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4 3 w A $it Aach Des Spaniers. flS .' Roman aus der Zeit des spcinisch-ame» rifanifrbt'Ti Mrrrjf °. (12. Fortsetzung.) Rosina stieg die Treppe zu dem fla uen Dache des niedrigen Hauses mpor. Ihre Augen mit der Hand Überschattend, folgte sie mit ihren Blicken der Landstraße nach Buenvilla, ßis wo dieselbe sich zwischen den Hügeln Verlor. Nirgends war ein mensch liches Wesen zu entdecken. Ein eigen thümlicher zitternder Dunstschleier la g' «erte über dem Tbalgrunde. durch wel- Men hier und da ein Streifen des Cala bei Penas glitzerte, der jetzt nur ein winziges Bächlein war, der aber nach inem Gewitter zuweilen zu einem mächtigen Strome aufschwoll. Rosina tzvarf noch einen prüfenden Blick nach Hem dunstumschleierten Horizonte und lehrte dann zu ihrer Herrin zurück. „Pedro ist noch nirgends zu sehen," sprach sie, die schöne Dame heimlich be Obacktend, „und er tonnte doch schon -Hange zurück sein, sollte er vielleicht eine geliebte in Buenvilla haben? Oder sollte er in die Hände der Amerikaner gefallen sein? Unser Nachbar, Carlos Dranjnan sagt, die Amerikaner hätten tei Las Gnesimas tausende von Spa nirn getödtet. Dann haben sie Se fcilla erobert und selbst die Frauen und Kinder nicht verschont. Gewiß sind sie dann weiter vorgedrungen und der vrme Pedro ist ihnen in die Hände ge fallen und grausam ermordet worden." Rvsina bemerkte in ibremEifer nicht, toie Donna Äcarietta sie erstaunt an schaute und bann ein leises Lächeln um ihre Lippen spielte. „Rosina," sprach sie dann ernst und langsam, „sollte es nicht möglich sein, baß Pedro hingegangen ist. um in den tReihen der Amerikaner gegen die Spa pier zu kämpfen, und daß er nie wie derkehren wird?" Rosina lachte höhnisch auf.. «Oh Htm, Sennora, das glauben Tie doch pewiß selbst nicht Pedro fortgehen? «Seine schöne Herrin verlassen? Seine fchöne Herrin, für die er durch's Feuer gehen würbe? denn das würde er doch, wenn Sie es verlangen würden nicht wahr? „Was willst Du damit sagen. Ro fma? Halt antworte nicht, ich weiß •schon was Du sagen wirst, nachdem mir eine Ahnung gekommen ist, was 'Du sagen wolltest. Du liebst Pedro, Rosina. und wenn Du etwas mehr 0 Vertrauen zu mir hättest, so hättest Du mir das schon gesagt. Pedro ist ein braver Bursche, wie Du ein braves Mädchen bist und wenn ihr beirathen wollt, so gebe ich euch genug, um eure Casa mit' allem Comfort versehen zu können, den euer Herz verlangt." Rosina starrte ihre Herrin groß an. Dann glitt sie rasch aus ihre Hniee nie der und sprach aufschluchzend: „O Donna Marietta, ist es denn wahr Sie lieben Pedro nicht?" „Rosina!" Entrüstet kam es von den Lippen der jungen Frau und eint dunkle Rothe färbte ihre Wangen. 1 „Mädchen. wenn ich nicht errathen hätte, wie es mit Dir steht und Deine blinde Eisersucht kennte, würde ich Dir ernstlich zürnen thörichtes, einfäl tiges Ding Du!" „Verzeihung Sennora aber ich kann es nicht helfen. Pedro hat ja nur Augen für Sie mich sieht er gar nicht, er ist wie bezaubert, wenn er in .Ihre Nähe kommt!" Marietta blickte mit finster zusam mengezogenen Brauen ein Weilchen starr vor sich hin, dann sprach sie in be stimmtem Tone: „Bis in vier Wochen wirb Pedro Dein Gatte sein! Wenn er heimkommt von Buenvilla, nimm 7 ihm bie Postsachen ab unb gib sie mir. f.