbst, wohl aber an ihren Frauen. Die Fürstin Pauline Met ttrnich paßte ganz zu den Franzo sen, die Gräfin Pourtalös aber hätte besser nach dem protestantischen Eng land gepatzt. Sowohl ihrer Abkunft, wie ihrer Erziehung und ihren per scnlichen Neigungen nach. Denn die Metternich war eine Tochter des tol len Sandor, des waghalsigen ungari schen Reitergrafen, und die Pourta 10s eine Tochter des früheren Kul tusministerS von BethmannHollweg. Und das Blut Sandors war den Franzosen lieber Ab, Herr schaften, eS fängt an, kühl zu wer den. ' Wie denkt ihr über die Bett statt?" Jawohl, Herr Graf es wird Zeit!" rief Brada. Stupps, laß mir die Tante satteln!" .Kein Gedanke, Graf Brada." ent segnete die Baronin, sich erhebend. ..Sie bleiben ruhig hier. Ihr Zim mer ist in Ordnung. Wo steckt denn Benedikte?" Sie wollte sich die Mondbeleuch tung auf der Insel ansehen, gnädige Frau," antwortete Trude. Sie wird' sich wieder erkälten, und morgen hustet sie." Ich werd' sie benachrichtigen, gnädige Frau," rief Haarhaus und sprang auf. Trude und Nell? wollten mitgehen, aber die Baronin sprach dagegen; sie brauchten sich nicht alle drei den Schnupfen holen. Der Park hinter dem Herrenhause glich in dieser schimmernden Mond bcleuchtung dem Zaubergarten Klingsohrs. Ueber die Wicsenslächen spann ein feiner, durchsichtiger Nebel seine Silbergaze aus. Die Akazien standen noch in Blüte, und bei jedem leisen Windhauch rieselte es schneeig von ihnen herab. Eine Gruppe hoch ragender alter Edeltannen hob sich, an Böcklinsche Bilder mahnend, schwarz und düster vom leuchtenden Himmel ab. Haarhaus eilte mtt starken Schrit ten nach der Jnfel. .Fräulein Benedikte I" c'es er laut. Hier!" scholl die Antwort zurück. Haarhaus blieb stehen. Hier sagt mir zu wenig, gnädi ges Fräulein. Wo, ist oie Haupt fache." Aber sehen Sie mich denn nicht!? Ich bin dem alten Traugott auf den glücken geklettert, und nun kann ich r.icht mehr hinunter. Es ist ein Glück, daß Sie kommen!. ..." Jetzt erst sah Haarhaus die kleine Baronesse. In einem Winkel der In sel stand ein verfallenes, sehr priini tivcs Monument. Es mochte früher einmal eine Art Obelisk gewesen sein und war zu Ehren eines Traugott von Tübingen errichtet worden, der bei Preußisch-Eylau den Heldentod gefunden hatte. Jetzt war das Maucrwerk von einem dichten Ge spinst Epheu überzogen, durch den sich blaßlila und violette Winden rankten. Haarhaus war näher getreten. Nun sagen Sie einmal, geehrtes und liebwertes Fräulein Benedikte von Tübingen, was machen Sie denn da oben eigentlich?" Ich suchte Aussicht, nichts weiter. Da habe ich mir einen Birkcnstubben herbeigeschleppt, der sonst als Gar tenstuhl zu dienen Pflegt, und bin heraufgcklettert. Ader der Stilb bcn fiel meuchlings -um. Uild nun stehe ich hier und kaminicht anders." Haarhalls betrachtete sich das ei gentümliche Bild nähör. Das war nun wirklich eine Art Monument, wenn auch keinö zu Ehren des ver storbenen Traugott. Benedikte stand auf der ehemals wahrscheinlich zu gespitzten, jetzt slachen Höh des Denksteins und konnte sich nicht rük ken und rühren. Sie hatte mit bei den Händen die Kleider ein wenig an sich gezogen unter denen die ländlich derben Stieselchen hervor schauten. Ihr hübsches dralleö Figur chen zeichnete sich in scharfen Umris s'.'N ab. Ihr Gesicht lachte; die wei ßen Zahnreihen glänzten. Sapperenient, Fräulem Bene d,kte," sagte Haarhans; waS hätten Sie denn nun gemacht, wenn man Sie nicht geholt hätte!?" .Dann wäre ich nachtsüber in ie sei Stellung erfroren. . . . Ader nein ich wäre todesmutig hinuu tergesprungen und würde mir wahr scheinlich den Fuß verknackst haben." .Ist da vernünstig? Ist das ei ner Baronesse Tübingen würdig?" .Halten Sie bitte keine Rede. Doktor HaarhauS. fondern helfen Sie mir! Der linke Fuß schläft mir schon ein und im rechten fängt es aiich an zu kribbeln." , .Na. da warten Sie 'mcll Die Sache ist nicht so einfach. Sa jetzt steh' ich in Positur. Und nun bücken Sie sich ein bißchen und ,pringcn Sie mir tapfer in die Anne. Ich fang' Sie schon auk." . Benedikte holte erst tief Atem. Es war doch ungemütlich und tiatte auch etwas Peinliches. Hören Sie 'mal," sagte sie. .set zen