* ich will ihn nicht mehr sehen, verstehst ^KWDu mich. Rosina?" Statt einer Antwort ergriff bie Mestize die Hand ihrer Herrin und führte sie an die Lippen. Aus der Ferne drang ein dumpfes Brausen, als ob ein gewaltiges Heer herangestampft käme. Die beiden Frauen lauschten. ..Santa Maria, es kommt ein Sturm!" rief Rosina erschrocken, „wo mag Pedro wohl so lange bleiben?" Mit diesen Worten eilte sie auf das K Dach des Hauses. Marietta erhob sich 'V ebenfalls, trat einige Schritte vor und ,j ließ ihre Blicke über die von einem blei farbigem Dunste umzitterte Landschaft M" schweifen. Mg Ein Geräusch von schlürfenden fp Schritten veranlaßt- sie, sich umzu schauen. Es war die alte Papita. „Ah Sennora," sprach sie. „das gibt ein böses Wetter, aber wo ist denn Pedro?" „Pedro ist noch «cht zurück, Pa pita!" „Santa Maria noch nicht zurück? Wo kann daS Kind so lange bleiben? Da. da höre ich Tritte. daS ist er Jesu», Mar5a und Joseph!" Die letz im Worte hatte sie gedämpft gesprochen und ihre Augen blickten groß und schtedkttlftan, als sahen sie ei« Ge fmfr. SRanetta wandte sich um unb auch fU jp&t zusammen und alles Mut wich aus iStttt Wangen. Einige Schritt« «rtfrrnt stand ihr Bruder MmuÄ. Seine Augen, welche noch tieft* ten HSGe» zu ließen schienen wi» fricher und welche« ein düsteres fteutt glomm, mten mit tzämischem z. ig, f., Ausdruck auf die beiden erschrockenen I „Ick weiß es nicht. Gennora vor Frauen gerichtet. ,md seine schmalen hin war sie noch hier!" Lippen verzerrten sich zu einem höhni-1 „Ah, die ist gewiß wieder auf dem fchtn Grinsen. Langsam trat er noch einige Schritte näher und sprach in rauhem, etwas heiseren Tone: „Pas Ist ja ein netter Empfang. Schwester chen freilich, ich hatte nicht erwar tet, daß Du mir an den Hals fliegen würdest, aber die Hand könntest Du mir doch wenigstens reichen nicht? ha ha ha." lackte er grimmig, als er sah, wie sie zurückschauderte, als er ihr seine Rechte hinstreckte, „also dann nicht, aber wenigstens wirst Du mir erstatten, daß ich ein wenig herein komm? und mich ausruhe, ich bin abge hetzt wie ein wildes Thier und ausge 'hungert dazu!" „Papita," wandte sich Marietta cn die alte Fnu, welche noch immer schreckensstarr dastand, „geh und be reite ein Mahl für Don Manuel!" Als bte Alte dann eiligst ver schwand, sprach sie zu ihrem Bruder: „Komm herein, Manuel!" Er folgte ihr in das einfache aber komfortabel ausgestattete Zimmer und ließ sich aus den nächsten Stuhl nieder fallen. „Wie kommst Du beim hierher, Ma nuel?" fragte Marietta, die inzwischen ihre vollkommene Ruhe wiedergefunden hatte, in gleichgiltigem Tone. «Ja, ja, das ist Dir räthselhaft, nicht wahr? Ja. Kind, Du hast keine Ahnung, welch' ein samoser Kerl Dein Bruder ist, welchen Einfluß und welche Verbindungen er hat. Sieost Tu. ich wußte von Ansang an, wohin Du ge flüchtet warst unb wo ich Dick finden konnte. Ick mußte aber meinen brü 'bertieben Gefühlen Zwang auferlegen, da meine Mission midi an Havana ge bunden hielt. Zufällig ist es aber nun gerade dieser 2heil der Insel, den die verdammten Amerikaner zuerst betre ten und da mußte ick doch hier sein. Aber habe nur keine Angst, ich werde Dich nicht zu lange belästigen, ich werde mit dabei sein, wenn diese Hunde zu rückgeschlagen, vernichtet werden: ich habe bereits —-aber was ist denn das?" Er hielt inne. Ein mächtiges Brausen unb Heuten und Zischen erfüllte rings bie Luft unb in bem Zimmer herrschte eine fahle Dämmerung. „Ah eip Gewitter, das habe ich aber gtrabe getroffen Kaum waren biefe Worte von seine« Lippen, als ein greller Blitz die Dun kelheit zerriß unb im selben Momente ein knatternder Schlag erfolgte. Dann brach-das Unwetter mit furchtbarer Gewalt los, Blitz auf Blitz unb Knall auf Knall erfolgten unb dazwischen vernahm man das Rauschen und Sau sen des vom Sturme gepeitschten Re genstrotnes. Marietta war auf einen Stuhl nie dergefunten und verhüllte ihr Gesicht mit den Händen. Sie war etwas ner bös und fürchtete sich vor den grellen Blitzen, noch mehr aber graute es ihr bor ben Blicken ihres Bruders, welcher unbeweglich wie ein finsterer Dämon dasaß und dessen Augen in der grellen Beleuchtung der zuckenden Blitze UN heimlich funkelten. Höchstens zehn Minuten dauerte das Unwetter und schnell wie es gekommen, verschwand es wieder. Ein heller Lichtschein drang in's Zimmer und draußen schimmerten die Zweige und Blatter wie mit Diamanten besät. Papita erschien an der Thür und flüsterte: .Das Essen ist fertig. Gen nora!" „Gut, bringe es herein." Die Alte deckte den Tisch und trug die Speisen aus. Manuel fiel mit ei nem wahren Heißhunger über dieselben her. Auch eine Karaffe mit Wein leerte er bis auf den letzten Tropfen. Dann zog er ein buntfeidene* Taschen tuch heraus, wischte sich mit behagli chem Grunzen den Mund ab und sprach: „Ah das thui wohl, da fühlt man sich wie ein neuer Mensch! Wenn ich mal wieder so ausgehungert bin, muß ich Dich wieder belästigen. Marietta. Gegenwärtig habe ich nicht mehr viel Zeit zu verlieren, unsere Truppen sind nicht weit von hier und ich denke, daß wir morgen diesen Uankeefchweinen den Garaus machen werden." Er erhob sich und als Marietta stumm blieb, fuhr er in etwas rauhe rem Tone fort: „Also vorläufig be freie ich Dich von meiner Gegenwart, Schwesterchen, aber wie gesagt, ich komme dann und wann mal wieder. Wenn die Wirthin auch freundlicher sein könnte, die Bewirthung läßt nichts zu wünschen übrig und bic alte Hexe versteht das Kochen vorzüglich. Nun Adios, Schwester!" .Gott fei Dir gnädig Manuel!" flüsterte sie. Er stieß ein grimmiges Lachen aus. Das „Gott sei mit Dir" konntest Du wohl nicht über die Lippen bringen, nun. wenn Gott nicht mit mir ist, so mag es meinetwegen der Teufel sein!" Er stampfte hinaus. Marietta folgte ihm leise und als sie sah. wie er in nördlicher Richtung rasch weiter schritt, athmete sie erleich tert auf. Als sie sich umwandte, ge wahrte sie Papita. welche ebenfalls den? Unhold nachschaute. „Hätte uns der boch nie gefunden!" murmelte die junge Frau. „Kch Gott kommt er denn wie der?" rief die alte Duenna entsetzt „Ja, er kommt wieder zuweilen, aber Du darfst nicht vergessen, daß es mein Bruder ist» Wo ist denn Ro fma?" Qm Dache, um nach Pedro auszuschauen, schau, da kommt sie ja'." In der That kam die Mestize eilig die Stiege heruntergeeilt. „Er kommt!" rief fk athemlos. „aber er ist nicht allein, es sind zwei Männer bei ihm und der eine ist tobt, den tragen sie!" „Santa Maria, tobt?" schrie Pa pita auf, „es ist doch nicht Pedro hast Du mein Kind erkannt, Rosina— er ist es dock) nicht, der tobt ist?" „Gott sei dank, nein," sprach Ro sina, „Pebro ist es nicht, er geht vor aus und er unb noch ein anderer Mann tragen die Leiche. Kommt, ft? müssen gleich hier sein, sie kommen aus südöstlicher Richtung am User des Cala del Penas entlang, der zu einem mächtigen Strome angeschwollen ist kommt!" Sie eilte nach der anderen Seite bes Haufe» und sowohl Marietta wie Pa pita folgten. Die drei Frauen blieben überrascht stehen. Kaum hundert Schritte ent fernt kam Pedro, gefolgt von einem Mann mit blondem Schnurrbart, der ihn um eine Kopflänge überragte und eine Uniform trug, wie die Frauen sie noch nie gesehen hatten. Zwischen sich auf einer von zwei Gewehren Hergestell ten Tragbahre trugen sie eine männ liche Gestalt in ähnlicher Uniform. „Das sind Amerikaner!" sprach Marietta Halblaut. Papita schlug stumm ihre Hänbe zusammen unb Ro sina hatte nur Augen für Pebro, wel cher abn weder sie, noch