Sie mir doch einfach den Stub bcn wieder hin. Und dann drehen Sie sich herum ich weroe versu. chen, hinabzuklcttcrn. Auch auf die Gefahr hin, mir das Kleid zu zer reißen." Das geht nicht, Baronesse. Der Stubben ist feucht; Sie würden auS gleiten. Sfmitfe coraggio springen Sie los!" Und Benedikte holte noch einmal tief Atem, machte die. Augen zu und sprang. Haarhans fing sie sehr ge schickt auf und stand fest dabei. Er hatte Kräfte. Aber er ließ sie auch nicht wieder los. Bowle war immer verhängnisvoll für ihn. . .So," fagte er. Nun kommt die Strafe für Ihre Unvernunft. Jetzt werde ich Sie nach Haufe tragen, da mit Sie nicht noch einmal davonlau fen." Sie erwiderte kein Wort. Sie hatte noch immer die Augen ge fchlossen. Ein ganz neues Gefühl durchströmte sie: das des Unbewuß ten. Ihre Seele schien Schwingen zu bekommen und davonfliegen zu wol len in unbekannte Weiten. Sie spürte gar nicht, daß sie körperlich an der Brust eines Mannes juhte; et was süß Auflösendes teilte stch ihr mit. Knospen sprangen tn :hrem Her zen und entfalteten sich zu Wunder blumen, und brausender .Frühlings zauber durchdrang sie... Haarhaus ging einige Schritte mit ihr über den Rasen. Tann blieb er wieder stehen und sah ihr in das Gesicht, das ganz weiß war in. Mon denlicht, allein kirschrot der blühende Mund. Sein Herz klopfte gewaltig. Was war mit ihm?.... O holde, holde Sommernacht! ö.e die Nebel jchleier über den grünen Wiesen rei ßen und das Buschwerk mit zittern den Fäden umspinnen I Wie es so leise rauscht ini schweren Laub der Blutbuchen, und die Silbereschen glitzernd ihre Zweige recken Und wie überall, hinter Strauch und Hecke und im Klee und im duilenoen Thymian und zwischen den irnUVii Rosen, die Amoretten kichern!.... Haarhaus neigte sich iitier Bene dikte und küßte sie auf den Mund. Ein Schauer überflog ue, Sie schlug weit und entsetzt die Augen aui. Das Wesenlose- zerrann und das Bewußtsein kehrte wieder. Das Weib erwachte in ihr. Sie stieß einen ganz leistn Schrei aus und glitt aus feinen Armen. Dikte!" erscholl Trudes Stimme in der Nähe. .Bene bene benedikte!" rief auch Graf Brada. Hier find wir!" rief HaarhauS zurück. Es war wie ein Schleier von seinem Hirn geflogen. Das Herz klopfte noch immer stark, nur äugst licher als, vorhin. Ein Gefühl tiefer Scham quoll in ihm auf. Er be herrschte sich mühsam und tat härm los und heiter. Aus der Brücke sah man Semper ui.d Trude. Ter Herr, der schickt den Jockel aus," rezitierte Brada. .Ja, Herrschaften, das ging nicht jo schnell." erklärte Haarhaus. Fräulein Benedikte wollte Aussicht genießen, und die Aussicht war zu hoch. Ich mußte der Gnädigsten erst vom Denkmal Dagoberts herunter helfen; hieß er nicht" Dagobert?" Benedikte lachte. Niemand merkte, wie krampfhaft dies Lachen klc.ng. Nein Traugott," jagte sie; .wie schlecht find Sie in de vater ländischen Geschichte bcschlaqen, Herr Doktor!" Semper schaute ihr scher! und rasch in die Augen. Alles wartet aus Sie, Benedikte," und wie ein leiser Voriuurs klang es aus seiner Stimme: geben Sie mir Ihren Arm." So bitt' ich um den Ihren, Fräulein Palm" und Haarhaus verneigte sich leicht vor Trude. Sie ließ es sich nicht zweimal sagen. Das 'var ein Triumphmarsch für sie. von hier bis zum Schlosse, und eine Nie derlage für Benedikte. Pah waö tvar denn der grüne Leutnant gegen ihren berühmten Afrikaner! - Unter den Kastanien empfing die Baronin ihr Töchterchen scheltend. '.Dikte. es hat alles seine Grenzen. Warten wir morgen ab. Beim ersten Niesen gibt's Stubenarrest und Flie dertee. Und nun zu Bett !....' Trude hatte wie immer noch lange zu erzählen, ehe sie das Lichr aus löschte und Gute Nacht sagte. Aber se nahm heute keine Mandelkleie und verschmähte auch die Papilloten. Benedikte schien es gar nick zu be merken. Sie war einsilbig ' und schützte große Müdigkeit vor. Aber sie log. Sie konnte nicht einschlafen. Ihr Gesicht glühte und it)re Pulse flogen. Wilde Schreie durchtobten ihr Herz. Und ibre Lip Pen brannten noch von dem Männer küsse, in dem ihre Kindheit -storbe war (Fortsetzung folgt.) Unverfroren. Gast: .Bon den vier Eiern war nur dieses eine frisch I" Wirt: .Sie Gliicköpilz gerade da größtr!"