ihre Mutter zu gewahren schien, sondern nur die schöne junge Wittwe. Unter der schattigen Veranba ange kommen, ließen die beiden Männer ihre Last sanft auf den Boden nieder. Papita konnte nicht länger an sich halten und überhäufte ihren Sohn mit Fragen, aber Marietta gebot ihr Schweigen und ersuchte die beiden Männer, oder vielmehr Pedro, denn sie nahm an, daß der Amerikaner sie nicht bersteben würde, die Leiche in's Frem denzimmer zu bringen und auf einen Divan zu betten. Ehe Pebro noch antworten konnte, rief sie überrascht aus: „Der Mann lebt ja noch!" D:r blonbe Krieger trat nun einen Schritt vor, verneigte sich höflich und sagte in französischer Sprache: „Ent fchulbigen Sie. Madame, sprechen Sie vielleicht französisch?" „Gewiß, mein Herr!" entgegnete Marietta erfreut in genannter®Prack) „nicht wahr, Ihr Kamerad lebt noch'?'' „So Gott will, wird er noch lange leben, Mabame, Herr Herald Chester Ainsley, er ist am Arm.* und auch am Bein verwundet unb hat infolge von Sch:.ierzen unb Strapazen bie Besin nung verloren. Würde Madame er lauben, daß ich mich hinsetze, ich bin seit zwei Tagen auf den Beinen „Bitte mein Herr, entschuldigen Sie, daß ich daran nicht eher dachte Papita, schnell! mach für den Ver wundeten im Fremdenzimmer ein La ger zureckt, unb ihr, Pedro und Ro ftna, könnt ihn hereintragen. Bitte, Herr „Alfred Linden, Madame." „Bitte. Herr Lmben, folgen Sie mir." Sie führte ben jungen Mann in bas Wohnzimmer, lud ihn ein, Platz zu nehmen und begab sich nach dem Frem denzimmer. Papita hatte inzwischen das Lager zurecht gemacht und Pedro und Rosina trugen den Verwundeten herein. Er war sehr bleich, bie Augen hatte er ge schlossen unb nur zuweilen ein leises Stöhnen verrieth, daß das Leben noch nicht entflohen sei. Marietta äußerte ihre Zufriedenheit über die pünktliche Ausführung ihrer Befehle und wandte sich an ibre alte Duenna, welche mit mütterlicher Sorgfalt das Kissen unter dem Haupte bes jungen Lieutenants zurechtrückte. „So Papita, jetzt nur schnell etwas Gutes zurecht gemacht, bie Herren werden Hunger haben und Pedro gewiß auch!" ..Ach ja," wandte sich Papita eifrig an ihren Sohn, „mein armes Kind. Du hast wohl den ganzen Tag noch kei rten Bissen gegessen? Aber sag' boch mal, wo trafst Du denn die Amerika ner?" „Das möchte ich auch gerne wissen." fiel Marietta ein, „bitte, erzähle uns, Pebro!" „Si Sennora!" begann dieser eif rig, es kam so: zuerst mußte ich eine ganze Weile auf bie Postsachen warten. Das ganze Dorf war in Aufregung, von ber einen Seite sollten bie Spa nier, von ber anderen die Amerikaner im Anzüge sein. Und dann wurde mir gesagt, ei gäbe heute unb auch vielleicht auf lange Zeit gar keine Postsachen mehr. Dann machte ich mich auf ben Heimweg. Als ich an die Stelle kam, wo der Ccrla del Penas aus den Hü geln kommt, um in das Thal zu sprin gen, beschloß ich. mich im Schatten der Schlucht ein wenig auszuruhen. Die Lust war schwül und die Augenlider fielen mir bald zu. Auf einmal wurde ich wach. Ein lauter Schrei war an mein Ohr gedrungen. Als ich auf blickte, sah ich oben im Strombette bes Cala bei Penas. nahe bem Rande des Felsens, über welchem er in bte Tiefe braust, einen Mann stehen, ber einen anberen auf ben Armen trug. Er lehnte sich gegen die Felswand und ich sah, daß seine Kräfte erschöpft waren, unb er fürchtete, baß bie Strömung ihn über bit Felsenkante in bie Tiefe V «"5* V-t, ml2b1 *3 •VUvi 4 reißen würde. Und ich sah. wie der Himmel dunkel wurde und fern der Sturm herangeheult kafti, der schwere Wassermassen nie bet schleudern würbe, unb ich wußte, baß bie beiden Männer bann verloren waren. Darum tief ich dem Amerikaner zu und gab ihm ein Zeichen, daß er warten und sich festhal ten möge. Ich erreichte ihn auf Um wegen, das heißt, ich stand auf dem Plateau am Rande der Schlucht und er war mehrer: Fuß unter mir, ich konnte nicht einmal seine ausgestreckte Hand fassen, wenn ich mich auch platt auf den Boden legte. Da löste ich meine Schärpe unb ließ sie herunter. Er befestigte dieselbe an den Gürtel des Berwunbeien unb es gelang mir, ihn empor zu ziehen, aber es war eine furchtbar schwere Arbeit. Dann ließ ich die Schärpe bem tapferen Amerika ner hinunter, welcher sich mit leichter Mühe emporschwang. Große Mühe nahm es uns noch, den Verwundeten ben Abhang hinunter zu tragen. Aber es gelang. Ich sah. baß ber Sturm nahe war unb führte bie Amerikaner nach einer Höhle, die mir aus der Kna benzeit her noch bekannt war. Dort blieben wir, bis ber Sturm vorüber war, unb jetzt stttb wir hier, Sen nora!" Marietta wollte einige Worte der Anerkennung sagen, als ihr Blick auf Rosina fiel, welche sie finster anstarrte. Sie sagte daher nur einfach: „Es ist gut Pedro, geh' mit Rosina, daß sie Dir etwas zu essen zubereitet. Aber bait fuhr sie rasch fort, um Eins muß ich Euch dringend bitten, um Stillschweigen! Keine Menschenseele barf etwas von der Anwesenheit des verwundeten Amerikaners in diesem Hause wissen, versteht Jbr mich wohl? Keiner, und wenn es euer best?r Freunb wäre, darf es wissen! Unb noch eins, fobalb Du gegessen hast, Pebro willst Du fo gat fein, unb den Arzt. Doktor Cuchara Jgnacia Cuchara holen? Ober bist Du zu miibe?" „Ich gebe sogleich. Sennora!" „Ach nein, erst stärke Dich, geh mit Rosina. geh!" Gehorsam folgte er ber Mestize, welche ihm einen gliihenben Blick zu warf. AI» Marietta allein war, trat sie näber zu ben: Verwundeten, welcher mit geschlossenen Augen und schwer ctbmenb balag. Halb scheu, halb neu gierig, betrachtete sie das blasse hübsche Antlitz mit bem blonden seidenartigen Schnurrbart und die zierlichen weißen Hände mit dem funkelnden Diamant ring. Eben als sie daran dachte, sich zu entfernen, schlug Ainsley die Au gen auf. Die stahlbraunen Augen blickten sie groß unb forfchend an und sie fühlte, wie sie unter diesem Blick, der einen zärtlichen, fehnsuchtsheißen Ausdruck annahm, erröthete. Jetzt bewegten sich seine Lippen und bann flüsterte er: „Anita mein Liebling komm komm zu mir!" Marietta glaubte ihren Ohren nicht trauen zu dürfen, denn der Amerikaner sprach in ihrer Muttersprache! Und dann der Name Anita sie war ganz verwirrt und wußte nicht, was sie denken sollte. Jetzt gewahrte sie, daß dem Verwundeten die Augen wie der zugefallen und feine Wangen noch um eine Schattirung bleicher geworden waren. Erschrocken eilte sie hinaus. Sie fand Papita damit beschäftigt, für den Corporal etwa» Gute» zu essen zu bereiten. „Um Gotteswillen, Papita. komm mal schnell herein zu dem Kranken, er ist so blaß und denk Dir mal, Pa pita, er spricht unsere Sprache!" Papita folgte ihrer Herrin und schlich wie diese, auf ihren Zehenspitzen nach bem Lager. „Ach, jetzt sieht er schon wieder besser aus," flüsterte Marietta, „seine Wan gen sinb schon wieder rosig!" „Der arme Junge, er fiebert!" ent gegnete die Alte ebenso leife, „kommen Sie Sennora, hier können wir nichts thun, er muß Rube haben, und hoffent lich kommt der Dot tor bald! Bitte Papita, sage Pedro, er möge sich beei len und zum Arzt gehen, sobald er mit seinem Mahle fertig ist!" „Pebro ist ja schon längst fort zum Doktor Cuchara, und Rosina sitzt in der Küche und beult, weil er erst nichts essen wollte, das gute Mäbchen sit ist sp besorgt um meinen Jungen!" Marietta seufzte leise aus und sprach dann: „Nun, dann wird der Arzt wohl balb hier sein. Geh und schau mal nach, ob der andere amerikanische Sol* bat noch irgend e'icaö toiinfcht!" 26. Drst ftWWent klanG -far Wnt Glocke, welche den Schluß bes Hoch amtes verkiinbete, burch bas stilleThal. Nur wenige Andächtige hatten die Kirche besucht, bte meisten Mitgtieber der kleinen Gemeinde hatte die Furcht zu Hause gebannt. Zwar ttkir bic Kunbe vom Siege der Amerikaner bei El Caney und San Juan und von der Vernichtung von Cervera'sFlotte schon hierher gedrungen, aber sie fürchteten, daß etwaige entflohene unb auf dem Rückzüge sich befindliche Spanier plün dernd und mordend in das einsame Thal dringen würden. Schon einmal war dies geschehen, vor mehreren Wo chen. Glücklicherweise war es aber nur ein kleiner Truppentheil gewesen, ber bazu noch auf einem Siunarsche begriffen war. Trotzdem aber hatten bte blut- unb beutegierigen Krieger manche Schandchat verübt und sämmt Iiche Zugthiere hatten sie mitgenom men, die wenigen Pfcrbt unb eine fcit 'k 's d.A- Menge r:'?i) Uu.fi cut Pedro's Camp'5 fctorra sie gewesen und nur bem energiufetf Austreten Mariet tas, welche sich als Spanierin legiti mirte, war es zu verbauten, daß sie sich damit begnügt hatten, nur die Zug thiere mitzunehmen, was freilich unter den bestehenben Verhältnissen vorläu fig ein nicht |U ersetzender Verlust war. Unlet den Tö'?tttgen Landleuten, welche bas Kirchlein verließen, befan den sich auch Pedro und Rosina. Letz tere Hatte ihren besten Staat angelegt. In ihren Ohren glitzerten die großen goldenen Ohrringe mit ben blutrothcn Rubinen, ein Geschenk ihrer Herrin. Aucb bie elegante Mantilla war ein Geschenk Donna Mariettas. Die Augen des jungen Mädchens blitzten zuweilen zornig nach ihrem Begleiter, ber wie geistesabwesend an ihrer Seite schritt unb für ben sie gar nicht zu exi stiren schien. Balb lagen die letzten Häufer bes Dörfchens hinter ihnen. Der W:g führte durch ein verwahrlostes Zucker tobrseld, welches sich fast über bas ganze Feld erstreckte, eingerahmt von einem Gürtel dunkelgrüner Cedent, welche sich an beiden Seiten am Fuße ber Hügel hinzogen. Rosina hatte versucht, ein Gespräch anzuknüpfen, aber sie vermochte ihrem Begleiter nur einsilbige Antworten zu entlocken. Auch schien er ihre heißen Blicke nicht zu bemerken, bie sie ihm zuwarf, unb bie balb innige Zunei gung. balb Haß, balb rät zorniges Mitleid ausdrückten. Endlich gelangten ffe an bie Schlucht, aus welcher die silberklaren Finthen des Gala del Penas nieder rauschten. „Hier war ei, Pedro, nicht wahr, wo Du den schönen amerikanischen Lieutenant fandest?" fragte Rosina. Pedro streckte seine Hand au» unb sprach kurz: „Dort!" Gleich da"auf gelangten sie a» eme von blühendem Lianennetzwttt um schieierte Felsengrotte. „Ah ba ist es schattig unb ange nehm ich bin müde, Pedro!" Als dieser keine Antwort gab, blieb sie stehen und sprach mit unterdrückter Heftigkeit: „Wollen wir uns nicht etwas ausruhen? Du weißt, ich bin nicht gewohnt, diesen Weg zu Fuß zu rück zu legen, und hätten die spanischen Hunde unsere Pferde nicht mitgenom men. könnten wir bequem fahren! Komm, einen besseren Ruheort finben wir nicht!" „Bueno!" brummte Pebro kurz unb folgte dem Mädchen in die Grotte. Dort war es wirklich kühl unb an genehm, ein Ort wie geschaffen für Träumer,oder Liebenbe. Das Tageslicht brang nur matt burch ben grünen Blättereingang und wie aus weiter Ferne drang bas Sum men und Schwirren der Außenwelt an das Ohr. Im Hintergründe der Grotte lag ber Stamm einer alten Tanne, welche jedenfalls schon man ehern müben Wanderer und manchem Liebespaare als Rubebank gebtent hatte. Dort ließ sich Rosirta nieder und winkte Pedro, an ihrer Seite Platz zu nehmen. Er that es. Etwas verlegen zog er sein Taschenwch bervor und rieb sich eine ganze W'ile die Stirne. Der Gedanke,mit dem üppigen jungen Wei be, das ihn liebte, ganz allein zu sein, erhitzte sein Blut. Sie blieb stumm und saß säst unbeweglich an seiner Seite, aber ihr At bem ging ties und er bemerkte wohl das stürmische Wogen ibres schwellenden Busens. Um ihre sinnlichen Lippen spielte ein Lächeln und er fühlte den brennenden Blick ihrer Augen, wenn er sie auch nicht an schaute. Unwillkürlich rückte er etwas näher. Und da er wußte nicht, ob auch sie etwas näher gekommen war, aber er fühlte, wie ihr voller warmer Arm sich immer fester an den seinen preßte. Sein Blut gerieth in Wallung und er schlug feinen Arm um ihre Taille. Sie tbat. als ob sie ihn zu rückbrängen wolle, aber nicht bie Kraft dazu habe. Heißer strömte das Blut durch seine Adern, unb fest preßte er die üppige Gestalt, bie für ihn nur bas Weib war, an feine Brust. Sie wiberftrebte noch immer und versuchte, ihn zurück zu drängen. Dabei wurde ihr heißer Arhem keuchend unb streifte feine Wangen. Immer leidenschaft lieber preßte er sie an sich und flüsterte endlich mit bebenber Stimme: „Ma rietta!" Als habe sie einen Faustschlag in's Gesicht erhalten, so subr Rosina zurück, gleichzeitig Pebro einen heftigen etoß gegen bie Brust gebend» unb auffptin gtnb. Dann lachte sie schritt auf und sprach mit zifchenber Stimme: „O Du elender Heuchler Du Narr! Du liebst meine Herrin, Donna Marietta Santalo, die fchönste und reichste Wittwe auf der Jnfel. Die liebst Du dummer Bauer, ha ha ha!" Sie ließ sich auf den Baumstamm niedersinken und brach in ein krampf Haftes Gelächter aus und lachte, lachte bis ihr bie hellen Thränen über die Wangen liefen. Pedro war aufgesprungen und stand bleich und trotzig verlegen ba. Sein Rausch war verflogen unb als bas gel lenbe Hohngelächter des in seinen lei deuschastlichsten Gefühlen gekränkten Mädchens gar nicht aufhören wollte, färbte bie Rothe des Zornes seine Wangen. Als Rosina sich soweit von ihrem Lachanfall erholt batte, daß sie wieder sprechen konnte, sagte sie höhnisch: mmmm „Xu einfältiger, dreirrt! Tölpel, Du erhebst Deine Augen ber stolzen Spanierin Donna Marietta de Larrinaga y Clano Uni 25u weißt nicht, baß Du in ihren tSugen nicht mehr bist wie ein Hunv?" „Das ist nicht wahr!" rief Peb« heftig und seine Augen funkelten, „Donna Marietta behandelt mich nicht wie einen Hund, nickt einmal nr. einen Fremden, sie behandelt mich wie einen Freund!" Er blickte starr in die Weite und fuhr dann leiser, wie sich selber redend, sort, wobei ein schmerzliches Lächeln um seine Lipp«« zuckte. „Und selbst wenn sie mich be handelte wie einen Hund ich bin schon glücklich, wenn ich nur in ihrer Nähe fein barf, denn ich liebe sie W liebe sie!" Seine Stimme war zu ei nem Geft^er herabgesunken aber das junge Mäbchen trafen seine Worte wie Peitschenhiebe, sie krümmte sich förmlich unter ihnen. Dann aber funkelte es grimmig i» ihren Augen auf unb sich straff empor richtend, sprach sie: „Du dummer Narr, laß Dich doch nicht auslachen was denkst Du denn, wie lange Donlü, Marietta noch hier fein wird?" Als sie keine Antwort erhielt, und Pedro sie nur fassungslos anstarrte, fuhr sie fort: „Weißt Du denn nicht, daß der junge amerikanifcibeLieutenant Donna Marietta liebt unb sie mit noch Amerika nehmen wirb, fobalb der Krieg vorüber ist?" „Was der verwundete Offizier?" „Ha ha ha! Der ist ja gar nicht mehr verwundet, der stellt sich nur so an, als ob er noch nicht gehen könne, um bei seiner Angebeteten bleiben zu dürfen. Ha ba ich habe ihn schon mehrere« male ertappt, wie et im Zimmer auf unb ab gegangen ist, nur ein wenig hinken thui er noch, aber gesund ist er, gerade so gesund wie Du. Und wa rum sollte er auch nicht? Er ist schon, über vier Wochen bei uns, anfangs war Doktor Cuchara jeden Tag da, unb wie ist er gepflegt worden Deine Mut ter unb Donna Marietta haben ih« abwechfelnb verhätschelt, ha ha ha er ist ja ein so hübscher Bursche, in ben könnte ich mich auch verlieben, aber ich bin nicht so närrifch wie Du, ich greife nicht nach ben Sternen, ba ich weiß, daß ich sie nicht erreichen kann!" „Nicht möglich das kann ja sein!" murmelte Pedro dumpf. „Gewiß ist es möglich!" entgegnete Rosina zornig und stampfte beftig mit bem Fuß auf den Boden. „Höre, Pedro, und urthetle selbft! Vorge stern war doch der Freunb bes Lieute nants da. der große Blonde, ber mir eigentlich noch besser gefällt wie bet andere. Äls dieser nun fort war unb meine Herrin wieder zu bem jungen Lieutenant hereinkam, da erzählte er ihr, was er von seinem Freund erfah ren, daß biefer ihn gerne habe mitneh men wollen, ba nun ber Friebe ge schlossen würbe, aber er könne nicht fortkommen, bte Kugelwunbe fei zwar balb gebeilt, aber nun sei seinem Her zen eine Wunde geschlagen, die niemals heilen würde, wenn er fort müsse unb Jene, bie ihm die Wunde geschlagen, nicht mit ihm ginge. Die Thür stand ein wenig offen unb ich konnte nicht nur jedes Wort verftehen, ich sah auch die Augen des jungen Mannes, welche eine deutlichere Sprache redeten, wie sein Mund. Und ick sah meine Her rin, wie eine helle Gluth in ihren Wan gen brannte, sie sagte kein Wort und eilte hinaus aber ich wußte genug! Unb barunt sage ich Dir, Pedro. Donna Marietta liebt den jungen Amerikaner und sie wird mit ihm gehen nach seiner Heimath!" ..Wird mit ihm gehen nach seiner Heimath!" wiederholte Pedro mecha nisch. "1 !t:ger 4 Rosina schwieg und schaute ihn eme Weile mit zusammengezogenen Brauen an. Dann trat sie zu ihm, legte ihre Hänbe auf seine Schulter, schüttelte ihn heftig unb sprach mit fast rauher Stimme: „Pedro welch ein Ran bist Du! Komm, laß uns gehen." Damit schritt sie rasch dem Aus gange zu und er folgte ihr wie i» einem Traum befangen. Den Rest bes Mges legte» die Bei den schweigend zurück. Zu Hause angekommen, wechselte Rosina sogleich ibre Kleider, um beim Zubereiten und Austragen des Mit tagsmahles zu helfen. Pedro begab sich nach dem äußersten Enbe des Gartens, wo ein mächtiger Mahoganibaum sich erhob. Dort streckte er sich auf den Boden nieder und starrte mit brennenden Augen in das schimmernde Himmelsblau. Zuwei len biß er seine Zähne zusammen, doch sie knirschten, als müsse er einen inne ren Sckmerz oerwinden. Fast eine Stunde lang hatte er so unbeweglich dort gelegen. Er hörte wie feine Mutter ihn zum Essen rief, aber er gab keine Antwort unb rührte sich nicht einmal. Ein Geräusch von Tritten brang an sein Ohr. Er tum merte sich aber nicht darum und blickte nicht aus, bis eine Gestalt vor ihm auf* tauchte und vor ihm stehen blieb. „Caramba, Du Huno, warum grü ßest Du nicht?" erklang die heroische Stimme Don Manuels. Pedro richtete sich auf. Aber er grüßte nicht, sondern ein herausfor derndes höhnisches Lächeln umspielte seine Lippen. (Fortsetzung folgt.) .. Eine „Nebenbeschäftigung" hält "uns gewöhnlich am Mrksten voa der Pflicht 114 1Sipg,, M? %9£i'1ikv 3 i r4- !ig \n\n Bon Karl Rcuter-Kerger. tigf by the German Pre* & FUt* C%